Freitag, 27. Februar 2015

Über Bismarcks Geburtstag und Herrn Moritz Götze

von der Kirchgemeinde Schönhausen zur Verfügung gestellt

Ich mag dieses „Verspielte“. Obwohl das schon wieder typischer Kunst-Erklär-Slang ist (jedenfalls zu heutigen Zeiten). Vielleicht fällt mir ja noch etwas Passenderes ein. Der Reihe nach: Herr Roloff (hier bestens eingeführt) war der Meinung, des 200. Geburtstags des Fürsten Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen sollte an einem 1. April auch in Schönhausen, seinem Geburtsort gedacht werden .

Ich zitiere: „Schönhausen (dpa/sa) - Die Kirchengemeinde Schönhausen (Landkreis Stendal) erinnert mit einem Gedenkgottesdienst am 1. April (19.00 Uhr) an die Geburt des ersten deutschen Reichskanzlers und Sohn der Gemeinde, Otto von Bismarck, vor 200 Jahren." Sachsen-Anhalts ehemaliger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer werde ein Grußwort sprechen, so die Gemeinde, ebenso zugesagt hätten der Botschafter der Russischen Föderation, Wladimir Grinin, und der erste demokratisch gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière.

Das lassen wir jetzt so für sich stehen. Über einen Mangel an Aufmerksamkeit wird man sich nach dieser Namensreihe mutmaßlich weniger Sorgen machen müssen. Aber darauf wollte ich diesmal wirklich nicht eingehen.

Und da auch noch anderes folgen soll, gibt es ein Festprogramm, das von einem Gemälde des Hallenser Malers Moritz Götze geziert wird, daher das Eingangsbild. Um zur Erklärung dessen nochmals Herrn Roloff zu zitieren:

„Der Maler Moritz Götze stellt der Kirchengemeinde Schönhausen zum 200. Geburtstag des Reichsgründers sein Bismarck-Portrait als Leihgabe zur Verfügung. Das Gemälde wird vom 1. April bis zum 3. Oktober dieses Jahres in der Kirche zu sehen sein. Es gehört zu einem eindrucksvollen Zyklus, den der 1964 in Halle/Saale geborene Künstler in Anlehnung an Anton von Werner geschaffen hat. Die Pop Art und Comic Einflüsse sind dabei für Götze besonders charakteristisch.

'Ich freue mich über diese Leihgabe außerordentlich, weil sie farbenfroh zum Ausdruck bringt, wie sehr der Kanzler uns auch in der Gegenwart beschäftigt, und wie viel er uns noch immer zu sagen hat', erklärt der Gemeindekirchenratsvorsitzende Thomas Roloff.“

(c) Moritz Götze, Halle

Da ich keine Zeitung bin, mußte ich das jetzt nicht unbedingt in den Konjunktiv umschreiben. Aber letztlich war es der Auslöser für den vorliegenden Beitrag. Ach und dann wird es ab dem 15. 3. in Schönhausen auch noch eine neugestaltete Ausstellung des dortigen Bismarck-Museums geben (das hätte ich jetzt fast vergessen).

Ich gestehe, ich konnte bisher keines der Bilder des Herrn Götze im Original sehen. Der eine oder andere womöglich auch nicht, darum habe ich das Abbildungszugeständnis auch so exzessiv ausgelegt und das Originalbild recht großzügig nachgeliefert. Und vor allem begonnen zu lesen, was sich so fand. Mit anderen Worten, der informativere Teil dieses Beitrags ist damit abgeschlossen, ab jetzt mäandert es so vor sich hin.

Beginnen wir mit etwas vermeintlich Abgelegenen. Im Griechischen des Paulus gibt es das schöne Wort oikodomē (oικοδομή), daraus ist viele Jahrhunderte später das mitunter gruselige „Erbaulich“ geworden, neuzeitlich säkularisiert vielleicht noch als „konstruktiv“ bekannt (auch nicht schön). Aber hinter jedem Mißbrauch steckt nicht selten ein guter Anfangs-Gebrauch, den der erste nicht auslöschen kann (auch wenn uns das heutzutage die geistig leicht Beweglichen gern einreden wollen).

Bevor ich zu dem Wort „Pop-Art„ selbst etwas äußere, ein Zitat: „Moritz Götze ist ein Künstler, der Geschichte und Geschichten liebt.“ Das ist immerhin ein Anfang. Dieses Zitat stammt aus einer Ankündigung zu einer Ausstellung der Kunstsammlung Jena, die erst am 14. März diesen Jahres beginnen soll (wir sind also furchtbar aktuell, ausnahmsweise) - „Moritz Götze (Halle/Saale): Des Knaben Wunderhorn“. Man kann das sowieso alles dort nachlesen, aber erfreulich fand ich die Beschreibung der Romantik als „Suche nach Ursprünglichkeit, mit der sich die Romantiker vom Rationalismus der Aufklärung ab­- und dem individuellen Erleben zuwendeten“.

(Kleiner Protest: Es war wohl mehr als das bloße persönlich Anders-Fühlen. Aber immerhin wird dieses Fühlen dann doch beschrieben als “eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht und das Streben nach einem harmonischen Ganzen“. Das erste Aufbäumen gegen den Transzendenz-Verlust, den das Abendland beginnend mit dieser philosophischen Sekte erlitten hat, meine ich, aber das gehört nicht hierher).

Moritz von Schwind, "Des Knaben Wunderhorn", (verbrannt)

Ach, und wenn man sich schon dort hinbegibt: Götze versenke sich in die Ereignisse und destilliere ein scharf konturiertes Extrakt, das auf Wirkung ziele. Nun ja, wirkungsfeindliche Künstler sind selten. Aber es gibt doch noch einen schönen Satz mit weniger dramatischer „Luft“ im Vortrag (ich habe da immer eine bestimmte Person aus meiner Biographie im Ohr, wenn ich derartiges lese): Stilistisch verorte sich Moritz Götze im deutschen Pop (das ist es noch nicht, aber jetzt), er verschweige jedoch dabei nicht seine tiefe und durchaus Tradition suchende und aufbauende Art, die ihn durchaus in die Nähe der Jenaer Romantiker rücke.

Das scheint mir auch so (und jetzt erklärt sich wohl auch das merkwürdige griechische Wort von oben).

Jetzt müssen wir nur noch die Kurve zum „Eisernen Kanzler“ kriegen.  Wenn ich es recht sehe, stand am Anfang (der öffentlichen Aufmerksamkeit in dieser Sache) eine Ausstellung in Saarbrücken im Jahre 2007:

Zeitgemäße Paraphrasen historischer Geschichtsbilder, als solche seien die poppig bunten, in ihrer scharfen Konturierung an Holzschnitte gleichermaßen wie an Comiczeichnungen erinnernden Werke des Hallenser Künstlers Moritz Götze zu verstehen. Für die Saarbrücker Ausstellung greife Götze auf monumentale Wandbilder des wilhelminischen „Propagandamalers“ Anton von Werner zurück. Dieser habe 1880 als Wanddekoration für den Saarbrücker Rathaussaal die Geschehnisse des deutsch-französischen Krieges rund um die Spicherer Höhen vom August 1871 und den Einzug des Königs in Saarbrücken glorifiziert. Durch die Vereinigung der Werke des 19. Jahrhunderts mit Götzes moderner Wiederauflage werde ein Geschichtspanorama aufgespannt, in welchem sich die Sicht auf das Vergangene zugunsten zeitgenössischer Parameter verschöbe.

Das findet sich im Wortlaut hier und verweist auf eine Sache, die man ausführlicher an diesem Ort nachlesen kann.

Farbskizze zu „Ankunft König Wilhelms I. in Saarbrücken“ 

Anton von Werner wird derzeit aus 2 Gründen nicht gemocht, entweder ist es der Stil / die Bildsprache oder es sind die Sujets, eher sind es wohl letztere (wäre ein gewisser dubioser Georgier zu erblicken, würden dieselben Kritiker mutmaßlich zuvor heimlich ein Tränchen verdrücken).

Wie ich schon oft anmerkte, sind Selbstzitate peinlich, aber ich war fast ein wenig (nicht genug) gerührt, als ich diesen Versuch einer Ehrenrettung des Herrn von Werner las:

„Es mag sein, daß sein nahezu fotographischer Realismus vielfach wirklich mehr wie eine Chronik die Zeit abbildet, aber nach meinem Gefühl agiert er dabei nicht nur mit souveräner Beherrschung der malerischen Technik, sondern auch mit einem genauen psychologischen Auge, wachem Sinn für die Bedeutung von Augenblicken und handelnden Personen und vor allem in einer vornehmen Gelassenheit, die Würde und eine souveräne Geisteshaltung verkörpert. Das erscheint mir doch weit weniger oberflächlich als es ihm gern nachgesagt wird.“

König Wilhelm am Sakrophag seiner Mutter, der Königin Luise, 
im Mausoleum zu Charlottenbur am 19. Juli 1870

Was für ein Quark. Man sehe doch einfach auf dieses Bild eines Augenblicks, in dem derart viele Linien der Vergangenheit zusammengehen, zusammenfindend zu etwas, das anschließend nicht unbemerkt bleiben wird, um das mindeste zu sagen. Und man sieht das alles schon jetzt (obwohl das Bild natürlicherweise von später ist, in der Kunst gehen die Zeiten immer durcheinander, scheinbar).

Also der leicht süffisante Vorhalt des photographischen Realismus, den ich mir offenkundig irgendwo angelesen hatte, ist schon mal Müll. Denn was bitteschön sagt er künstlerisch aus?

Anton von Werner, Selbstporträt im Atelier, 1885

Historienmaler werden üblicherweise als in Auftrag gestellt gesehen. Hier aber hat sich der Künstler ganz selbst in denselben gestellt. Und das ist bemerkenswert, u.a.

Sein Gedanken- und Bilderaustausch mit dem Malerkollegen von Werner ist für mich auch als Haltung sehr achtenswürdig. Im Jahr 2009 gab es dazu in Frankfurt/Oder eine weitere Ausstellung, und so man diesem folgt, kann man endlich einen visuellen Eindruck von dem Konzept gewinnen. Der Text dazu: Der 122 Jahre jüngere Götze arbeite im Unterschied ohne jedes politische Kalkül und gehe auf die ihm eigene Weise mit der Neugierde sinnlicher Unschuld und ohne jedes Pathos auf die optischen Artefakte der Geschichte ein. Nun ja.

Auch dieser Beitrag muß ein Ende nehmen, wir bemühen uns. Warum ich das alles vor mich hin schreibe? Zunächst: Das Unverbiesterte, nicht dieses innerlich Verklemmte und Freudlose, das heute von auf den ersten Blick ähnlichen Biographien einen regelmäßig anspringt. Eher wie ein kluges Kind, eine nicht selten hintergründige Naivität, nie verkrampft, üblicherweise komplex. Was fallen einem da für Worte ein? „Lebensechtheit“? „biographische Treue“? Fast hätte ich „Authentizität“ gesagt, wenn der Begriif  nicht so abgenutzt und heruntergehurt wäre.

Verblüfft hatte mich eine Rezension in der „taz“. Da schluckt selbst ein Autor von dort ohne Protest das Sichtbare und malte nur noch seine milieu-typischen Kringel dazu. (Was für eine pazifizierende Wirkung Kunst doch haben kann).

„Aber weil es Pop ist, steht das Bild jenseits alter politischer Kontroversen, in die, im Falle Bismarcks, mit nationaler Attitüde sich auch die DDR einschaltete, um den Altkanzler realsozialistisch einzugemeinden.“

Ansonsten ist dieser Artikel einer der besseren, etwa wo er die Frage stellt, was denn deutsche Popart sei? Nämlich wie der große amerikanische Bruder poppig bunt, flächig, habe keine Berührungsängste gegenüber Comics und sei eine Umwälzmaschine für alles von Avantgarde über Repräsentationskunst bis Krempel. Götzes Pop aber sei auch flächig, habe aber Tiefe, nämlich historische. Eben!

Bei Pop-Art (aber ich habe ja keine Ahnung von solchen Sachen) waren mir bisher neben dem unvermeidlichen Andy Warhol eher Leute wie Jeff Koons eingefallen; beiden mag  man vieles vorwerfen. Tiefe gehört sicherlich nicht dazu.

An dem Herrn Götze beeindruckt mich u.a. seine stilistische Haltung, der Wille, auf das zu sehen, was vor einem war, man kann das Achtsamkeit nennen (es ist übrigens der allererste Schritt jeglichen Bildungsbemühens, auch wenn das ebenfalls nicht hierher gehört).

Und jetzt brechen wir einfach ab, wo ich doch selbst die Beiträge hasse, die nie ein Ende finden wollen. Also nichts über die Buddha-Statuen von Bamiyan, nichts darüber, daß Kunst die Essensz des Menschlichen sei oder vielmehr beschreibe, und wer sie verfehle, allenfalls Kunstgewerbe hervorbringen würde. Vielleicht noch zwei Links, etwa hier und hier.

Und dann empfehle ich noch einmal einen Blick auf das Bismarck - Porträt, zum einen wegen der Haltung dessen, der da gerade etwas zusammenschmiedet, was doch leidlich zusammenhalten wird - aus dem Abstand von mehr als 100 Jahren gesagt (zu schweigen von der mythischen Figur des Schmiedes dahinter) und dann buchstäblich der Hintergrund, der ist auch nicht ohne. Das ist schon eine sehr gewitzte Bilderfindung.

Und um zum anderen doch noch grundsätzlicher zu werden. Deutsche Geschichte wird (mit ruhmvollen Ausnahmen) in der zeitgenössischen Kunst (und nicht nur dort) vor allem entweder ignoriert oder „dekonstruiert“ (da kann der „Bruch“ nicht gewaltsam genug sein, wie überhaupt eine gewisse moderne Sprache das Gewaltsame und Auslöschende exzessiv treibt). Daß das mit Moderne an sich nichts zu tun haben muß, das sehen wir hier. Der Maler Moritz Götze holt mit seinem besonderen, ausdrucksstarken und sehr individuellen Stil Geschichte in unser heutiges Bildgedächtnis zurück, mit dem unübersehbaren Bestreben, ihr dabei gerecht zu werden.

zu Ende gebracht am 2. März

Sonntag, 22. Februar 2015

Sonntag &


Ich muß offenkundig noch einige Dinge üben. Z.B., wie man ein vor längerer Zeit eingefrorenes Kartoffelpüree (das damals vor allem ausschließlich nach Muskat schmeckte) im Backofen in eine Art von Form bekommt, die am Ende nicht an die Stoffwechselendprodukte von Rindtieren erinnert. Obwohl es damit geschmacklich nichts zu tun hatte, überraschenderweise, wie man das abstrakt so feststellen muß. Die Schärfe des Muskats war fort, es war wirklich angenehm, taucht aber nachvollziehbarerweise nur sehr versteckt im Bild auf.


Es gab den Wunsch nach gebratenem Lachs. Ich halte davon weniger, war aber wieder einmal indifferent, also, von mir aus: Die Lachsfilets wurden folglich in der Pfanne eher kurz gebraten, mit ein wenig Knoblauch, Thymianzweigen, leicht gesalzen; etwas Butter und unbehandelte Zitronen kamen noch dazu. Das Ganze schmorte kurze Zeit vor sich hin. Die Filets wurden mehrfach mit dem Butter-Öl-Gemisch übergossen und waren dann am Ende nicht ganz so trocken, wie von mir befürchtet. Und es ist nicht einmal etwas angebrannt. Folglich wurde auch die Küche nicht blau, und der Rauchmelder schlug nicht an, als ich die Tür zum Flur öffnete. Wir hatten das alles schon. Und so erhielt ich immerhin meine kleine Freude am Nichteintritt eines Ereignisses.


Dazu in Butterschmalz geschmorte Mohrüben. Jemand mußte zwar jetzt auf seine geliebte Sauce verzichten. Aber so ist das nun mal mit Wünschen, sie haben immer auch ihre Begleitumstände, die man leicht vergißt.


Das ist alles wahrlich nicht weltbewegend, selbst wenn man es durch die Lupe der Sonntagsidylle betrachtet. Und hier findet sich auch der Grund, warum dieser Beitrag wieder so spät erscheint. Ich hasse es zu langweilen und gelangweilt zu werden, aber mehr an Unterhaltungswert kann ich besagtem Sonntag leider nicht abringen. Aber wie ich oben schon einmal erwähnte, mitunter ist auch der Nichteintritt des Mißlingens schon ein Wert an sich.

nachgetragen am 26. Februar

Montag, 16. Februar 2015

Über liberale Theologie und das Verstörende von Religion – eine kleine Polemik

  Pantheon, Rom

„Nein, wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die entscheidenden Überlegungen, Optionen mit Blick auf unser Leben vom Einzelnen oder von der Einzelnen selbst zu treffen sind, und dies gilt auch mit Blick auf Religionen...“ Der umtriebige Emeritus Friedrich Wilhelm Graf aus München, der neuerdings auch als Islam-Experte auftritt, hatte also wieder einmal ein Interview gegeben, unter dem leicht irreführenden Titel: "Wir haben Religion notorisch unterschätzt".  (Aha.) Wer immer dieses „Wir“ sein mag.

Den christlichen Kirchen warf er dann erst einmal eine "Autoritätskultur" vor, die den einzelnen zu überwältigen suche: "Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir in vielen Formen Freiheitsansprüche und Freiheitsrechte institutionalisiert haben. Wir erleben aber zugleich sehr viel Autoritätskultur in den religiösen Organisationen und Institutionen. Und das ist ein Widerspruch, den viele Menschen nicht ertragen". (Die ärmsten.) Ferner glaube er nicht, daß mit klaren, autoritär definierten eindeutigen Positionen Beliebigkeit verhindert werden könne.

Und wozu auch, denn so Graf: „Ich weiß nicht, warum Beliebigkeit so etwas Schlimmes oder Schlechtes sein soll. Wir müssen einfach mit der Tatsache klarkommen und dies akzeptieren lernen, dass in den entscheidenden Fragen unseres Lebens jeder für sich selbst oder jede für sich selbst verantwortlich ist.“

Pantheon, Rom, nachts, hier gefunden

Da wird dem einzelnen schon viel abgefordert, ein jeder der Schöpfer seines je eigenen Pantheons. Aber so schlimm ist das alles wiederum gar nicht. Denn Religion scheint sich für ihn eher auf der Ebene der schlichtesten Nahrungszufuhr abzuspielen: „Aber ich schreibe Ihnen doch nicht vor, ob Sie morgens Müsli oder lieber ein Brötchen zum Frühstück essen, da würden Sie auch nicht von Beliebigkeit reden, wenn der eine dies tut und die andere jenes.“

Im Tingel - Tangel der Religion

So sieht also der Endpunkt des theologischen Liberalismus aus. Es ist noch nicht einmal mehr wie eine Art Voodoo-Zauber im Tingel-Tangel. Da nähe ich mir ein Püppchen, steche hinein und mache viel Worte auf der Bühne darum, warum das irgendeine Art von Wirkung haben solle; selbst glauben tue ich sowieso nichts davon. Aber erstens stehe ich gern auf der Bühne und zweitens muß das Geld ja irgendwo herkommen, und da bieten sich die immer noch vielen Leichtgläubigen doch förmlich an. In diesem Fall aber steht jemand klug daneben und weiß, daß das schon immer alles nur Humbug war, außer, man folgt seiner Ehrenrettung, aber die sei wirklich nur von den sehr Gebildeten zu verstehen.

Offensichtlich provoziert der Autor gern (man will schließlich noch gehört werden). Vor einiger Zeit beklagte er eine kirchliche Wohlfühlrhetorik und „Infantilisierung der Kommunikation“,  inzwischen vorwiegend nahegebracht von jungen Frauen, „meistens eher mit einem kleinbürgerlichen Sozialisationshintergrund, eher Muttitypen als wirklich Intellektuelle, und eine Form von Religiosität, in der man einen Kuschelgott mit schlechtem Geschmack verbinden kann“. Man ist versucht anzumerken, daß da aber jemand sehr über die eigene engere Verwandtschaft herfällt.

Das Zweifelhafte des Moralischen

Aber siehe da, selbst auf so unsicherem Grund begegnen einem noch Einsichten: Unter Hinweis auf  Schleiermacher erinnert er etwa daran, daß man Religion von Metaphysik und Moral unterscheiden müsse.

„Was wir in der Geschichte vor allem der Bundesrepublik erlebt haben, ist im Grunde die permanente Moralisierung der religiösen Kommunikation. Wenn einem nichts mehr einfällt, wirklich überhaupt nichts mehr, dann fällt einem noch Moral ein. Moralisieren ist nämlich eine intellektuell relativ anspruchslose Veranstaltung.“ (Hört! Hört!)

In der Tat ist aus nachvollziehbaren Gründen Moral oft die Leidenschaft der schlichter Gestrickten.

Aber dann folgen auch schon wieder Sätze wie: „ Der Papst polemisiert, wenn Sie seine Texte lesen, permanent gegen das Mehrheitsprinzip. Er schaltet dem staatlichen Recht immer ein Naturrecht vor.“

Also erst einmal, falls jemand irritiert sein sollte, ist dieses Interview, aus dem das Zitat stammt, von 2011. Der jetzige Papst ist mit derlei noch nicht so sonderlich aufgefallen. Und dann bemerken wir irritiert einen kleinen Logikbruch, eben noch sollte jeder nach seiner Facon selig werden und jetzt wollen wir in Sachen der Religion doch wieder ein Mehrheitsprinzip?

Und daß es immer noch zwei gleich gewichtige Traditionen in der Rechtsphilosophie gibt – die eine, daß Recht auschließlich aus Entscheidungsvollmacht entstehe und die andere, daß sich das Recht letztlich an gewissen natürlichen Fundamenten des Menschlichen auszurichten habe – ist so absonderlich?

Wozu brauchen wir übrigens nach der Auffassung liberaler Theologen eigentlich überhaupt noch Religion. Na immerhin gibt es da eine kleine Antwort: „Sie werden bestimmte Grundlagen unserer Kultur nur weitergeben können an kommende Generationen, wenn Sie dafür ein institutionelles Gehäuse schaffen. Und wenn diese Gehäuse erodieren, wird es mit der Tradierung schwierig.“

Pantheon, Rom

„In Gesellschaften unseres Typs sind kulturelle Überlieferungen ein sehr, sehr labiles und fragiles Gut. Und da ich glaube, dass es immer auch gut ist, wenn so ein bestimmter Bestand an Konventionen, an Üblichkeiten, an Höflichkeitsregeln eingeübt wird, und wenn wir das weiterhin wollen, dass es zum entscheidenden Stichwort der politischen Ordnung, 'Würde des Menschen', auch eine symbolische Kultur gibt, dann brauchen Sie dafür Institutionen.“

Der Interviewer ironisiert dieses Konzept anschließend nachvollziehbarerweise als „eine Art gehobener Tanzschule“ und „Wertespeicher“. Für mich maßgebender ist allerdings, daß sich im Grunde damit genau die Art von Moralismus äußert, die eben noch verspottet wurde. Religion als Festhalten an den alten guten Sitten, fast schon altrömisch gedacht. Was das alles noch mit Christentum zu tun haben soll, erschließt sich mir weniger.

"Mord als Gottesdienst"

Aber für liberale Theologen ist das offenbar sowieso alles nur eine Frage der Haltung, bzw. Attitüde. In einem anderen Beitrag aus dem letzten Jahr („Mord als Gottesdienst“), in dem er sich mit dem behaupteten Gewaltpotential jeglicher Religion beschäftigt, fällt folgender aufschlußreiche Satz: „Bisweilen wird man als kritischer Theologe gefragt, was man denn eigentlich noch glaube. Die Frage ist falsch gestellt. Nicht was, sondern wie man glaubt, dürfte entscheidend sein.“

Seit vielen Jahrhunderten kennt man in der christlichen Theologie folgende Unterscheidung: „fides qua creditur“ - „der Glaube, mit dem geglaubt wird“ - vom Gegenstand des Glaubens - „fides quae creditur“ -  der Glaube, der geglaubt wird. Dieser namhafte Professor der protestantischen Theologie erklärte uns gerade offenbar die Irrelevanz der 2. Seite.

Aber ehe wir uns daran weiter aufhalten, wollen wir doch auf eine Entdeckung verweisen, die er  immerhin gemacht hat, nämlich die von Religion als Entgrenzungserfahrung. Das muß für einen liberalen Theologen natürlich völlig verstörend sein.

Das Erschrecken vor dem Lehrgegenstand

„Diese Gestalt religiösen Bewusstseins folgt einer Logik der Entgrenzung: Dank der unvorstellbar intimen Nähe zu Gott, die in mystischen Traditionen oft als seelisches Einssein mit dem divinalen Quellgrund alles Seienden gedeutet wird, hat der Fromme alle Grenzen des Endlichen transzendiert. Die hier und jetzt noch geltenden Ordnungen entfalten für ihn keinerlei Bindungskraft mehr, gelten sie doch als 'sub specie Dei' falsche, sündhafte, aufzuhebende Regelwerke, die souverän zu ignorieren nur mutige Glaubenstat ist.“

Das ist natürlich unartig, aber so finden wir eine Erklärung für den modern Unartigen, der nämlich versuche, an Gottes Allmacht teilzuhaben, indem er für sich Unmittelbarkeit zu Gott beanspruche. „Man kann dies als Assoziationslogik des Unbedingten charakterisieren: Der Fromme, der sich unmittelbar zu seinem Gott weiß, meint Gottes Willen ungleich besser zu kennen als die vielen anderen. So kann er sich als Mandatar des himmlischen Herrschers verstehen, der die Durchsetzung der vom Schöpfer gewollten wahren Ordnung des Lebens in Angriff nehmen soll.“

OVIEDO,  San Miguel de Lillo

Er meint das für alle Religionen, denn keine sei per se friedlicher als die andere, auch der Buddhismus nicht. Schließlich kämpften in einigen afrikanischen Ländern christliche Akteure brutal gegen muslimische Bevölkerungsgruppen. (Ach ja?) Und viele orthodoxe Kirchen, allen voran die Russische Orthodoxe Kirche mit ihrem machtbewußten Klerus, seien, soziologisch gesehen, „nur christianisierte Ethno-Religionen, in deren autoritätsfixierter Glaubenskultur immer neu die Einheit von Nation, orthodoxem Ritus und heiligem Territorium zelebriert wird“.

Und auch wenn der Herr Prof. sich immerhin sogar um gendergerechte Sprache bemüht, ist es schon mehr als die Geographie die dabei ein wenig durcheinander gerät: „Es gibt aber durchaus funktionierende Demokratien mit islamischer Prägung - denken Sie an die Philippinen. Insofern haben wir allen Anlass, auch unser Bild des Islam zu differenzierten.“ Er meinte vermutlich Indonesien, da wäre auch noch einiges zu erwidern, aber die Philippinen sind nun wirklich selbst bei zurückhaltender Schätzung zu deutlich mehr als 80% christlich; aber von so weit weg rutscht das alles halt schon schnell zusammen.

Pantheon, Oculus, Rom

Zugegebenermaßen haben wir längst genug, also zwingen wir uns zu einer Art Abschluß:

Was Herr Graf offensichtlich entdeckt hat, ist die Entgrenzungsseite des Religiösen, die er prompt als Problem faßt: „Wie sich die Entgrenzungstendenzen in aller religiösen Bildsprache, etwa das Pathos des Unbedingten, Nicht-Diskutierbaren, überwinden lassen, ist die wohl entscheidende Frage, zu der den Theologen und anderen gelehrten Religionsdeutern bisher aber nur wenig eingefallen ist.“ Selbst ihm nicht?

„Denn die Transzendenzgehalte und Heilshoffnungen religiösen Bewusstseins bilden immer auch ein innerweltliches Jenseits zu fragiler Zivilität, und darin liegt ihre Faszinationskraft ebenso wie ihre aktuelle Bedrohlichkeit.“

Gerade diese Fixierung auf Ordnung und Struktur mache sie gewaltanfällig. „Denn wenn die gegebene, durch diffuse Vieldeutigkeit, Widersprüche und bleibendes Elend geprägte Welt als eine verderbte Gegenwelt zur wahren, gottgewollten Ordnung erlitten wird, entsteht für die Schöpfungsfrommen der Zwang, die Welt, so wie sie leider ist, auf die ideale und ursprüngliche Ordnung Gottes hin zu überwinden. Gewaltbereitschaft für Gott, genauer: für den je eigenen Gott, ist der Versuch, die erlittene kognitive Dissonanz zwischen den bösen, sündhaften Verhältnissen und der geglaubten Gottesordnung durch kämpferisches Glaubenszeugnis zu überwinden.“

Immerhin findet er Halt am einhegenden „streng säkularen und darin die gleiche Freiheit aller Bürger anerkennenden demokratischen Rechtsstaat“. Die anderen aber.  Weder kennten sie Traditionen einer aus eigenen Gründen des Glaubens oder aus theologischer Einsicht legitimen Religionskritik, noch seien sie im Willen zur Unbedingtheit zu Ambiguitätstoleranz und pragmatischer Anerkenntnis der unaufhebbaren Widersprüche endlichen Lebens imstande. In übersteigerter Divinalerotik liebten sie ihren Gott in "Ganzhingabe" so sehr, daß sie zum Tatopfer des eigenen Lebens bereit seien und menschliches Leben überhaupt mörderisch relativierten.  (Vermutlich meint er gerade wieder die vielen christlich-afrikanischen Selbstmordattentäter.) Und erneut die Frage: „Wie sich solche brutalisierte Frömmigkeit zivilisieren lässt, wissen wir nicht.“

Liberale Theologen sehen nach meinem Eindruck den Glauben vor allem von außen, sie stehen daher auch immer einen Schritt davon entfernt zu Religionssoziologen zu werden, oder Schlimmerem.

Nun, was sieht er nicht. Er sieht das Phänomen der Selbstentgrenzung. Menschen entwachsen ihrer Bürgerlichkeit (oder was immer), sie wachsen über sich hinaus. Das führt natürlich zu Mord und Totschlag (sage nicht ich, das war Sarkasmus). Was ein Wunder, daß wir als Menschheit das europäische Mittelalter überstanden haben. Sie glauben aber gar nicht unbedingt, daß sie damit ihr überschaubares Ich aufblasen müßten, denn sie werden Teil von einem sehr Umfassenderen und oft dadurch sogar recht bescheiden, sie wachsen hinein in etwas Größeres und werden dabei nicht selten durchaus friedlicher (also das Gegenteil von dem, was die Psychoanalyse als Inflationserlebnis beschreibt). Die Transzendenzerfahrung des Religiösen vermag dem Menschen eine Ahnung von dem zu geben, wozu er alles noch fähig sein wird. Das kann ihn durchaus in seinen triebhaft-animalischen Impulsen beschränken. Man darf das auch einen Zivilisierungs- und Kulturfortschritt nennen. Und nein, es ist nicht egal, in was man da hineinwächst, die „fides quae creditur“ macht einen erheblichen Unterschied.

Und auch das noch, kürzlich hat ein Bremer „evangelikaler“ Pastor für erhebliche Empörung gesorgt, als er in sprachlich mitunter mühsam ertragbarer Form (gelegentlich auch fragwürdig in Details) darauf bestand, es gäbe nur einen Gott, nämlich den, der uns in unserem Herrn Jesus Christus offenbart ist. Eine der bestellten theologischen Vernichtungs-Stellungnahmen der BEK lautet im Fall des Herrn Friedrich-Wilhelm Graf, Professor (i.R ) für Systematische Theologie , Universität München:

„Hier helfen weder Staatsanwalt noch kirchliche Autoritäten - Wer die Bibel liest, findet im Alten wie Neuen Testament viele Geschichten von religiös motivierter Gewalt und Aggressionsbereitschaft. Oft wird ein extrem autoritäres Bild Gottes als eines eifernden, auch eifersüchtigen und zornigen Machtsubjekts gezeichnet.

Uralte 'Heilige Schriften' spiegeln in ihren Mythen und Legenden eben archaische Zeiten. So sind sie hochgradig ambivalente Texte, deren Deutung schwierig und voraussetzungsreich ist.

Seit der Frühzeit der reformatorischen Bewegung Martin Luthers gehörte es deshalb zu den entscheidenden Zielen des Protestantismus, dass die Prediger, also die Pastoren und Pfarrer, ein anspruchsvolles akademisches Studium an den 'Hohen Schulen', den Universitäten, durchlaufen haben müssen, bevor sie auf die Kanzel steigen dürfen. Denn die Auslegung alter, gefährlicher Texte bedarf hoher Deutungskompetenz.

Diese professionelle Fähigkeit, alte Texte mit Blick auf die Gegenwart verständlich auszulegen, geht dem Pastor Olaf Latzel sichtlich ab. Wo mag dieser Gottesgelehrte bloß studiert haben, und wie kann ein solch ungebildeter, gedankenloser Redner nur ein wissenschaftliches Examen bestanden haben? Seine Predigt ist bloß gedankenloses Gerede ohne jeden theologischen Gehalt. Erschreckend primitiv wird in grausam schlechtem Deutsch fort und fort immer nur die Trivialität verkündet, dass man Gottes Gottsein ernst nehmen und Jesus nachfolgen soll.

Wer nur so wenig zu sagen hat, überdeckt seinen Mangel an Bildung und Reflexionskraft dann eben durch die taktlose Beleidigung anderer.

Von Bürgertugend und Höflichkeit keinerlei Spur. Aber hier helfen weder der Staatsanwalt noch irgendwelche kirchlichen Autoritäten. Zu Leuten mit schlechtem Benehmen soll man einfach nicht mehr hingehen."

Das ist das Problem bei allem Reden - man zeigt sich nicht zuletzt und vor allem auch selbst.

Sonntag, 15. Februar 2015

Sonntag & (verquer nachgetragen)


„Eingangseinfälle“, die gar nichts mit dem Thema zu tun haben (folglich besser zu überspringen). Gerade fällt mir wieder auf, daß das Wort „Einfall“ irgendwie doch auch eine feindselige Konnotation hat, die Sprache halt und ihre Fallstricke.

Ich weiß nicht, wann ich zuletzt einen Eisentopf auf den Mittagstisch gestellt habe. Nun fällt einem bei dem Wort „Eisen“ viel ein wie „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“ oder das „Eiserne Zeitalter“ und sonst noch vieles. Es ist trotzdem einfach einen Tick zu rustikal. Aber ich war leicht ermüdet, und mir fehlt eine sehr große Auflaufform. Wir belassen es dabei. Keine Erklärungen mehr oder Entschuldigungen.

Ich werde gelegentlich zurecht geschimpft, warum dieser Ort so zusammengeschrumpft ist, das kann man im Grunde nur dem Autor zuweisen. Nun habe ich eine erste Ausnahme gemacht, indem ich etwas ausführlicher ausführte, was mich jüngst theologisch ärgerte, das war eigentlich eher unfreiwillig, ich wollte nur die Gedanken weghaben (ich habe mit dem Datum gemogelt, das folgt also im Anschluß).

Ich würde gern und viel lieber, und sei es leidlich, etwas über Palladio zu Ende bringen (letzlich war dieser Herr schuld daran). Das aber ist ein wenig wie mit dem Hefeteig, den man nicht gebändigt bekommt. Und je mehr man sich hineinbegibt, fängt man auf einmal wieder an, etwa Georg IV. zu verabscheuen, wie albern, der ist doch nun auch schon lange tot etc. etc.


Unter der Oberfläche des Eisentopfes, der hier zu sehen ist, verbirgt sich folgendes: Geschmorte Zwiebeln, zunächst angebratene Schnitzel, Pilze (genauer gesagt, Champignons und Shii-Take-Pilze – bei letzteren war das Etikett leicht verschmiert, so daß ich erst einmal laut loslachen mußte (dabei war es wohl nur meine herumvagabundierende Phantasie die aus einem „I“ ein „T“ gemacht hatte)). Eine Art Fond. Viel Kochsahne. Rosmarinzweige. Und oben drauf gehobelter Käse, der weg mußte (Alt-Mecklenburger und Schweizer Gruyère, glaube ich mich zu erinnern).

Das war zu meiner Überraschung durchaus sehr eßbar. Für den (entgegengesetzten) Notfall hatte ich viel Blumenkohl hinzugetan, der wurde zwar auch schnell weniger, aber es wurde eben kein Notfall.


Der Tag kippte dann (lichttechnisch) mehr ins Düstere, daher dieses zusätzliche Licht, das dem Ganzen eher Gerechtigkeit antut. Mit anderen Worten: Es war alles recht gut, was das Essen angeht (immer noch, es wurde inzwischen mehrfach aufgewärmt).


Und, es tut mir leid, der Satz muß auch noch sein: Seltsam, was man alles so vor sich dahin schreibt, aus Gewohnheit, Eitelkeit, Pflichtempfinden oder gar Einsicht, es sei, wie es ist...

Ach, und warum dieser Sonntag „Estomihi“ heißt, habe ich letztes Jahr so versucht zu erklären (wie viel Frühling wir da schon hatten).

nachgetragen am 18. Februar

Sonntag, 8. Februar 2015

Sonntag &




Vielleicht spukt es ja inzwischen auch am Tage, genauer Abend in meinem Kopf, aber offen gestanden zuckte ich bei den harmlosen Kondensstreifen des ersten Bildes für einen Moment etwas zusammen. Möglicherweise auch die Spät-Folgen von zuviel SF-Konsum seit früher Jugend (der dann irgendwann später allerdings sehr nachließ). Wie auch immer. Wir wollen unsere nervösen Gedanken beiseite schieben und vom Essen berichten:


Wir sehen einen Krustenbraten vor uns, der schaut zwar eher niedlich aus, hatte aber tatsächlich seine knapp 2 Kilo, das sollte eigentlich genügen. Ich hatte ihn zuerst zugedeckt in den Ofen getan, auf Rosmarin und anderen südländischen Kräutern und zuvor angeschmorten Zwiebeln. In der 2.Hälfte der Geschichte wurde er dann des öfteren mit dem Sud übergossen. Das ist zwar eine eher einschläfernde Übung, führte am Ende aber zu einer krossen Kruste.


Dazu Sauerkraut, in einem Gemüsefond gegart (mit Pfefferkörnern, Piment und Lorbeer).


Und ein frischer Salat aus allem Möglichen (u.a. Bohnen, Mais, Tomaten, Zwiebeln, Weißkohl).


Die unausweichlichen Kartoffeln natürlich (es wurde schon von ersten Entzugserscheinungen berichtet, nun, nicht bei mir). Eine Sauce gab es auch, die hat es nur irgendwie nicht ins Bild geschafft (schmeckte aber unverdächtig). Allem wurde tüchtig zugesprochen, wie es einstmals so schön hieß (obwohl Frau Mutter gegenwärtig recht schwächelt, es riß sie aber sichtlich aus dem Dauerschlafbedürfnis). Daher kommt wohl der Spruch von dem „gesegneten Appetit“.



Und wo wir schon in dieser frommen Tonlage sind. Ich hatte es diesen Sonntag Sexagesimae sogar einmal wieder in den Gottesdienst geschafft (die Musik – Orgel und Posaunen – war herausragend schön), allerdings eine Stunde zu früh.

Also ich bin in meinem Leben wahrlich schon oft (und sehr) zu spät gewesen (jemand meinte mal, ich sei einfach 10 Minuten zu früh auf die Welt gekommen und hätte es mein Leben lang nicht aufgeholt, mag sein), aber daß ich eine geschlagene Stunde zu früh irgendwo erschienen wäre, und meinen Irrtum erst ebendort bemerke, an einem Sonntagmorgen (!), daran kann ich, wenn ich so auf auf das dahinverflossene halbe Jahrhundert blicke, mich beim besten Willen nicht besinnen.


Das Leben steckt eben doch voller Rätsel. Und wenn wir Glück haben, dann mogeln wir uns so halbwegs hindurch durch seine Truglichter und Blendspiele.


nachgetragen am 9. Februar

Montag, 2. Februar 2015

Mariä Lichtmeß


Und da acht Tage um waren, daß das Kind beschnitten würde, da ward sein Name genannt Jesus, welcher genannt war von dem Engel, ehe denn er in Mutterleibe empfangen ward.
Und da die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz Mose's kamen, brachten sie ihn gen Jerusalem, auf daß sie ihn darstellten dem Herrn (wie denn geschrieben steht in dem Gesetz des Herrn: "Allerlei männliches, das zum ersten die Mutter bricht, soll dem Herrn geheiligt heißen") und das sie gäben das Opfer, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: "Ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben."
Lukas 2, 21 - 24


„Der vierzigste Tag nach der Geburt Jesu, an ihm mußte nach jüdischem Brauch im Tempel ein Reinigungsopfer gebracht werden, schließt die weihnachtliche Festzeit ab.“ So beginnt Herr Roloff eine Betrachtung darüber, wo dieses Datum mit der Geschichte unseres Vaterlandes verflochten ist, und nennt als erstes:

„Es war der 2. Februar 962, an dem Otto I. in der Peterskirche Roms zum Kaiser gekrönt wurde. In diesem Ereignis kann mit einigem Recht die Geburtsstunde des II. Reiches gesehen werden, welches später Heiliges Römisches Reich deutscher Nation genannt werden sollte.“

Und schlägt dann einen Bogen von fast 1000 Jahren, an dessen anderem Ende die Worte: „Sic transit gloria mundi“ stehen:

„Wieder war es dann ein 2. Februar, genau 983 Jahre später und genau heute vor 70 Jahren, als Cecilie, die letzte Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen, sich vor dem nach ihr benannten Schloss in Potsdam, in dem dann später die Sieger tagen sollten, zur Flucht fertig machte.

Sie wurde von ihrer Schwiegertochter, der Prinzessin Hubertus, begleitet, einer geborenen Magdalene Pauline von Reuß. Während die beiden hohen Damen noch vor dem Schloss warteten, kam ein Diener und steckte der Prinzessin Hubertus ein Knäuel aus Zeitungspapier unbekannten Inhalts zu und bat, sehr gut darauf aufzupassen. Erst als man im sicheren Westen angekommen war, stellte sich heraus, dass in der Zeitung der „Beau Sancy“ verborgen war, das kostbarste 35 Karat schwere Kronjuwel des Hohenzollernhauses.“


Wir wollen es bei diesen beiden Zitaten belassen. Es ist vielleicht die Zeit für derartige Betrachtungen, und so findet mein leicht unpassendes Eingangsbild von unserer noch bunten Terrassentür sogar seine Rechtfertigung: Denn die leuchtenden Farben der Weihnacht sind nun vorbei und wir müssen uns dem Weiß, Grau und Schwarz des Winters überlassen.




zurückgekürzt und veröffentlicht am 3. Februar

Sonntag, 1. Februar 2015

Sonntag &


Ein allerletztes Mal leuchtet uns also noch Weihnachten nach, denn am nächsten Tag ist Mariä Lichtmeß und damit ist Weihnachten bzw. die Epiphaniaszeit definitiv vorbei. Andererseits ist es auch schon der Sonntag Septuagesimae (also (etwa) 70 Tage vor Ostern). Der frühe Ostertermin dieses Jahr schiebt hier die Gedenktage ein wenig wie Eisschollen übereinander. Aber wir müssen auf der Kante ja nur im Geiste balancieren.



Daher kommt also letztmalig die Heilige Familie auf dem Fensterbrett ins Bild, bevor sie in den Karton und fürs Jahr in den Schrank muß. Der Rest wird folgen müssen. Denn irgendwie hat es doch etwas unnötig Befremdliches, wenn man zu sehr aus der Zeit fällt. Was auch für das Kommende gilt!


Also Ostern ist es definitiv noch nicht, auch wenn sich die Kaufgeschäfte bereits abartig früh mit entsprechenden Süßigkeiten vollgepackt haben. Zwei kleine Exemplare davon als gewissermaßen mißbilligend entgegengestreckter Beweis.


Nein, ich bereite gerade keinen Voodoozauber vor. Aber angeblich soll Ingwer ja gegen Halsschmerzen helfen. Ich fürchte, an dieser Stelle fehlt mir zu sehr der Glaube. Wir pflegen gerade sehr unsere jahreszeitbedingten Beschwerlichkeiten. Da greift man dann wahrscheinlich nach jedem Haar in der Suppe, ich meinte natürlich den rettenden Strohhalm.



Da möge man es mir nachsehen, wenn ich von dem Rest nicht viel Worte machen mag. Abgesehen davon vielleicht, daß das Essen diesmal eine sehr gelassene Veranstaltung war. Die Hefeklöße (Kartoffeln sind mir einfach über derzeit) gingen ordentlich auf (und wurden keine „kleinen Steinchen“ wie von anderer Seite angekündigt). Der Schweinerücken mit Kräuterkruste war nett (in Butterschmalz auf Zwiebeln mit Thymian und Rosmarin geschmort). Die Sauce davon wurde sichtlich schnell weniger, vielleicht lag's an der beigemengten Kochsahne. Ich hab's nicht so mit Saucen, aber es freut einen natürlich. Der Apfel-Rotkohl hatte sicherlich zu viel Nelken und Muskat abbekommen, war aber immer noch genießbar (ich hatte mit einem Löffel Honig das Malheur auszugleichen versucht).

Ein gutes Rekonvaleszenz-Essen sozusagen, und anschließend konnte sich daher auch jeder entspannt in seine „Räume“ zu ebenderselbigen zurückziehen (bzw. dort verbleiben). Wozu das (weitgehend) störungsfreie Verfertigen von Gerichten doch alles gut sein kann.


nachgetragen am 3. Februar