Möge der Friede Gottes uns alle bewahren.
Der Engel des HErrn lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.
Psalm 34.8
Der Engel des HErrn lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.
Psalm 34.8
...vom letzten Sonnabend. Danach wurde es dann ja mehr düster, so daß uns die aktuelle Stern von Bethlehem-Konstellation (die „Große Konjunktion“ von Jupiter und Saturn) leider verborgen bleiben mußte und gewissermaßen nur im Gemüt aufscheinen kann.
Die gegenwärtige evangelische Kirche, die kichernd jede Häresie zur Kenntnis nimmt, so wie der Teufel wohlgefällig auf jedes gefallene Schaf schaut, kann aber durchaus auch die Wattebäuschchen beiseite legen und weiß sich recht zu wehren, wenn der Fundamentalismus sein erschröckliches Haupt hebt.
"Liebe St. Martini Gemeinde,
in seiner Sitzung am 10. Dezember hat der Kirchenausschuss der BEK den Beschluss gefasst, Pastor Latzel mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes zu entheben. Als Begründung wurde u. a. angeführt, dass er mit seinen Aussagen zum biblischen Verständnis gelebter Homosexualität der Kirche Schaden zugefügt hätte.
Eine Anhörung des Pastors zu diesem Beschluss fand am Mittwoch, dem 16. Dezember statt. Zu diesem Termin wurde Pastor Latzel eine Vereinbarung vorgelegt, mit der er seine Zustimmung zum sofortigen ruhen lassen des Dienstes geben sollte. Die Vertreter des Kirchenausschusses, die an der Sitzung teilnahmen, Frau Bosse, Herr Dr. Kuschnerus und Herr Dr. Noltenius, stellten unseren Pastor vor die Wahl, die Vereinbarung zu unterschreiben und damit das Ruhenlassen seines Dienstes oder die vorläufige Enthebung aus dem Dienst seitens des Kirchenausschusses entgegenzunehmen.
Bei beiden Möglichkeiten wäre eine Weiterführung des Dienstes ausgeschlossen gewesen, weder Predigten, Bibelstunden, Konfirmandenunterricht oder Seelsorge. Vor diese nicht wirklich existierende Wahl gestellt, entschied sich Pastor Latzel dazu, nun nicht auch noch sein schriftliches Einverständnis zur faktischen Dienstenthebung zu geben. Daraufhin wurde die gegen ihn erlassene vorläufige Dienstenthebung in Kraft gesetzt.
Das bedeutet nun, dass Pastor Latzel durch die Landeskirche seines Dienstes vorläufig enthoben ist. Ein aus unserer Sicht, ungeheuerlicher Vorgang..."
Stellungnahme des Vorstandes der St. Martini Kirchengemeinde
Das Zauberwort der Jünger Behemoths – die Liebe. Denn wer ihnen widerspricht, was muß den treiben? Der Haß natürlich.
„Selbstlosigkeit und Selbstständigkeit gehen also Hand in Hand. Christen können frei glauben, denken und handeln und sich nicht auf Gehorsam oder geistliche Autoritäten berufen. Deshalb widerspricht es grundsätzlich der evangelischen Freiheit, wenn man moralische Normen unmittelbar aus Anordnungen Gottes oder Bibelversen herleitet. Das wäre ein Gebots-Fundamentalismus. Vielmehr sind Menschen frei, selbst zu beurteilen und miteinander auszuhandeln, was im Sinne der Liebe jeweils das Richtige ist.“
Schriftführer der BEK, Pastor Dr. Bernd Kuschnerus, in seiner öffentlichen Botschaft zum Reformationstag 2020
Solche Worte sind bewußt unklar, Worte-Vernebelung aus Täuschungswillen? Aber selbst dafür sagen sie dann genug. Von gleicher Art, nur natürlich um Jahrhunderte armseliger in Worte gefaßt, wie sich Dr. Faustus herauszuwinden versuchte, auf die Frage Gretchens. „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“. Worauf Faust:
Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn.
Wer empfinden?
Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimniß
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Nahmen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsgluth.“
Darauf Margarete so treffend:
„Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein Bißchen andern Worten.“
Der Unterschied dazu ist heute. Nun spricht auch der Pfarrer so.
Lieber hätte ich angesichts des bevorstehenden Festes der Erscheinung des Herrn dankbar an etwas weitergeschrieben, zu dem ich mich endlich aufzuraffen vermochte. Aber die Betreiber der BEK hat das auch nicht geschert, also warum zuwarten. Den Anfang der jetzigen Eskalation um Pf. Latzel habe ich hier erschöpfend, denke ich, beschrieben. So man der Stellungnahme des Kirchenvorstands folgt, erfährt man die Einzelheiten.
Diese Stellungnahme zitiert Epheser 6, 10ff. Nicht zu unrecht. Denn man hört geradezu eine Stimme: „Ihr könnt sagen: Ihr habt den Glauben, aber wir haben die Macht!“ Ja! Wessen?
Früher einmal haben Gleichgesinnte und ich an solchen Stellen die aufrichtige Konfrontation gesucht (bei diesem Anlaß etwa). Aber auch dort war schon zu lernen: Eine Reaktion wird immer in der aktuell gültigen Währung erfolgen, also der des Gefühls. Solche wurden verletzt, und das zählt. Warum eigentlich? Doch es ist das Instrument, mit dem heute operiert wird. Es wird nie um so etwas wie Zeugnisse der Schrift, aufgetragene Bekenntnisse et cetera gehen. Wahrheit in Fragen des Glaubens? Wie vorgestrig und fade.
Um die Sache etwas schwieriger zu machen. Auch mir gefällt so einiges an der Hl. Schrift nicht und will sich nicht in mein Wohlfühlweltbild fügen. Aber dann liegt u.a. die Not der Rechtfertigung bei mir, nicht andersherum. Hier geht es um Fundamente und tragende Pfeiler.
Dieser Dr. Kuschnerus meint, in Sachen des Glaubens sei „auszuhandeln, was im Sinne der Liebe jeweils das Richtige ist“. Das ist sozusagen religiöser Rechtspositivismus mit einem Hauch von Sentiment. Dann ist „wahr“, was eine willkürliche Mehrheit gerade als solches empfindet. Wobei dieses „wahr“ inzwischen, als zu exklusiv, schon längst ebenfalls als anstößig dasteht.
Die Erscheinungen zeigen sich dem, der sehen will. Ein letztes Mal Goethes Faust:
Mephistopheles:
"Und die Physiognomie versteht sie meisterlich“.
Physiognomien. Das molluskenartig in sich Verschwimmende gegen das harte Kantige. Das, das alle Male der Auflösung auf dem selbstgefälligen Leib trägt, gegen den, der kämpft.
Es sind verlorene Seelen.
King's College Cambridge 2014
The Lamb, John Tavener, hier gefunden
John Tavener, The Lamb, The Erebus Ensemble, hier gefunden
William Blake Richmond, The Gods at Play
Der unvollständige Akkord dieses Lebens wird dort aufgehoben, vollendet und aufgelöst. Dieses Leben ist Ahnung und Erinnerung einer Harmonie, deren Unvollständigkeit gespürt ist, aber nicht als ein Entgegen-Stehendes, Abweisendes mißverstanden wird, sondern als ein abgebrochener Anfang.
Das Wirkmächtige der Erfahrung. Das Wirkliche verweist auf etwas jenseits des Zeitlichen, Ausgesetzten. Als Seiendes, das in unsere fragmentarische Existenz einbricht, aber dessen Wahrheit und Andauern ohne Zweifel bleibt.
Die Sehnsucht des Fragments nach Vollständigkeit? Auch, aber im Ungenügen flackert die Ahnung des Genügens auf. Das Vollständige im Unvollständigen. Das Fragmentarische nicht als Scheitern oder Verfall, sondern als Anfang eines unendlichen Abenteuers.
Die Frage, die sich ihres Sinns und Grunds bewußt wird. Und nicht zuletzt eine Trauer, die nicht dem Auslöschen verfallen will, sondern widerstehen, den Ort suchend, an dem die Fülle des Verbunden-Seins aufgehoben bleibt.
Nur die klassische Jenseitshoffnung?
Nicht, daß wir uns nun mit dieser Frage beschäftigen wollten. Wir wechseln einfach zu einer mehr schattenhaften, ernsteren Art des Zugangs (doch stehen ja 2 weitere Teile noch aus). Es ist eine eher düstere Variante, sich der Ewigkeit zu nähern.
Caspar David Friedrich, 2. Fassung von „Eiche im Schnee“, 1827
Hans Makart, Dante und Vergil im Inferno, ca. 1863 - 1865
Oskar Loerke
Abseits
Abseits bin ich nicht gegangen.
Abseits hält mich doch umfangen
Zittergras,
Schrott und Schutt.
Von Erstreben und Gebühren,
Schicksalschube, Lebensführen
Schweigt der Tod
Auf der Statt.
Babylon ist oft vergangen,
Sonne wärmt im Schutt die Schlangen -
Bei dem Klang
Schlief ich ein.
Johann Heinrich Füssli, Der Nachtmahr, hier gefunden
Georg Trakl
Der Schatten
Da ich heut morgen im Garten saß -
Die Bäume standen in blauer Blüh,
Voll Drosselruf und Tirili -
Sah ich meinen Schatten im Gras,
Gewaltig verzerrt, ein wunderlich Tier,
Das lag wie ein böser Traum vor mir.
Und ich ging und zitterte sehr,
Indes ein Brunnen ins Blaue sang
Und purpurn eine Knospe sprang,
Und das Tier ging nebenher.
Zwei Wege eigentlich. Nennen wir den einen vorläufig Resignation. Eine Versuchung, der nachzugeben nahe liegt. Die Zeitlosigkeit, in die ein versteinertes Herz eintritt, an dem die Eitelkeiten der Welt abtropfen wie Winterregen an einer halb verwitterten Statue. Die Welt ist eitel und nichtig. Streben und Ehrgeiz des Menschen sind durchschaut und verworfen. Die Welt wird durchsichtig, aber dahinter nur Leere. Dieser Frieden hat etwas von einem vorweggenommenen Tod.
Es ist eine Abwehr der Welt durch deren Entwirklichung. Die Entwirklichung, nachdem zuerst erfahren, wird dann zu einer Quelle von Freiheit und Unabhängigkeit, in einer mehr freudlosen Variante allerdings. Wir haben hier eine Erfahrung von Ewigkeit, die zum Negativen hintreibt, wo die Fesseln des Zeitlichen von der Seele abfallen. Eine solche Neigung mag Menschen etwa zum Buddhismus oder dem Stoizismus führen. Eine Art von trostlosem Trost.
Der andere Zugang: Freiheit gewonnen aus dem Entdecken von Doppelbödigkeit – das Vertraute erweist sich als trügerisch bodenlos, haltlos, die Wirklichkeit offenbart ihre Unwirklichkeit. Ein Riß tut sich auf, hinter dem das Ewige spürbar wird oder das Auflösende, das Aussichtslose, das Nichts. Eine Frage der Seelenstärke. Die erste Variante wäre fast noch eine Spur hoffnungsvoller als die eingangs durch das Fragment Bezeichnete, die andere um so weniger.
Der hochwohllöbliche Herr Wendt hat, wir immer kenntnisreich, sich eines betrüblichen Themas angenommen. Fassen wir es so zusammen – die bundesdeutsche Kanzlerin und die Bildungsmisere.
Mich beschäftigten mehr seine „Nebengedanken“ oder sagen wir es anders, seine Beobachtungen entfernter vom Ausgangsthema:
„Anders als die bis ins Jahr 2100 projizierten Globalklimaveränderungen, die bekanntlich den Umbau einer ganzen Industriegesellschaft erzwingen, anders als die angeblich essenzielle Bedrohung durch Rechte und Rassisten, zu deren Abwehr die Bundesregierung ganze Forschungsverbünde errichtet und eine Milliarde Euro spendiert, gehört die Bildungserosion in Deutschland zu den Fußnoten.“
Er zieht dann einen Vergleich zur Reaktion der DDR-Behörden auf den Verfall der Altbausubstanz:
„Irgendwann ließ sie sich nicht mehr kaschieren, andererseits bröckelten die Gründerzeithäuser zwar, fielen aber nicht sofort um, der Niedergang ließ sich also zeitlich strecken. Die Frage, welche Verhältnisse dazu geführt hatten, und was sich denn ändern müsste, um den Bestand zu retten, hätte das Selbstverständnis der wortwörtlich Verantwortlichen zu stark angetastet.“ Die Funktionäre lobten lieber sich selbst und „die verdienten Flickschuster des Volkes dafür, das Niveau noch ganz gut gehalten zu haben“. Ein Stück über dem Weltniveau lag man immer noch sowieso.
Und jetzt kommt er zu einem entscheidenden Punkt: „Bei den Gründerzeitvierteln der DDR wie den Bildungsbeständen liegt das Problem tief eingebettet im Verfallsobjekt: Es richtet sich schon in seiner bloßen Existenz gegen die politischen Überzeugungen der jeweiligen Verweser. Beide Objekte stammen aus vergangenen Epochen, also Zeiten der Falschheit. Und zu retten wären sie nur durch Restauration. Restauration der Vergangenheit wiederum ist so ungefähr das Verkehrteste, was jemand aus Sicht der Erwachten und Wohlmeinenden heute fordern, geschweige denn betreiben kann.“
Im Grunde könnte man hier abbrechen. Es ist bereits alles gesagt. Also nur noch nachfolgende Marginalien.
Ein Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie macht als Ursache des Übels aus, „den ‚Kulturkampf des Bildungsbürgertums, der bis in die Kultusministerien hineinreicht‘, der sich gegen den Fortschritt an sich stemme, gegen den ‚Abschied vom Wissenskanon der Vergangenheit.‘“.
Herr Wendt gewinnt hier an Schwung: „Den Wissenskanon der Zukunft kann niemand kennen. Die Gegenwart, eingeklemmt zwischen Vergangenheit und Zukunft, ist zu schmal, um einen eigenen Kanon hervorzubringen. Ausnahmslos alles, was an Schulen und Universitäten gelehrt wird, von Algebra, dem Periodensystem und der Elementarteilchenphysik über die Grammatik bis zur Geschichte – alles gehört zwangsläufig zum Wissenskanon der Vergangenheit. Wenn der Direktor eines Forschungsinstituts empfiehlt, sich davon zu verabschieden, dann gehört das in die Chronik, auch wenn kaum jemand seinen Namen kennt. Es reicht, dass seine Empfehlung befolgt wird.“
Er konstatiert weiter „ein generelles Klima, das nicht mehr nur durch Gleichgültigkeit bestimmt wird, sondern durch eine obsessive Bildungsverachtung“. „So, wie die Gründerzeitbauten in der DDR aus dem kapitalistischen Erbe stammten, das ja gerade überwunden werden sollte, steht der Bildungskanon mit seinem Bildungsbegriff für das alte Europa der alten, weißen, zu männlichen und zu bürgerlichen Kunst und Wissenschaft, mit anderen Worten, für alles, das von den Kräften zwischen Kanzleramt und Grüner Jugend längst zum Abbruch freigegeben wurde“.
Er erwähnt, nein nicht Radio Tirana, das lebt in dieser Form nur noch in der glucksenden Erinnerung, sondern den „Deutschlandfunk“ (daß dieser Name immer noch durchgeht, wo er doch so sehr, nun ja, das Gegenteil von inklusiv ist), der ist in der Tat inzwischen eine Nummer für sich, keine Satire könnte so etwas erfinden. Der nämlich stellte zum Hamburger Bismarck-Denkmal die Frage: „Abreißen oder umgestalten?“.
Herr Wendt: „So lauten die Alternativen mehr oder weniger für die gesamte Vergangenheit.
Wobei es noch eine dritte Möglichkeit gibt, einen Kompromiss aus beiden, nämlich den Verfall. Was die Umgestaltung von Denkmalen betrifft: Sie wird beispielsweise von dem ‚Künstlerkollektiv Peng!‘ öffentlich gefordert, hauptsächlich, um Deutschland für seine koloniale Vergangenheit zu strafen; unterstützt werden die Peng-Kollektivisten unter anderen von der Staatsministerin für Kultur Monika Grütters.“
Er skizziert dann ein Gesamtbild - ein Bildungsforschungsinstituts-Direktor, der den einzig denkbaren Wissenskanon für Ballast hält, einen „Bildungsstaatssekretär, der den Abstieg im internationalen Vergleich im BWL-Erstsemesterjargon als Niveauhalten bejubelt“, „talibaneske Redakteurinnen eines Kultursenders“ und eine Talkshowmatadorin und Politikberaterin namens Ulrike Guérot, „die empfiehlt, weniger Mathematik zu wagen. Weil das guttut“. Das Bild komplettierten Grünen-Spitzenpolitikerinnen, die wüßten, daß sich Elektroenergie im Netz speichern läßt, „dass Bienen und Schmetterlinge den klügsten Personen des Landes zuhören, und deren esoterisches Meinen & Fühlen mittlerweile aus fast jeder öffentlich-rechtlichen Sendung und jeder Aufführung des permanenten Kirchentags im Berliner Regierungsviertel trieft.“
Wie immer fragt sich der besorgte Zeitgenosse: Wer steckt hinter sowas? Aber in der Tat, so leicht liegt die Sache nicht. Da ist eher eine unverzichtbare Statik ins Wanken gebracht worden. Schließlich bringt nur der vollständige Untergang das unerhörte Neue hervor et cetera pp ad nauseam. Da ist „kein Komitee im Hintergrund“. Es handele „sich eher um einen sich selbst beschleunigenden Prozess, in dem wie bei einem Lawinenabgang eins zum anderen kommt. Ein Profiteur der Entwicklung muss noch lange kein Strippenzieher sein. Natürlich gibt es Profiteure. Wer fragt, ob Annalena Baerbock insbesondere an dem naturwissenschaftlichen Bildungsverfall interessiert ist, kann genauso gut fragen, ob Fische Interesse an Wasser haben“.
Die Frage sei lediglich „wie lange die Lawine rollt, und was sie auf ihrem Weg noch mitnimmt“.
Unter den Kommentaren fand ich einen, dessen Urheber sich den Namen „pantau“ gab, auffallend. Das totale „süße Lied der Destruktion“ mache ihn mutlos. Wahrheit und Wirklichkeit bedeuteten stets ein Verletzungsrisiko, jede echte Erfahrung sei ein kleines Trauma. Wer all das beseitigen wolle, müsse das Leben terminieren. Und resignierend: „Man muss nicht so sehr die widerständigen Klugen bestrafen, man muss nur die Blöden belohnen und ihnen Macht geben. Und das findet seit langer Zeit mit einer Ausnahmslosigkeit und Effizienz statt…“.
Herr Wendt hat wieder einmal Bausteine zur Beschreibung dieses Zeitalters geliefert.
Und nun? Gefühle sind billig, jeder kann sie beliebig haben.
Frans Vervloet, Monte Cassino, vor 1872, hier gefunden
Während Benedikt von Nursia zweifelsohne bemerkte, daß es mit allem, wofür die antike Welt im höheren Sinne stand, gerade vermeintlich für immer zu Ende ging, gründete er im Jahre 529 Monte Cassino. Sinnfälligerweise waren es die Alliierten, die es im Februar 1944 weitgehend zerstörten.
Monte Cassino nach dem Bombenangriff im Februar 1944, von hier
Alle Tendenzen und Phänomene, auf die Herr Wendt deutet, leben von der Zerstörung. Sie haben keine eigene Substanz.
Was bleibt also? Die Handlanger des Üblen ärgern mit dem, wo es sie trifft: Wiedergewinnen und Wiederherstellen, wo es einem gegeben ist. Sie schreckt jede Spur des Schönen und Beständigen, die wieder auflebt. Das kulturelle Gedächtnis am Leben erhalten. Und der Herr der Zeiten mag es fügen, daß sich dafür auch neue Orte finden.
Monte Cassino, Krypta, hier gefunden
Die Eingangsbilder stehen für Erinnerungen an den Januar 2009.
Berlin, Gendarmenmarkt, um 1900, hier gefunden
Tatsächlich schwankten die Betreiber der DDR immer zwischen Vernachlässigung und mutwilliger Zerstörung auf der einen und Selbstbeschmückung nach Art einer Trophäensammlung auf der anderen Seite. Das zerstörte Potsdamer Stadtschloß gegen das stolz vorgezeigte Sanssouci, die Wiedergewinnung der Semper-Oper in Dresden und des innen sogar historisierend wiederhergestellten Schauspielhauses in Berlin.
Dahinter stand wohl ein eher instabiles Selbstbewußtsein. Neben dem Willen zur Zerstörung gab es den des Anerkannt-Werdens, das Bemühen um Legitimierung durch einen „fortschrittlichen“ Traditionsstrang, dessen Höhepunkt man darstellen wollte, der aber etwa auch die Steinschen Reformen und die Befreiungskriege und zum Ende hin sogar Friedrich den Großen mit einschloß. Eine Art von Bemächtigungsstrategie.
Das alles ist bei den Epigonen von heute völlig weg.
Berlin, Schauspielhaus, Großer Saal, hier gefunden
nachgetragen am 17. Dezember
Pompeo Batoni, Herkules am Scheideweg, 1748, hier gefunden
Nicht durch die Ewigkeit, das wäre Anmaßung, zumal nach dem, was wir von ihr wissen können, sie nicht eigentlich räumlichen Charakters ist, eine Wegbeschreibung solcher Art zudem folglich ohne Sinn.
Was wir aber finden, sind gewissermaßen Weg-Kreuzungen, an denen eine besondere Richtung besagtem Ziel näher kommen dürfte. Die Alten kannten das Bild von Herkules am Scheideweg. Herr Moritz berichtet davon in seiner Götterlehre wie folgt:
„Da nun Herkules unter dieſen Beſchaͤftigungen zu den Juͤnglingsjahren gekommen war, begab er ſich einſt, uͤber ſein kuͤnftiges Schickſal nachdenkend in die Einſamkeit, und ſetzte ſich in Betrachtungen vertieft auf einem Scheidewege nieder.
Hier war es, wo die Wolluſt und die Tugend ihm erſchienen, wovon die erſtre ihm jeglichen Genuß einer frohen ſorgenfreien Jugend anbot, wenn er ihr folgen wollte, die letztre ihm zwar muͤhevolle Tage verkuͤndigte, aber in der Zukunft Ruhm und Unſterblichkeit verhieß, wenn er ſie zur Fuͤhrerin waͤhlte.
Die Tugend ſiegte in dieſem Wettſtreit; der Juͤngling folgte ihr mit ſicherm Schritte, feſt entſchloſſen, jedes Schickſal, das ihm bevorſtehe, mit Muth und Standhaftigkeit zu tragen, ſich keiner Laſt zu weigern, und keine Arbeit, ſey ſie noch ſo ſchwer, zu ſcheuen.“
Karl Philipp Moritz, Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791
Albrecht Dürer, Herkules am Scheideweg, vor 1500, hier gefunden
Auch unser Dürer hat sich an dem Thema versucht, wobei seine Auffassung desselben zuerst irritiert, als wolle sein Herkules die Wollust vor der wütigen Tugend in Schutz nehmen, aber der genauere Blick beruhigt wieder. Immerhin war der Stich so beliebt, daß man Türen danach geschnitzt hat. Dennoch hat die Szene etwas Mehrdeutiges.
Wartburg (Eisenach), sog. "Dürerschrank" (1510/20) - Relief mit Herkules am Scheidewege nach einem Kupferstich von Albrecht Dürer, hier gefunden
Die Dichtungen, die unsere wenigen Gedanken begleiten, sollen auch nicht sozusagen als emblematische Wegzeichen herhalten, zumeist würden sich die Herren Autoren entschieden dagegen verwahren, wenn sie es denn noch könnten (sie haben sämtlich selbst ihren Wohnsitz in der Ewigkeit genommen), aber sie deuten auf Orte, an denen Entscheidungen unvermeidlich werden.
Auch ist dies keine Anleitung zu geistigem Probeliegen was das (nachgetragene) Datum fälschlich vermuten lassen könnte. Die Ewigkeit ist etwas, das weit über den Tod hinausgeht.
Johann Sebastian Bach: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende?, BWV 27, unter der Leitung von Karl Richter; der Schlußchoral setzt bei 15.42 ein, hier gefunden; der vollständige Text findet sich dort.
Welt, ade! ich bin dein müde,
Ich will nach dem Himmel zu,
Da wird sein der rechte Friede
Und die ewge, stolze Ruh.
Welt, bei dir ist Krieg und Streit,
Nichts denn lauter Eitelkeit,
In dem Himmel allezeit
Friede, Freud und Seligkeit.
Jacques Réattu (1760–1833), Jakobs Traum, hier gefunden
Friedrich Hölderlin
Die Linien des Lebens sind verschieden
Wie Wege sind, und wie der Berge Gränzen.
Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen
mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.
Seit 1807 lebte Hölderlin bei dem Schreinermeister Ernst Zimmer in Tübingen. Der hatte seinen Hyperion gelesen, ihn im dortigen Nervenklinikum besucht und war besorgt, daß „ein so schönner Herrlicher Geist zu Grunde gehen soll“. Er und seine Tochter haben ihn dann über Jahrzehnte zur Pflege bei sich aufgenommen. Am 19. April 1812 schrieb er an Hölderlins Mutter:
"...so sah Er bey mir eine Zeichnung von einem Tempel Er sagte mir ich solte einen von Holz machen, ich versetzte darauf daß ich um Brod arbeiten müßte, ich sey nicht so glücklich so in Philosofischer ruhe zu leben wie Er, gleich versetzte Er, Ach ich bin doch ein armer mensch, und in der nehmlichen Minute schrieb er mir folgenden Vers mit Bleistift auf ein Brett."
Es ist der obige. Eine Szene wie aus einem Singspiel. Zimmer schildert die Situation, darauf antwortet Hölderlin mit seinem Vierzeiler. Man glaubt, eine Art unkomponierte Arie zu hören, in der er sein Schicksal zusammenfaßt.
Der unvollständige Akkord dieses Lebens wird dort aufgehoben, vollendet und aufgelöst. Dieses Leben ist Ahnung und Erinnerung einer Harmonie, deren Unvollständigkeit gespürt ist, aber nicht als ein Entgegen-Stehendes, Abweisendes mißverstanden wird, sondern als ein abgebrochener Anfang.
Das Wirkmächtige der Erfahrung. Das Wirkliche verweist auf etwas jenseits des Zeitlichen, Ausgesetzten. Als Seiendes, das in unsere fragmentarische Existenz einbricht, aber dessen Wahrheit und Andauern ohne Zweifel bleibt.
Die Sehnsucht des Fragments nach Vollständigkeit? Auch, aber im Ungenügen flackert die Ahnung des Genügens auf. Das Vollständige im Unvollständigen. Das Fragmentarische nicht als Scheitern oder Verfall, sondern als Anfang eines unendlichen Abenteuers.
Die Frage, die sich ihres Sinns und Grunds bewußt wird. Und nicht zuletzt eine Trauer, die nicht dem Auslöschen verfallen will, sondern widerstehen, den Ort suchend, an dem die Fülle des Verbunden-Seins aufgehoben bleibt.
Nur die klassische Jenseitshoffnung?
begonnen am Ewigkeits-Sonntag und nachgetragen am 3. Dezember – Teil 1 / 4
Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Hell aufgeblüht im Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht' und säuselt' da herum.
Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
So schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,
Das Allerschlimmste kam zuletzt.
Ein alter Esel fraß die ganze
Von ihm so heiß geliebte Pflanze.
Wilhelm Busch
Auch die eigenen Dinge wandern
ich will nicht sagen ins Nichts
doch sie waren schon früher bei andern
und im Leuchten ferneren Lichts -
Gottfried Benn
Johann Sebastian Bach - "Wohl dem, der sich auf seinen Gott", Kantate für den 23. Sonntag nach Trinitatis von 1724, BWV 139
1. Coro
Wohl dem, der sich auf seinen Gott
Recht kindlich kann verlassen!
Den mag gleich Sünde, Welt und Tod
Und alle Teufel hassen,
So bleibt er dennoch wohlvergnügt,
Wenn er nur Gott zum Freunde kriegt.
2. Aria (Tenor)
Gott ist mein Freund; was hilft das Toben,
So wider mich ein Feind erhoben!
Ich bin getrost bei Neid und Haß.
Ja, redet nur die Wahrheit spärlich,
Seid immer falsch, was tut mir das?
Ihr Spötter seid mir ungefährlich.
3. Recitativo (Alt)
Der Heiland sendet ja die Seinen
Recht mitten in der Wölfe Wut.
Um ihn hat sich der Bösen Rotte
Zum Schaden und zum Spotte
Mit List gestellt;
Doch da sein Mund so weisen Ausspruch tut,
So schützt er mich auch vor der Welt.
4. Aria (Baß)
Das Unglück schlägt auf allen Seiten
Um mich ein zentnerschweres Band.
Doch plötzlich erscheinet die helfende Hand.
Mir scheint des Trostes Licht von weiten;
Da lern ich erst, daß Gott allein
Der Menschen bester Freund muß sein.
5. Recitativo (Sopran)
Ja, trag ich gleich den größten Feind in mir,
Die schwere Last der Sünden,
Mein Heiland läßt mich Ruhe finden.
Ich gebe Gott, was Gottes ist,
Das Innerste der Seelen.
Will er sie nun erwählen,
So weicht der Sünden Schuld, so fällt des Satans List.
6. Choral
Dahero Trotz der Höllen Heer!
Trotz auch des Todes Rachen!
Trotz aller Welt! Mich kann nicht mehr
Ihr Pochen traurig machen!
Gott ist mein Schutz, mein Hilf und Rat;
Wohl dem, der Gott zum Freunde hat!
Eines der kleinen Wunderwerke, die Bach zum heutigen Sonntag des Kirchenjahres schrieb (er tat dies für einen jeden desselbigen). Es ist kein herausragender Sonntag, wir sind kurz vor dem Ende des Kirchenjahres, es folgen noch der Buß- und Bettag sowie der Ewigkeitssonntag, und dann stehen wir auch schon im Advent.
Da ich in allem Wesentlichen ja nie über den Zustand eines Liebhabers hinausgelangt bin, will ich auf diesen Vortrag verweisen, der einen Einblick gibt, wie die unterschiedlichen Charaktere von Stimmen und Stimmungen, unablösbar verbunden mit dem Text, neben und miteinander zu einem Ganzen zusammenwirken.
Dazu kommt wie immer dann noch die Interpretation. Nachfolgend bei Karl Richter singt Peter Schreier die Tenorstimme (4.51) und den Baß-Part übernimmt Dietrich Fischer-Dieskau. Schreier brilliert mit seinem gewohnt klaren, rhetorischen Gestus, während Fischer-Dieskau (12.19), nun ja, sich teilweise mehr lyrisch-stimmungshaft gibt.
Und hier vergleiche man einmal den Baß aus der Aufführung von John Elliot Gardiner von oben (ab 11.10), vielleicht nicht ganz so farbenreich wie Fischer-Dieskau, dafür aber dynamisch-lebendig und ähnlich rhetorisch nahe auf seine Art wie Schreier.
Das ist ja eben das Beeindruckende an großer Musik. Wenn sich Interpreten von Rang daran abmühen, denkt man mitunter, völlig unterschiedliche Stücke vor sich zu haben.
Martin Luther, leicht verändert, hier gefunden
Über die Künste
„Die Schwärmer gefallen mir auch deshalb nicht, weil sie die Musik verdammen. Denn sie ist erstens ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen; zweitens macht sie fröhliche Herzen; drittens verjagt sie den Teufel; viertens bereitet sie unschuldige Freude. Darüber vergehen Zorn, Begierden, Hochmut. Den ersten Platz nach der Theologie gebe ich der Musik.“
„Es ist kein Zweifel: Viele Samen guter Eigenschaften stecken in den Gemütern, die von der Musik ergriffen werden; die aber nicht von ihr ergriffen werden, sind, denke ich, Stümpfen und Steinen gleich. Denn wir wissen, daß die Musik auch den Dämonen verhaßt und unerträglich ist.“
„Ich bin auch nicht der Meinung, daß durchs Evangelium sollten alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche falsche Geistliche vorgeben, sondern ich möchte alle Künste, besonders die Musik, gerne sehen im Dienste dessen, der sie gegeben und geschaffen hat.“
Gustav Spangenberg (1828–1891), Luther im Kreise seiner Familie musizierend, hier gefunden
Über den Mißbrauch der Vernunft
Es ist wahr, daß halbgelehrte Leute die unnützesten Leute auf Erden sind, und wäre ihnen viel besser, daß sie gar nichts könnten. Denn sie gehorchen niemand nicht, können es alles selbst bessser denn alle Welt, wissen zu urtheilen alle Kunst und Schrift, und Summa, sie können niemand etwas Rechtschaffenes lehren und lassen sich auch von niemand lehren."
„Erasmus ist ein rechter Momus, der alles verspottet, auch die ganze Religion und Christum. Und auf daß er's desto baß tun könne, erdenkt er Tag und Nacht Wankelwort, daß seine Bücher auch können von Türken gelesen werden. Wenn man meinet, er habe viel gesagt, so hat er nichts gesagt. Denn alle seine Schriften kann man ziehen und deuten, wie und wohin man will.
Erasmi vornehmste Lehre ist, man soll den Mantel nach dem Winde hangen, dass er möchte Ruhe und gute Tage haben und ist gestorben wie ein Epikuräer.“
Lucas Cranach d. Ä., Melancholie, hier gefunden
Ob man dem Übel wehren solle
"So mich Jemand in meinem Hause übereilete, und mir und den Meinen Gewalt thun und sie beschädigen wollte, bin ich, als ein Wirth und Hausvater schüldig, mich zu wehren und sie zu vertheidigen; viel mehr aufm Wege und Landstraße. Ich bin oft von unserm Gnädigsten Herrn erfodert worden, da ich wol auf der Straße wäre zu greifen gewest. Wenn mich Straßenräuber oder Mörder hätten wollen beschädigen, und mir unrechte Gewalt thun, so wollte ich mich von wegen des Fürstenamts, als sein Unterthan und Diener, ihrer gewehret und Widerstand gethan haben, denn sie griffen mich nicht an um der Euangelii willen, als einen Prediger und Glied Christi, sondern als des Fürsten und der Oberkeit Glied; da soll ich dem Fürsten helfen sein Land reine halten; kann ich ihn erwürgen, soll ich das Messer auf ihn legen, und frei das Sacrament empfahen; soll ich doch in Nöthen einen guten Gesellen retten, viel mehr einem Fürsten sein Land. Würde ich aber angegriffen um Gottes Worts willen, und als ein Prediger, da soll ich leiden, und die Rache und Strafe Gott befehlen. Denn ein Prediger soll sich nicht wehren, darum nehme ich kein Messer mit auf die Kanzel, sondern allein auf dem Wege, wenn ich wandere und uber Feld ziehe."
Über die Weiber und das Trinken
„Magister Georgius Spalatinus hatte einmal an Kurfürst Friederichs zu Sachsen Hofe gesagt: Daß Cornelius Tacitus schriebe, daß bei den alten Deutschen keine Schande gewesen, Tag und Nacht zu saufen. Solches höret nun ein Edelmann und fraget ihn: Wie alt solchs wohl sei, da dies geschrieben worden wäre? Als er nun antwortet: Es sei wohl bei fünfzehnhundert Jahren. Da spricht der Edelmann: 'O lieber Herr, weil Vollsaufen also ein alt, ehrlich Herkommen ist, so lasset's uns jetzunder nicht abbringen!'“
"Der Wein und die Weiber bringen manchen in Jammer und Herzeleid, machen viele zu Narren und wahnsinnigen Leuten; wollen wir drum den Wein wegschütten, und die Weiber umbringen? Nicht also! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten: soll man drum Solches alles wegwerfen? Nein, wahrlich! Ja, wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müßten wir uns selbst vertreiben und tödten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind, denn unser eigen Herz; wie der Prophet Jeremias sagt C. 17., V. 9."
„Die Weiber sind von Natur beredt und können die Rhetoricam, die Redekunst, wol, welche doch die Männer mit großem Fleiß lernen und uberkommen müssen. Das aber ist wahr, in häuslichen Sachen, was das Hausregiment belanget, da sind die Weiber geschickter zu und beredter; aber im weltlichen politischen Regiment und Händeln tügen sie nichts, dazu sind die Männer geschaffen und geordnet von Gott, nicht die Weiber.“
„Weiber reden vom Haushalten wol als Meisterin mit Holdseligkeit und Lieblichkeit der Stimm und also, daß sie Ciceronem, den beredtesten Redener, ubertreffen; und was sie mit Wolredenheit nicht können zu Wegen bringen, das erlangen sie mit Weinen. Und zu solcher Wolredenheit sind sie geboren; denn sie sind viel beredter und geschickter von Natur zu den Händeln denn wir Männer, die wirs durch lange Erfahrung, Übung und Studiren erlangen. Wenn sie aber außer der Haushaltung reden, so tügen sie nichts. Denn wiewol sie Wort genug haben, doch feilet und mangelts ihnen an Sachen, als die sie nicht verstehen, drüm reden sie auch davon läppisch, unordentlich und wüste durch einander uber die Maaße. Daraus erscheinet, daß das Weib geschaffen ist zur Haushaltung, der Mann aber zur Policey, zu weltlichem Regiment, zu Kriegen und Gerichtshändeln, die zu verwalten und führen.“
„Auf Erden ist kein größer Plage denn ein bös, eigensinnig, wünderlich Weib. Drüm spricht Salomo: ‚Ein Land wird durch dreyerlei unruhig, und das vierte mag es nicht ertragen: Ein Knecht, wenn er König wird; ein Narr, wenn er zu satt ist; eine Feindselige, wenn sie geehlichet wird, und eine Magd, wenn sie ihrer Frauen Erbe wird‘. (Spr. 30, 21 – 23)“
Was Gutes vom Weibe zu sagen ist
"Wo findet man ein tugendsam Weib? Ein fromm, gottfürchtig Weib, ist ein seltsam Gut, viel edler und köstlicher denn eine Perle; denn der Mann verläßt sich auf sie , vertrauet ihr Alles. Da wirds an Nahrung nicht mangeln. Sie erfreuet und macht den Mann fröhlich und betrübt ihn nicht; thut ihm Liebes und kein Leides sein Lebenlang; gehet mit Flachs und Wolle um, und arbeitet und schafft gern mit ihren Händen, zeuget ins Haus und ist wie ein Kaufmannsschiff, das aus fernen Landen viel Waar und Gut bringet. Frühe stehet sie auf, speist ihr Gesinde, und gibt den Mägden ihren bescheiden Theil, was ihnen gebührt. Denkt nach einem Acker und kauft ihn, und lebt von der Frucht ihrer Hände, pflanzet Weinberge und richtet sie fein an, wartet und versorget mit Freuden, was ihr zustehet. Was sie nicht angehet, läßt sie unterwegen und bekümmert sich damit nicht.
Sie gürtet ihre Lenden fest, und stärkt ihre Arme; ist rüstig, im Haus. Sie merkt, wie ihre Händel Frommen bringen, verhütet Schaden, und siehet, was Frommen bringet. Ihre Leuchte verlischt nicht des Nachts. In der Noth hat sie Nothdurft, sie streckt ihre Hände nach dem Rocken, und ihre Finger fassen die Spindel; arbeit gern und fleißig. Sie breitet ihre Hände aus zu den Armen, und reicht ihre Hand den Dürftigen, gibt und hilft gerne armen Leuten. Sie fürchtet ihres Hauses nicht fur dem Schnee, denn ihr ganzes Haus hat zwiefache Kleider; hält ihr Haus in baulichem Wesen mit Dachung und Anderm. Sie macht ihr selbs Decke. Weiße Seiden und Purpur ist ihr Kleid; hält sich reiniglich und ihre Kleider werth; geht nicht schlammig und beschmutzt daher. Ihr Schmuck ist, daß sie reinlich und fleißig ist.
Sie thut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre; zeucht ihre Kinder fein zu Gottes Wort. Sie schauet, wie es in ihrem Hause zugehet, und isset ihr Brod nicht mit Faulheit; nimmt sich fremder Händel nicht an. Ihre Söhne kommen auf, und preisen sie selig; ihr Mann lobet sie. Viel Töchter bringen Reichthum; aber ein tugendsam Weib übertrifft sie alle. Lieblich und schöne seyn ist nichts. Ein Weib, das den Herrn fürcht, soll man loben. Sie wird gerühmet werden von den Früchten ihrer Hände, und ihre Werke werden sie loben in den Thoren etc. Also sagt Salomo in seinen Sprüchen am letzten Capitel. Redet wol, wie es seyn sollte, und weislich; hat eine holdselige, liebliche Zunge, schilt nicht. (Spr. 31.10ff.)“
"Frauen und Jungfrauen, ob sie gleich Mangel und Fehl haben, soll man doch nicht öffentlich schmähen weder mit Worten noch mit Schriften, sondern in geheim strafen... Darum als Eva zu Adam gebracht wurde, da ist er des heiligen Geistes gar voll, und gibt ihr gar einen herrlichen, schönen Namen, und heißet sie Eva, das ist, eine Mutter aller Lebendigen. Er nennet sie nicht sein Weib, sondern eine Mutter, und setzt den Anhang darzu: 'aller Lebendigen'. Da hast du das höchste Kleinod, Ehre und Schmuck der Weiber, nehmlich daß sie sind fons omnium viventium, die Bronnquelle und Ursprung, daher alle lebendige Menschen kommen. Solches sind wol kurze Wort, aber es ist ein herrlich Encomium [d. i. Lobrede]."
Von Weltdingen und weltlichem Regiment
"Die Erfahrung bezeugets, daß die Obrigkeit und Juristen oftmals böse seyn und ubel haushalten und ihr Amt und weltlich Regiment ohne Sünde nicht ausrichten, und ihrem Stande, den sie als publicae personae führen, nicht können gnung thun. Das ist denn die Ursache, daß die Obrigkeit auch eine Privatperson an ihr hat, dieselbige ist sündhaftig, steckt in vielen Gebrechen und Sünden; darüm richtet sie so viel Böses an und thut Unrecht. Gleich als wenn einer ein schärtig Beil hat, da verderbet er Alles mit, was er darmit häuet. Item man saget auch, daß böse Zimmerleute machen grobe Späne. Drüm, weil unser Privatperson eine Sünderin und durch die Erbsünd ganz und gar verderbt ist, derhalben so verderbet sie die publicam personam auch, daß sie bisweilen viel Unrechts thue, es komme einer gleich ins Predigtamt oder in die weltliche Regierung. Wiewol unser Gott die Kunst auch kann, daß er oft durch böse Personen wol regieret oder Buben mit andern Buben strafet."
"Die Fürsten von B. [Bavariae Principes] sind allzeit stolz und hoffärtig gewest, und dem Hause Osterreich heftig feind, also daß Kaiser Maximilianus gesaget hat: 'Wenn man die zwey Blut Osterreich und Bayern in einem Topfe sieden wollte, so würde eins heraus springen.' Denn sie vergönnen [d. i. mißgönnen] dem osterreichischen Blute das Kaiserthum, rühmen sich, sie seien auch des Holzes, daraus man Kaiser mache... Die deutschen Kaiser sind furtreffliche Helden und nicht solche Teufel und Höllebrände gewest, wie die römischen und welsche Kaiser."
Albrecht Dürer, Kaiser Maximilian I., hier gefunden
Von einem wunderlichen Hirschen, welcher einen Wechsel des Regiments nicht hat wollen ertragen und Kaiser Maximilian
"'Zur Locha bey Wittenberg,' sagte Philipp Melanchthon ein Mal zu D. L. uber Tisch, 'da hats ein Hirsch im Flecken gehabt, der war zahm gewesen und alle Jahr im Monat Septembre in den Wald in der Hirschbrunst gelaufen, und im Octobre wieder heim kommen, und das ganze Jahr uber sonst im Städtlein geblieben. Dieses hat er viel Jahr gethan. Aber im 1525. Jahre, da ist Kurfürst Friederich gestorben, da ist der Hirsch wegkommen und nicht mehr gesehen worden; denn weil er seinen Herren verloren hatte, so hat er bey einem neuen und andern Herrn nicht bleiben wollen.'"
Des Kaiser Maximiliani Reim: "'Tene mensuram, et respice finem!' - das ist: Halte Maß und gedenke aufs Ende. Dies Dictum ist feiner denn Kaiser Carols Plus ultra!"
Albrecht Dürer; Herkules, die Stymphalischen Vögel tötend, hier gefunden
Zum Beschluß
"Wer im 20. Jahre nicht schöne, im 30. Jahre nicht stark, im 40. nicht klug, im 50. nicht reich wird, der darf darnach nicht hoffen. Alter hilft fur Thorheit nicht!"
Albrecht Dürer, Porträt eines jungen Mannes, hier gefunden
begonnen am Gedenkfest der Reformation und beendet am Tage des Hl. Martin