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Donnerstag, 4. Juli 2013

Storm &


Gern hätte ich zum Todestag von Theodor Storm (er starb am 4. Juli 1888, im „Dreikaiserjahr“) etwas geschrieben, aber gegenwärtig wollen meine Gedanken einfach nichts Gescheites zustande bringen, es ermangelt wohl der inneren Ruhe. Es gäbe sehr viel, gerade über das „Nichtlyrische“ zu sagen, aber eben nicht diesmal. Also wieder ein Nachtrag, ein recht später sogar, mit ein paar Gedichten von ihm, dem Hans Theodor Woldsen Storm, die ganz bekannten habe ich überwiegend ausgelassen. 

Übrigens hatte ich eines davon, den „Meeresstrand“, hier früher einmal in der Übersetzung von Prof. Aue angebracht, es ist in der Tat eines seiner schönsten. Vor allem mit der Schlußzeile - „Vernehmlich werden die Stimmen / Die über der Tiefe sind“. Dabei war Storm eher nüchtern veranlagt und nicht unbedingt vom Eifer für das Transzendente getrieben, aber in der Dichtung wächst der Menschen eben über sich hinaus, wenn es denn Dichtung ist.

Dazu sollten ein paar Photos von diesem vergehenden Garten passen, die in den letzten Tagen entstanden sind.


Mondlicht

Wie liegt im Mondenlichte
Begraben nun die Welt;
Wie selig ist der Friede,
Der sie umfangen hält!

Die Winde müssen schweigen,
So sanft ist dieser Schein;
Sie säuseln nur und weben
Und schlafen endlich ein.

Und was in Tagesgluten
Zur Blüte nicht erwacht,
Es öffnet seine Kelche
Und duftet in die Nacht.

Wie bin ich solchen Friedens
Seit lange nicht gewohnt!
Sei du in meinem Leben
Der liebevolle Mond!


In seinem Garten wandelt er allein

In seinem Garten wandelt er allein;
In alle Bäume gräbt er immer wieder
Gedankenschwer den einz'gen Namen ein,
Und in dem Namen klagen seine Lieder.

Sanft blaut der Himmel, milde Rosen webt
Die Sommerzeit durch mächt'ge Blättermassen.
Er schaut sie nicht; die Zeit, in der er lebt,
Ist alt, verblüht, von allen längst verlassen.


Juli

Klingt im Wind ein Wiegenlied,
Sonne warm herniedersieht,
Seine Ähren senkt das Korn,
Rote Beere schwillt am Dorn,
Schwer von Segen ist die Flur –
Junge Frau, was sinnst du nur?


Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit -
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

Wär' ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe - wie flog es vorbei!


April

Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.


Es ist ein Flüstern

Es ist ein Flüstern in der Nacht,
Es hat mich ganz um den Schlaf gebracht;
Ich fühl's, es will sich was verkünden
Und kann den Weg nicht zu mir finden.

Sind's Liebesworte, vertrauet dem Wind,
Die unterwegs verwehet sind?
Oder ist's Unheil aus künftigen Tagen,
Das emsig drängt sich anzusagen?


Die Nachtigall

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Sie war doch sonst ein wildes Kind;
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut
Und weiß nicht, was beginnen.

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

nachgetragen am 9. Juli

Mittwoch, 5. September 2012

See - Stücke II


Theodor Storm

Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton;
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.

Die letzten beiden Zeilen sind im Grunde unübersetzbar und zeigen uns, wie man mit 9 Worten ein ganzes Zauberreich von Bedeutungen in die Luft werfen kann, und dieses sinkt nun langsam herunter, und wir laufen dem Eindruck noch hinterher, bis er ganz verschwunden ist. Nun, ganz verschwunden wird er nie sein.

Es ist ein großes Gedicht. Wie ich auf das Stichwort „Übersetzung“ komme? Herr Prof. Aue hat auch dieses ins Englische übersetzt, es findet sich schon länger in der Liste meiner Übersetzungen.

Die Zahl bedeutenderer deutscher See-Gedichte ist, wenn ich es recht sehe, überschaubar. Und ein Gedicht, das dem „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich an die Seite zustellen wäre (siehe oben), gibt es im Deutschen, soweit ich weiß, bisher nicht. Es gibt Interessantes bei Brockes (bringe ich im Anschluß), natürlich Storm, Heine (nun ja), „Böhmen liegt am Meer“ von Frau Bachmann. Und noch ein wenig mehr.

Man mag einwenden, Deutschland sei ein Binnenland, und sein Gesicht war nicht nach Norden gerichtet, die Sehnsucht ging eher nach Süden. Vielleicht. Natürlich formt auch der Ort, an dem jemand lebt, seine geistige Physiognomie, wie dessen Geschichte, die Verletzungen und Abgründe der Vergangenheit. Der Strom des Lebendigen, der jemanden trägt, der in dunklen, schmutzigen und hell-glänzenden Farben erscheint und dabei so unendlich Verschiedenes mit sich führt. Aber alles in allem, gibt es eher ergreifende Gedichte über den Wald als über das Meer.

Elias Canetti hat bekanntlich darauf eine ganze Völkerpsychologie gegründet (in „Masse und Macht“): „In keinem modernen Land ist das Waldgefühl so lebendig geblieben wie in Deutschland.“ Das Heer, in dem sich der Deutsche geborgen wähnte, sein „Massensymbol“, sei der marschierende Wald. „Das Rigide und Parallele der aufrechtstehenden Bäume, ihre Dichte und ihre Zahl erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude. Er sucht den Wald, in dem seine Vorfahren gelebt haben, noch heute gern auf und fühlt sich eins mit Bäumen.

Ihre Sauberkeit und Abgegrenztheit gegeneinander, die Betonung der Vertikalen, unterscheidet diesen Wald von dem tropischen, wo Schlinggewächse in jeder Richtung durcheinanderwachsen. Im tropischen Wald verliert sich das Auge in der Nähe, es ist eine chaotische, ungegliederte Masse, auf eine bunteste Weise belebt, die jedes Gefühl von Regel und gleichmäßiger Wiederholung ausschließt. Der Wald der gemäßigten Zone hat seinen anschaulichen Rhythmus. Das Auge verliert sich, an sichtbaren Stämmen entlang, in eine immer gleiche Ferne. Der einzelne Baum aber ist größer als der einzelne Mensch und wächst immer weiter ins Reckenhafte. Seine Standhaftigkeit hat viel von derselben Tugend des Kriegers...

Der Knabe, den es aus der Enge zu Hause in den Wald hinaustrieb, um, wie er glaubte, zu träumen und allein zu sein, erlebte dort die Aufnahme ins Heer voraus. Im Wald standen schon die anderen bereit, die treu und wahr und aufrecht waren, wie er sein wollte, einer wie der andere, weil jeder gerade wächst, und doch ganz verschieden an Höhe und an Stärke.“

Ich habe kürzlich gelesen, eine neue Statistik könne die behauptete Neigung der Deutschen zum Wald widerlegen, denn nur ein geringer Prozentsatz würde ihn demnach tatsächlich aufsuchen. Nun, es heiratet auch nicht jeder seinen Jugendschwarm. Es gibt zuviel Unsinn, der einem täglich zugemutet wird, vom Politischen vollständig zu schweigen. Aber weg davon.

Canetti endet mit der erstaunlichen Conclusio:

„Der Engländer sah sich gern auf dem Meer; der Deutsche sah sich gern im Wald; knapper ist, was sie in ihrem nationalen Gefühl trennte, schwerlich auszudrücken.“ Von den Engländern wollen wir diesmal schweigen. Obwohl, wo ich Ingeborg Bachmann erwähnte, „Abschied von England“ ist auch ein großes Gedicht, und fast ein See-Gedicht.
nachgetragen am 7. September

Mittwoch, 14. September 2011

Dies & Das & Storm


aus:

Von Kinder und Katzen, und wie sie die Nine begruben

von THEODOR STORM
(14. September 1817 - 4. Juli 1888)

„…Und wieder kam eine stille, katzenlose Zeit.

Aber wo fände sich nicht eine Aushilfe! Ich konnte ja vortrefflich Katzen zeichnen; - und ich zeichnete! Freilich nur mit Feder und Tinte; aber sie wurden ausgeschnitten und aus dem Tuschkasten sauber angemalt: Katzen von allen Farben und Arten, sitzende und springende, auf vieren und auf zweien gehend, Katzen mit einer Maus im Maule und einem Milchtopf in der Pfote, Katzen mit Kätzchen auf dem Arme und einem bunten Vöglein in der Tatze; den Preis über alle aber gewann ein würdig blickender grauer Kater mit rauhem, bärtigem Antlitz. Ihm wurde in einer Kammer, wo die Kinder spielten, aus Bauholz ein eigenes Haus mit Wohn- und Staatsgemächern aufgebaut. Viel Zeit und Mühe war darauf verwandt worden; deshalb erhielt es aber auch das Vorrecht, vor dem zerstörenden Eulbesen der Köchin durch strenges Verbot geschützt zu werden. Es hieß "das Hotel zur schwarzen Anna"; und "der alte Herr", welchen Namen der Graue sich gar bald erworben hatte, hat lange darin gewohnt…


… In dem geräumigen Taubenschlage auf dem Hausboden hatte sie einst mit vielen schönen Gefährten, Hahnenschwänzen und Mohrenköpfen, gewohnt und sich von dort aus lustig mit ihnen über den grünen Gärten in der Luft getummelt; aber eines Nachts war der Marder eingebrochen, und sie allein blieb die Überlebende. Damit sie in dem großen leeren Schlage nicht allzusehr die Einsamkeit empfinde, wurde das Kaninchen ihr zum Gesellen beigegeben, und da weder dieses von ihren Erbsen, noch sie die Hundeblumenblätter des Kaninchens begehrte, so lebten sie wie Geschwister einträchtiglich beisammen.

Wenn die Taube von ihren Ausflügen heimkam, klappte Nine allzeit freudig mit den Hinterkäufen; denn sie spielten dann Greif oder Haschemännchen miteinander, und da das Kaninchen sehr gut greifen konnte, so geschah es dabei ganz von selber, daß es seiner Freundin einen Mund voll Federn nach dem andern abbiß.—So wurde sie das Täubchen "Federlos" und konnte nur noch mit den Posen fliegen. Aber weiter kam es nicht; die Posen sollte sie behalten. Denn da die Knaben eines Morgens in den Schalg hinanstiegen, flatterte das Täubchen Federlos zwar noch um sie herum, Nine aber lag mit ausgestreckten vieren tot und platt am Boden.


Eilig stürmten sie die Treppen hinab und verkündeten im Wohnzimmer ihre Trauerkunde, wo ich ahnungslos bei meiner Tasse Tee saß. Wahrscheinlich hatte Nine sich an Taubenfedern totgegessen; indessen ich bedachte solches nicht und sagte ohne viele Umstände: ‚Da habt ihr's wohl verhungern lassen!‘ Ob das Gewissen der beiden dennoch nicht ganz rein gewesen?—Aber—hilf Himmel! wie huben auf dieses Wort die kleinen Kerle an zu schreien! Kein Trost, kein Zuspruch half, die Tränen liefen ihnen stromweis über die Backen.

Da trat mein Freund, der Doktor—der als Primaner einst so schön die Klarinette spielte—in die Tür. ‚Hallo! Junges, was ist da los?‘ Die Augen wandten sich zu dem Sprecher, und einen Augenblick lang stockte das Geheul. ‚Doktor‘, rief der eine im wehmütigsten Klagelaut, ‚unser Nine ist tot!‘ ‚Und wir haben es verhungern lassen!‘ schrie der andre.—Dann heulten sie beide wieder mit vereinten Kräften. ‚Jungens!‘ rief der Doktor. ‚Euer Nine wird nicht mehr lebendig! Aber wißt ihr denn das nicht? Wenn es tot ist, so müßt ihr es begraben!‘

Begraben!—Das Zauberwort war gesprochen. Das Geschrei verstummte, die Tränen wurden abgewischt, ein wahres Sonnenleuchten verklärte die Gesichter der beiden Kinder.—Schon waren sie aus dem Zimmer und die Bodentreppe hinauf; und nicht lange, so kamen sie fröhlichen Angesichts mit dem Leichnam ihres Nine angezogen; der eine hatte es an den Ohren, der andre an den Hinterläufen. So zogen wir mitsammen in den Garten hinaus.

Als wir auf dem großen Steige waren, begegnete uns die Manschettenmieße. ‚Miau!‘ sagte sie, indem sie stehenblieb und uns ansah. Der Zug hielt; und die Kinder sahen sie wieder an. ‚Mite‘, sagte der Kleine, noch einmal in seinen Klageton verfallend, ‚unser Nine ist tot!‘ Dann setzte der Zug sich wieder in Bewegung, und Mite machte einen Buckel und sprang mit, um dem Begräbnis beizuwohnen.

Der Doktor hatte schon den Spaten in der Hand, und an der Geißblattlaube unter überhängenden Ulmenzweigen wurde nach reiflicher Erwägung die Stätte auserwählt. Da wurde ich von der Magd ins Haus zurückgerufen und überließ dem Doktor allein die Leitung unsrer Trauerfeierlichkeit.


Drinnen im Hause erwarteten mich ganz andre Dinge. Da war ein Mann, der hatte einen bösen Schuldner, von dem er weder Kapital noch Zinsen erhalten konnte, und wir sprachen wohl eine halbe Stunde miteinander, auf welche Weise ihm zu beidem zu verhelfen sei.

Als ich dann wieder in den Garten hinauskam, war der Doktor nicht mehr da; auch der Körper des verstorbenen Nine war verschwunden, und der Spaten lehnte an der Planke. Die beiden kleinen Totengräber aber—die natürlich ihr Schmierzeug anhatten—lagen neben der Geißblattlaube auf den Knien und hatten einen kleinen seltsam glänzenden Erdhügel zwischen sich, auf dem sie beide eifrig mit ihren rotkarierten Taschentüchern rieben.

‚Was macht ihr da?‘ fragte ich, indem ich zu ihnen trat; denn diese Sache war mir völlig unverständlich. Da guckte der Kleine auf. "Papa!" sagte er, und sein Gesicht leuchtete so fröhlich wie droben kaum die liebe Himmelssonne—"wir polieren Nine sein Grab mit Spucke!"—Und also endete dies vergnügliche Begräbnis.“



Theodor Storm
In seinem Garten wandelt er allein

In seinem Garten wandelt er allein;
In alle Bäume gräbt er immer wieder
Gedankenschwer den einz'gen Namen ein,
Und in dem Namen klagen seine Lieder.

Sanft blaut der Himmel, milde Rosen webt
Die Sommerzeit durch mächt'ge Blättermassen.
Er schaut sie nicht; die Zeit, in der er lebt,
Ist alt, verblüht, von allen längst verlassen.


Theodor Storm
Meeresstrand


Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein

Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.

Mittwoch, 13. Januar 2010

Ein Augenblick Stille


(c) by a friend
Theodor Storm

Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmerung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
Und schweigt dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.




Hugo von Hofmannsthal


Terzinen über Vergänglichkeit

Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?

Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
Daß alles gleitet und vorüberrinnt

Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.

Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar,

So eins mit mir als wie mein eignes Haar.



(c) nbwolf
die ganze Serie findet sich hier



Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen,
Und Träume schlagen so die Augen auf,
Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,

Aus deren Krone den blaßgoldnen Lauf
Der Vollmond anhebt durch die große Nacht.
… Nicht anders tauchen unsre Träume auf,

Sind da und leben wie ein Kind, das lacht,
Nicht minder groß im Auf- und Niederschweben
Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.

Das Innerste ist offen ihrem Weben,
Wie Geisterhände in versperrtem Raum
Sind sie in uns und haben immer Leben.

Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum.


Sonntag, 14. September 2008

Theodor Storm

Am 14. September 1817 wurde Hans Theodor Woldsen Storm geboren, wie nicht zu übersehen, sind wir gerade in Gedicht-Stimmung, also aus der bereits eingeführten Sammlung des Herrn Aue ein solches von dem selbigen Autor.


Theodor Storm

Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.


Theodor Storm

Seashore

Toward ponds now fly the seagulls
and twilight sets the sight;
above the muddy shallows
abides the evening light.

The hoary water-fowl scurry
along the water's seam;
the islands on the ocean
lie misty in a dream.

I hear mysterious sonance
of slowly fermenting morass,
a lonely bird is calling -
forever it was thus.

A final, quiet quiver,
then goes the wind to sleep,
and clear become the voices
that hover o'er the deep."


Übersetzung / Translation
von / by Walter A. Aue