Freitag, 26. April 2013

Arno Holz & etwas Frühling



Ich habe Arno Holz schon gelegentlich erwähnt, aber nur seines famosen „Dafnis“ - Buches wegen, dieser herrlichen Neuerfindung des Barock. Arno Holz (geboren am 26. April 1863) ist ansonsten für mich eher ein schwieriger Autor, dem alles irgendwie immer über den Kopf wucherte, wie bei seinem Gedichtband Phantasus. Und dennoch sind trotz aller Theorieüberlast auch charmante Gedichte dabei entstanden, nachfolgend einige passend zum Frühlingsbeginn aus besagtem Band (mehr davon findet man hier).


Arno Holz

Phantasus (Auswahl)

Durch die Friedrichstraße
– die Laternen brennen nur noch halb,
der trübe Wintermorgen dämmert schon –
bummle ich nach Hause.
In mir, langsam, steigt ein Bild auf.
Ein grüner Wiesenplan,
ein lachender Frühlingshimmel,
ein weißes Schloss mit weißen Nymphen.
Davor ein riesiger Kastanienbaum,
der seine roten Blütenkerzen
in einem stillen Wasser spiegelt!


Zwischen Gräben und grauen Hecken,
den Rockkragen hoch, die Hände in den Taschen,
schlendre ich durch den frühen Märzmorgen.
Falbes Gras, blinkende Lachen und schwarzes Brachland
so weit ich sehn kann.
Dazwischen,
mitten in den weißen Horizont hinein,
wie erstarrt,
eine Weidenreihe.
Ich bleibe stehn.
Nirgends ein Laut. Noch nirgends Leben.
Nur die Luft und die Landschaft.
Und sonnenlos, wie den Himmel, fühl ich mein Herz!
Plötzlich ein Klang.
Ich starre in die Wolken.
Ueber mir,
jubelnd,
durch immer heller werdendes Licht,
die erste Lerche!



Mitten auf dem Platz,
wo die Kinder lärmen,
bleib ich stehn.
Jungens,
die sich um eine Murmel zanken,
ein kleines Mädchen, das Reifen spielt. . . .
Herr Gott, Frühling!
Und nichts, nichts hab ich gesehn!
Aus allen Büschen
brechen ja schon die Knospen!


Fern liegt ein Land!
In dunklen Nächten
rauschten schwermütig seine Eichen.
Weiche Flocken deckten mein Grab.
Jetzt blühn die Primeln,
die Drossel singt,
und über grüne Wiesen, um den blauen See
treibt der Schäfer seine Schafe.
Weiße Wölkchen gleiten.
Du süße Welt!
Auf deinen glänzendsten Stern
hast du ein Herz, das dich liebt, gerettet!


Schönes, grünes, weiches Gras.
Drin liege ich.
Mitten zwischen Butterblumen!
Ueber mir,
warm,
der Himmel:
ein weites, zitterndes Weiß,
das mir die Augen langsam, ganz langsam
schließt.
Wehende Luft, . . . ein zartes Summen.
Nun bin ich fern
von jeder Welt,
ein sanftes Roth erfüllt mich ganz,
und deutlich spür ich,
wie die Sonne mir durchs Blut rinnt –
minutenlang.
Versunken Alles. Nur noch ich.
Selig.


Vor meinem Fenster
singt ein Vogel.
Still hör ich zu; mein Herz vergeht.
Er singt,
was ich als Kind besaß,
und dann – vergessen.


nachgetragen am 28. April


2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Ja, schon. Aber bei uns regnet's hauptsaechlich...

Arno Holz:

Trostlos rieselndes Tropfen

Draußen die Düne.

Einsam das Haus, eintönig,
ans Fenster,
der Regen.

Hinter mir,
ticktack,
eine Uhr,
meine Stirn
gegen die Scheibe.

Nichts.

Alles vorbei.

Grau der Himmel,
grau die See
und grau
das Herz.

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Drearily trickling drizzle

Outside the Dune.

Alone the house, monotonous,
onto the window,
the rain.

Behind me,
click, clack,
a clock,
my forehead
against the window.

Nothing.

Everything passed.

Gray the sky,
gray the sea,
and gray
the heart.

MartininBroda hat gesagt…

Offen gestanden, wußte ich nicht recht, was zu antworten. Es wäre ja eigentlich eine Widerlegung der Holz'schen Absichten, der doch nur die reine Naturbeobachtung gelten lassen wollte und alles darüber hinaus möglichst vermeiden.

Nach meinem Beitrag las ich etwas in einer hiesigen Qualitätszeitung, um zu entdecken, daß ausgerechnet von mir ausgewählte Gedichte zu den unerträglichsten gezählt wurden...

Vielleicht ist ihm die tiefere Bedeutung mitunter einfach durch die Finger gerutscht, um dann doch in seiner Dichtung zu landen.

Ein anderes Geständnis, mir ist Ihre Übersetzung fast lieber als das Original, möglicherweise weil sie etwas Distanz zuläßt. So die reine Unmittelbarkeit, die muß schließlich auch erst einmal ausgehalten werden. Vielen Dank.