Donnerstag, 18. April 2013

Was unsern Geist erfreut / Entspringt aus Gegenwärtigkeit



Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
                 
 WO sind die Stunden
Der süßen Zeit, 
Da ich zuerst empfunden 
Wie deine Lieblichkeit
Mich dir verbunden?
Sie sind verrauscht, es bleibet doch dabei,
Daß alle Lust vergänglich sei.

Das reine Scherzen,
So mich ergötzt,
Und in dem tiefen Herzen
Sein Merkmal eingesetzt,
Läßt mich in Schmerzen,
Du hast mir mehr als deutlich kund getan,
Daß Freundlichkeit nicht ankern kann.

Das Angedenken
Der Zucker-Lust
Will mich in Angst versenken.
Es will verdammte Kost
Uns zeitlich kränken,
Was man geschmeckt und nicht mehr schmecken soll,
Ist Freuden-leer und Jammer-voll.
                  
Empfangne Küsse,
Ambrierter Saft,
Verbleibt nicht lange süße
Und kommt von aller Kraft;
Verrauschte Flüsse
Erquicken nicht. Was unsern Geist erfreut,
Entspringt aus Gegenwärtigkeit.

Ich schwamm in Freude,
Der Liebe Hand
Spann mir ein Kleid von Seide,
Das Blatt hat sich gewandt,
Ich geh' im Leide,
Ich wein' itzund, daß Lieb und Sonnenschein
Stets voller Angst und Wolken seyn.

Ich habe hier fast alles an den gegenwärtigen Sprachgebrauch angepaßt, aber das allerletzte Wort mußte ich dann doch so stehenlassen, eine kleine Laune. „Verrauschte Flüsse / Erquicken nicht. Was unsern Geist erfreut / Entspringt aus Gegenwärtigkeit.“ Unser Dichter weist sie also ab, die faden Freuden der Erinnerung, in einem Gedicht des Erinnerns. Und verhilft beiden zu ihrem Recht, dem Augenblick, in dem wir leben, und dem Gemüt, das zurückschaut.

Die Dichter des Barock wollten nicht ihr zufälliges Selbst nach außen kehren, sondern Zustände des Menschlichen gültig beschreiben. Es ist also müßig zu fragen, ob und inwieweit Hoffmannswaldau aus persönlichem Erleben spricht, zudem tritt er gern „galant“ und unterhaltsam auf, nicht immer, aber gerade diese Seite ist ihm dann in späteren, ledern - ernsteren Zeiten vorgehalten worden,  als„seicht“, gar „schlüpfrig“. 

Prof. Gottsched meinte, er habe zusammen mit Lohenstein durch „regellose Einbildungskraft“, „geilen Witz und ungesalzenen Scherz“ (was immer letzteres bedeuten soll) der deutschen Dichtung nur Schande gebracht. Dabei war sie alles andere als regellos, es waren halt andere als die der nüchternen Frühaufklärer und nachfolgenden Langweiler.

Ich will jetzt nicht mit einem Exkurs über Barock-Lyrik langweilen, eine hochkomplexe Angelegenheit übrigens, vielleicht später einmal. Über Hoffmannswaldau habe ich mich schon mehrfach ein wenig  ausgelassen, nur nebenbei bemerkt. „Alle Sachen / Werden anders mit der Zeit.“ „Auf O Seele! du mußt lernen... / Dir zu sein dein eigen Licht.“ „Sich in sich stets zu bekriegen / Und zu siegen / Ist der besten Krone wert.“ (aus: „Ermahnung zur Vergnügung“).

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau starb am 18. April 1679, daher diese kleine Nachtrag.
nachgetragen am 21. April


1 Kommentar:

Walter A. Aue hat gesagt…

"Verrauschte Flüsse
Erquicken nicht. Was unsern Geist erfreut,
Entspringt aus Gegenwärtigkeit."

Damit ist er aber sehr, sehr modern. Ob man das nun "The Power of Now" nennt oder, buddhistisch angehaucht, "mindfulness" oder, psychologisch formuliert, "cognitive awareness of the present", spielt ja wenig Rolle. Die Zukunft kennen wir nicht und die Vergangenheit war anders, als unser Gedaechtnis uns vorspiegelt. Ein Hoch ihm, der im Augenblicke prallsaftig zu leben und das noch dazu so ueberzeugend auszudruecken vermag!