Am 4. Juni berichtete „Spiegel Online“ unter der Überschrift „Guten Tag, Herr Professorin“ wohlwollend darüber, daß die Universität Leipzig beschlossen habe, in ihrer Grundordnung ausschließlich die weibliche Personenbezeichnung zu verwenden. Eine Fußnote solle erklären, daß diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gelte. Ein weiterer schöner Sieg im Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit folglich.
Der Linguistikprofessor Anatol Stefanowitsch findet das dann auch ganz toll, wie er am 10. Juni in „Spiegel Online“ erzählen darf. Warum ich ihn erwähne? Ich fürchte, ich habe früher einmal einen seiner Sprachblogs freundlich erwähnt, und wo ich jetzt wieder etwas darin herumlas, packte mich das kalte Grausen. Aber ich stieß auch auf etwas Erfreuliches, auf Umwegen.
Zunächst: In einem Blogpost „Die unverbesserliche Seichtigkeit der Sprachnörgler“ vom Mai 2011 hatte er sich am Beispiel des freien Autors, Trainers für kreatives Schreiben und gelernten Automobilkaufmanns Andreas Busch über „die ganze lange und trübsinnige Tradition der Sprachnörgelei“ ausgelassen. Auf dieser eben gefundenen Website sah ich eine ausführliche Darstellung, die den Gegenstand der Kontroverse hinreichend zu beleuchten scheint.
Der Punkt ist nur, offenbar strotzt seine Polemik so sehr von fachlichen Fehlern - besagter Sprachwissenschaftler scheint zudem gern noch die ihm eigene Oberflächlichkeit durch Selbstgefälligkeit zu steigern - daß ein andere Sprachwissenschaftler in einem dreiteiligen Podcast sehr unterhaltsam, sehr fundiert und nun ja auch sehr ausführlich die wissenschaftliche Befähigung des Herrn Stefanowitsch vernichtend „würdigte“. Üblicherweise bin ich bei derartig obsessiv wirkenden Kontroversen eher skeptisch (warum beschäftigt sich ein intelligenter Mensch so ausführlich mit derartigem...??), aber einige Stunden später bin ich rundum begeistert.
Von der wissenschaftlichen Haltung des Herrn, seinem Humor, seiner Gründlichkeit und ja auch seiner Uneitelkeit, er wirkt geradezu wie das Spiegelbild zu dem obenerwähnten Herrn. Daniel Scholten heißt der gute Mann. Er betreibt eine höchst unterhaltsame und lehrreiche Seite namens „Belles Lettres – Deutsch für Dichter und Denker“, gewissermaßen ein Sprachratgeber und Sprachkommentar, den ich nur von ganzem Herzen empfehlen kann. Wobei eine solche Empfehlung generell nie bedeutet, daß ich etwa allen Ansichten eines Autors folge, es ist in der Regel die Haltung, die mich überzeugt, wie eben hier.
Um auch noch auf die oben genannte Serie zu verweisen, mit der er 'die wissenschaftliche Arbeit von Stefanowitsch würdigen wolle':
Teil 1 heißt „Woher kommt das Wort Sympathie und was bedeutet es?“
Teil 2 - „Busen und Brüste - Herkunft und Bedeutung“
Teil 3 - „Das Erdbeben sorgte für viele Tote - Das Verbum sorgen richtig verwenden“.
Ein anderer positiver Effekt dieser zeit-“geist“-typischen Geschichte war übrigens, ich wurde motiviert den 2. Teil meiner Dávila-Folge fertigzuschreiben. Das mag als Kommentar genügen. Nur soviel vielleicht noch:
Bei diesem Kampf gegen das „generische Maskulinum“ geht es zweifelsohne nicht darum, die Berufschancen von Frauen zu verbessern. Es ist der Versuch einer Gehirnwäsche, ein Versuch (neben vielen anderen in diesen Zeiten), geschichtlich Gewachsenes aufzubrechen und auszulöschen, ein Versuch, nicht das weiterzuführen und weiterzuformen, aus dem die menschliche Kultur und Sprache gewachsen ist, sondern etwas gänzlich Neues nach selbstgezimmerten Maßstäben herbeizuzwingen.
Wir beobachten ein reduzierendes und vom Leben abgetrenntes Denken, das die Differenz des Lebens auslöschen will und damit das Leben selbst angreift, denn das Leben ist Differenz.
beemdet am 11. Juni
1 Kommentar:
"Wir beobachten ein reduzierendes und vom Leben abgetrenntes Denken, das die Differenz des Lebens auslöschen will und damit das Leben selbst angreift, denn das Leben ist Differenz."
Interesting argument. Biologists argue - if my scant knowledge of that fascinating discipline is correct - that heterosexual procreation is so common because the mixing of genes and hence possible adaptations are much stronger than in the asexual processes. Diversity is usually beneficial, vive la différence!
I would not consider it inconceivable to predict the demise of Homo sapiens on grounds of its mental activity - whether through misguided scientific experimentation, or fundamentalist religious morals, or overdevelopment of individualism or, well, gender equalisation with the concomitant loss of libido.
As regards gender equalisation - nowadays even Jesus Christ is referred to as "She" in some gospel translations! - I am happy to stick to English und recommend that to Leipzig U. Of course, there is no word in English for a professor of the female gender. I know that's not supposed to be an argument. But when my students address a female colleague or me, they anyway say "Prof". That's as far as possible removed from gender. So let's all be profs (forget the period, no pun intended) and let's leave the differences between us for after-hours!
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