heute am Zierker See
Daß Linke Satire, die von Linken handelt, lächerlich finden, nun ja... Da stolpere ich also heute in einen Artikel über das „Opium gegen Rechts“, wo freundlicherweise zur Quelle des Mottos verlinkt wird („Deutschlandradio Kultur - „Unser Opium oder: Rock gegen Rechts“ Von Sophie Dannenberg). Ich erinnere mich darauf dunkel daran, daß es da mal einen Aufreger-Roman über die '68er gab, aber das ist doch schon wieder so verdammt lange her. Nach der Lektüre ihres so kurzen wie bestechenden Beitrages, nein, ist es leider nicht.
Sie beschreibt da den Berufsrevolutionär Lothar („für die Freunde Lothi“), der endlich auf einen „Nazi“ trifft und völlig euphorisiert auftritt: „Das fiel auf, denn normalerweise war Lothi von bedeutsamer, freundlich wortkarger, revolutionärer Gelassenheit wie Joseph Stalin oder Bertolt Brecht oder Mischa Wolf.“ Die Kollegen mutmaßen schließlich, er habe sich den nur ausgedacht, anders ließe sich die Euphorie nicht erklären.
Aber immerhin, Lothi hatte seinen Lebenssinn, Perspektive und Orientierung wiedergefunden. Die Autorin bringt zur Illustration etwas aus dem Tierreich an, wo leer ausgegangene Männchen schließlich alles mögliche anbalzen „Steine, Zweige, Zaunpfähle, Schuhe“. „Sie sehen das Weibchen tatsächlich vor sich. So ähnlich brauchen die Guten die Bösen, die Teufelsaustreiber die Teufel, braucht die Antifa die Nazis.“ Ihr Fazit: Rückwirkender Widerstand funktioniert aber nicht. Ein unglaublicher Text.
Ich liefere im Anschluß ein paar Links, da kann sich jeder heraussuchen, was ihm konveniert, aber zunächst aus einem Spiegel-Online-Interview zwei Gedanken, die ich noch unbedingt anführen muß:
Zunächst: Politische Strukturen aufzubrechen, sei kein Wert an sich - wie die 68er offenbar glaubten. Das sei „Baby-Anarchismus“. Nun denke ich zwar persönlich, daß beim Anarchismus das Infantile zum Wesenskern gehört, aber immerhin.
Dann, und da komme ich aus dem Kopfnicken gar nicht mehr heraus: Die 68er seien groß gewesen im Zerstören von Institutionen und Werten: die deutsche Universität hätten sie auf dem Gewissen, die Familie, das Leistungsprinzip, Etikette und Anstand, Verlässlichkeit und Geborgenheit. Und sie illustriert dies mit einer wunderbaren Beobachtung: „Neulich bin ich mal durch eine bekannte Berliner Uni gegangen, und es war schrecklich: An den Wänden Graffiti, in den Gängen Müll, und ständig kamen mir verschlurfte Gestalten mit leeren Kuhaugen entgegen.“
Also die versprochenen weiteren Links: Auf das Interview von 2004 ("Ich habe nie geglaubt, dass die 68er Antifaschisten waren") verwies ich schon, aber nochmals, falls es untergegangen sein sollte.
Hier ein übellauniger Verriß aus der Dschungelwelt („Die Opfer des Grips-Theaters“). Ein „Gegen-Stück“ dazu aus der „Zeit“.
Jetzt zögere ich etwas, aber man will ja wissen, was hat der anregende Autor in jüngerer Zeit an Meinungsschiffen so vom Stapel gelassen (wo, sollte dabei gleichgültig sein, daß dem nicht so ist, gehört zu den pathologischen Zügen dieser Zeiten).
Ein sehr klarer Artikel zu einem abstoßenden Thema (Pädophilie und die Grünen), ein weiterer über Zwangsouting und den Verlust der Privatheit, sowie schließlich aus diesem Jahr einer darüber, wie man engagiert die Augen zunkneift, wenn das Bösartige schon mit Händen zu greifen wäre (Ein Nazi muss deutsch sein, sonst ist er keiner).
Das war jetzt so viel von der von mir gehaßten Gegenwartsbezogenheit, daß ich mir erstens Kommentare verkneifen werde und zweitens noch ein wenig Ausgleich verschaffen muß. Zumal ich mir gern meinen Gemütsfrieden erhalte, daher auch das Eingangsbild von heute Abend.
Es ja überhaupt kurios, über was man alles so stolpert. Das nachfolgende trägt dann wieder zur Wiedergewinnung der Idylle bei. Das Video oben verschafft einen schnellen Eindruck davon.
Der Neuen Osnabrücker Zeitung entnahm ich nämlich kürzlich eine Meldung über den Neuseeländer Barry Cox, der seit 4 Jahren eine Kirche aus Bäumen wachsen läßt. Eingebettet in einen ebenfalls streng geometrisch geformten Garten. Er verwendete dazu vor allem ältere Bäume, die gefällt werden sollten, die grub er mit einer Spezial-Schaufel aus und ließ sie dann wiedereingepflanzt den Grundrahmen seiner Baumkirche in Ohaupo (bei Cambridge auf der Nordinsel Neuseelands) bilden. Ein Eisenrahmen dient als Formgeber.
Was zunächst ein wenig nach Vergewaltigung der Natur klingt, überzeugt bei näherer Betrachtung (hier geht es zu seiner Website). Ich gebe zu, ich bin in dieser Sache etwas bipolar, komme damit aber bestens zurecht. Einerseits mag ich unsere barocken Gärten, die dem gleichen Formprinzip folgen, wenn sie die Natur der menschlichen Vernunft unterwerfen wollen. Andererseits schätze ich ebenso den verborgener gestalteten Landschaftsgarten, der scheinbar die Natur sich selbst überläßt, was natürlich ebenso nicht stimmt, der Eingriff ist nur subtiler.
Immer wenn der Mensch die Natur kultiviert, zwingt er ihr etwas ab, das ein Mehr ist. Das Erstaunliche ist, daß auf beiden von mir angedeuteten Wegen große Schönheit erwachsen kann. Und obwohl der Schöpfer der Neuseeländischen Baumkirche sich nicht für besonders religiös hält, hat sein Ort unverkennbar genau diese Aura.
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