Eduard Stucken
Schwermut
Durch die Graswiese zieht
Well' auf Welle im Wind
und verebbt wie ein Lied,
das erjauchzend zerrinnt.
Wie ein Lied, das vergaß,
daß die Graberde schwer...
All die Blumen im Gras
sind wie Perlen im Meer.
Und ich lustwandle hier -
(bald gemäht ist das Heu!) -
und die Schwermut folgt mir
wie ein Hund getreu.
Friedrich Georg Jünger
Im Grase
Wer sich ins Gras legt,
Wer lang liegt, für den ist
Zeit und Mühn nichts.
Wer liegt, der vergißt.
Was sich um ihn bewegt,
Wenn er liegt,
Bewegt ihn sanft mit.
Er wird gewiegt.
Ihn verläßt, ihn flieht
Zahl und Zeit.
Er entrinnt, ihm verrinnt
Lust und Leid.
Weise wird er, still
Wie das Gras, das grüne Moos.
Er bettet sich tief
In der Himmlischen Schoß.
Der Wind kommt und geht.
Die Wolke zieht.
Der Falter schwebt. Der Bach
Murmelt sein Lied.
Halm und Laub
Zittern und flüstern leis.
Wasser und Wind
Gehen im Kreis.
Was kommt, geht. Was geht, kommt
In der Wiederkehr Gang.
In der Himmlischen Bahn
Wird die Welt Tanz, wird Gesang.
Kurze Nachbemerkung
Meine Mangelbildung enthüllend, muß ich gestehen, daß mir beide Dichter bis vor kurzem unbekannt waren. Einem Hinweis folgend, für den ich dankbar bin, hatte ich mich zuerst auf die Suche nach dem „jüngeren Jünger“ gemacht und stieß dabei zugleich auf den Herrn Stucken unter der Rubrik „Hundert notwendige Gedichte“ auf dem Blog „Le Penseur“. Dort begegnet einem vielerlei, aber hier will ich nur auf das eingehen, was die beiden obigen Dichter betrifft.
Den Text von „Schwermut“ habe ich zwar woanders gefunden, aber der Autor, Eduard Stucken, wird dort mit seinem bekanntesten Roman „Die weißen Götter“ vorgestellt und seine Person als die eines „in den 1920er-Jahren zu Weltbekanntheit aufgestiegenen deutschen Kulturhistorikers, Ethnologen und Sprachwissenschaftlers“ etc. Jedes weitere Wort von mir wäre frisch angelesen und daher müßig.
Hier werden seine "Fähigkeit zu virtuoser Reimtechnik und subtil berauschenden Wortkaskaden" gerühmt, die "sich mit einer Gedankentiefe" verbinde, wie sie "in der Literatur jener Zeit nur selten anzutreffen" gewesen wäre. Und in diesem Beitrag wird eines seiner beherrschenden Themen ausgemacht - das „Verhältnis von (scheinbarer) Realität und (vermeintlichem) Traum“. Lesenswert.
Und so man auch noch jenem Hinweis, zu Friedrich Georg Jünger, folgt, findet man nicht nur das obige Gedicht, sondern u.a. das Urteil „Zeitlebens ein wenig im Schatten des älteren und ‚prominenteren‘ Bruders Ernst stehend (mit dem ihn stets eine neidlose, enge Beziehung verband), hat er doch einige der schönsten Gedichte der deutschen Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts geschaffen.“
Warum ich gerade diese beiden Texte ausgewählt habe. Nun beide haben diese zeitlose Gelöstheit, die rasch mit Leichtigkeit verwechselt werden könnte. Sicher, anderes auch. Aber wollen wirklich mit Versuchen in Tiefsinn ermüden? Jedenfalls nicht an einem so gleichmäßig verregneten Tag.
beendet am 27. September
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