Mittwoch, 25. April 2012

Über den Hl. Markus &


St. Markus, Kairo

In einem schwachen Moment habe ich mir kürzlich „300“ angesehen, ein imposanter Film von überraschender Optik, lose angelehnt an die Schlacht bei den Thermopylen 480 v. Chr. und überwiegend gestaltet von (höflich gesagt) ¾ nackten Bodybuildern in entfernt historischen Kostümen, sehr bewegend, wenn man von gewisser Gemütsart ist. Warum ich nicht unbedingt ein Freund Spartas bin, habe ich einmal zu erklären versucht, aber darum geht es mir gar nicht.

Es war die Rede des Leonidas gegen Ende, die mir förmlich die Schuhe von den Füßen fallen ließ, eine flammende Verteidigung von Freiheit und Demokratie. Nein, das ist jetzt kein Scherz. Die Schlacht bei den Thermopylen ist etwas, dem ein Mensch von Gewissen seinen Respekt nicht verweigern wird, aber was immer den König der Spartaner angetrieben haben mag, dürfte grotesk  grob mißverstanden worden sein, aber so sehen halt Amerikaner die Welt.

Nicht nur sie; es gibt diese Schlicht-Ersatzreligion namens „Demokratie“, die alles Böse verscheucht und alle Dinge heilt, die dort ausgesprochen wird (ich rede hier von dem Konstrukt, für die Sache selbst bräuchte man unpassend länger). Und dann kommt einem Präsident Carter in den Sinn, der freudig glaubte, mit dem Sturz des Schah würde in Persien nun die Demokratie ausbrechen (mit bekannten Folgen), oder einer seiner Nachfolger, der meinte, nach der amerikanischen Intervention im Irak käme es zu dergleichen (man schaue einmal, wie viele Christen es gegenwärtig dort noch gibt).

Ich glaube nicht an ausschließlich böswillige Motive bei den meisten Menschen, am verheerendsten wirkt oft eher die gute Absicht. Jeder will schließlich irgendwie vor sich bestehen können, und daher bin ich überzeugt, sowohl Carter als auch Bush jun. waren auf zwar extrem unterschiedliche, aber vergleichbar verhängnisvolle Weise amerikanische Moralisten, nicht nur, aber auch. Und weniges wirkt so zerstörerisch, wie wenn man die Wirklichkeit an einer unterkomplexen Weltsicht ausrichten will.

Warum diese Bemerkungen. Nun, eigentlich paßt das nicht ganz an diesen Ort, aber Herr Roloff bemüht sich an seinem Heimatort um die Renovierung des dortigen Altars, heute ging es um den Hl. Markus. Denn heute ist der Tag dieses Heiligen und er macht in seiner Ansprache eine Bemerkung zur Situation der angefochtenen koptischen Kirche, deren Lage nach der dort ausgebrochenen „Demokratie“ deutlich gefährdeter ist. Und die koptische Kirche kämpft seit 642 n. Chr. ums Überleben, sie hat also eine gewisse Übung darin. Der vielfach bejubelte „arabische Frühling“ erweist sich dahingehend offenbar als ernste Herausforderung. Zunächst wollte ich einfach nur seine Ansprache bringen, aber dann kamen mir halt diese Gedanken über das todbringende Risiko schlichten Denkens. Und jetzt Herr Roloff.

Ansprache zum Markustag 2012


Der Friede des Auferstandenen sei alle Zeit mit euch!

Liebe Gemeinde,

es ist zunächst nur eine Figur aus Holz, zugegebenermaßen eine sehr schöne, die nun vollkommen restauriert in unsere Kirche zurückgekehrt ist. Es ist etwas heil geworden, was zuvor zerstört war und verloren zu gehen drohte. Es ist heil geworden, weil diese Gemeinde und viele andere Menschen sich der Figur und des ganzen Altars angenommen haben. Sie sind dadurch noch einmal in besonderer Weise zu einer Gemeinschaft geworden. Diese Figur wird uns und die nach uns kommen eben immer auch daran erinnern. Sie hat nicht nur eine neue Fassung bekommen, sondern auch diese Erinnerung wurde ihr aufgelegt.

Diese Figur stellt den Evangelisten Markus dar, und so werden wir auch an seine Lebensgeschichte erinnert. Er ist in dem Hause aufgewachsen, in dem der Herr mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Durch seine Mutter hat er zum Glauben gefunden und sich besonders Petrus angeschlossen. In einem seiner Briefe nennt dieser ihn sogar seinen Sohn. Vom Zerwürfnis mit dem anderen Apostelfürsten haben wir in der Lesung gehört. Es ist gut, dass die Apostelgeschichte uns so freimütig vom Streit in der Gemeinde berichtet, denn unser kirchliches Leben ist manchmal zu sehr von scheinheiliger Eintracht bestimmt und scheut zu sehr den reinigenden Streit. Ein ehrlicher Streit kann etwas sehr gutes sein. Auch Paulus und Markus versöhnen sich am Ende schließlich wieder, und es geht sogar auf die Anregung des Paulus zurück, dass Markus um das Jahr 60 herum beginnt, sein Evangelium zu schreiben, das das älteste Evangelium der Kirche ist. Es betont in besonders schöner und klarer Form den Charakter des Lebens Jesu als Leidensgeschichte. Auch daran werden wir nun wieder stetig erinnert.

Endlich gelangte Markus nach Alexandrien und wurde Bischof dieser gewaltigen Metropole der alten Welt, deren Leuchtturm zu den Weltwundern zählte, und dessen erstaunliche Bibliothek ebenfalls noch vorhanden war. So wurde er Begründer der koptischen Kirche, und die Päpste dieser Kirche sehen sich bis heute als seine Nachfolger. Auch daran erinnert uns nun diese Figur, und wir finden in ihr eine Beziehung zu dieser uralten, ehrwürdigen und so geplagten Kirche im Lande der Pyramiden, deren Existenz nun auf dem Spiel steht. In sehr großer Naivität haben sich weite Teile des Westens für den Umbruch in Ägypten begeistert. Wir aber wollen beten, dass diese Kirche erhalten bleiben möge, und in ihr Glaubenskraft und Mut wachsen mögen.

Die kleine Gemeinschaft, die sich an diesem Abend hier versammelt hat und die hoffentlich sehr viel größere, die sich am Sonntag hier versammeln wird, steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der gesamten Ökumene, mit dem ganzen Erdkreis. Daran erinnern uns die Evangelistenfiguren unseres Altars, die unseren Blicken so lange entzogen waren.

Ich bitte Euch nun, lasst Euch erinnern. Wenn Ihr hier sitzt und schaut, dann werdet gewahr, in welcher wunderbaren Gemeinschaft wir leben und sein dürfen. Das ist die Gemeinschaft die auch durch den Tod ganz unberührt bleibt. Ich sage das vor allem im Hinblick darauf, dass Menschen am 21. September des vergangenen Jahres mit uns den Gang durch die Evangelistenfeste begonnen hatten und nun nicht mehr zugegen sind. Sie bleiben dennoch in dieser Gemeinschaft, denn es ist die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, die dem auferstandenen Herrn vertraut, auf dessen Wiederkunft sie hier geduldig wartet.

Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen
Thomas Roloff


Nachtrag

Herr Roloff war der Meinung, ich solle doch noch einen Link zur Kirchgemeinde setzen, da dort so schön für den Festgottesdienst zur Wiedereinweihung des Altars geworben würde, was hiermit geschehen ist.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Einmal zum Evangelisten Markus ohne ausdrücklichen verweis auf venedig zu lesen hat man auch nicht alle Tage zu erwarten.