Montag, 10. Mai 2021

Der Friede von Frankfurt


Adolph von Menzel, Abreise König Wilhelms I. zur Armee 
am 31. Juli 1870, hier gefunden

Vor 150 Jahren, also am 10. Mai 1871, wurde in Frankfurt am Main ein Friedensvertrag unterzeichnet, der den Krieg zwischen der Französischen Republik und dem Deutschen Reich beendete. Begonnen hatte er als ein Krieg des französischen Kaiserreichs gegen Preußen, da, wie es in der französischen Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 hieß, dessen Regierung, die Verpflichtung zu haben glaubte, „für die Verteidigung ihrer Ehre und ihrer verletzten Interessen zu sorgen“. Der Kriegsgrund war ein vorgeschobener und vermochte außerhalb Frankreichs auch niemanden recht zu überzeugen. Nicht von ungefähr blieb es ohne Bündnispartner, nach denen es emsig Ausschau gehalten hatte.

„Solange der französische Bonapartismus, der sich in der damaligen Lage nur an der Macht halten konnte, wenn er die endgültige Schaffung eines gesamtdeutschen Staates verhinderte und dabei möglichst noch die französische Grenze allmählich nach dem Osten vorschob, noch nicht geschlagen war, führte Deutschland einen gerechten Verteidigungskrieg.“ So schrieb der Historiker und Marxist Engelberg in seiner zweibändigen maßstabsetzenden Bismarck-Biographie. 

Neu-Deutsche Historiker verteidigen dagegen gern den französischen Imperialismus, indem sie einen deutschen unterstellen. Der eine schaute noch auf die Wirklichkeit, selbstredend aus der Perspektive seiner Überzeugungen. Die gegenwärtig Modischen sind getrieben von Übel-Wollen und dreister Unbildung.

„Gestern haben wir endlich unterzeichnet, mehr erreicht als ich für meine persönliche politische Berechnung für nützlich halte. Aber ich muß nach oben und nach unten Stimmungen berücksichtigen, die eben nicht rechnen. Wir nehmen Elsaß und Deutsch-Lothringen, dazu auch Metz mit sehr unverdaulichen Elementen, und über 1300 Millionen Thaler.“ So Bismarck schon am 27. Februar an seine Frau (über den Vorfrieden, der nunmehr im Wesentlichen bestätigt wurde).

Das ist es, was heute, wenn überhaupt noch, als Inhalt des Vertrages bekannt ist, die Kriegsentschädigungen durch Frankreich und dessen Gebietsabtretungen. Bismarck war aus pragmatischen Gründen über den Gebietszuwachs wenig begeistert, da er immer schon die neuen möglichen Schwierigkeiten sah. Etwa später: Warum Kolonien, wenn man keine Flotte hat, sie zu schützen, die aber, wenn man sie sich zulegte, nur die Briten in ihrem Meeresherrschaftswahn zum Übelnehmen einladen würde. Wie es dann ja auch kam.

Ansicht Straßburgs von 1644, hier gefunden

Aber Bismarck war hier wohl zu überbedachtsam. Die Franzosen waren beleidigt, weil sie den Krieg verloren hatten, der Verlust Elsaß-Lothringens war da nur ein guter zusätzlicher Vorwand. Es handelte sich übrigens um überwiegend deutschsprachige Gebiete, die Frankreich aufgrund der Schwäche des Reiches nach und nach okkupiert hatte, so Straßburg mitten im Frieden 1681 während das Reich mit der Abwehr der Türkengefahr beschäftigt war.

Überhaupt hatte Frankreich ein langanhaltendes starkes Bedürfnis, seine Grenzen gen Osten auszudehnen. Und als dies etwa bei der Pfalz nicht gelingen wollte, brannte man wenigstens die Gegend gründlich nieder, so etwa die Kaiserdome in Speyer und Worms oder die Stadt Heidelberg. Mit anderen Worten: Diese Grenze des Reiches war seit Jahrhunderten, vom Dreißigjährigen, über die sog. Reunionskriege, den Pfälzischen Erbfolgekrieg bis zu Napoleon I., wo selbst Hamburg französisch wurde, Angriffen aus dem Westen ausgesetzt und nun sollte es auf einmal andersherum sein? Das war zuviel für das französische Selbstbewußtsein und verletzte die Ehre der „Großen Nation“ in unerträglichem Maße 

Ezéchiel du Mas, comte de Mélac, Befehlshaber der Rheinarmee Ludwig XIV., hier gefunden

Der Rückschlag der Befreiungskriege, wie die Deutschen sie nannten, mochte in der kollektiven französischen Erinnerung mehr wie ein Unfall der Geschichte aussehen, den Napoleon III. nun eben ungeschehen zu machen versucht hatte.

Europa 1812, vor Napeoleons Rußlandfeldzug, hier gefunden

Das war alles auf deutscher Seite gerade in den rheinnahen süddeutschen Gebieten aber noch nicht wirklich in Vergessenheit geraten, weder die Verheerungen noch das Bewußtsein, daß auf der ganzen anderen Rheinseite deutschsprachige Gebiete lagen. Und auf militärisch verantwortlicher Ebene wollte man an der Westgrenze eine festere Garantie gegen künftige französische Ambitionen. Das erklärt vielleicht die Stimmungen von oben und unten, auf die sich Bismarck bezieht. 

Dennoch war der Frankfurter Friede ein mäßiger und nicht darauf ausgelegt, den besiegten Kriegsgegner zu zerstören, wie es der Versailler später dann zu betreiben suchte. Die rund 1,33 Milliarden Preußischen Taler Kriegsentschädigung brachte Frankreich schneller auf als erwartet und so zogen schon im September 1873 die letzten deutschen Truppen ab.

Die Bewohner Elsaß-Lothringens, die für Frankreich optieren wollten, behielten „ihren auf den mit Deutschland vereinigten Gebieten belegenen Grundbesitz“. Und Artikel II bestimmt ferner:

„Kein Bewohner der abgetretenen Gebiete darf in seiner Person oder seinem Vermögen wegen seiner politischen oder militairischen Handlungen während des Krieges verfolgt, gestört oder zur Untersuchung gezogen werden.“

Welch deutsche Perfidie!

Lorenz Clasen, Germania auf der Wacht am Rhein, 

Es war ein letztes Muster eines Friedens, der den Kriegsgegner immer noch respektierte. Für die Deutschen, deren II. Kaiserreich eben geschaffen worden war, begann ein Aufschwung auf kulturellem, technischem und wirtschaftlichem Gebiet, wie er kein Beispiel in der deutschen Geschichte kennt.

Und so wurde nicht nur hier, sondern auch in Magdeburg am Denkmal für die Einigungskriege im Park am Fürstenwall dieses heute eher vergessenen Ereignisses gedacht.



Robert Schumann, Nikolaus Becker, Rheinlied, hier gefunden

Robert Schumann, Nikolaus Becker, Sie sollen ihn nicht haben den freien deutschen Rhein, hier gefunden

nachgetragen am 17. Mai


Nachtrag am 18. Mai

Eben lese ich in einem Stück von glorifizierendem Revolutionskitsch, daß der Sturz der Napoleon-Säule am Place Vendôme auf die Nachricht von der Ratifizierung hin erfolgt sein soll. Welch Ironie! Und, woraus man alles etwas lernen kann.

Pariser Kommune 1871 beim Sturz der Colonne Vendôme, hier gefunden

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