Matthias Grünewald, Himmelfahrt Christi, Isenheimer Altar
Gern hätte ich den ersten thematischen Beitrag nach meiner längeren Absenz mit etwas anderem begonnen, aber manche Dinge müssen halt raus.
Vor noch nicht so langer Zeit schloß sich die evangelisch-lutherische Kirche Mecklenburgs wie auch die Pommerns der sog. Nordkirche (Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland) an, deren anderer Teil in Hamburg und Schleswig-Holstein schon länger als Nordelbische Kirche vereinigt war.
Letztere hatte einen einschlägigen Ruf. Um es leicht verkürzt zu sagen: Sie war eigentlich dafür bekannt, ihr theologisches „Profil“ eher an der Seite von Che Guevara als der von Paulus von Tarsus finden zu wollen. Landesbischof Gerhard Ulrich von besagter Nordkirche hat nun mit einer
Osterbotschaft überrascht, die glänzend diese Linie weiterführt.
Wir wollen uns dieser Botschaft ein wenig widmen. Sie beginnt als Betrachtung über das Bild „Erwartung“ des Malers Hermann Buß. Ein Mann an der leeren Tafel, den Kopf abgewandt. Und jetzt werden die Räucherkerzen angezündet und der Worte-Teppich ausgerollt. Auf diesem geben dann lebensweltlich nahe Worte christlich vertraut erscheinenden Begriffen die Hand zum Tanz:
Ein Abendmahlsbild, ein Karfreitags-, Oster- und Pfingstbild, das Göttliche erleben können, das unter uns Menschen gefährdet sei und verraten werde. Sehnsucht nach der Rückkehr des Verratenen und Vertriebenen, so daß alles „ganz wird, heil und lebbar, was zuvor gebrochen wurde: die große Erwartung an das Leben“.
Jetzt hätten wir schon mal den Sound. Aber er sitzt da immer noch, der Blick ins Leere: „So, wie jeder Trauerblick für eine Zeit ins Leere geht und dort sucht.“
Alle, die an jenem Abend (des Abendmahls) „solidarisch zusammen gewesen“ seien, wären nun davon. Aus Panik, Angst und Ohnmacht. „Weil sie für das Leben und… für Gottes lebendiges Recht eingestanden waren.“ Den Mächtigen habe „ihr öffentliches Erinnern an den Sinn des Lebens“ nicht gepaßt. Nun räumten sie aus dem Weg, wer sie störte, so wie zu jeder Zeit.
Das Erinnern an den Sinn des Lebens war also das Ärgernis, so so. Wie gesagt, er sitzt dort immer noch, verzweifelt, denn: „Die Gemeinschaft der Verbündeten ist aufgeflogen und passé. Jesus ist tot – der Meister, der Rabbi. Der, den sie später den Gesalbten nennen werden, der sich selbst Menschensohn nannte. Der wusste, wie das Göttliche im Menschlichen zu finden und zu retten ist und umgekehrt das Menschliche im Göttlichen. Der für das ganze Leben stand, für seine Fülle und Wahrheit, seine Würde und sein Geheimnis."
Der Mann am Tisch erkenne: Alles sei weg – „diese vitale göttliche Gegenwart, erlebbar im Menschen Jesus von Nazareth und im Zusammenleben mit ihm“. Die Kraft weg, die sie an ihm spürten, vernichtet, erloschen, für immer. Die Tafel leer, der Raum stumm, der Geist des Lebens fort.
Und plötzlich geschieht Ostern. Der Mann hört in sich hinein, „er will sich jetzt nicht mehr verkriechen“, denn er merkt: „Das schadet der Selbstachtung“. Wie wird sein Oster-Erfahren beschrieben? Als „Öffnung“, „Neugierde, vielleicht auch als Forderung dem Leben gegenüber“. Die erlebte Lebensfeindschaft und Menschenverachtung könne nicht das letzte Wort bleiben. „Das will ich nicht. Ich begreife: Das Leben bleibt! Tod hat nicht das letzte Wort. Draußen ist nicht Finsternis. Da ist Leben und Lebens-Licht.“
Jetzt wird das eben beschriebene innere Oster-Erleben praktisch umgebrochen: „Das Leben steht auf gegen den Tod. Die Macht der Liebe gibt sich nicht zufrieden mit der Gegenwart von Hass und Gewalt. Sie tut den Mund auf für die Stummen; sie packt zu, wenn Not an Mann und Frau ist; sie gibt Flüchtenden Herberge und heißt Fremde willkommen als das, was sie sind: Ebenbilder Gottes, wie wir alle.“
Bis jetzt tänzelte der Text sehr selbstgefällig an einer Grenze entlang. Zwar wurde mehr vom Göttlichen als von Gott geredet, es gab auch viel Ostern, wenn auch nur im „Jünger“ selbst, aber als Spiegelung im Inneren eines äußeren Geschehens hätte man es ja wohlwollend mißverstehen können.
Doch jetzt kommt ein Bruch: „Der, der auferstanden ist...“ Nanu, ist er? Davon war doch bisher noch gar nicht die Rede, aber wir dürfen annehmen, das geliebte Sprachbild zog, denn der „...ist zeitlebens aufgestanden gegen alle Entwürdigung. Hat ins Licht gerückt Gerechtigkeit und Frieden, Lebens-Lust und Gottes-Lust“.
Unser Mißtrauen ist zurecht geweckt. Denn die Bildbetrachtung endet und es wird erzählt, was Ostern bedeute, nämlich: Auferstehung. Soweit, so vertraut, doch was für eine!
„Jesu Jünger und Begleiterinnen kommen nach dem Karfreitags-Schock vorsichtig aus ihren Verstecken und Löchern. Sie tauchen allmählich aus ihrer Isolation und Depression auf und begreifen: Jesus, der Gottesmann und Meister, ist tot. Sein Leib wird vergehen wie jeder Menschenleib. Aber das, was in ihm göttlich war, seine Sache, seine Haltung, seine Leidenschaft und sein Einsatz für das wahre Leben, das ist mitnichten tot. Es lebt – wenn sie, die Nachfolger, es wollen. Durch sie und mit ihnen wird es leben.“
„Daran erinnern sie sich jetzt. Mit Herz und Geist und Leib und Seele. Und nehmen es – aus Jesu Händen – jetzt in ihre eigenen Hände...“
Jemand, der mit diesen Sound vertraut ist und ein wenig abwesend war, wird womöglich gar nicht bemerken, was er da soeben gelesen hat:
Jesus ist tot, mausetot, die Würmer haben ihn lange verdaut. Aber was in ihm göttlich war, lebt, wenn wir es wollen und die Sache in die eigene Hand nehmen. Denn seine vergammelt ja lange im Boden Israels.
Dieser Bischof hat (in einer Osterbotschaft!) mal eben den Kern des christlichen Glaubens abgeräumt und den Menschen die Rolle von Gottmachern zugesprochen. Das ist esoterischer Hokuspokus, der um eine so trostlose wie aussichtslose transzendente Leere tänzelt, daß einem erst mal der Atem wegbleibt.
Denn was bleibt dann vom Geist Jesu? Ebenso könnte man vom Geist Goethes sprechen, den wir zur Beförderung der allgemeinen Humanität in uns aufleben lassen dürften, und da der ja auch einen Hang zum Göttlichen hatte, mag es dann unverhoffte Kurzschlüsse in diese Richtung geben.
Man muß kein Christ sein, wirklich nicht, aber warum will jemand unbedingt Bischof sein, wenn er eine Art Kultheroen verehrt, so er das tut.
Übrigens, um wenigstens das zu sagen, zählt es zu den Erstaunlichkeiten der Entstehung des Christentums, daß die Jünger in der Tat von einem toten Messias ausgingen, sie waren verzweifelt, desillusioniert, am Boden zerstört. Die Evangelien sind da erbarmungslos präzise. Und plötzlich gab es mit den Auferstehungs-Erscheinungen, denen zunächst von ihnen nicht einmal geglaubt wurde, einen solchen psychologischen Umschlag, der sie komplett verwandelte. Wenn das eine Gruppensuggestion aus heiterem Himmel war, dann eine beachtliche.
Aber Argumentationen solcher Art dürften vergebliche Liebesmüh sein. Sie sind ja auch alle bekannt. Der Kern des christlichen Glaubens ist ein Mysterium - die leibliche Auferstehung Jesu von den Toten, daß Gott Mensch wurde und blieb. Etwas, das dem Rationalismus nicht zugänglich ist. Von diesem Wunder rührt alles her. Was für ein trostloser sog. Glaube ist es, mit diesem leergeräumten Himmel nicht nur hausieren zu gehen, sondern auf die Beschränktheit seines Verstehen-Wollens auch noch derart stolz zu sein.
In dieser Osterbotschaft finden wir jeden Zoll keinen Bischof. Darum wollen wir zur inneren Beruhigung mit 2 Zitaten schließen.
Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, des Evangeliums, das ich euch verkündigt habe, welches ihr auch angenommen habt, in welchem ihr auch stehet, durch welches ihr auch selig werdet: welchergestalt ich es euch verkündigt habe, so ihr's behalten habt; es wäre denn, daß ihr umsonst geglaubt hättet.
Denn ich habe euch zuvörderst gegeben, was ich empfangen habe: daß Christus gestorben sei für unsre Sünden nach der Schrift, und daß er begraben sei, und daß er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift, und daß er gesehen worden ist von Kephas, darnach von den Zwölfen...
Am letzten ist er auch von mir, einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, daß ich ein Apostel heiße, darum daß ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe...
So aber Christus gepredigt wird, daß er sei von den Toten auferstanden, wie sagen denn etliche unter euch, die Auferstehung der Toten sei nichts?
Ist die Auferstehung der Toten nichts, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
Wir würden aber auch erfunden als falsche Zeugen Gottes, daß wir wider Gott gezeugt hätten, er hätte Christum auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn so die Toten nicht auferstehen, so ist auch Christus nicht auferstanden.
Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden. So sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun ist aber Christus auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unter denen, die da schlafen.
1. Brief des Paulus an die Korinther 15, 1 – 5, 8f., 12 - 20
Ich geriet deshalb unter Menschen voll wahnsinniger Überhebung..., in deren Munde Schlingen des Teufels waren und ein Vogelleim, bereitet aus einer Mischung toter Buchstaben deines Namens und des Herrn Jesu Christi und unseres Trösters, des heiligen Geistes. Diese Namen wichen nicht von ihren Lippen; aber es war nur leerer Schall und Wortgeklingel, und ihr Herz war ohne die Wahrheit. Und doch war "Wahrheit" und immer wieder Wahrheit ihr Losungswort und viel sprachen sie nur von ihr, aber Wahrheit war nicht in ihnen.
Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus, 3. Buch, 6. Kapitel