Freitag, 21. Januar 2022

Über den Prinzen Carl & das Ende einer Linie

Ansicht des Schlosses Glienicke vom Babelsberg aufgenommen, Carl Daniel Freydanck, ca. 1838, Bild von hier

Was läßt sich Überwältigenderes, Bleibenderes, Trostreicheres über jemanden sagen, als daß er Schönheit in die Welt gebracht hätte. Wir wissen ja meist nur, was andere berichten. Aber wenn wir wirklich Glück haben, finden wir die noch die unmittelbare Anschauung davon. 

Vor 12 Jahren fragte ich an dieser Stelle, was die Königin Luise denn Bleibendes hinterlassen hätte. Nun, ihre Kinder zuallererst. Recht unterschiedlich begabte, aber immer äußerst charaktervolle Kinder. Die Königin soll gesagt haben, er wäre ihr schönstes Kind. So es stimmt, das hätte er wiedergegeben. 

10. Geburtstag von Kronprinz Friedrich Wilhelm 1805 in Paretz (Gemälde von Heinrich Anton Dähling), stehend zwischen seinem Vater, König Friedrich Wilhelm III., und seinen Brüdern Wilhelm und Karl. An Königin Luise lehnt sich Prinzessin Charlotte, daneben ihre Schwester Alexandrine. Bild von hier

Ich spreche vom Prinzen Carl und von Schloß Glienicke. Er hatte das Landgut bei Potsdam 1824 erworben und sah hier die Möglichkeit, seine Italieneindrücke von 1822 im Märkischen in gestalteten Raum zu verwandeln, das Zusammenwirken von antiker Überlieferung und Formempfinden, Architektur und Skulptur, sprechend zu einer zugeneigten Landschaft.

Potsdam und seine Umgebung sind zuerst Stein gewordene königliche Träume, was immer andere dazugetan haben mögen. Davon ist das Schloß Glienicke ein ganz eigentümlicher Teil. Friedrich Wilhelm IV., dem der Ort vieles zu verdanken hat, unterstützte noch als Prinz den Bruder, der ihm mit Sicherheit nicht im Geringsten an Kunstsinn und Begeisterungsfähigkeit für das bedeutsam Schöne nachstand, dabei, seine „italienische Phantasie" Gestalt gewinnen zu lassen.

Blick von der Römischen Bank auf Schloss Glienicke, Carl Daniel Freydanck, ca. 1845 / 1838, Bild von hier

Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius als Architekten sowie Peter Joseph Lenné als Gartenschöpfer schufen dann eine Synthese von Bauten und Landschaft, die beeindruckt mit ihren Sichtbeziehungen zum weiteren Raum, den vollendeten Proportionen, der sanften Harmonie, beiläufiger Schönheit und anhänglicher Überlieferungsfreude, die sich an den gesammelzen Artefakten zeigt, wie antiken Mosaiken aus Karthago und Marmorfragmenten von antiken Skulpturen und Sarkophagen.

Stibadiumsskizze, Carl Daniel Freydanck, 1847, Bild von hier

Man mag sagen, daß dem Prinzen Carl bei seinen glänzenden Anlagen eine wirklich angemessene Aufgabe verwehrt blieb, was zu einer gewissen Resignation geführt haben kann. Unberechtigterweise, denn immerhin sein Werk Glienicke leuchtet seitdem durch die Zeit. 

Er begründete eine Linie des Hauses Preußen. Am 21. Januar 1883 verstarb Carl von Preußen, Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise. Diese Linie endete im Mannesstamm mit dem Tod von Friedrich Karl von Preußen am 19. Juni 2006.

Nachfolgend ist der Trauergottesdienst dokumentiert, den Herr Roloff aus diesem Anlaß halten durfte. 

Reiterportrait, Prinz Carl von Preußen, Friedrich Anton Kilp, ca. 1872, Bild von hier


Trauerrede

auf

SKH Prinz Friedrich Karl von Preußen

(13. März 1919 - 19. Juni 2006)


St. Peter und Paul auf Nikolskoe, 13. Juli 2006


St. Peter und Paul bei Nikolskoe, Carl Daniel Freydanck, 1844, Bild von hier

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

„Wer da glaubt, daß Jesus sei der Christus, der ist von Gott geboren; und wer da liebt den, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist.

Daran erkennen wir, daß wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten.

Denn das ist die Liebe zu Gott, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer,

denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Amen (1. Joh. 5, 1-4)

Noch einmal klingt sein Name laut durch diese Kirche, die seine Vorfahren zur alleinigen Ehre Gottes aber auch zur Verschönerung der Landschaft hier hoch über den Wassern haben errichten lassen.

Noch einmal klingt sein Name laut in diesem Raum und reiht sich in die Folge der Namen von Königssöhnen, die sich unlöslich verbunden haben mit dem Land, das ihren eigenen Namen trägt und dessen Namen sie tragen.

Noch einmal erklingt sein Name:

Prinz Friedrich Karl Viktor Stephan Christian von Preußen.

...und verklingt.

Er führte das Prädikat „Königliche Hoheit“ und hat nun abgelegt alles, was von Hoheit an ihm war und was königlich gewesen, das ist nun fern.

Wappen von Prinz Friedrich Karl von Preußen als Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, Bild von hier

Wir haben uns versammelt um das herum von ihm, das sterblich war und wollen Abschied von ihm nehmen hier an dem Ort, der wie kaum ein anderer mit seinem Zweig der Familie verbunden war, der nun mit ihm erlischt.

Als Friedrich Karl von Preußen am 13. März 1919 in Glienicke geboren wird, ist die Monarchie bereits zerstört.

Von Anfang an zeugte also schon sein Name von einer anderen Welt, von vergangener Zeit. Das Oberhaupt der Familie war im Exil, das Land zerrissen, die Gefahren längst nicht gebannt. In allem drückte sich aus, dass diese Welt noch weniger Heimat sein konnte als jemals und auch ein königlicher Prinz nur ein Wanderer ist, ohne bleibende Stadt. Ist dort schon die Ursache zu suchen für das Unbeständige, das sein Leben immer wieder tragisch überschattete?

Friedrich Karl war gerade acht Jahre alt, als er seinen Vater, Friedrich Sigismund, einen erfolgreichen und bewunderten Reiter, der unser Land bei der Olympiade in Amsterdam vertreten sollte, durch einen Unfall verlor.

Der Vater hatte im Sport einen Weg gefunden, seinem Land zu dienen, seiner Familie Ehre zu machen und sich selbst Ziele zu setzen. Gerade hatte er seiner Familie ein Haus am Lehnitzsee erworben, konnte es selbst aber nicht mehr beziehen.

Wir haben hier keine bleibende Stadt.

St. Peter und Paul in Berlin-Wannsee. Kolorierte Lithographie, ca. 1850, Bild von hier

Es war nun die Mutter allein, die ihre beiden Kinder mit der Liebe einer Frau aufzog, die leider auch viel zu früh sterben musste. Seit 1938 waren beide Kinder Waisen.

Im II. Weltkrieg diente Friedrich Karl als Oberleutnant, bis er im August 1943 in Folge des so genannten „Prinzenerlasses“ aus der Wehrmacht entlassen wurde. Damit war ihm die Möglichkeit genommen, dem zu entsprechen, was der Herzog von Braunschweig schon im I. Weltkrieg durch die Worte beschrieben hatte: „Für uns Fürsten ist das einzige, was wir für die braven Leute tun können, das, dass wir mit ihnen leiden, bei ihnen sind, ihnen zeigen, dass wir auch wie sie von allem fern bleiben müssen und können.“

Ein Studium der Forstwirtschaft folgte und verschaffte Friedrich Karl zumindest Möglichkeiten, um in der Heimatlosigkeit, die dem Zusammenbruch folgte, wieder Fuß zu fassen. Nachdem er 1961 Lady Stuart geheiratet hatte, hätte eigentlich sogar doch noch ein schönes Leben beginnen können.

Es war ihm nicht vergönnt.

Ein grauenhafter Unfall entriss ihm die geliebte Frau. Auch die Geburt als Prinz verschafft kein Anrecht auf Glück. Friedrich Karl ging für einige Jahre nach Afrika. Er erlebte das Scheitern einer zweiten Ehe, bevor er sich für seine letzten Jahre auf die spanischen Balearen zurückzog.

Von dort ist er nun hierher heimgekehrt. Als den letzten Herrn auf Glienicke werden wir ihn anschließend auf dem Prinzenfriedhof beisetzen, auf dem auch schon seine Eltern ruhen.

Sein Leben, wie auch sein Leib sind nun zu Asche verbrannt. Mehr wäre also nicht zu sagen, wenn er nicht getauft wäre in Jesus den Christus, denn dadurch ist er von Gott geboren.

Gott prüft uns in unserem Leben, zuweilen entreißt er uns was wir lieben, zuletzt ruft er uns selbst aus dieser Welt, aber niemals verlässt er uns.

Durch diese Liebe zu einem Gott, der uns nicht verlässt, ertragen wir die Verlassenheit. Die Verlassenheit, die uns in dieser Welt befällt, wird zur Gnade, weil sie uns zu jeder Zeit in Erinnerung ruft, dass wir auf dieser Welt nicht ganz zu Hause sind, sondern die künftige suchen.

Das Leid, das wir zu tragen haben, bleibt nicht sinnlos, weil es uns Anteil nehmen lässt am Leid der Mitmenschen und am Leid Christi. Die Ruhelosigkeit wird zum Zeichen für alle, weil sie kündet von der Ruhe, die wir eben nur finden können bei Gott.

Wie verwandelt ist nun unser Blick auf Friedrich Karl. Das was für ihn schwer zu tragen war, wird uns zum Zeichen.

St. Peter und Paul - Schnitt Altarnische, Bild von hier

Die ganz selbstverständliche, keine Grenzen kennende, universale und kosmopolitische Wirklichkeit seiner Familie ist etwas, um das die Völker heute wieder ringen, nachdem sie ihren Wert so lange gering geschätzt haben.

Die Bedeutung der großen Familien ist doch auch darum gesunken, weil das Bewusstsein von der Einheit, Gemeinsamkeit und von dem Wert der Geschichte geschwunden ist. Wir alle werden diese Gewissheit aber nur wiederfinden in dem Glauben, der Menschen und Völker untereinander verbindet und auch zu dem Gott führt, der in Christus alles niederreißt, was uns trennen will und sei es der Tod.

In diesem Glauben hat Friedrich Karl gestanden und nun alle Hoheit und alles Königliche abgelegt, in das die Welt ihn gestellt hat, und das sie doch nicht erfüllen konnte.

Von diesem Tag an kündet aber die Kirche hier hoch über den Wassern auch von seinem Leben und von dem Leid, das ihn heimgesucht hat, denn er ist nun aufgehoben in die Verheißung: Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. In diesem Sieg werden ihm Hoheit und Königlichkeit zu Teil, die unvergänglich sind.

Amen


Lasset uns beten:

Herr, unser Heiland,

du kommst zu uns mit unergründlicher Liebe

und gibst uns den Frieden, der höher ist als alle Vernunft.

Amen

St. Peter und Paul in Berlin, Christus, Bild von hier

nachgetragen am 23. März 2022


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