Dienstag, 2. April 2013

„Sei dennoch unverzagt!“


Raffael, Die Schule von Athen

Der 2. April ist ein merkwürdiger Tag im Kalender offenkundig, bei dem einen gewissermaßen gleich haufenweise die Gedanken anspringen, die sonst doch so gern eingebildet zurückbleiben. Aber man muß auch nicht unverzüglich aus allem ein lärmendes Geschwätz und Aufhebens machen. Es sei wie es sei.

Da ich letztens ein wenig über den Charakterunterschied der Zeiten nachzudenken Anlaß hatte, gibt es heute ein Gedicht ebendarüber, über die Zeit nämlich, am Ende, weil Paul Fleming am 2. April 1640 jung verstarb. Und ein anderes von ihm, das mit den schönen Worten beginnt „Sei dennoch unverzagt!“ und weiter „Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren“.

Aber zuvor etwas Gleim, denn Johann Wilhelm Ludwig Gleim wurde am 2. April 1719 geboren. Das 18. Jahrhundert ist auf eine gelegentlich leichtsinnige Art sehr charmant, aber oft auch ein eher flaches Gewässer. Vielleicht hatte man das Bedürfnis, sich von der erdschweren Ernsthaftigkeit vorangegangener Zeiten freizumachen, um dabei möglicherweise zu viel hinter sich zu lassen, aber ich wollte ja nur 3 Stücke Dichtung zitieren, also:

Johann Wilhelm Ludwig Gleim 

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Der Hirsch, der sich im Wasser sieht.

Ein Hirsch bewunderte sein prächtiges Geweih'
Im Spiegel einer klaren Quelle.
»Wie prächtig! auf derselben Stelle,
Wo Königskronen stehn, und wie so stolz, so frei!
Auch ist mein ganzer Leib vollkommen, nur allein
Die Beine nicht, die sollten stärker seyn!«

Und als er sie besieht, mit ernstlichem Gesicht,
Hört er im nahen Busch ein Jägerhorn erschallen,
Sieht eine Jagd von dem Gebirge fallen,
Erschrickt und flieht! Nun aber hilft ihm nicht
Das prächtige Geweih', dem nahen Tod entfliehn,
Nicht sein vollkommner Leib, die Beine retten ihn!
Die reißen, wie ein Pfeil, die prächtige Gestalt
Mit sich durch's weite Feld, und fliehen in den Wald!

Hier aber halten ihn, im vogelschnellen Lauf,
An starken Zweigen oft die vierzehn Enden auf.
Er reißt sich los, er flucht darauf;
Lobt seine Beine nun, und lernet noch im Fliehn,
Das Nützliche dem Schönen vorzuziehn.


gesprochen von Katharina Thalbach

Paul Fleming

An Sich!

Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren!
Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

Was dich betrübt und labt, halt alles für erkohren;
nimm dein Verhängnüs an. Laß' alles unbereut.
Tu, was getan muß seyn, und eh man dir's gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.

Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
dies alles ist in dir. Lass deinen eitlen Wahn,

und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
dem ist die weite Welt und alles untertan.


Gedanken über der Zeit

Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit;
so wißt, ihr Menschen, nicht von und in was ihr seid.
Diß wißt ihr, daß ihr seid in einer Zeit geboren
und daß ihr werdet auch in einer Zeit verloren.
Was aber war die Zeit, die euch in sich gebracht?
Und was wird diese sein, die euch zu nichts mehr macht?
Die Zeit ist was und nichts, der Mensch in gleichem Falle,
doch was dasselbe was und nichts sei, zweifeln alle.
Die Zeit, die stirbt in sich und zeugt sich auch aus sich.
Diß kömmt aus mir und dir, von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen,
doch aber muß der Mensch, wenn sie noch bleibet, weichen.
Die Zeit ist, was ihr seid, und ihr seid, was die Zeit,
nur daß ihr wenger noch, als was die Zeit ist, seid.
Ach daß doch jene Zeit, die ohne Zeit ist, käme
und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme,
und aus uns selbsten uns, daß wir gleich könten sein,
wie der itzt jener Zeit, die keine Zeit geht ein!

1 Kommentar:

Your host hat gesagt…

Easter wishes, easter joys