Mittwoch, 2. September 2020

150 Jahre Sedan

Wilhelm Camphausen, Bismarck geleitet Napoleon III. am Morgen nach der Schlacht von Sedan zu Wilhelm I., 1877, hier gefunden

Vom heutigen Tag aus betrachtet, ist '45 die leere Mitte zwischen uns und Sedan.

An dem einen Ende die Erinnerung, am anderen die Wirrnis (der Irrsinn) der Gegenwart, dazwischen die Auslöschung. Sedan ist nahezu völlig ins Vergessen versunken. Der eine oder andere „Journalist“ (oder Schlimmere) mögen sich daran vielleicht noch abarbeiten. Gewissermaßen als Loyalitätsprobe. 

Wilhelm Camphausen,  Bismarck vor Paris, 1873, hier gefunden

„Bismarck, dieser im Grunde primitive Corpsstudent“ habe das neue Deutsche Reich geschaffen, „trotz eines modernen Wahlrechts, trotz Wirtschaftsbooms und Sozialgesetzgebung“ ein „Hort der Reaktion“ und „Herd der Unruhe“ schreibt ein Bube in seinem Stück, und stolpert dabei mehrfach über die Logik, aber kognitive Dissonanz gehört ja seit jeher zur linken seelischen Grundausstattung. Es darf bezweifelt werden, daß er jemals einen Satz original bei Bismarck gelesen oder, wenn doch, dann verstanden hat.

Wilhelm Camphausen, Bismarck und Napoleon III. am 2. September 1870 nach der Schlacht von Sedan in Donchery, 1878, hier gefunden

Da halten wir uns lieber an Herrn K.: „Das Kaiserreich war die Epoche, in der Deutschland eine wirtschaftliche, wissenschaftliche und auch eine späte kulturelle Blütezeit erlebte, neben der“ das Heutige „wie ein grotesker Gnom“ wirke. „Die deutsche Chemie-Industrie beispielsweise... war der restlichen Welt weiland so weit voraus, dass die Entente zu den im Krieg erbeuteten Chemie-Patenten die deutschen Ingenieure nachkaufen musste, um sie überhaupt zu verstehen.“ Und abgesehen vom  technisch wissenschaftlichen Fortschritt war es wahrscheinlich die liberalste Epoche deutscher Geschichte.

Frankfurt a. M., Goetheplatz mit dem Hotel zum Schwan, 25-jährige Jubiläumsfeier des Sedantags, 2. September 1895, hier gefunden

Könnte man die Zeit ein wenig zurückdrehen, wäre heute ein hoher Feiertag, eher ein allgemeines Volksfest. Wir folgen noch einmal dem Grafen Krockow, der, selbst Haffner zitierend, folgendes vortrug:

„Symbole sagen oft mehr als Begriffe, und das Symbol des Bismarck-Reiches war der Sedantag, der an die Kapitulation der französischen Armee bei Sedan samt Kaiser Napoleon vor der preußisch-deutschen im Jahre 1870 erinnerte. Sebastian Haffner hat in einer schönen Betrachtung noch aus eigenem Erleben diesen Tag, diesen Symboltag des Bismarck-Reiches, folgendermaßen beschrieben:

‚Der Sedantag war ein rundes halbes Jahrhundert lang der deutsche Nationalfeiertag, mit Paraden, Beflaggung, Schulfeiern, patriotischen Reden und allgemeinen Hochgefühlen. Und zwar war es, muß man wahrheitsgemäß und mit einiger Beschämung sagen, der einzige wirklich effektive Nationalfeiertag, den die Deutschen gehabt haben. Was nachher an seine Stelle trat..., das war alles nichts Rechtes mehr: halt ein freier Tag und ein paar Weihestunden und Reden, die keinen sonderlich interessierten. Aber der 2. September, der Sedantag, mein Gott, da war wirklich noch was los! Das war eine Stimmung – ich finde für die heutige Zeit keinen anderen Vergleich - als ob die deutsche Nationalmannschaft die Fußballweltmeisterschaft gewonnen hätte, und zwar jedes Jahr aufs neue.‘“

Kriegerdenkmal in Magdeburg, errichtet 1877, Detail Büste Helmuth von Moltke, hier gefunden

Wie ich dort schon einmal erwähnte, hat Deutschland seine modische Neigung etwas ungewöhnlich ausgelebt. Während sich anderenorts Kleidung, Musikgeschmack etc. im Jahreswechsel änderten, hat man in Deutschland über die letzten 118 Jahre Staatsform, Fahnen, Grenzen, Nationalfeiertag, Hymnen usw. regelmäßig gewechselt. 

Aus unerfindlichen Gründen haben wir aber nun aber diese Anhänglichkeit, schon seit Kindesbeinen, an eben dieses lang Vergangene. Da sitzen wir nun also am Sedan-Tag und gedenken unseres verschollenen Vaterlandes. Was hätte es für ein großartiges Jahrhundert werden können...

Aber um noch einmal einen vorigen Text zu zitieren: "Unsere Vorfahren waren leider in gewisser Weise so naiv, Begriffe wie 'Ritterlichkeit' noch ernst zu nehmen, vielleicht waren sie einfach zu jung im Geschäft...

Zudem konnte man sich nicht mehr vorstellen, daß es das wirklich Böse in diesem höchst-kultivierten Europa noch geben könne. Nun ging die Zeit über sie hinweg. Und anschließend mußte so eine noch größere Lüge über die vorige gestülpt werden, um die erste zu verbergen (Versailles)..."

So "gedenken wir also heute eines Etwas, dem wir noch immer angehören. Wir waren aus der Zeit gefallen, wohl von Geburt an. Darum müssen wir auch nicht so sehr der Gegenwart anhängen. Aber trauern dürfen wir..."


Ob sonst noch, fast hätte ich gesagt im Reich, des Sedantages im Ursprungssinne gedacht wurde, erscheint fraglich. Jedenfalls in Magdeburg, im Schatten des Doms, in dem mit Otto I. der erste deutsche Kaiser begraben liegt, geschah es (davon zeugt obiges Bild).

Und um dem Ganzen einen freundlicheren Übergang zu verschaffen, bringen wir im Anschluß einen Bericht von besagtem Sedantag aus der Sicht unserer beschaulichen Residenz. 

Ratzeburger Dom, Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg (-Strelitz) und Augusta Caroline von Cambridge, hier gefunden

Aus den Jugenderinnerungen von Karl Nahmmacher

Über das Sedanfest im Allgemeinen und seine spezielle Bedeutung in Neustrelitz z. Z. des Großherzogs Friedrich Wilhelm

"Die Krone aller Feste: das Sedanfest. Es steht deswegen in meiner Erinnerung am höchsten angeschrieben, weil wir Jungens unendlich viel Spaß dabei hatten und weil es als das volkstümlichste Fest von allen Schichten der Bevölkerung mit gleicher Teilnahme begangen wurde."

"...der Sedantag war das eigentliche echte 'ohne Kommando' entstandene Nationalfest im alten Deutschland, gefeiert in der Erinnerung an die Waffentat, die die deutschen Stämme zur Einheit geschmiedet und die Reichsgründung gesichert hatte. Und dieser Tag wurde hier in Neustrelitz mit solcher Begeisterung festlich begangen, wie sie nirgends sonst im Reich größer sein konnte. Ich betone das, weil wir Mecklenburg -Strelitzer damals nicht überall als gute Patrioten galten. Unser Ruhm von 1813 her, wo der Herzog mit der Aufstellung der 'C-Husaren' als erster neben den König von Preußen trat, war verblaßt. Der alte Großherzog war seiner politischen Gesinnung nach infolge seiner nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zum hannoverschen Königshause und durch die Verbindung mit einer englischen Prinzessin Welfe.“

Ich fürchte, nicht einmal in Niedersachsen ist der Begriff „Welfe“ heute noch sehr geläufig und warum betont er das Patriotische der Strelitzer. Ein kurzer Einschub scheint notwendig. Die Welfen sind eine der ältesten europäischen Hochadelsfamilien. Der Zweig, der das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg  regierte, erlangte 1714 sogar den britischen Königsthron (bis 1837 bestand die Herrschaft in Personalunion mit dem inzwischen zum Königreich Hannover emporgestiegenen Kurfürstentum, bei der Thronbesteigung von Königin Viktoria fiel Hannover an ihren Onkel, den Herzog von Cumberland, nunmehr König Ernst August I.). Im  preußisch-österreichischer Krieg von 1866 stand der König von Hannover auf der Verliererseite und sein Königreich wurde preußische Provinz.

Augusta Karoline von Cambridge, hier gefunden

Der oben erwähnte alte Großherzog hieß Friedrich Wilhelm. Er regierte Mecklenburg-Strelitz von 1860 bis 1904. Seine Gattin war Augusta Karoline von Cambridge, Prinzessin von Großbritannien, Irland und Hannover, als Tochter des Vizekönigs von Hannover Adolphus Frederick, 1. Duke of Cambridge verlebte sie Kindheit und Jugend in Hannover. Sie galt als sehr resolut und einflußstark. Daß unter diesen Voraussetzungen das Verhältnis zu Preußen eher angespannt war, verwundert nicht unbedingt. Es wurde nicht besser dadurch, daß man im Krieg von 1866, obwohl offiziell verbündet, die eigenen Truppen solange zurückhielt, bis sie nicht mehr zum Einsatz kamen. Doch endlich zurück zu Herrn Nahmmacher. Dieser betont entscheiden:

„Wir… waren für unser Teil so gut deutsch gesinnt wie nur irgend einer. Und auch die ganze Bevölkerung teilte die politischen Ansichten des Fürsten nicht.“ Er merkt an, daß dieser sie nach außen hin auch nicht gezeigt habe, ganz im Gegensatz zur Großherzogin Augusta Karoline:

„So hat sie an Moltkes 90. Geburtstag, 1890, als der Pastor vom Dienst es wagte, in seiner Predigt auch in der Schloßkirche daran zu erinnern, lebhaft ihrem Unwillen Ausdruck gegeben, zunächst sofort, und dem Missetäter dies auch später nie verziehen.“

Der Vorabend des Sedanfestes

Man fing "in Neustrelitz schon am Abend des ersten mit einer Vorfeier an, einem pompösen Fackelzug, der für viele vielleicht das Schönste an der ganzen Sache war, erstens seiner selbst wegen und dann wegen seines Anhängsels, eines großen Kommerses. Am Zuge nahmen alle Schulen teil, und die Primaner 'chargierten' dabei, das heißt, sie, und ebenso der Fahnenträger und andere, die einen Ehrenposten bekleideten, traten in studentischem Wichs auf, im Frack und Schärpe, mit langen Stiefeln, Stulpenhandschuhen und Rapieren. Die ‚langen Stiefel‘ wurden allerdings meist in Gestalt von Wachstuchschäften aus dem Theater entliehen, während der ‚Fackelzugfrack‘ sich oft von einem Jahrgang auf den anderen vererbte, sofern er nicht in Geldnot beim Trödler Kootz versetzt wurde, der freilich, wenn jemand mit diesem fragwürdigen Kleidungsstück angerückt kam, zunächst immer entsetzt abwinkte: 'Nä! hew noch söß to hängen!' -

Die Gestalten und das Auftreten dieser Chargierten konnten wir als 'lütte Setter' nicht genug bewundern, und jeder hegte den heimlichen Wunsch auch einmal so einherstolzieren zu können." Es seien richtige Pechfackeln vom Seilermeister Günther verwendet worden. 

"Angetreten wurde in der Alle bei der Gasanstalt, dann ging der Zug durch die Hauptstraßen. Beide Reihen der Fackelträger marschierten auf den äußersten Kopfsteinen. Ein Eindringen Unbeteiligter oder ein Durchschreiten des Zuges wurde nicht geduldet." In solchen Fällen gaben die Kleineren Alarm.

"Es kam auch vor, daß Lehrlinge - das waren unsere Hauptgegner - die Fackeln hochzuschlagen suchten." "Bedränglich wurde die Sache meist im Rietpietschengang, wenn der Zug von der Tiergartenstraße zur Strelitzer einbog. Hier war an der einen Seite ein ganz hoch liegender Fußsteig, auf dem sich dann die Mitmarschierenden stauten. Da kam es dann wohl mal zu kleineren Reibereien, aber es verlief alles friedlich, weil die heutige Parteiverbissenheit noch nicht die Gemüter erhitzt hatte. 

Neustrelitz, Marktplatz, 1919, hier gefunden

Auf dem Markt wurden die Fackeln zusammengeworfen – vor der Töpferstraße -  und bei dem lodernden Brand hielt dann der erste Chargierte seine Ansprache, die mit einem 'Gaudeamus igitur" ausklang, begleitet vom Geklirr der gekreuzten Rapiere."

Um die Bedeutung des Wortes Kommers noch schnell zu erläutern, es ist ein in festen Formen gehaltenes studentisches Besäufnis. „Und so war denn auch der zweite Teil, der Kommers, durchaus in akademischen Formen gehalten, d.h. man trank nach studentischem ‚Komment‘, und das war nicht wenig. Es war der Tag, an dem die Sekundaner sozusagen zu Männern geschlagen oder vielmehr getrunken wurden." 

Wenn sonst auch das "Kneipen" den Jüngeren streng verboten war, bei wenigen Gelegenheiten, wie eben hier, war es unter "Beisein und Mitwirkung der Lehrer" zugelassen, ja gar geboten. Am Morgen gab es dann die entsprechenden bleichen Gesichter.

Da kamen also Fackelzug und Initiationsritus zusammen. Kein Wunder, daß das beeindruckte.

Das eigentliche Fest – der 2. September

"Am Morgen des 2. September war große Reveille, ausgeführt von den vereinigten Spielleuten der Schulen. Merkwürdigerweise beteiligte sich die Garnison, nach meiner Erinnerung, an dem ganzen Fest überhaupt nicht. Obgleich der Anlaß ein kriegerischer war, war der Hauptgedanke der Feier völlig ins Zivile hinübergeschaltet: Freude über das geeinte Vaterland.

Nach der Feier in der Schule - unvergeßlich ist mir, wie der alte Schmidt einmal die freudige Erregung in der Stadt bei Eintreffen der Siegesnachricht 1870 schilderte; er war Meister der freien Rede - und nach Überwindung des Katers, oft unter Beihilfe von 'Männing Schulz' oder 'Vadding Nehls' - Zierker Straße - und nach glücklicher Absolvierung des Mittagessens mit allerhand peinlichen Erkundigungen nach dem Verlauf des Abends und dem an ihm vertilgten Quantum ging es zum Antreten zum Festzuge. 

Neustrelitz, Marktplatz mit Stadtkirche, ca. 1900, hier gefunden 

Das war nun der eigentliche Hauptpunkt aller Veranstaltungen. Sämtliche Vereine, Korporationen, die Schützengilde, Schulen usw. beteiligten sich daran. Von ihren Häusern oder Sammelplätzen rückten alle einzelnen Gruppen geschlossen mit Musik zum Markt, um von da in feierlichem Zuge zum Schützenhaus zu marschieren, wo die ganze Festversammlung auf dem freien Platz Aufstellung nahm." Es folgte die Festrede.

"Während sich die Teilnehmer des Festzuges rangierten, stand schon, mit gezücktem Zylinder, der Festredner oben auf dem Balkon, in sinnige Betrachtung seiner Kopfbedeckung versunken und des großen Augenblicks harrend, wo Stille eintrat und die Menge des Volkes in gewaltigen Worten auf die historische Bedeutung des Tages hingewiesen wurde."

Der Autor macht nun einige launige Bemerkungen über die Festredner, etwa daß in dem Zylinder, der so eingehend betrachtet wurde, der Text der Rede lag. Die letzte wollen wir ausführlich zitieren:

"Eine große Überraschung war es für uns, als die Garnitur altgewohnter Redner einmal aufgefrischt wurde und der spätere Südwestafrikaner Max Schmidt, der hier junger Hilfsprediger war, auf dem Balkon erschien. Er hatte offenbar das Bestreben, mit dem alten zopfigen Ton zu brechen, und wollte seine Ansprache auch dadurch etwas lebhafter gestalten, daß er an wichtigen Stellen die Begeisterung zu entflammen suchte, indem er mitten hinein in seinen Vortrag herausfordernde Fragen warf, auf die die Versammlung ein Ja oder Nein schmettern sollte. 

Wir Schüler waren aber 'intellektuell zu sehr verbildet' und dachten: aha! das sind wohl die 'rhetorischen Fragen‘, von denen wir in der lateinischen Grammatik gehört haben,  ‚auf die keine  Antwort erwartet wird'. Und bei den Erwachsenen hatte er nicht mit der Langsamkeit und Zähigkeit der Mecklenburger gerechnet, die das nicht so schnell erfaßten, so daß die paar antwortenden Stimmen nur kümmerlich wirkten und er schleunigst zu gewohnten Methoden zurückkehrte.“

Man dürfe aus diesen Schilderungen nicht folgern, daß die Festreden wirkungslos geblieben wären. Nur blieben komische Eindrücke gerade bei jungen Menschen länger haften. "Man stand doch immer unter dem Eindruck eines großen Erlebnisses. Wenn ich rückblickend etwas an diesen Reden kritisieren sollte, so wäre es das, daß wir zwar auf die Großtaten unserer Väter hingewiesen wurden, daß wir uns aber zu sehr in der Sicherheit des Siegers wiegten.“

Man hätte an jedem Sedantage die Reichstagsrede Moltkes vom 16. Februar 1874 zur ersten Lesung des Reichsmilitärgesetzes wieder verlesen sollen. Der Autor zitiert aus dieser dann länger. Wir wollen den Schluß des Zitats bringen: "Ein großes, weltgeschichtliches Ereignis, wie die Wiederauferrichtung des Deutschen Reiches, vollzieht sich kaum in einer kurzen Spanne Zeit. Was wir in einem halben Jahre mit den Waffen errungen haben, das mögen wir ein halbes Jahrhundert mit den Waffen schützen, damit es uns nicht wieder entrissen wird. Darüber dürfen wir uns keiner Täuschung hingeben: wir haben seit unsern glücklichen Kriegen an Achtung überall, an Liebe nirgends gewonnen'. -

Wir aber wuchsen auf in dem Gefühl: uns kann kein Mensch was. Ich erinnere mich noch genau, wie ich als Einjähriger [also beim Militärdienst] zum ersten Mal in meinem Leben von dem Gedanken förmlich überrannt wurde, als ich mir vorstellte, die Landkarte von Deutschland könne noch einmal wieder anders aussehen.

Nach der Festrede, und nur dann erklang das ‚Deutschland, Deutschland über alles!‘.“

Darauf rückte die ganze Gesellschaft auf den Festplatz zu den Schau- und anderen Buden. "Die Schulen schossen für gewöhnlich, um der Bedeutung des Tages Rechnung zu tragen, mit Armbrust oder Luftgewehr um Preise, für die vorher gesammelt war. Nur die Realschule machte ein Schauturnen.

Den Schluß des Festes bildete abends, etwas abseits vom Festplatz das Abbrennen eine Holzstoßes, dessen Spitze eine Teertonnee krönte; dazu ein Feuerwerk.“ Mit erneuter Rede und dem Absingen patriotischer Lieder, wie etwa der „Wacht am Rhein“.

hier gefunden

Und sein Schlußresumé.

"Von diesem Tage aber ging wirklich eine belebende Wirkung auf uns aus Es war ein Fest, wie es das Deutsche Reich in seiner republikanischen Zeit noch nicht wieder hervorzuzaubern vermocht hat. Ein deutsches Nationalfest werden wir erst wieder haben, wenn das deutsche Volk eine große gemeinsame Leistung vollbracht hat, deren segensreiche Wirkung jeder spürt. Gefühle lassen sich nicht kommandieren. Der Sedantag gab uns das erhebende Gefühl Glieder einer mächtigen Volksgemeinschaft zu sein, und das ist die Grundlage aller wahren Staatsbürgergesinnung.“

Und ganz am Ende macht der Herr Nahmmacher, für ihn in dieser Schrift eher untypisch, auch noch eine recht politische Bemerkung, die wir des Zeitgeistes wegen nicht vorenthalten wollen.

„Und es ist einfach nicht wahr und wird durch häufige Wiederholung nicht richtiger, wenn heute von gewissen Kreisen immer so getan wird, als hätten im alten Vorkriegs-Deutschland sich alle Klassen verständnislos und wie Kampfhähne gegenübergestanden. Das ist erst später so geworden, als die politische Verhetzung immer mehr um sich griff. Aber es ging auch da nicht bis aufs Mark, sondern alle Deutschen fühlten sich einig im Falle der Gefahr. Dafür ist der beste Beweis die Stimmung zu Anfang des großen Krieges und der Schwur, den auch die Sozialdemokratischen Führer - damals die äußerste Linke -  dem Kaiser in die Hand ablegten: auszuhalten bis zum letzten Hauch von Mann und Roß! - Sie haben ihn nicht gehalten. ---

Karl Nahmmacher, Neustrelitz vor 50 Jahren, Jugenderinnerungen (Januar 1933)

Neustrelitz, Marktplatz mit Rathaus, ca. 1900, hier gefunden

beendet am 5. September

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es ist ganz und gar wohltuend, dass die nüchterne Darstellung von Fakten vollkommen ausreicht, um fast alles, was dem Publikum derzeit als "neueste geschichtliche Forschung" präsentiert wird, als peinliche, vollständig ritualisierte Selbstbezichtigung zu entlarven.