Anmerken will ich doch aber noch, daß dabei des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. in der Fürbitte gedacht wurde.
Predigt zum 1. Sonntag nach Epiphanias
in St. Nicolai zu Magdeburg
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Der Predigttext steht im Johannesevangelium im 1. Kapitel:
Das Zeugnis des Täufers vom Lamm Gottes
29 Des andern Tages sieht Johannes Jesum zu ihm kommen und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt! 30 Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich. 31 Und ich kannte ihn nicht; sondern auf daß er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser. 32 Und Johannes zeugte und sprach: Ich sah, daß der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du sehen wirst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem heiligen Geist tauft. 34 Und ich sah es und zeugte, daß dieser ist Gottes Sohn.
Liebe Gemeinde,
ein Herr, eine Kirche und eine Taufe. Das ist das Thema dieses Sonntags am Anfang des neuen Jahres. Als Christen sollen wir von jedem Jahr hoffen, dass es ein Jahr der Erneuerung, der Umkehr und der Mission wird.
Wir sind heute und immer dem Täufer ganz gleich gemacht. Wir werden Johannes darin gleich, dass auch wir in jedem Augenblick, an jedem Tag, den wir leben, Jesus zu uns kommen sehen. Dazu ist Gott Mensch geworden.
Er ist Mensch geworden, nicht damit er in einer irgendwie abstrakten Weise die Schöpfung, das große Werk seines Vaters besucht. Jesus ist in die Welt gekommen, um jeden einzelnen Menschen zu besuchen. Das eigentliche, das Menschsein im Geiste, so möchte ich es einmal nennen, beginnt erst in dem Augenblick, in dem wir gewahr werden, Jesus kommt zu mir.
Dieses Ereignis wird angenommen und vollendet durch unser Bekenntnis. Wir müssen uns nicht dazu verheben, ein eigenes Bekenntnis hervorzubringen. Es ist ein Geschenk dieser Geschichte des Johannesevangeliums, dass wir das Bekenntnis des Täufers aufnehmen dürfen und mit ihm sprechen: Du bis Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Auch Johannes hat dieses Bekenntnis der Tradition entnommen und zitiert den Propheten Jesaja, der uns überliefert hat: Da er gestraft und gemartert ward, tat er seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut.
Stumm und demütig hat der Herr sein Leiden getragen.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt.
Mit diesem Ruf kniet und betet die ganze Kirche vom Anbeginn vor ihrem Herrn.
Wir stellen uns als Menschen immer in die Tradition, wenn wir selbst mehr ahnen als wissen, dass uns der Heilige naht, dass uns das Allerheiligste begegnet.
So geht es auch dem Täufer. Nur darum vermag er das unglaubliche auszusprechen: Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich. Und ich kannte ihn nicht; sondern auf dass er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser.
Das Taufen und die Predigt des Johannes hat den Herrn gleichsam hervorgerufen, ihn offenbar werden lassen, einen weiteren Schritt der Tradition gewirkt. So gehen wir Menschen in rechter Weise durch die Welt, indem wir weitertragen, was uns anvertraut ist. Wir werden getauft, und wir taufen, wir hören das Wort Gottes und wir predigen und wir halten uns zu unserem Gott, zu dem auch unsere Väter gebetet haben.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt!
Johannes macht sich selbst zum Hinweis auf den, von dem das Heil kommt. Er macht sich zum Wegweiser, zum Herold, vor allem aber macht er sich zum Diener. Er macht sich zum Diener des Herrn und seiner Mitmenschen.
El Greco, Johannes der Täufer, ca. 1600 - 1605
Siehe, das ist Gottes Lamm. Es ist unglaublich, dass dieser fundamentale Satz es vermocht hat, bis zu uns vorzudringen über die Jahrtausende und über Länder und Meere hinweg.
Dann beginnt Johannes scheinbar in Rätseln zu sprechen: „Dieser ist´s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich.“
Obwohl es alle menschliche Vorstellung übersteigt, versucht Johannes hier auszudrücken, was es bedeutet, dass sich in Jesus Gottheit und Menschheit miteinander verbunden haben. Durch seine Geburt, durch die Inkarnation, die Fleischwerdung, ist Jesus Mensch geworden und war dennoch als Gott von aller Ewigkeit her.
„Diejenigen aber, die da sagen „es gab eine Zeit, da er nicht war“ und „er war nicht, bevor er gezeugt wurde“, und er sei aus dem Nichtseienden geworden, oder die sagen, der Sohn Gottes stamme aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit, oder er sei geschaffen oder wandelbar oder veränderbar, die verdammt die Kirche.“
So lehrt es das Konzil von Nicäa auch im Ergebnis von menschlichem Nachdenken über drei Jahrhunderte hinweg im Jahre 325.
Johannes kann noch ganz offen bekennen: „Und ich kannte ihn nicht; sondern, auf dass er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser.“
Johannes war, wie jeder religiöse Mensch, zunächst ein Suchender, der sich auf das Unbekannte einlassen musste, um zur Wahrheit zu gelangen. Dann folgt sein gewissenhaftes Bekenntnis, das verbunden ist mit einem Rückblick auf die Taufe, wie er sie erlebt hat: „Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich erkannte ihn nicht; aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du sehen wirst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist´s, der mit dem heiligen Geist tauft. Und ich sah es und zeugte, dass dieser ist Gottes Sohn.“
Mit diesem Bekenntnis wird Johannes der Täufer zum Diener an der durch Christus gewordenen Wahrheit.
Das ist das gültige neue Paradigma: Auch wenn es zunächst so aussieht, als würde sich Christus der Taufe des Johannes unterwerfen, als würde er sich der damals wohl recht großen Jüngerschaft des Täufers anschließen, so wird doch gerade in der Taufe Jesu Johannes zum Diener an ihm und seiner erlösenden Botschaft.
Die Begegnung mit Christus macht uns zu Dienern der Wahrheit, oder sie lässt unser Menschsein leer und sinnlos werden, wenn wir uns ihm versagen. Was wäre die Taufe des Johannes noch, wenn er sich geweigert hätte, dem Willen des Mensch gewordenen Gottes nachzugeben, der die Taufe wollte, um sich als solcher zu offenbaren?
Der Wille Gottes ist der einzige Weg zur Wahrheit, denn er ist die Wahrheit. So wird denn in der Taufe Jesu auch nicht eigene Sünde abgewaschen, sondern sein Menschsein bekräftigt und der Weg zum Heil erstmals offenbart. Die Kirche hat dann verstanden, wie in der Taufe Tod und Auferstehung verheißen wurden noch ehe sie geschichtliche Faktizität erlangt hatten – übrigens ganz ähnlich wie in der Feier des historischen Abendmahls, das auch den Tod begeht, ehe er erlitten war – dadurch kann nun auch in der christlichen Taufe eine Anteilnahme an der Auferstehung des Herrn eröffnet werden.
Hilarius von Poitiers, der ein bedeutender Bischof und Lehrer der Kirche im 4. Jahrhundert gewesen ist, hat es im arianischen Streit mit den schlichten Worten ausgedrückt: „Wer soll die Wahrheit sagen, wenn nicht der Diener der Wahrheit?“
In diesem Streit ging es um die wahre Gottheit Jesu, die durch die Arianer bestritten wurde, obgleich sie auch durch den Täufer im Evangelium klar bezeugt ist.
Nachdem Hilarius wegen seiner Standhaftigkeit im Glauben nach Kleinasien verbannt worden war, schrieb er glühende Worte an seine Gemeinden: „Schweigen wäre nicht Mäßigung, sondern Feigheit. Mögen die Hirten ihre Stimme erheben, nachdem die Mietlinge die Herde verlassen haben.“
Manchmal scheint es mir so zu sein, dass die großen Kämpfe unter uns Menschen niemals endgültig entschieden sind. Immer wieder drängen dieselben Zweifel heran, die das einzigartige Geschehen der in Christus vollbrachten Heilsgeschichte, seine Gottheit, die Notwendigkeit seines Leidens und Sterbens am Kreuz, die Tatsächlichkeit seiner Auferstehung in Frage stellen.
Wir sollen ihnen, wie Hilarius, wie schon Johannes der Täufer begegnen durch das klare Bekenntnis der Wahrheit. „Nach mir kommt der Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich.“ Und auch wir sehen und bezeugen, dass dieser ist Gottes Sohn.
Nur aus diesem Bekenntnis heraus, nur aus unserer Dienerschaft gegenüber Gott, erheben sich unsere Begriffe von Wahrheit und Treue, die uns dann auch als Menschen untereinander binden.
Nur, wo wir uns zum wahren Gott bekennen, können wir uns am Altar wahre Versprechungen geben und durch sie unser Leben gestalten. Ohne Wahrheit und Aufrichtigkeit im Glauben und in der Liebe zerfällt alles zu Nichts.
Das ist die Verheißung unserer Taufe, das ist die Hoffnung unseres Glaubens, das ist der Kern des Bekenntnisses zum Sohn Gottes.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unsern Herrn.
Amen
Thomas Roloff
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