Samstag, 24. Dezember 2022
Frohe & Gesegnete Weihnachten
Dienstag, 6. Dezember 2022
Donnerstag, 24. November 2022
Samstag, 5. November 2022
Montag, 31. Oktober 2022
Sonntag, 23. Oktober 2022
Über Heil und Heilung - eine Predigt
Herr Roloff hält gerade in der Markusgemeinde von Magdeburg diese Predigt. Man kann zum Evangelisten selbst hier noch ein wenig nachlesen. Anmerken möchte ich zu den gedankenreichen Ausführungen nur: Religiöse Gelehrsamkeit trägt immer die Versuchung in sich, über Gott Recht haben zu wollen, weil der Mensch, jeder Mensch eben recht eigentlich Gott sein will, solange er sich der Gnade verschließt. Aber das erklärt der Prediger u.a. mit Verweisen auf unseren Vater Luther im folgenden hinreichend selbst.
Predigt zum 19. Sonntag nach Trinitatis in der Markuskirche zu Magdeburg - Mk 2, 1-2
Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Der Predigttext steht bei Markus im 2. Kapitel:
Die Heilung eines Gelähmten
1 Und über etliche Tage ging er wiederum gen Kapernaum; und es ward ruchbar, daß er im Hause war. 2 Und alsbald versammelten sich viele, also daß sie nicht Raum hatten auch draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen etliche zu ihm, die brachten einen Gichtbrüchigen, von vieren getragen. 4 Und da sie nicht konnten zu ihm kommen vor dem Volk, deckten sie das Dach auf, da er war, und gruben's auf und ließen das Bett hernieder, darin der Gichtbrüchige lag. 5 Da aber Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. 6 Es waren aber etliche Schriftgelehrte, die saßen allda und gedachten in ihrem Herzen: 7 Wie redet dieser solche Gotteslästerung? Wer kann Sünden vergeben denn allein Gott? 8 Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, daß sie also gedachten bei sich selbst, und sprach zu Ihnen: Was denkt ihr solches in eurem Herzen? 9 Welches ist leichter: zu dem Gichtbrüchigen zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Stehe auf, nimm dein Bett und wandle?
10 Auf das ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht hat, zu vergeben die Sünden auf Erden, (sprach er zu dem Gichtbrüchigen): 11 Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Bett und gehe heim! 12 Und alsbald stand er auf, nahm sein Bett und ging hinaus vor allen, also daß sie sich entsetzten und priesen Gott und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.
Amen
Liebe Gemeinde,
es hat sich so gefügt, dass ich über einen Text des Evangelisten Markus zu predigen habe, der der Patron Ihrer Gemeinde ist. Nun heißt es wohl, Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich hier zunächst von ihm erzählen will. Aber manchmal erfreut es auch, schon Bekanntes wieder zu hören.
Der Apostelschüler schrieb bereits um das Jahr 60 nach Christus das erste Evangelium überhaupt und war eine bemerkenswerte Gestalt der frühen Kirche. Durch seine Mutter, in deren Haus sich die Jünger oft versammelten und in dem auch das letzte Abendmahl gefeiert worden ist, kam auch er mit der Gemeinde in Verbindung und schloss sich wohl besonders innig Petrus an, der ihn sogar seinen Sohn nennt.
Er begleitete dann auch bald den Apostelfürsten und diente ihm als Dolmetscher, denn Petrus sprach kein Griechisch, das damals die Verkehrssprache des gesamten östlichen Mittelmeerraumes gewesen ist.
Mit Paulus hingegen geriet er in Auseinandersetzungen, die aber endlich wieder beigelegt werden konnten. Paulus war es dann wohl auch, der Markus veranlasste, sein Evangelium abzufassen, für das die Predigten des Petrus die entscheidende Grundlage werden sollten. Besonders charakteristisch für dieses Buch ist seine Kürze und prägnante Betonung der Leidensgeschichte Jesu.
Gegen Ende seines Lebens kam Markus nach Alexandrien, einer der damaligen Weltmetropolen, wurde Bischof der Stadt und Gründer der koptischen Kirche, die bis heute in Ägypten besteht, und der etwa 10 % der ägyptischen Bevölkerung angehören. Der seit 2012 regierende Papst Tawadros II. zählt als 118. Nachfolger des Hl. Markus.
Markus fand sein Ende im Jahre 68, als ihn Feinde der Kirche vor dem Altar überfielen und ihn mit einem Strick um den Hals zu Tode schleiften. Sein Gedenken wird am 25. April gefeiert. Die Gebeine des Heiligen gelangten nach Venedig, wo ihnen im frühen 11. Jahrhundert der berühmte Markusdom gebaut wurde.
Die Legende weiß, dass bei den Arbeiten zu diesem einzigartigen Gotteshaus ein Handwerker vom Gerüst stürzte und durch sein Gebet zu Markus dann unverletzt geblieben ist. Diese Geschichte brachte dem Evangelisten das Patronat über die Maurer ein und führt uns zum Thema der Heilung und damit zu unserem heutigen Evangeliumstext zurück.
Markus stellt das große Thema Heilung ganz an den Anfang seines Buches. Tatsächlich kann man das ganze Evangelium als die Geschichte einer Gesundung lesen. Dazu braucht es allerdings die Erfahrung von Krankheit und die Gewissheit des Todes. Die Krankheit setzt unserem Leib, unseren Kräften und unserem Leben Grenzen. Erst die Krankheit erweckt die Sehnsucht nach Heilung.
Und über etliche Tage ging er wiederum gen Kapernaum; und es ward ruchbar, daß er im Hause war. Und alsbald versammelten sich viele, also daß sie nicht Raum hatten auch draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. So beginnt unsere Geschichte.
Bereits der Name Kapernaum macht uns darauf aufmerksam, dass wir uns in der Heimat des Apostels Petrus und weiterer Jünger befinden. Darum dürfen wir annehmen, dass Markus das Geschehen, von dem hier berichtet wird, aus einer Predigt des Apostelfürsten kannte oder gar selbst zugegen gewesen ist. Das Evangelium ist ein großes Licht, das unserer Welt geschenkt ist.
Erst die Dunkelheit unserer Welt erweckt die Sehnsucht nach dem Licht.
Martin Luther ist und bleibt ein wichtiger Lehrer der reformatorischen Kirchen und wir tun gut daran, oft und gern bei ihm zu lesen, hat in seiner großen Streitschrift gegen die Humanisten „De servo arbitrio“ – Vom unfreien Willen – die ganze Heilige Schrift „ein geistliches Licht“ genannt, das „heller ist als selbst die Sonne“. Er wandte sich damit gegen „die verderbliche Rede der Sophisten, die Schrift sei dunkel und zweifelhaft“.
Die Schrift strahlt heller als die Sonne, denn sie zeugt von dem, der alles geschaffen hat und dessen erste Worte waren: „Es werde Licht!“ Wer die Schöpfungsgeschichte kennt, der weiß, dass Sonne, Mond und alle Sterne erst am vierten Tag geschaffen worden sind. Sie überstrahlen wohl zu ihrer Zeit jenes Licht vom Anfang. Dennoch ist das geistliche Licht heller als die Sonne.
Jesaja verkündet von ihm: „Deine Sonne wird nicht mehr untergehen, noch dein Mond den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“ Und an anderer Stelle verheißt er uns: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell!“ Erst in der Dunkelheit erwacht unsere Sehnsucht nach dem Licht.
Der Zusammenhang zwischen Licht und Heilung macht darauf aufmerksam, dass wir es in Christus nicht mit einem zweifelhaften Heiler zu tun haben, über dessen Wunder man streiten könnte. Dieser Streit ist der Zugang der verderblichen Sophisten zum Evangelium. Sie finden am Ende alles dunkel und zweifelhaft. Genau darauf weist Luther uns hin.
Diese Klugen geben bis in unsere Tage immer wieder vor, sie würden uns einen wahrhaftigeren Jesus vorstellen, wenn sie ihn von allen unglaubwürdigen Wundergeschichten befreiten und ihn uns dadurch ganz gleich machten, sie berauben ihn mit ihrem Tun aber nur seiner Gottheit und machen die Offenbarung zunichte. Und in allem geht es ihnen nur darum, den kläglichen Schimmer ihres eigenen Verstandes herauszustellen, durch den sie meinen, über der Schrift zu stehen.
Die reformatorische Kirche aber beharrte zu allen Zeiten ganz besonders auf „sola scriptura“, auf den Vorrang der Schrift, und drückte damit aus, dass die Bibel der Maßstab ist, dass die Bibel der Maßstab sein muss, denn den „verborgenen Gott“ können menschliche Wesen nicht verstehen, er kann von menschlicher Rationalität nicht erfasst werden. Genau darin drückt sich Luthers Grundüberzeugung vom Wesen des Menschen aus: „Der Mensch kann nicht von Natur wollen, dass Gott Gott sei; vielmehr wollte er, er sei Gott und Gott sei nicht Gott.“
Diese ins Böse führende Anmaßung des Menschen hat sich in der Moderne radikal verschärft, sie ist gleichsam der dominante Irrtum unserer Zeit geworden. Genau dieser Anmaßung, der Mensch könne aus sich heraus, aus Humanismus, aus Erkenntnis, aus Vernunftgründen Gutes tun, trat Luther, trat die gesamte Reformation mit aller Macht und mit Entschiedenheit entgegen.
Gerade darin ist die Reformation in unseren Tagen aktueller denn jemals. Kirche und Theologie sind nicht dazu berufen, Christus uns gleich zu machen, indem wir ihn seiner Wunder berauben und seine Auferstehung in Zweifel ziehen, sondern Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, um uns sein Heil zu senden, um uns heil zu machen, um uns in der Einheit mit ihm Heilung und Heiligung zu schenken.
So sind wir denn erneut bei unserem Predigttext: Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. In Jesus Christus hat sich nämlich der verborgene Gott verlassen. Er hat sich in unser Menschsein hinein erbarmt, ist gegenwärtig geworden. Der sophistische und anmaßende Streit, ob und wie Jesus Wunder gewirkt und Menschen geheilt hat, versteht das Geschehen von der Wurzel her nicht. Die Gegenwart Gottes als Mensch und seine bleibende Gegenwart als Herr der Kirche ist das Wunder. In ihr geht uns das Licht auf, das ewig ist.
Aus der Gegenwart des Herrn heraus ist den Kranken geholfen, die Gegenwart Christi vertreibt die Teufel.
Aus der Begegnung mit dem Herrn erwächst Heilung und die Erkenntnis, dass wir im Leiden dem Herrn ähnlich werden. Darum sollen wir seine Gegenwart suchen, und ehren seine Gegenwart im Sakrament. Der lutherischen Reformation ist dies ein unaufgebbares Bekenntnis, der Herr ist in seiner Kirche gegenwärtig. Jedermann sucht ihn. Von diesem Gedanken ist auch diese Heilungsgeschichte ganz und gar bestimmt.
Die Menschen, die den Kranken auf seiner Liege herantragen, sind sich sicher, dass die Begegnung mit dem, zu dem sie da gerade nicht gelangen können, alles verändern wird. Darum sind ihnen auch alle Mittel recht. Sie graben das Dach auf, sie räumen alles beiseite, was sie hindert, zum Herrn zu gelangen. Aber genau dadurch wird deutlich, was eigentlich unser Leben ausmachen muss, damit es wahrhaft Leben genannt werden kann. Es muss nach dem suchen und zu dem drängen, der Ursprung und Ziel allen Lebens ist.
So wie die Pflanzen sich nach der Sonne drehen und zum Licht hinwachsen, so wird der Mensch zum Menschen und zum lebendigen Wesen, durch seine Suche nach Gott. Was würden wir halten von einer Revolution unter den Pflanzen, nach der sich jede Pflanze zu ihrer Sonne wenden kann oder auch die Sonne überhaupt verneinen.
„Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“
So, wie dieses Gebet von Nikolaus von der Flüe, so soll unser ganzes Leben sein.
Darin geschieht das Wunder, dass wir uns zu ihm wenden. Und Christus spricht:
„Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ Es waren aber etliche Schriftgelehrte, die saßen allda und gedachten in ihrem Herzen: Wie redet dieser solche Gotteslästerung? Wer kann Sünden vergeben denn allein Gott?
Den Schriftgelehrten wird ihre theologische Reflexion zu einer Anklage gegen Gott, denn der Herr ist Gott. Ihnen wird ihre Gelehrsamkeit zur Ursache, sich von Christus abzukehren.
Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, daß sie also gedachten bei sich selbst, und sprach zu Ihnen: Was denkt ihr solches in eurem Herzen? Welches ist leichter: zu dem Gichtbrüchigen zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Stehe auf, nimm dein Bett und wandle?
Christus droht ihnen das Wunder geradezu an!
Auf das ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht hat, zu vergeben die Sünden auf Erden, (sprach er zu dem Gichtbrüchigen): Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Bett und gehe heim!
Und alsbald stand er auf, nahm sein Bett und ging hinaus vor allen, also daß sie sich entsetzten und priesen Gott und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.
Christus heilt hier zwar eine beklagenswerte Kreatur. Vor allem aber macht er sie zu einem hellstrahlenden Zeichen gegen den Unglauben und gegen eine Theologie, die uns von Gott trennt.
Das ist und bleibt darum unsere Hoffnung, dass er von allen Menschen gesucht und am Ende gefunden wird. Lauft ihm nach, sucht seine Nähe, deckt die Dächer ab, überwindet die Schranken. Das Menschsein erfüllt sich erst in der Begegnung mit ihm. Die Gegenwart des Erlösers ist das eine große Wunder in dem alles seinen Grund und seine Ursache hat. Aus der Begegnung mit ihm erwachsen Heilung und das Heil.
Amen
Und der Frieden Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn.
Thomas Roloff
Samstag, 15. Oktober 2022
Beim Wühlen in Zettelkästen
Das Obige ist eine Versammlung junger Christen vor dem Schloß zu Güstrow (vor sehr langer, nahezu vergessener Zeit), von denen sich offenkundig jeder in der ihm angemessen erscheinenden Pose befand, eingeschlossen dieses ältere Ich (das ohne Instrument, aber mit offenkundig belehrender Geste).
Ich suchte eigentlich nach der Tel.-Nr. von Frau Reimer-Meißner, gegenwärtige Inhaberin der alt würdigen Fischerei Reimer aus Rödlin, bei der ich, solange meine inzwischen länger verewigte Frau Mutter noch lebte, öfters das eine oder andere Stück toten Fischs erworben habe (ich fand sie sogar).
Sie hat, und hier vertrauen wir den Qualitätsmedien des gegenwärtigen Gemeinwesens einfach mal, dessen Staatsoberhaupt kürzlich hier weilte, demselbigen folgendes mitgeteilt:
Sie habe 70 ihrer rund 700 Hektar Wasserfläche aufgeben müssen, da der Müritz-Nationalpark dort keine Fischerei mehr zulassen wolle. "Wir haben die Braunen und die Roten überstanden, nun müssen wir mit den Grünen streiten", und sie könne nicht verstehen, daß die uralte Fischerei dort nicht mehr arbeiten dürfe, wo es immer Fischerei gegeben habe.
Natur ist gut, wenn sie allein gelassen wird, doch der Mensch ist böse, stört und muß darum weg, fällt mir da sofort ein. Ihre Farbenfolge war schon recht treffend, in mehr als einer Hinsicht.
Als Antwort habe der obig Genannte seinen Respekt vor ihrer Arbeit bekundet. Die Zeiten halt.
Montag, 10. Oktober 2022
Dienstag, 27. September 2022
Über Persien
Möge der Herr seine Hand über Persien halten
Mohammad Reza Pahlavi tomb at Al-Rifa'i Mosque in 2017, photo by Hatem Moushir
Samstag, 17. September 2022
Herzogliche Hochzeit
Die Fürstenberger Schützen sind die einzigen, die noch die alte Strelitzer Uniform tragen (grüne, doppelt geknöpfte Röcke, schwarze Halbschuhe, weiße Hosen und einen schwarzen Zylinder mit weißen oder roten Schwanenfedern).
Das alte Haus Mecklenburg zeigte sich an diesem Tag von seiner lebendigsten Seite, und für Neustrelitz füllte sich der Name "Residenzstadt" wieder für einige Augenblicke mit Bedeutung.
Möge Gottes reicher Segen auf dieser Verbindung ruhen!
nachgetragen am 20. September
Samstag, 3. September 2022
An der Grabstätte von Kronprinzessin Cecilie
Sonntag, 21. August 2022
Eine Predigt im Dom zu Magdeburg
Westfront des Magdeburger Doms in den 1930er Jahren, von hier
Predigt am 10. Sonntag nach Trinitatis
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Der Predigttext zum 10. Sonntag nach Trinitatis steht bei Matthäus im 5. Kapitel:
Jesu Stellung zum Gesetz
17 Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. 18 Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe. 19 Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute also, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. 20 Denn ich sage euch: Es sei denn eure Gerechtigkeit besser als der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.
Liebe Gemeinde,
die Erfüllung von all dem, was verheißen ist, darin liegt unsere Erlösung.
Die Verführer, oder soll ich sagen, der Verführer, redet uns ein, dass die Überwindung von allem, was vertraut und bekannt war, die ganz große Befreiung wirkt. Immer wieder und in ganz verschiedenen Variationen rennt er gegen das Gewordene an. Er will Gewordenes wieder zunichtemachen.
Goethe hat in seinem Faust das innere Wesen des Verführers genauestens beschrieben.
[Ich bin] ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. ...
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Wo aber der Versucher derjenige ist, der verneint, da kommt unser Herr zu uns als das große und einzigartige und bleibende Ja. Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Westfassade des Magdeburger Doms, von hier
Und er sagt auch, nicht der kleinste Buchstabe wird zergehen. Glauben wir das? Ja, wir glauben es, weil wir anderenfalls nicht mehr seine Kirche sein würden.
Dieser Dom und seine Gemeinde, der ich auch tief verbunden bin, schon allein darum, weil ich in dieser Stadt lebe und hier ordiniert wurde, sind dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Immer wieder wurde er in seiner Geschichte erneuert, umgebaut und wiederaufgebaut. Jeder in der Gemeinde trägt dazu bei, dass dieses Haus ein lebendiger Ort ist und bleibt.
Der eine durch das stille Gebet im Gottesdienst, ein anderer durch seinen Gesang und wieder jemand durch seine Spende und durch ehrenamtliches Engagement in der Gemeindeleitung, im Chor und in den Fördervereinen, nun auch für das neue Geläut, dass die ganze Stadt rufen soll.
Mit soviel Arbeit, Hingabe und Liebe bewahren und beleben wir das, was nun aber nur Gleichnis und Verheißung von dem ist, wovon Christus in unserem Predigttext spricht. Die Mauern des Domes sind gleichsam nur Hülle für die Verkündigung von Gesetz und Propheten. Ohne die Gültigkeit der Verheißungen Gottes hat dieses Haus keinen Sinn.
Magdeburg-Teil der Westfassade Dom, von hier
Nur weil Gott Schöpfer und Erlöser der Welt ist, wird jede Kirche so etwas wie ein Abbild von Gottes Bauplan. Meist sind Kirchen, so wie unser Dom, orientiert und auf den Lauf der Erde um die Sonne bezogen. Jede Kirche verkündet schon dadurch unser Bekenntnis, dass der Welt Gottes Ordnung eingeschrieben ist.
Jede redliche Wissenschaft ist immer der Vernünftigkeit auf der Spur, die in allen Dingen liegt und die sich durch uns entdecken lässt. Wäre Wissenschaft aber jemals auf den Gedanken gekommen, dass wir diese Fundamente der Welt selbst machen oder auch nur verändern könnten?
Detail der Westfassade des Magdeburger Doms, von hier
In vergleichbarer Weise sollen wir nun auch, und das wird im Evangelium für den heutigen Sonntag mit großem Nachdruck unterstrichen, in Gottes Gebot der Liebe ein Fundament dieser Welt erkennen. Wir sollen Gott lieben, seine Allmacht achten und ihm vertrauen. Gott zu lieben und seine Allmacht zu achten bedeutet aber vor allem, der Selbstmächtigkeit abzusagen. Die Liebe zu Gott und der Glaube an seine Allmacht und daran, dass er alles geschaffen hat, ist unsere einzige Möglichkeit, das menschliche Maß zu finden. Wir sollen uns wieder auf das, dem Menschen Mögliche verweisen lassen. In unserer Liebe zu Gott werden wir erst ganz eigentlich zu Menschen.
Oder glauben wir tatsächlich, dass der Allmächtige unsere Hilfe nötig hätte, damit geschieht, was er will? Gott erhält diese seine Welt und nicht ein Tüttelchen wird vergehen von dem, was er verheißen hat. Gebot und Verheißung unterliegen nicht unserem Verfügen.
"1.8.1955 Schutzmauer hielt... In wenigen Wochen kann das... Baudenkmal, das in diesem Jahr 1000 Jahre alt wird, freigegeben werden... Seit 1943 war diese Statue hinter einer Schutzmauer den Blicken aller entzogen. Mit grosser Vorsicht wurde jetzt die Mauer abgetragen, hinter der das Abbild Kaiser Otto I. die letzten Kriegs- und Nachkriegsjahre geborgen war." Von hier.
Das ist uns zur Verkündigung aufgetragen. Das ist die Aufgabe der Kirche. Das ist es, was wir zu tun haben.
Soll das denn aber heißen, dass wir frei zu völliger Willkür sind? Nein. Auch dem muss widersprochen werden. Aber gültig bleibt Gottes Verheißung, dass alles böse menschliche Tun seinen Willen zum Guten nicht und niemals überwinden kann. Das hat der Allmächtige am Kreuz gewirkt.
Dom, Magdeburg: Ansicht der nordöstlichen Seite des Chorumganges im Emporenumgang des s.g. Bischofsganges (1878 oder früher), von hier
Darum dürfen wir uns nicht in den Chor der Unheilspropheten einreihen, die überall durchs Land laufen und rufen Untergang, Untergang! Und der Predigt vom Untergang folgt immer die Verheißung der Selbsterlösung auf dem Fuße. Die Predigt von der Selbsterlösung ist in ihrem Kern aber immer die Absage an den Erlöser!
Dom, Magdeburg: Ansicht der nördlichen Seite des Chorumganges mit Darstellung der Madonna, (1878 oder früher), von hier
Die Absage an den Erlöser kann aber doch immer nur ins Unheil führen. Nur im Bekenntnis zum Schöpfer und zum Erlöser der Welt finden wir Maß und Mitte und finden wir zu dem, was uns erst wahrhaftig zu Menschen macht. Darum sind Liturgie und Gottesdienst und Gebet so wichtig. Sie wirken und geben uns gleichsam einen inneren Kompass.
Kaiser Otto I. und seine Gemahlin Editha von England, von hier
Lasst euch nicht irre machen!
Wer hätte vor wenigen Jahren für möglich gehalten, dass der schlichte Satz: „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie einen Mann und ein Weib“, einmal in Zweifel gezogen, sogar zum Anstoß werden würde?
Wer hätte für möglich gehalten, dass der Vers: «Es ist in keinem andern Heil (. . .) denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.», mit dem ein König bekundete, dass er eben nicht die höchste Instanz ist und auch ihm Demut aufgetragen wurde und der wieder die Kuppel des wiedererrichteten Stadtschlosses in Berlin schmückt, einmal für Feindschaft sorgen würde?
Eines ist doch erstaunlich. Die scheinbar schwindende Bedeutung der Kirche führt offenbar nicht dazu, dass man diesen, dann doch gleichsam nur „kulturellen Hinterlassenschaften“ eines christlichen Zeitalters gelassen gegenübersteht.
Traut man hier dem Wort selbst mehr zu als seinen Verkündigern? Und wenn es so ist, dann ist doch gerade das ein Beweis für die Macht von Gottes Wort, von dem nicht der kleinste Buchstabe vergehen wird. Wenn es so ist, dann soll uns auch das in unserem Vertrauen auf Gesetz und Propheten bestärken. Die Kirche wird immer vom Wort Gottes her erbaut.
Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute also, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.
Wenn die Anfeindungen des Widersachers dazu führen, dass wir umso treuer am Wort Gottes festhalten und es fröhlich und furchtlos in die Welt tragen, nicht als etwas, das wir gemacht haben, sondern als das, was uns als kostbarstes Gut anvertraut ist, so wäre dann sogar auch hier am Ende noch einmal Goethe Recht zu geben, dass der, der zunichtemachen will, zwar das Böse sucht und dann doch das Gute schafft.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.
Amen
Thomas Roloff
nachgetragen am 23. August