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Dienstag, 4. August 2009

Darüber, einem Sarg zu folgen - Knut Hamsun


Portrait des norwegischen Komponisten Christian Sinding
sowie der Autoren Gunnar Heiberg und Knut Hamsun
von Henrik Lund (1879-1935), 1926
hier gefunden

Als Knut Hamsun 1952 starb, folgte seinem Sarg nicht einmal eine Handvoll Menschen. Der Literaturnobelpreisträger hatte für seine Liebe zu Deutschland schwer gebüßt.

"Erst im Wald kam alles zur Ruhe in mir, meine Seele wurde ausgeglichen und voller Macht." - Pan

So ist es wohl, wenn man sich in einen schwierigen Menschen verliebt, der überragende Anlagen vorzuweisen scheint und dann abgrundtief abirrt. Man mag den überlebenden Liebenden dafür schlagen, wie es geschehen ist, wenigstens hat man ihn nicht in einen Tierkäfig gesperrt wie Ezra Pound.

Sein Nachruf auf Hitler vom 7. Mai 1945 ist erschütternd, und das nicht deshalb, weil irgendetwas daran wahr wäre:

„Ich bin nicht würdig, über Adolf Hitler mit lauter Stimme zu sprechen und zu irgend welchen rührseligen Redereien laden sein Leben und sein Wirken nicht ein. Er war ein Kämpfer für die Menschheit und ein Verkünder der Botschaft vom Recht für alle Nationen. Er war eine reformatorische Gestalt von höchstem Range und sein historisches Schicksal war, daß er in einer Zeit beispielloser Niedertracht wirken mußte, die ihn am Ende zu Boden schlug.”

Nach Kriegsende wurde er erst in eine Nervenheilanstalt verbracht und dann als Landesverräter verurteilt. Verkündet wurde das Urteil im Gerichtsgebäude von Grimstad, dessen Vorplatz jetzt in Hamsun-Platz umbenannt wird.

***

Es hilft, über festgefügte moralische Urteile hinwegzukommen, wenn man sich deren Urheber und das Ziel genauer anschaut. Aber das ist gerade von keiner näheren Bedeutung.

Um für eine Minute persönlich zu werden, ich bin bisher um sein Werk herumgeschlichen wie eine unschlüssige Katze, die nicht weiß, ob die Milch nicht vielleicht doch vergiftet ist, das einzige, das ich von ihm gelesen habe, ist „Auf überwachsenen Pfaden“, das der nahezu Neunzigjährige taub und fast blind schrieb, womöglich nur als Zeugnis seiner ungebrochenen geistigen Kräfte.

„Und dazu kann der Mensch nichts sagen, keine zudringlichen Fragen stellen. Die Berge stehen dort drüben in ihrer Schwere ganz für sich, der Wald ist steintot und zuschanden gefroren, alles schweigt zu allem, der Schnee ist weiß und gut und liegt da, der Frost weist alle Ebenbürtigkeit von sich und läßt den Menschen nicht zu Wort kommen.“

Hamsun ist ein Mensch, der die Grenzen des Lebens erfahren und ihnen getrotzt hat. Er bewunderte Deutschland, er sah in ihm das, was an Europa jung und zukunftsversprechend war, er haßte den britischen Imperialismus, den er wie vor der eigenen Haustür so auch am Burenkrieg erkannte, genauso wie er den Kommunismus haßte.

Sein Elend war, daß er seine Hoffnungen auf einen anderen Abgrund setzte. Und er sah keinen Anlaß, sein Urteil den Windströmungen anzupassen. Zum Zeitpunkt des berüchtigten Nachrufs hatte er lange keine Illusionen mehr über Hitler, aber an seiner Liebe zu Deutschland hielt er trotzig fest. Ich denke, nichts anderes war auch dieser Nachruf, ein letztes Aufbäumen von Trotz und vielleicht auch Todessehnsucht.

„Amtsrichter Stabel ist fanatisch, ja phantastisch in seinem Haß auf Deutschland, er glaubt fest wie das Senfkorn in der Bibel an das edle und reine Recht der Alliierten, die deutsche Nation zu zerstören und sie von der Erde zu vertilgen.“

Hamsun findet gerade wieder nähere Beachtung. So hier und hier. Das norwegische Königshaus hat das Gedenken unterstützt, Königin Sonja tat das mit den Worten: „Man sollte zwei Gedanken auf einmal denken dürfen und zwischen Literatur und Mensch unterscheiden“.

„Und nun liegt Topsöes Buch dort auf dem Tisch und ist noch ebenso unaufgeklärt wie vorher, aber es plagt mich nicht mehr, zu erfahren, wer es im vorigen Jahrhundert besessen hat. Nichts ist so wie der Hauch des lebendigen Lebens.“

„Schlaf bedeutet, daß ich endlich den starken Seemann loswerde, den ich gerade umbringen will und der mich zum Dank dafür mit einer Gartenschere kneift. Ja so herrlich erfüllt von Fabulieren und Leben und Wunder ist der Schlaf.“

„Wir sind alle miteinander auf der Reise nach einem Land, in das wir noch früh genug kommen. Es eilt nicht mit uns, wir nehmen die Zufälle mit auf den Weg. Nur Narren greinen zum Himmel auf und erfinden große Worte über die Zufälle, die ausdauernder sind als wir und nicht zu umgehen.“

(Knut Hamsun, Auf überwachsenen Pfaden, DTV 1990, ISBN 3-423-12942-5)

Knut Hamsun wurde vor 150 Jahren in Garmostræde als Knud Pedersen geboren, also am 4. August 1859. "Laß sein, Marie, jetzt sterbe ich", waren seine letzten Worte für seine Frau. Knut Hamsun starb am 19. Februar 1952 in Nörholm. Ich wünschte, ich hätte an seinem Sarg stehen können.

Donnerstag, 19. Februar 2009

Über Luther &


Basilika Sonntagberg nahe Waidhofen/Ybbs
(c) Walter A. Aue

Wahrscheinlich sind selbst wir manchmal nur eine Art Medium, wir tun etwas, und was entstand gefällt, ohne daß wir wissen, warum. Es kam uns halt nur ein wenig richtig vor. Die Auswahl an Schneebildern, die wir hier kürzlich präsentiert haben, völlig gelegentlich beim frustierten „Schneeschippen“ entstanden, gefiel ganz verschiedenen Menschen, das freut uns natürlich, aber …

Prof. Aue war so freundlich, mir ein Bild von einer Kirche auf einem Sonntagberg, wenn ich ihn jetzt richtig verstanden habe, nahe Waidhofen a. d. Ybbs zu schicken, wo im Kuppelgemälde „falsche Kirchenlehrer“ malträtiert werden, darunter auch unser Vater Luther. Die Nachricht wird nicht überraschen, daß es sich nicht um eine protestantische Kirche handelt. Ich war so kühn, dieses hier ohne Erlaubnis weiterzuverwenden.

Aber ich muß gestehen, so sehr dieser „Vater“-Begriff nach einer Floskel klingt, es ergeht mir schon (neuerlich wieder) so: Was man liest, ist angenehm von Sprache, es rührt, es schafft Vertrautheit, nicht immer nur willkommene, es erbaut, es sammelt das Zerstreute des eigenen Empfindens - er ist halt ein Seelsorger. Und um das alles ein wenig zu konterkarieren noch ein Zitat:

„Die Welt ist wie ein betrunkener Bauer, hebt man ihn auf der einen Seite in den Sattel, fällt er zur anderen wieder herab. Man kann ihr nicht helfen, man stelle sich, wie man wolle.“

Eigentlich wollte ich hier etwas über Knut Hamsun schreiben, und irgendwie werde ich das folglich dann wohl, denn sobald ich jemanden mag, verliert sich das nicht so leichthin, auch, wenn ich kaum weiß, warum, und mir alles sehr fremd ist. Hamsun hat für seine Sympathie für Deutschland schwer gebüßt, zumal er einen sehr unglücklichen Zeitpunkt dafür erwischt hatte. Ich muß gestehen, von seinen Büchern habe ich lediglich „Auf überwachsenen Pfaden“ gelesen und aus diesem will ich zitieren:

„Und dazu kann der Mensch nichts sagen, keine zudringlichen Fragen stellen. Die Berge stehen dort drüben in ihrer Schwere ganz für sich, der Wald ist steintot und zuschanden gefroren, alles schweigt zu allem, der Schnee ist weiß und gut und liegt da, der Frost weist alle Ebenbürtigkeit von sich und läßt den Menschen nicht zu Wort kommen.“

Das muß man ertragen können, ich weiß, und man kann es, wie wir sehen.