Christus Pantokrator, Potsdam, Friedenskirche, hier gefunden
Vorbemerkung, die auch ausgelassen werden kann
Dieser Ort sollte ja dem Wahren, Guten und Schönen vorbehalten sein, und nicht dem Tage, wenn der in allzu offenem Widerspruch dazu steht. Das ist mir in den letzten Monaten schwergefallen, daher schwieg ich eher, wie leicht zu ersehen. Die Ausnahme, Fragen des Glaubens. Wo man innerlich schon mit 1 ½ Füßen in der Ewigkeit steht, will man sich‘s nicht auch da noch verderben.
Zuletzt geschah dies bei Pf. Latzel im Mai (Kirchenkampf in Bremen). Zunächst wäre nachzutragen, daß der wegen Volksverhetzung angeklagte Bremer inzwischen seinen Dienst vorläufig wieder aufnehmen durfte. Die Bremische Evangelische Kirche ließ weiter verlauten, er habe sich nach einem Dienstgespräch in einer Vereinbarung "zu einer Mäßigung im Rahmen seines Verkündigungsauftrags verpflichtet".
Das heißt wahrscheinlich, er wird einiges auslassen müssen, z. B. 1. Korinther 6,9f., oder will er denen etwa das Himmelreich vorenthalten (an das sowieso niemand mehr glaubt). Nein, die erst recht, alles andere wäre Diskriminierung und Haß.
Aber wer glaubt, derlei ließe sich nicht steigern, doch läßt es. Im Grunde ist es nur eine Art „Burgfrieden“. Der nächste Akt des Dramas ist bereits entworfen. Denn das Amtsgericht Bremen hat die Anklage wegen Volksverhetzung gegen Pf. Latzel zur Hauptverhandlung zugelassen. Wohl am 20. November wird verhandelt.
Wer dem Irrsinn unbedingt „ins Gesicht schauen“ will (und ein wirklich robustes Gemüt hat), der sehe sich diesen Beitrag des Lokalmagazins „buten un binnen“ von Radio Bremen an. Man kann den Ton wegstellen und nur die Physiognomien lesen, man kann aber auch Herrn Bernd Klingbeil-Jahr von der Bremer Friedensgemeinde zuhören, wie er von einem „Mischfeld aus christlichen Fundamentalisten und Faschisten“ spricht. „Aus diesem Milieu heraus, aus diesem braunen Mob“ würden „Aktionen geplant und durchgeführt, die diese Gesellschaft verändern“ (ab etwa 2.00 Min).
Man kann aber auch in die letzte Predigt von Pf. Latzel in der St.-Martini-Gemeinde hineinhören.
Doch auf nach Berlin. Da ist es auch schön.
Die Kuppel, das Kreuz und eine Inschrift
Berliner Schloß (Humboldt Forum), September 2020, hier gefunden
Teile der Kirchen im alten Europa und als „Speerspitze“ die evangelische Kirche in Deutschland erinnern an jemanden, der eine alte Sammlung religiöser Kunst zu kuratieren hätte und dem Besucher mit einem Augenzwinkern erklärte, man müsse natürlich gewisse Rücksichten auf traditionsverhaftete Besucher nehmen.
Aber man erwarte von ihnen sicher nicht die gleiche naive Herangehensweise. Die kommode Stimmung würde sofort zerstieben, erklärte dieser, doch, doch, seine eigene Haltung gegenüber jenen Kunstwerken sei durchaus nicht so sehr fern von diesen traditionell geprägten Verehrern.
Das war die freundlichere Deutung.
Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ruft in Menschen meiner Art mit sich kämpfende Gefühle hervor.
Die Freude über das Wiedergewinnen von Schönheit und Erinnerung und Genugtuung über einen weiteren Schritt der so vehement bekämpften Heilung. Andererseits das Wissen darum, was sich hinter dieser Oberfläche verbirgt. Doch siehe da, selbst die vermag eine gewisse Abteilung Mensch aus dem Häuschen zu bringen.
Denn ein Geschrei erhob sich aus der Unterwelt, als Ende Mai nicht nur das durch eine private Spende ermöglichte Kuppelkreuz seinen alten Platz zurückgewann, sondern darunter auch noch eine blasphemische Inschrift sichtbar wurde, deren Bestehen vorher irgendwie untergegangen war:
„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Dahinter stehen 2 Verse aus Apostelgeschichte 4, 12 und Philipper 2, 10, die König Friedrich Wilhelm IV. zu einer Inschrift zusammenstellte - 34 Zentimeter hohe, goldene Lettern auf einem den Tambour unterhalb der Kuppel umlaufenden blauen Band.
Schon auf dem Barockbau war eine Kuppel vorgesehen, zu der es aber nicht kam. Erst Friedrich Wilhelm IV. beauftragte Friedrich August Stüler (seit 1842 „Architekt des Königs) mit der Ausführung (bis 1853), statt einer profanen Kuppel wollte dieser König allerdings seine Schloßkapelle unter derselben. Wer sich über die Baugeschichte, nebst beigefügter Interpretation, näher informieren will, mag dazu diesem Artikel folgen: „Alfred Hagemann - Symbolpolitik. Die Kuppel Friedrich Wilhelms IV. für das Berliner Schloss, 25. Mai 2020“)
Zum Innenraum gibt es dort Interessantes zu lesen, vorher muß man allerdings die Darstellung der Motivlage des königlichen Bauherrn durcheilen. Aber da der (der Innenraum, nicht der König) selbstredend nicht wiederhergestellt wird, müssen zwei Bilder genügen.
Schloßkapelle unter der Kuppel, um 1900, hier gefunden
Doch auch die Gestalt des Außenbaus gab der Ikonographie des Schlosses eine weitere, christliche Dimension. Auf den Ecken des Kuppelunterbaus alttestamentarischer Propheten, auf den Portalen christliche Tugenden, als oberer Abschluß der Kuppel eine von Engeln getrage Laterne. „Die Laterne wiederum wurde von einem 4,70 Meter hohen vergoldeten Kreuz bekrönt. Die neue Höhendominante des Schlosses war also nicht durch weltliche Zeichen der Monarchie ausgezeichnet, sondern durch Zeichen des Glaubens und der Herrschaft Gottes“ (nachzulesen ebenda). Das Schriftband erwähnten wir bereits.
Wir wollen mit einem freundlichen Bild diesen Abschnitt beenden. Es ist zwar teilweise mehr eine Phantasie, aber eine schöne.
Hermann Ziller, 1886, hier gefunden
Ein Zeichen, dem widersprochen wird
Nikolaj Nikolajewitsch Ge, Quid est veritas? 1890
In der Logik, wenn es um Logik ginge, sollte es liegen, zu sagen: Das ist alles Dekoration, Oberfläche, das geht uns lange nichts mehr an. Wenn es um Logik ginge, im Geisterwehen dieser Zeit.
Ich habe mit dem vorigen Satz vorausgesetzt, daß es allgemein bekannt sei, welch heftige Debatten es um diese Kuppelrekonstruktion gab, genauer, um das Kreuz darauf. Übrigens steckt in der Überschrift schon wieder ein Bibelzitat (Lukas 2.34).
Simeon war ein gottesfürchtiger Mann, der auf den „Trost Israels“ wartete, und ihm war prophezeit worden, er würde nicht sterben, bevor er ihn sähe. Und von diesem Simeon heißt es, als er der allerseligsten Jungfau und des noch kindlichen Erlösers im Tempel angesichtig wurde:
Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.
So: Nichts Neues unter der Sonne, seit 2000 Jahren.
Jedenfalls fast. Es gibt möglicherweise einen neuen psychologischen Typos. Sagen wir es hilfsweise so, eine Fusion des Skeptizismus eines Pilatus und des aggressiven Machtzynismus eines Hohenpriesters. Ich spreche natürlich nicht von konkreten Menschen, sondern von religiöser Typologie. Eine neue Käfermutation gewissermaßen.
Und zu diesem Typos passend ein neuer Kult. Doch bevor ich den kurz bezeichne, ein wenig Anschauungsmaterial.
Ein Filmkritiker von der FAZ etwa brandmarkte das Kuppelkreuz als eine „Insignie der Intoleranz“ und, Goethe zitierend, nicht nur „vor deinem Jammerkreuz, blutrünstiger Christe“ sondern unter der Verkündigungsformel eines absoluten christlichen Herrschaftsanspruchs würden künftig die Besucher an einen Ort strömen, der sich der Gleichwertigkeit aller Kulturen und Religionen und der Aufhebung des eurozentristischen Weltbildes verschrieben habe. Denn das Kuppelkreuz auf dem Berliner Schloß sei lediglich eine Machtgeste des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. gewesen.
Ich mutmaße, ein Bild dieser Art spukte da durch seinen Geist:
Marc-Charles-Gabriel Gleyre, Romans Under the Yoke, 1858
„Insignie der Intoleranz“, das ist die aktuelle Formel dessen, was früher Gotteslästerung hieß.
Aber dazu wollen wir am Schluß (der bald kommen muß) noch etwas sagen. Erst einmal, auf der Kuppel thront kein preußischer Adler, sondern ein Kreuz, das ist etwas anderes, mag aber jemandem, der hier nur noch in säkularen Machtkategorien zu denken vermag, egal sein, ist es aber nicht.
Daß die Formel „Von Gottes Gnaden“ ein Selbstverständnis zum Ausdruck bringt, das auch eine Demutshaltung einschließt, ist mutwillig oder aus Unwissen so fremd geworden, daß man es nicht mit wenigen Worten erklären kann.
Ein Erklärungsbemühen wäre zudem müßig, dennoch will ich es einmal in einem anderen Beitrag versuchen. Eine Ahnung mag dieses Mosaik geben. Es befindet sich über dem Eingangsportal in die Hagia Sophia, das allein dem oströmischen Kaiser vorbehalten war.
Konstantinopel, Hagia Sophia, Kaiserportal, hier gefunden
Wir wollen noch von einem Kritiker zu einem Akteur wechseln und auch den hören. Zumal es wunderbar anschließt.
Der Bischof einer Kirche mit einem unaussprechlichen Namen (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz – EKBO), die sich auch einfach Kirche in Preußen hätte nennen können (aber allein bei dem Gedanken sieht man die Perlen des Angstschweißes auf der Stirn), dieser Herr Christian Stäblein also hatte jüngst das Kuppelkreuz immerhin verteidigt, sozusagen.
Es sei vor allem Verpflichtung. Das zentrale christliche Symbol habe viel Mißbrauch in seiner Geschichte überstehen müssen, stehe aber für Hingabe, Vergebung und Versöhnung, "nicht Dominanz und Herrschaft".
Darum sei das Spruchband darunter auch so verwerflich: "Intolerante Exklusivitätsansprüche sind - auch als historische Zitate - gefährlich und brauchen Gegenbilder", so der Bischof. Das geplante "House of One" - ein gemeinsames Haus für die Religionen werde ein solches Gegenbild sein.
Ich hatte oben schon erwähnt, woher diese „historischen Zitate“ stammen. Das ganze Neue Testament ist voll davon. Wir wollen als ein weiteres Beispiel nach Apostelgeschichte 4, 12 und Philipper 2, 10 nur Johannes 14,6 in Erinnerung rufen:
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich höre hinter dieser gravitätischen Sprachkulisse von intoleranten historischen Exklusivitätsansprüchen eine Art „Pühh“ heraus, auch bekannt als „ist mir doch egal“.
Vermutlich muß man den eigenen Verein längst als große NGO oder derartiges ansehen, um nicht zu verstehen, daß es um den gar nicht geht. Es wird wenig helfen, einen Text in Erinnerung zu rufen, der noch nicht ganz so historisch ist
„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“
Barmer Bekenntnis vom 31. Mai 1934
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