von der Kirchgemeinde Schönhausen zur Verfügung gestellt
Ich mag dieses „Verspielte“. Obwohl das schon wieder typischer Kunst-Erklär-Slang ist (jedenfalls zu heutigen Zeiten). Vielleicht fällt mir ja noch etwas Passenderes ein. Der Reihe nach: Herr Roloff (hier bestens eingeführt) war der Meinung, des 200. Geburtstags des Fürsten Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen sollte an einem 1. April auch in Schönhausen, seinem Geburtsort gedacht werden .
Ich zitiere: „Schönhausen (dpa/sa) - Die Kirchengemeinde Schönhausen (Landkreis Stendal) erinnert mit einem Gedenkgottesdienst am 1. April (19.00 Uhr) an die Geburt des ersten deutschen Reichskanzlers und Sohn der Gemeinde, Otto von Bismarck, vor 200 Jahren." Sachsen-Anhalts ehemaliger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer werde ein Grußwort sprechen, so die Gemeinde, ebenso zugesagt hätten der Botschafter der Russischen Föderation, Wladimir Grinin, und der erste demokratisch gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière.
Das lassen wir jetzt so für sich stehen. Über einen Mangel an Aufmerksamkeit wird man sich nach dieser Namensreihe mutmaßlich weniger Sorgen machen müssen. Aber darauf wollte ich diesmal wirklich nicht eingehen.
Und da auch noch anderes folgen soll, gibt es ein Festprogramm, das von einem Gemälde des Hallenser Malers Moritz Götze geziert wird, daher das Eingangsbild. Um zur Erklärung dessen nochmals Herrn Roloff zu zitieren:
„Der Maler Moritz Götze stellt der Kirchengemeinde Schönhausen zum 200. Geburtstag des Reichsgründers sein Bismarck-Portrait als Leihgabe zur Verfügung. Das Gemälde wird vom 1. April bis zum 3. Oktober dieses Jahres in der Kirche zu sehen sein. Es gehört zu einem eindrucksvollen Zyklus, den der 1964 in Halle/Saale geborene Künstler in Anlehnung an Anton von Werner geschaffen hat. Die Pop Art und Comic Einflüsse sind dabei für Götze besonders charakteristisch.
'Ich freue mich über diese Leihgabe außerordentlich, weil sie farbenfroh zum Ausdruck bringt, wie sehr der Kanzler uns auch in der Gegenwart beschäftigt, und wie viel er uns noch immer zu sagen hat', erklärt der Gemeindekirchenratsvorsitzende Thomas Roloff.“
(c) Moritz Götze, Halle
Da ich keine Zeitung bin, mußte ich das jetzt nicht unbedingt in den Konjunktiv umschreiben. Aber letztlich war es der Auslöser für den vorliegenden Beitrag. Ach und dann wird es ab dem 15. 3. in Schönhausen auch noch eine neugestaltete Ausstellung des dortigen Bismarck-Museums geben (das hätte ich jetzt fast vergessen).
Ich gestehe, ich konnte bisher keines der Bilder des Herrn Götze im Original sehen. Der eine oder andere womöglich auch nicht, darum habe ich das Abbildungszugeständnis auch so exzessiv ausgelegt und das Originalbild recht großzügig nachgeliefert. Und vor allem begonnen zu lesen, was sich so fand. Mit anderen Worten, der informativere Teil dieses Beitrags ist damit abgeschlossen, ab jetzt mäandert es so vor sich hin.
Beginnen wir mit etwas vermeintlich Abgelegenen. Im Griechischen des Paulus gibt es das schöne Wort oikodomē (oικοδομή), daraus ist viele Jahrhunderte später das mitunter gruselige „Erbaulich“ geworden, neuzeitlich säkularisiert vielleicht noch als „konstruktiv“ bekannt (auch nicht schön). Aber hinter jedem Mißbrauch steckt nicht selten ein guter Anfangs-Gebrauch, den der erste nicht auslöschen kann (auch wenn uns das heutzutage die geistig leicht Beweglichen gern einreden wollen).
Bevor ich zu dem Wort „Pop-Art„ selbst etwas äußere, ein Zitat: „Moritz Götze ist ein Künstler, der Geschichte und Geschichten liebt.“ Das ist immerhin ein Anfang. Dieses Zitat stammt aus einer Ankündigung zu einer Ausstellung der Kunstsammlung Jena, die erst am 14. März diesen Jahres beginnen soll (wir sind also furchtbar aktuell, ausnahmsweise) - „Moritz Götze (Halle/Saale): Des Knaben Wunderhorn“. Man kann das sowieso alles dort nachlesen, aber erfreulich fand ich die Beschreibung der Romantik als „Suche nach Ursprünglichkeit, mit der sich die Romantiker vom Rationalismus der Aufklärung ab- und dem individuellen Erleben zuwendeten“.
(Kleiner Protest: Es war wohl mehr als das bloße persönlich Anders-Fühlen. Aber immerhin wird dieses Fühlen dann doch beschrieben als “eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht und das Streben nach einem harmonischen Ganzen“. Das erste Aufbäumen gegen den Transzendenz-Verlust, den das Abendland beginnend mit dieser philosophischen Sekte erlitten hat, meine ich, aber das gehört nicht hierher).
Moritz von Schwind, "Des Knaben Wunderhorn", (verbrannt)
Ach, und wenn man sich schon dort hinbegibt: Götze versenke sich in die Ereignisse und destilliere ein scharf konturiertes Extrakt, das auf Wirkung ziele. Nun ja, wirkungsfeindliche Künstler sind selten. Aber es gibt doch noch einen schönen Satz mit weniger dramatischer „Luft“ im Vortrag (ich habe da immer eine bestimmte Person aus meiner Biographie im Ohr, wenn ich derartiges lese): Stilistisch verorte sich Moritz Götze im deutschen Pop (das ist es noch nicht, aber jetzt), er verschweige jedoch dabei nicht seine tiefe und durchaus Tradition suchende und aufbauende Art, die ihn durchaus in die Nähe der Jenaer Romantiker rücke.
Das scheint mir auch so (und jetzt erklärt sich wohl auch das merkwürdige griechische Wort von oben).
Jetzt müssen wir nur noch die Kurve zum „Eisernen Kanzler“ kriegen. Wenn ich es recht sehe, stand am Anfang (der öffentlichen Aufmerksamkeit in dieser Sache) eine Ausstellung in Saarbrücken im Jahre 2007:
Zeitgemäße Paraphrasen historischer Geschichtsbilder, als solche seien die poppig bunten, in ihrer scharfen Konturierung an Holzschnitte gleichermaßen wie an Comiczeichnungen erinnernden Werke des Hallenser Künstlers Moritz Götze zu verstehen. Für die Saarbrücker Ausstellung greife Götze auf monumentale Wandbilder des wilhelminischen „Propagandamalers“ Anton von Werner zurück. Dieser habe 1880 als Wanddekoration für den Saarbrücker Rathaussaal die Geschehnisse des deutsch-französischen Krieges rund um die Spicherer Höhen vom August 1871 und den Einzug des Königs in Saarbrücken glorifiziert. Durch die Vereinigung der Werke des 19. Jahrhunderts mit Götzes moderner Wiederauflage werde ein Geschichtspanorama aufgespannt, in welchem sich die Sicht auf das Vergangene zugunsten zeitgenössischer Parameter verschöbe.
Das findet sich im Wortlaut hier und verweist auf eine Sache, die man ausführlicher an diesem Ort nachlesen kann.
Farbskizze zu „Ankunft König Wilhelms I. in Saarbrücken“
Anton von Werner wird derzeit aus 2 Gründen nicht gemocht, entweder ist es der Stil / die Bildsprache oder es sind die Sujets, eher sind es wohl letztere (wäre ein gewisser dubioser Georgier zu erblicken, würden dieselben Kritiker mutmaßlich zuvor heimlich ein Tränchen verdrücken).
Wie ich schon oft anmerkte, sind Selbstzitate peinlich, aber ich war fast ein wenig (nicht genug) gerührt, als ich diesen Versuch einer Ehrenrettung des Herrn von Werner las:
„Es mag sein, daß sein nahezu fotographischer Realismus vielfach wirklich mehr wie eine Chronik die Zeit abbildet, aber nach meinem Gefühl agiert er dabei nicht nur mit souveräner Beherrschung der malerischen Technik, sondern auch mit einem genauen psychologischen Auge, wachem Sinn für die Bedeutung von Augenblicken und handelnden Personen und vor allem in einer vornehmen Gelassenheit, die Würde und eine souveräne Geisteshaltung verkörpert. Das erscheint mir doch weit weniger oberflächlich als es ihm gern nachgesagt wird.“
König Wilhelm am Sakrophag seiner Mutter, der Königin Luise,
im Mausoleum zu Charlottenbur am 19. Juli 1870
Was für ein Quark. Man sehe doch einfach auf dieses Bild eines Augenblicks, in dem derart viele Linien der Vergangenheit zusammengehen, zusammenfindend zu etwas, das anschließend nicht unbemerkt bleiben wird, um das mindeste zu sagen. Und man sieht das alles schon jetzt (obwohl das Bild natürlicherweise von später ist, in der Kunst gehen die Zeiten immer durcheinander, scheinbar).
Also der leicht süffisante Vorhalt des photographischen Realismus, den ich mir offenkundig irgendwo angelesen hatte, ist schon mal Müll. Denn was bitteschön sagt er künstlerisch aus?
Anton von Werner, Selbstporträt im Atelier, 1885
Historienmaler werden üblicherweise als in Auftrag gestellt gesehen. Hier aber hat sich der Künstler ganz selbst in denselben gestellt. Und das ist bemerkenswert, u.a.
Sein Gedanken- und Bilderaustausch mit dem Malerkollegen von Werner ist für mich auch als Haltung sehr achtenswürdig. Im Jahr 2009 gab es dazu in Frankfurt/Oder eine weitere Ausstellung, und so man diesem folgt, kann man endlich einen visuellen Eindruck von dem Konzept gewinnen. Der Text dazu: Der 122 Jahre jüngere Götze arbeite im Unterschied ohne jedes politische Kalkül und gehe auf die ihm eigene Weise mit der Neugierde sinnlicher Unschuld und ohne jedes Pathos auf die optischen Artefakte der Geschichte ein. Nun ja.
Auch dieser Beitrag muß ein Ende nehmen, wir bemühen uns. Warum ich das alles vor mich hin schreibe? Zunächst: Das Unverbiesterte, nicht dieses innerlich Verklemmte und Freudlose, das heute von auf den ersten Blick ähnlichen Biographien einen regelmäßig anspringt. Eher wie ein kluges Kind, eine nicht selten hintergründige Naivität, nie verkrampft, üblicherweise komplex. Was fallen einem da für Worte ein? „Lebensechtheit“? „biographische Treue“? Fast hätte ich „Authentizität“ gesagt, wenn der Begriif nicht so abgenutzt und heruntergehurt wäre.
Verblüfft hatte mich eine Rezension in der „taz“. Da schluckt selbst ein Autor von dort ohne Protest das Sichtbare und malte nur noch seine milieu-typischen Kringel dazu. (Was für eine pazifizierende Wirkung Kunst doch haben kann).
„Aber weil es Pop ist, steht das Bild jenseits alter politischer Kontroversen, in die, im Falle Bismarcks, mit nationaler Attitüde sich auch die DDR einschaltete, um den Altkanzler realsozialistisch einzugemeinden.“
Ansonsten ist dieser Artikel einer der besseren, etwa wo er die Frage stellt, was denn deutsche Popart sei? Nämlich wie der große amerikanische Bruder poppig bunt, flächig, habe keine Berührungsängste gegenüber Comics und sei eine Umwälzmaschine für alles von Avantgarde über Repräsentationskunst bis Krempel. Götzes Pop aber sei auch flächig, habe aber Tiefe, nämlich historische. Eben!
Bei Pop-Art (aber ich habe ja keine Ahnung von solchen Sachen) waren mir bisher neben dem unvermeidlichen Andy Warhol eher Leute wie Jeff Koons eingefallen; beiden mag man vieles vorwerfen. Tiefe gehört sicherlich nicht dazu.
An dem Herrn Götze beeindruckt mich u.a. seine stilistische Haltung, der Wille, auf das zu sehen, was vor einem war, man kann das Achtsamkeit nennen (es ist übrigens der allererste Schritt jeglichen Bildungsbemühens, auch wenn das ebenfalls nicht hierher gehört).
Und jetzt brechen wir einfach ab, wo ich doch selbst die Beiträge hasse, die nie ein Ende finden wollen. Also nichts über die Buddha-Statuen von Bamiyan, nichts darüber, daß Kunst die Essensz des Menschlichen sei oder vielmehr beschreibe, und wer sie verfehle, allenfalls Kunstgewerbe hervorbringen würde. Vielleicht noch zwei Links, etwa hier und hier.
Und dann empfehle ich noch einmal einen Blick auf das Bismarck - Porträt, zum einen wegen der Haltung dessen, der da gerade etwas zusammenschmiedet, was doch leidlich zusammenhalten wird - aus dem Abstand von mehr als 100 Jahren gesagt (zu schweigen von der mythischen Figur des Schmiedes dahinter) und dann buchstäblich der Hintergrund, der ist auch nicht ohne. Das ist schon eine sehr gewitzte Bilderfindung.
Und um zum anderen doch noch grundsätzlicher zu werden. Deutsche Geschichte wird (mit ruhmvollen Ausnahmen) in der zeitgenössischen Kunst (und nicht nur dort) vor allem entweder ignoriert oder „dekonstruiert“ (da kann der „Bruch“ nicht gewaltsam genug sein, wie überhaupt eine gewisse moderne Sprache das Gewaltsame und Auslöschende exzessiv treibt). Daß das mit Moderne an sich nichts zu tun haben muß, das sehen wir hier. Der Maler Moritz Götze holt mit seinem besonderen, ausdrucksstarken und sehr individuellen Stil Geschichte in unser heutiges Bildgedächtnis zurück, mit dem unübersehbaren Bestreben, ihr dabei gerecht zu werden.
zu Ende gebracht am 2. März