Es ist sicher Ansichtssache, ob der Sonntagmorgen harmonisch begann. Ich befand mich jedenfalls in dieser Vorstellung, bis ich (nachdem ich beschlossen hatte, wieder einmal die geistlichen Pflichten zu vernachlässigen) in der Küche nachsah, ob das umfängliche Frühstück, das ich hinterlassen hatte, nun doch aufgezehrt sei, so daß ich endlich kochen könne.
Ich fand Frau W. völlig aufgelöst: „Laut leise, laut leise, laut leise, da wird man ja ganz verrückt von“, nun, es lagen zwar ein paar Meter und auch Türen dazwischen, zum anderen - KV 551, auch bekannt als Jupiter-Symphonie... Zu Mozart läßt sich aber halt schlecht schunkeln, das wollen wir einräumen.
Das gesagt, gelangen wir sogleich zum Essen. Obwohl, nein, zuvor muß ich das Eingangsbild erklären. Am Sonnabend-Abend gab es die lange Nacht der Künste hier, und meine Verbindungen zur Außenwelt müssen gelegentlich so dünn geworden sein, daß derartiges komplett an mir vorbeigehen kann. Was fast geschehen wäre, aber zum Glück gehe ich ja noch aus dem Haus, und wurde freundlich über mein Versäumnis aufgeklärt.
Doch das führte „nur“ noch zu einem ausgedehnten Besuch im hiesigen Groß-Antiquariat, wobei Musik, Film, Kunst und Leute gewissermaßen miterduldet wurden (die Musik war angenehm beim Suchen, es gab extraordinäre Rabatte an diesem Abend (!)).
Ich bin da wahrscheinlich wie ein Geist durchgelaufen, konnte aber gleichzeitig keinerlei Versuchungen zum „Fraternisieren“ ausmachen, außerdem bin ich aus dem Alter heraus. Die „Ausbeute“ sieht man auf dem ersten Bild, mehr so Zeitgenössisches, also G. Freytag, C. F. Meyer und Detlev von Liliencron (!). Die Krone deutschem Kitsches, wenn man böswillig wäre, was wir aber nicht sind.
Bei Paul von Lettow-Vorbecks „Heia Safari! – Deutschlands Kampf in Ostafrika“ bin ich dann doch zurückgeschreckt (sie hatten ihre Hühner in Körben mit sich geführt und die Hähne abgemurgelt, weil die den Standort verrieten, nun ja), aber bei Liliencron, dem allzu lebenslustigen Patrioten, konnte ich nicht widerstehen (es gab ihn hier schon gelegentlich).
Detlev von Liliencron
Für und für
Im ersten matten Dämmer thront
Der blasse, klare Morgenmond.
Den Himmel färbt ein kühles Blau,
Der Wind knipst Perlen ab vom Tau.
Der Friede zittert: ungestüm
Reckt sich der Tag, das Ungetüm,
Und schüttelt sich und brüllt und beißt
Und zeigt uns so, was leben heißt.
Die Sonne hat den Lauf vollbracht,
Und Abendröte, Mitternacht.
Im ersten matten Dämmer thront
Der blasse, klare Morgenmond.
Und langsam frißt und frißt die Zeit
Und frißt sich durch die Ewigkeit.
Aber wir wollen wieder banal werden. Ich hatte schon den Tag zuvor wenig Neigung zum Kochen gehabt, das ergab ein Wunsch-Essen – Kotelett. Es gibt also noch Erwartungen, die sich erfüllen lassen. Und es war durchaus eßbar, wenn einem Koteletts denn sehr konvenieren. Zumindest hatte ich mich diesmal daran erinnert, daß in das ummantelnde Eigelb neben Pfeffer und Salz auch rechtmäßig Muskat gehört.
Die Dame mit den U-Booten (falls jemand auch sonst mitliest) hatte uns jüngstens ziemlich große Gurken hinterlassen, und ich versuchte meine ersten Schmorgurken. Soweit ich mich erinnere, habe ich sie erst in Butterschmalz angebraten, dann u.a. mit Weißweinessig abgelöscht und darauf nach der Zugabe von Dill, Salz & Pfeffer etwas weitergeschmort. Ich müßte das nicht jeden Tag haben, aber ja.
Die Bohnen wie üblich mit Bohnenkraut gekocht und dann mit brauner Butter übergossen. Ach, das könnte ich einfügen. Wir haben eigentlich viel Verwandtschaft, u.a. sehr bodenständige aus Ostfriesland. Die landeten letztes Jahr mit ihrem „Böötchen“ hier an, und meine Cousine (oder so) befragte mich inquisitorisch, was ich denn mit den Bohnen anders machen würde, ihr Mann würde ihr seit dem Besuch immer vorwerfen, die seien nicht richtig. Dem konnte abgeholfen werden.
Es wurde dann doch noch ein sehr harmonischer Sonntag, abgesehen vom Essen, das so übel gar nicht ausfiel, denn ich ging anschließend noch eine sehr ausdauernde Beziehung mit meiner Couch im Arbeitszimmer ein, so daß die Zeit am Ende fast ein wenig wie bei Herrn v. Liliencron verschwamm (s.o.)...
nachgetragen am 15. September
6 Kommentare:
Des Sonntags Speise hier erwartet,
doch bei dem Bilde dann erratet,
dass Eingangsthema geist'ge Nahrung,
die Bücher gelten ihrer Wahrung.
Doch mit Geduld und etwas Zeit,
weiter unten ist's soweit,
das Kot'lett uns entgegen scheint,
damit der hungrig Leser weint ...
Nur des Reimes wegen, nur des Reimes wegen! Es sollte ja auch nicht zu stark holpern. Ich erinnere mich mich Freuden an Zeiten, an dem ich auch an keinem Buchgeschäft vorbeigekommen bin, sondern immer hinein musste und nie ohne mindestens einem Druckexemplar wieder heraus kam. Allein, mein literarischer Schwerpunkt lag eher auf dem, was man gemeinhin als Unterhaltungsliteratur schimpft. Vermutlich ist das aber auch nur ein Euphemismus, dient Literatur doch sowieso immer zur Unterhaltung. Auf die Musik bezogen meinte der von mir geschätzte Hans Liberg mal so schön: "Klassik gab es damals noch nicht." Beethoven oder Mozart komponierten die Popmusik der damaligen Zeit. Da wage ich nicht an den Musikunterricht in 200 Jahren zu denken.
Mit der zunehmenden Elektronifizierung ist mir die Muße nach ausführlicher Literatur irgendwie abhanden gekommen, ich hoffe aber, sie kehrt irgendwann zurück. Und dann gibt es noch lesenswertes. Wobei: das eine oder andere noch eingeschweißte Buch bevölkert meine Regale.
Beim Stichwort "Heia-Safari" muss ich an den leider schon verstorbenen Dietrich Kittner denken, der in einem seiner Kabarett-Programm nicht nur genau das Wort im Munde führte, sondern auch "von Lettow" nicht unerwähnt ließ. Das Programm ist schon etwas älter, die Bundeswehr bereitete sich noch auf ihren Afrikaeinsatz vor und spielte schon mal etwas Rettungseinsatz. So kamen dann auch Orte wie "Kamerun" (=KAMERadenUNterkunft) und "Sansibar" (=SANitätsSIcherheitsBARacke) drin vor. Es lebe das Wortspiel.
Die Gurken pflege ich immer im Beisein von ein paar Tomaten (ggf. gehäutet) zu schmoren, Salz, Pfeffer und Kräuter tun ein übriges. Das gibt eine fruchtige Beinote, und die Optik verbessert sich über alle Maßen. Die blassen reinen Schmorgurken stelle da in meinen Augen schon eine gewisse Herausforderung dar. Irgendwo beim Herdnerd.de gibt es auch Bildmaterial dazu. Aber das kennst Du schon, Du hattest den Artikel seinerzeit kommentiert. ;-)
Eine kleine kritische Bemerkung sei aber noch gestattet, da eine kleine Fragen offen geblieben ist: Was war denn bei den Bohnen der Nenn-Cousine so anders? Deine Zubereitung ist doch beinahe klassisch zu nennen, ich kenne sie auch genau so (oder in Varianten statt der Butter mit ausgelassenen Speckwürfeln).
Sehr nett, sehr nett, und ich muß auch baldigst ins Bett.
Ich mutmaße, sie hat das Bohnenkraut später kalt darübergestreut, oder irgend so einen Quatsch. Wobei, die Schmorgurken sehen zwar zweifellos gruselig aus, waren es aber nicht so sehr in Wirklichkeit, aber das nächste Mal schlage ich noch einmal beim HerdNerd nach...
Übrigens war das wirklich lustig, durch all diese kunst- und bedeutungsbeflissenen Leute hindurchzulaufen, als wären sie schlicht nicht da, nun, ich haben keinen umgeschmissen.
Zum Zeitpunkt der Niederschrift meiner obigen Zeilen hätte die Vernunft geboten, schon seit 3 Stunden im Bett zu nächtigen. Entsprechend ist mein Zustand heute. Aber was soll's ... Gut, dass im Hause der Arbeit auch ein Kaffee-Laden seine Existenz begründet. Da werde ich wohl gleich mal hin stiefeln.
Die "kunst- und bedeutungsbeflissenen Leute" sind mir zuweilen auch schon aufgefallen, was mich dann gern in die Rolle des Beobachters der Szenerie bringt, so Muße und Zeit vorhanden sind. Jeder muss schließlich sehen, wo er sein Amüsmang her bekommt. ;-) Aber da gibt es, wenn man sich bei Ansammlungen von Menschen umgibt, eigentlich immer was zu gucken. Bei einer regelmäßig stattfindenen Radionutzerbespaßung in einem der hiesigen Bowlingcenter findet sich auch oft ein regionaler Verein zur entsprechenden Betätigung ein. Auch hier findet der Beobachter interessante Objekte zum Persönlichkeitsstudium. Was ggf. fehlt, wäre ein persönliches Gespräch, dass eventuell auftretende Klischees zerstören könnte - immerhin soll man ja nicht von Äußerlichkeiten auf innere Werte schließen. Aber manchmal drängt sich doch ein Klischee förmlich auf ...
Das war von meiner Seite auch ein wenig ein Unfall. Früher, als ich noch mehr freie Energien hatte, das Alter, meinte ich doch öfters, nachts um 2 noch Weisheiten absondern zu müssen, am nächsten Morgen war es dann zum fremdschämen, denn schließlich konnte man das ja nicht gewesen sein, da stand nur mißbräuchlich der Name drauf.
Also ich gebe zu, die Poesie von 1.13 Uhr hatte mir schon imponiert, aber da muß einem als Antwort auch erst mal was einfallen...
Das Leute-Beobachten. Wenn man nicht hinter Zäunen lauert, sondern sich dem aussetzt, darf man, glaube ich, auch in seinem Instrumentenkasten wühlen und mal ein bisher unbenutztes Werkzeug gebrauchen, in diesem Fall das des stoischen Desinteresses. Von meiner Seite war das durchaus angenehm. Und gibt es etwas Überzeugenderes als die Oberfläche? Darunter wohnen doch zumeist sowieso nur die Gespenster oder eben das banale Nichts...
Eine geruhsame Nacht!
Da ergehe ich mich doch eher in der Hoffnung, dass nicht nur banales unter diversen Oberflächen sich verbirgt. Manchmal muss man aber tief graben, um die Perlen bzw. Diamanten zu finden. Das Bild mit den Perlen stimmt irgendwie nicht. Aber egal.
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