Sonntag, 15. März 2020

Zum Sonntage Okuli

Dem HErrn wust Davids Geist, auf seiner Harfe Saiten,
so manchen schönen Psalm kunstmässig zu bereiten.
Was in uns GOttes Gnad und Gaben mehren kan,
ist, wann zu seinem Preis, wir solche wenden kan.

Der dritte Sonntag der Passionszeit ist benannt nach dem 25. Psalm, Vers 15:

Meine Augen sehen stets auf den Herrn.


Heinrich Schütz: Musikalische Exequien,
II - Mottete "Herr, wenn ich nur dich habe", hier gefunden



Psalm 91

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz.
Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, daß du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die im Mittage verderbt.
Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.
Ja du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen und schauen, wie den Gottlosen vergolten wird.
Denn der Herr ist deine Zuversicht; der Höchste ist deine Zuflucht.
Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen.
Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, daß sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.
Auf Löwen und Ottern wirst du gehen, und treten auf junge Löwen und Drachen.
"Er begehrt mein, so will ich ihm aushelfen; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.
Er ruft mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not; ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.
Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil."



aus Martin Luthers Vorrede auf den Psalter

Es ist ja ein stummer Mensch gegen einen redenden, schier als ein halb-todter Mensch zu achten. Und kein kräftiger noch edler Werk am Menschen ist, denn reden, sintemal der Mensch durchs Reden von anderen Thieren am meisten geschieden wird, mehr denn durch die Gestalt oder andere Werke, weil auch wol ein Holz kan eines Menschen Gestalt durch Schnitzer- Kunst haben, und ein Thier so wol sehen, hören, riechen, singen, gehen, stehen, essen, trinken, fasten, dürsten, Hunger, Frost, und hart Lager leiden kan, als ein Mensch.

Zu dem thut der Psalter noch mehr, daß er nicht schlechte gemeine Rede der Heiligen uns vorbildet, sondern die allerbesten, so sie mit großem Ernst in den allertreflichsten Sachen mit GOtt selber geredt haben. Damit er nicht allein ihr Wort über ihr Werk, sondern auch ihr Herz und gründlichen Schatz ihrer Seelen uns vorlegt, daß wir in den Grund und Quell ihrer Worte und Werke, das ist, ins Herz sehen können, was sie für Gedanken gehabt haben, wie sich ihr Herz gestellt und gehalten hat, in allerley Sachen, Fahr und Noth. Welches nicht so thun, noch thun können, die Legenden oder Exempel, so allein von der Heiligen Werk oder Wunder rühmen. Denn ich kan nicht wissen, wie sein Herz steht, ob ich gleich viel trefflicher Werke von einem sehe oder höre.

Und gleich wie ich gar viel lieber einen Heiligen hören reden, denn seine Werk sehen: Also wollt ich noch viel lieber sein Herz, und den Schatz in seiner Seelen sehen, denn sein Wort hören. Das gibet aber uns der Psalter auf's allerreichlichste an den Heiligen, daß wir gewiß seyn können, wie ihr Herz gestanden, und ihre Worte gelautet haben, gegen GOtt und Jedermann. Denn ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, welches die Sturmwinde von den vier Orten der Welt treiben. Hier stößt her Furcht und Sorg vor zukünftigem Unfall, dort fähret Grämen her und Traurigkeit von gegenwärtigem Übel. Hie webt Hofnung und Vermessenheit von zukünftigen Glück, dort bläset her Sicherheit und Freud in gegenwärtigen Gütern.

Solche Sturm-Winde aber lehren mit Ernst reden, und das Herz öffnen, und den Grund heraus schütten. Denn wer in Furcht und Not stecket, redet viel anderst von Unfall, denn der in Freuden schwebet. Und der in Freuden schwebet, redet und singet viel anderst, von Freuden, denn der in Furcht stecket. Es geht nicht von Herzen (spricht man,) wenn ein Trauriger lachen, oder ein Frölicher weinen soll, das ist: Seines Herzens Grund stehet nicht offen und ist nicht heraus.

Was ist aber das meiste im Psalter denn solch ernstlich Reden, in allerley solchen Sturm- Winden? Wo findet man feinere Worte von Freuden, denn die Lob-Psalmen oder Dank-Psalmen haben? Da siehest du allen Heiligen ins Herz, wie in schöne lustige Gärten, ja wie in den Himmel, wie feine herzliche lustige Blumen darinnen aufgehen, von allerley schönen frölichen Gedanken gegen GOtt, um seine Wohlthaten.

WIederum, wo findest du tieffere, kläglichere, jämmerlichere Worte von Traurigkeit, denn die Klag-Psalmen haben? Da siehest du abermals allen Heiligen ins Herz, wie in den Tod, ja, wie in die Hölle! Wie finster und dunkel ists da, von allerley betrübtem Anblick des Zorns GOttes! Also auch, wo sie von Furcht und Hofnung reden, brauchen sie solche Worte, daß dir kein Mahler also könte die Furcht oder Hoffnung abmahlen, und kein Cicero oder Redkundiger so vorbilden.

Und (gesagt,) ist das das allerbeste, daß sie solche Wort gegen GOtt und mit GOtt reden, welches macht, daß zweydittiger [zwiefältiger] Ernst und Leben in den Worten sind. Denn wo man sonst gegen Menschen in solchen Sachen redet, gehet es nicht so stark von Herzen,  brennt, lebt und dringet nicht so fast.

Daher kommts' auch, daß der Psalter aller Heiligen Büchlein ist, und ein Jeglicher, in waserley Sachen er ist, Psalmen und Worte, darinnen findet, die sich auf seine Sache reimen, und ihm also eben sind, als wären sie allein um seinet willen also gesetzt, Daß er sie auch selbst nicht besser setzen noch finden kan, noch wünschen mag.

Welches denn auch darzu gut ist, daß, wenn einem solche Wort gefallen, und sich mit ihm reimen, daß er gewiß wird, er sey in der Gemeinschaft der Heiligen, und hab allen Heiligen gegangen, wie es ihm gehet, weil sie ein Liedlein alle mit ihm singen. Sonderlich, so er sie auch also kan gegen GOtt reden, wie sie gethan haben, welches im Glauben geschehen muß, denn einem gottlosen Menschen schmecken sie nicht.

Zu letzt ist im Psalter die Sicherheit und ein wolverwahrtes Geleit, daß man allen Heiligen ohne Fahr darinnen nachfolgen kan.


Heinrich Schütz: Musikalische Exequien,
II - Mottete "Herr, wenn ich nur dich habe", hier gefunden

Wir Deutschen haben in Luthers Sprache eine Heimat, die uns nichts nehmen kann. Ich habe die Worte aus seiner Vorrede nach dem Wortlaut wiedergegeben, wie sie meine obig abgebildete Bibel enthält. Und welcher Wohlklang und Rhythmus, und wie wenig Fremdheit. Von dem übrigen zu schweigen.

nachgetragen am 17. März

Keine Kommentare: