Freitag, 21. Juni 2013

Über Beutestücke

aus dem "Schatz des Priamos", heute im Puschkin Museum, Moskau

Bekanntlich neige ich nicht dazu, die Gegenwart kommentieren zu wollen, aber soviel Chuzpe wie eben, so lautet wohl das Wort dafür, die läßt einem doch keine andere Wahl.

Als das damals Sowjetunion genannte Rußland vor 68 Jahren den Krieg gegen das Deutsche Reich gewann – lassen wir einmal alle abgeforderten Begleitformeln, selbst die vielleicht berechtigten, beiseite – da genoß es diesen Sieg, wie es seit Jahrtausenden der Brauch ist, Annektierung von Land, Inbesitznahme von Menschen und Dingen, die von Wert scheinen, eben auch Kunstwerken. So entstand u.a. das Thema der sogenannten „Beutekunst“, das nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder zur praktischen Frage wurde.

Zufälligerweise weiß ich, daß damals, als Deutschland vor allem ein erweitertes Westdeutschland mit all seinen neueren Prägungen war, ziemlich viel bei deren möglicher Rückgewinnung durch bürokratische Arroganz versemmelt wurde, das war in der Vor-Putin-Ära. Aber über vergossene Milch zu lamentieren...

Ich halte der Kanzlerin zugute, daß sie bei diesem Thema nicht eingeknickt ist. Ich bin wahrlich nicht ihr größter Fan, aber zu ihrem Amt gehört nun einmal, die Rechte des Landes zu vertreten  das sie repräsentiert. Das hat sie, glaube ich, gerade getan.

Den heutigen Abendnachrichten entnehme ich, daß Frau Merkel nun doch, nachdem man ihr dies zunächst zu verwehren suchte, „eine Bronzezeit-Ausstellung mit viel Beutekunst in St. Petersburg eröffnet“ hat, mit einer Rede, gemeinsam mit Herrn Putin. "Wir sind der Meinung, dass diese Ausstellungsstücke wieder zurück nach Deutschland kommen sollten", habe sie gesagt, und bezog sich dabei auf die 600 geraubten Exponate, die nun erstmals in der Ausstellung in der Eremitage gezeigt werden.

Putin habe erwidert, man solle bei dem Thema aufhören, gegenseitig Forderungen zu einer Rückübertragung zu erheben. Ansonsten würde die Türkei auch die Herausgabe der Schliemann-Schätze aus Deutschland fordern können. Und allein das war der Punkt, warum ich mich dieses kurzen Einwurfs nicht erwehren konnte. Denn der Schatz des Priamos (auch bekannt als Gold von Troja) von Heinrich Schliemann, einem Mecklenburger Landsmann in Troja entdeckt, befindet sich derzeit wo? Wie inzwischen offiziell zugegeben? Nun in Rußland!

Sophia Schliemann mit Schmuck aus dem "Schatz des Priamos"

Und wenn man sich so gewiß ist, daß all dies längst „mit dem Blut sowjetischer Soldaten bezahlt" worden sei und daher rechtmäßig in Besitz genommen, warum mußte man dann diese doch so offenbare Tatsache über Jahrzehnte verleugnen?

Was einem an diesem gegenwärtigen Rußland so unangenehm aufstößt, ist diese Unaufrichtigkeit, ja Dreistigkeit, die weit über das hinausgeht, was politisch erwartbar und auch bei anderen lichten Gestalten wie einem gewissen amerikanischen Präsidenten vorzufinden ist. So hat mir also Herr Putin Frau Merkel sympathischer gemacht, keine geringe Leistung.

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