Mittwoch, 31. Oktober 2012

See - Stücke &

(c) v. Gentzkow

Es ist ein Elend, daß Deutschland ein (gefühltes) Binnenland ist. Dabei haben wir immer noch die Nord- und Ostsee. Und oft genug tummelten sich unsere Vorfahren doch auch an und auf anderen Meeren. Dennoch, jenseits von Storm wird es schwierig, etwas zu finden, das der Materie gewachsen erscheint (selbst bei Goethe, Rilke, und Heine lassen wir sowieso besser weit beiseite). Dichtung ist gemeint, was sonst, an diesem Ort. Also doch wieder etwas Englisches:

(c) W. A. Aue

Robert Frost

Once By The Ocean

The shattered water made a misty din.
Great waves looked over others coming in,
And thought of doing something to the shore
That water never did to land before.
The clouds were low and hairy in the skies,
Like locks blown forward in the gleam of eyes.
You could not tell, and yet it looked as if
The shore was lucky in being backed by cliff,
The cliff in being backed by continent;
It looked as if a night of dark intent
Was coming, and not only a night, an age.
Someone had better be prepared for rage.
There would be more than ocean-water broken
Before God's last 'Put out the light' was spoken.

 (c) W. A. Aue

Herr Prof. Aue, dessen Bilder aus Neu-Schottland ich gerade so unverfroren gebrauche, kommentierte hier vor einiger Zeit, wie vergänglich auch das ewig erscheinende Meer doch letztlich wäre. Ob diese Erde den Untergang der Sonne tatsächlich „überleben“ wird (vielleicht wird sie ja vorher noch bei deren letztem „Aufbäumen“ verschluckt), nun, das sind so ferne Fragen. Aber in der Tat, alles, was den Menschen überwältigt, wie eben auch das grenzenlos erscheinende Meer, wird selbst irgendwann verwandelt und endlich vergangen sein. Und nicht nur das uns Überwältigende vergeht.

(c) W. A. Aue

Wenn uns das Gewaltige vertraut wird, wie Felsen, die uns einen ewigen Halt zu geben scheinen, dann spüren wir Menschen am Felsen eine Ewigkeit, die nicht besteht. Die Steine und Felsen, an denen wir das Gefühl der Ewigkeit erlernen, waren irgendwann ein tödlicher Glutstrom und sind morgen schon vorerst Sand. Der bergende Wald, das träumerische Moos, all unser vertrautes Weltgefühl ist trügerisch und unser Beheimatet-Sein eine menschliche Erfindung.

Aber es ist nur dann eine Erfindung, wenn sich der menschliche Geist eine Welt vertraut gemacht haben sollte, die grundsätzlich fremd zu ihm steht und bis zuletzt antwortlos bleiben wird. Wenn es eine Wahrheit hinaus über die von Tod, Wandel und Vergehen gibt, dann mögen unsere erlernten Gefühle doch nicht derart vergeblich sein. Oder um mit dem von mir bekrittelten Rilke zu enden:

Was, da ein solcher, Ewiger, war, mißtraun wir 
immer dem Irdischen noch? Statt am Vorläufigen ernst 
die Gefühle zu lernen für welche 
Neigung, künftig im Raum?

nachgetragen am 1. November

Sonntag, 28. Oktober 2012

Sonntag &

poorly translated

Nun ist es also schon wieder um 5 Uhr nachmittags dunkel, die Begonien und Dahlien scheinen wirklich erfroren zu sein. Und es ist wahr, in diesem Land ist 2/3 des Jahres Winter, ob in dem Rest auch kein Sommer, das mögen andere entscheiden, ich jedenfalls will endlich diesen Klimawandel, ungebremst, einfach so.

Wie vielleicht auffiel, hatte meine Frau Mutter kürzlich ihren Geburtstag. Ich erwähne das nur, weil ein Bestandteil der Veranstaltung ein riesiges Suppenhuhn vom Bauern war, das unter anderem für eine Brühe herhalten mußte und heute (quasi als „Reste“-Verwertung) für ein Frikassé. Ich hatte es ihr selbst empfohlen, es war viele Jahre lang ihr Lieblingsgericht für den Weihnachtsabend, sie hat sich auch prompt ausführlich bei Tisch daran erinnert (falls jemand Näheres wissen will, frage er mich, es ist eine Art Ragout mit Mehl, Butter, Essig, Zucker und was immer).

Ich auch, deshalb hatte ich mir zwei Rindersteaks (dieses Programm kannte das Wort nicht und schlug mir doch glatt gerade  „Kindersteaks“ als Verbesserung vor, krank!) gebraten (und im Ofen nachgegart), eines ist noch übrig. So kam ein jeder zu seinem Vergnügen, irgendwie. Dazu Blumenkohl mir brauner Butter. Draußen schien fröhlich die Sonne, so daß man fast auf den trügerischen Gedanken hätte kommen können, auf der Terrasse zu essen. Dazu hätte ich allerdings die (übrigens ansehnlichen) eingemotteten Pelzmäntel von Boden holen müssen. Vielleicht das nächste Mal.



So it's already dark now by 5 clock in the afternoon, the begonias and dahlias seem to be really frozen. And it is true in this country 2/3 of the year it’s winter, whether in the rest no summer, may decide someone other. I want this terrible climate change, now please!

As perhaps noticed my mother had her birthday recently. I mention this only because a part of the event was a huge fat chicken from a local farmer, which had to serve for a soup, inter alia, and today (as a kind of "leftover"- dish) for a fricassee. I even recommended it to her since for many years it was her favorite dish for Christmas Eve, she promptly remembered a lot of details at the table (if anyone wants to know more, just ask, it is a kind of stew with flour, butter, vinegar , sugar and whatever else).

So did I, & I added two steaks (beef) for myself (this strange program doesn’t know the word and suggested "kids steaks" as an improvement, sick!); fried (and a bit braised in the oven), one is left, but just because I’m still not that hungry. So everyone had his pleasure, somehow. Oh and cauliflower with brown butter. Outside, the sun appeared so nice; one could almost fail on the deceptive thought to eat outdoors on the terrace. We could, but I had to get from the attic some (by the way impressive to look at) mothballed fur coats before then. Maybe next time.


Suum cuique pulchrum est




„...zu Teutsch / jeglicher Hahn vermeynt / er lege die bäste Eyer“ übersetzt der "Dafnis" des Herrn Holz besagten berühmt/berüchtigten Ausspruch (im Deutschen auch bekannt als „Jedem das Seine“).

Arno Holz hat mit seinem „Dafnis“ eine der liebenswürdigsten literarischen Erfindungen geschaffen, die ich kenne, das Bild eines Barock-Dichters, der nach einer tollen Jugend als ehrbarer, nahezu geläuterter lutherischer Geistlicher endet. Er (Holz) hatte sich aus einer Laune heraus (?) in die Sache so ernsthaft hineinbegeben, daß er am Ende so manchen Dichter dieses lange vergessenen Säculums beschämen mußte. Am herrlichsten sind die Erklärungen, von denen wir ein wenig aus der „Vorrede“ beginnen wollen.


„Es ist ein tieffer Sinn / daß die Gracien nakkend gehn. Hoffe demnach gäntzlich / man wird meine wohl-gemeynte Metaphores nicht for grohbe Realia nähmen und in meinem schlächten Buche nichts fünden / waß GOTTES Wort oder der Augspurgischen Confession zurwihder lieffe. Die mir von Natur ankläbenten Fehler habe ich nie zu verbergen gedrachtet / aber ich bün kein dorckelnder Silen und halten den Parnass nicht for einen Sau-Koben.

Sollten jedoch wihder Verhoffende die Pharisäische Mükken-Fänger und Sadduceische Caameel-Verschlukker / dihse Ornamenta Germaniae / die nicht mehr Hirn in ihrem Kopff haben alß eine Märtens-Gantz / auß einem vihlleicht zu nachdrükklichen Bey-Wort die Occasion suchen / mich mit ihren verleumbdischen und stachlichten Ottern-Zungen auß dem majestätischen Musen-Saal unter die Sakk-Pfeiffer und Orgel-Dreher zu drängen / so dörfften dihse Licht scheuente Anonymi dihse höchst gelährte Kaninichen sich füglig fürsehn for ihr auff geworffenes Wurst-Maul; sintemahlen es eine besondere Force meines Naturells ist / daß ich die göldene Heer-Trompete nicht minder zu blahsen verstähe / wie die buchserne Flöhte.

Die Guhtwilligen aber / denen ich mit Verschweigung ihrer Vorzüge nichts an ihrer Würde entzogen haben will / wollen bedäncken / daß die Versche / die ich hihr alß Errores juventutis mich nicht scheue ihrem Judicio zu unterbreiten / blohß meine schlächten sind.

Die guhten habe ich for mir
selbst behalten.
Adieu!“


Man kann den ganzen Text glücklicherweise hier finden, somit auch die vollständige „Nohtwendige Erklärung der tuncklen Oerter / for die mehr Einfältigen / denen Gelährten schon bekant. Gleichsahm alß guhtwillige Zugabe.“ Auszüge folgen dennoch hiermit:

Abisag / jene jüdische Dirne auß Sunem / so dem Davidi / nachdäme er alt und spakk war / im fehdrigten Qwartir fein lustig beym Psalmodiren halff.

Adon / ein überauß schöner Printz auff Cypern. Ein Buhler und Auffwarter der Venus. Sie war so verlihbt in ihn / daß sie sich des offtern heymlig zu ihm ins Bette geschlichen; wordrüber Mars so ergrimmte / daß er sich in ein Wilt-Schwein verstellte und ihme bey der Jagd den Leib auffriß. Daß er ein Zwitter gewesen / der alß Mann die Venerem und alß Frau den Apollinem vergnügt habe / halte ich for eine lihderliche Erfündung.

Aeschylus / ein griechischer Scribent / der for die Schau-Bühne geschrihben. Er war der erste / der sich unterfing / betrunckene Leute auff sie zu stellen. Er hat nur tichten können / nachdem er sich vorhero ein Fundamentum gesoffen.


Helena / das allervollkommentlichste Frauen-Zimmer / so je die Welt gesehn. Sie ist auß dem Ey der Leda gekrochen / das ihr der Jupiter alß Schwan gemacht. Wordrauß erhellt / daß der Trojanische Krieg schon auß dihsem Vorfall seinen Uhrsprung genommen. Wenn die Chronologisten nachgerechnet haben / sie sey bey ihrer Entführung durch den Paridem bereits eine alte Schachtel von 60 oder gar 80 Jahren gewesen / so erweist daß nur / daß die Leute voritzo lenger in ihrem vigeur geblihben / alß hernachmahls; worbey sich ettliche auch auff das exemplum der Sahra bezihn. Astynianassa / ihr Cammer-Mägdgen / hat ein Buch von den unterschihdlichen Ahrten deß Bey-Schlafs verfärtigt. Leider ist dihse Charteque verlohren gegangen.

Heraclit / ein auff-geblahsner griechischer Vihl-Wisser. Er soll ein zihmlicher Sauer-Topff gewesen sein. Der stäts fröliche Epicur ist mir lihber! [Uns nicht, nur eben angemerkt]


Jupiter / der Heyden Ober-Gott. Er war so unflähtig / daß es kein Laster gibt / darmitte er sich nicht besudelt hätte. Daß er sich nicht scheute / seinem eignen Vatter / dem Saturnio / mit einer demantnen Sichel das Patrimonium ab zuschneiden / wordrauß dan / als es ins Meer fiel / sich die Venus erhub / war von seinen Schand-Dhaten noch die gelindeste. Ümb seinen Passionen ein Gnüge zu dhun / wandelte er sich nicht blohß / wie bey seiner Juno / alß sie noch Jungffer war / in einen Gukguk / sondern er überlistete seine Kebsen auch noch alß Ockse / alß Schwan / alß göldner Regen / alß Nebul / alß Plizz / alß Wolcke / alß Odler / alß Wachtel / alß Worm und alß Omeise; ohngerechnet der Alcmenen / der er zu ihrem Herculi in Gestalt ihres eigenen Mannes des Amphitryonis verholff. Die von ihm getichtete übrige obscöna übergehe mit Stillschweigen.

Mahom / ein arabischer Betrieger und Cameel-Treiber. Daß die falsche Religion / die er erfunden / ihme vom Teuffel eingeblahsen / darüber sind sich die Christen einig. Daß der Engel Gabriel ihm die Zubereitung eines Gerichts gelährt haben soll / welches ihm die Stärcke von viertzig Mannspersonen in allen Verrichtungen der Venus gegäben habe / halte ich for die allerlächerlichste Fabul.

Pythagoras / ein griechischer Schul-Meister / der vihl Nachdenckliches ersonnen. Daß nach ihme ein Ey zur Herfürbringung der Welt gedihnt / halte ich aber for ein aller Wahrscheinlichkeit entblöhßtes Mährgen; mahssen solches gägen meinen Sensum physicum ginge / zu Teutsch natürlichen Verstand.


Offen gestanden fügt diese Glorification von Wein, Weib und Gesang sich häufig nicht zu unserem eigenen gustui, aber es ist immer unterhaltsam (das liegt zum ersten nicht am Weib, und zum anderen, nein, wir reden nicht von "De gustibus non est disputandum", dieser Satz bleibt in der Regel ohnehin unverstanden). Aber 2 Gedichte sollen doch folgen.


Er schüttelt sein Hertz auß

Qwodlibet
                         
Das Feld steht Kräutter-leer /
Frau Flora lacht nicht mehr /
der Wald hat allbereit
sein bundtes Stärbe-Kleid /
ein schönes Schau-Gerüst /
das bald Verwehsung küsst.
Wo blihb die Amstel hin /
das Singe-Vögelgin?
Der Fröschgen ihr Coax
beschehmbt nicht mehr Hannß Sachs.
Drümb sey es endlich hihr geklagt /
waß mir das Hertz benagt!

Unsre Gaben / süsses Kind /
flüchtig wie Narzissen sind /
und es fährt mit uns die Zeit
strakks in die Vergässenheit.
Einst so welckt mir dihse Haut
trukkner alß ein Sommer-Kraut /
einst so zwikkt mir dihß Gebein
Bodagra und Zipperlein.
Hengen laß ich dan mein Maul
wie ein alter Karren-Gaul /
stakkrich sezz ich Fuhß vor Fuhß
wie ein steiffer Tapp-ins-Muhß.
Nachts / wenn mich die Flöhe jükken /
krault mir keine mehr den Rükken /
dann for sowaß / lihbes Kind /
bün ich dan zu keusch gesinnt.
Amors Zokker-süsser Poltzen
ist mir dan durchauß zerschmoltzen /
und ich seufftz die gantze Zeit
in betrühbter Einsamkeit!

Alles blüht und muß vergehn /
dir wird Gleiches mahl geschehn!
Die weissen Kugeln / so sich itzt
do süß und anmuhtsvoll bewegen /
wird einst ein ungeheurer Plitz
in nichts wie Staub und Asche legen.
Dan wird dich niemand mehr betasten /
dan lihgt dein Leib im schwartzen Kasten /
dan triefft / dan stinckt nach Talg
dein runtzlig fauler Balg.
Dein Mund so süß benelckt
klafft jämmerlich verwelckt /
von Rohsen nicht die Spur /
zwo trukkne Schruntzeln nur /
zermürbelt und zerbrochen /
von Kröten überkrochen!

Laß die mit den weissen Bäffgen /
sie seynd Aeffgen!
Laß sie pappeln / laß sie plarren /
sie seynd Narren!
Ob Jüde / Heyde / oder Christ /
er wird zu Mist!
Morgen lengst ist alles auß /
Mäntsch / du bist nur eine Lauß /
morgen / oder gar schon heut /
dröhnt vom Thurm dein Grab-Geläut!
Eins nur ist uns dan gewiß:
schwartz-polihrte Fünsterniß!

Laß uns alles drümb vergessen /
Rohsen pflantzen ümb Zypressen /
die dein Auge / wenn es strahlt /
gleichsahm wie mit Goldt bemahlt!
Deinen weichen Alabaster
trukk ihn auff mich rächt alß Pflaster /
Mund an Mund und Brust an Brust /
in verschwihgner Götter-Lust /
biß mein Pärlen-Safft dich / Kind /
gantz durchrinnt!

Ob sie Jungffern oder Huren /
alle in die Grube fuhren /
nichts mehr war ihr Schön-Seyn nüzze
in der schwartzen Lethe-Pfüzze!
Selbst Helena mit göldnen Hahren
ist Stanck und Gifft seit dausend Jahren!
Drümb so künt es fast geschehn /
daß die Augen mir voll Wasser stehn!

Waß ist die Welt und ihr berühmbtes Gläntzen?
Ein Blizz bey Nacht.
Eh welcke Rohsen eure Scheitel kräntzen /
singt / drinckt und lacht!
Heut sind wir noch jung und roht /
morgen hat uns schon de Dodt /
morgen sind wir Asche!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Er verträut IHM!

Ode Trochaica
   
Seit ich IHM verträue /
lebe ich auffs Neue /
ob mein Leib gleich bricht.
Wann mein Hertz auch zittert /
daß es fast zersplittert –
Dodt / du schrekkst mich nicht!

Wirff nach mir die Hippe /
altes Mord-Gerippe:
inner kortzer Zeit
wekkt auß deinem Grauen
zu saffirnen Augen
mich die Ewigkeit!

Hihr so muß ich sizzen
nur auff Dornen-Spizzen /
Schorff däkkt mich und Grind;
Angst / Geseufftz und Jammer
füllt schon meine Kammer /
wenn das Früh-Roht spinnt!

Dort in mein Erwachen
Sarons Rohsen lachen /
herrlich reucht ihr Wehn!
Wie ümb Mandel-Ruhten
die Rubine bluhten /
sich die Sterne drehn!

Engel in mein Singen
nichts alß Palmen schwingen /
HERR / dan bün ich Dein!
Erst wenn meine Knochen
gantz und gar zerbrochen /
werd ich Sieger seyn!
gemeint für den 26., nachgetragen am 28. Oktober

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Familiäres


Die Festgesellschaft war heute deutlich geschrumpft, fast halbiert, das Ritual somit erkennbar gestört. Aber soweit ich es gelernt  habe, ist das nicht lebensuntypisch. Die Dinge bleiben nie, wie sie immer schon waren. Krankheiten werden häufiger, das Organisieren des Gewohnten wird schwieriger. Menschen verschwinden. Dafür war es immer noch recht nett. Meine Frau Mutter beging ihren 78. Geburtstag, und ich war bis eben völlig im Zweifel, ob ich diese Art Bilder hier anbringen sollte. Aber wie auch immer, nun tue ich es doch, unter Hinterlassung der kleinen Rätselfrage, wer wohl die in Frage stehende Hauptperson auf den Aufnahmen wäre.






Dienstag, 23. Oktober 2012

Dies & Das


Diese netten Herbstbilder sind heute (gestern) nebenher entstanden und ich will sie mit komplett nicht dazugehörigen Anmerkungen verbinden. Ich weiß, die Navigation auf diesem Blog ist furchtbar und wenn ich herausbekommen will, ob ich zu bestimmten Dingen tatsächlich etwas veröffentlicht habe, google ich mich inzwischen selbst. Soweit so schlecht. Vergangenen Sonnabend wurde ich auf jüngste Sachen angesprochen, zu denen ich kurz folgende Hinweise nachtragen will.


Mein 2. Anlauf, etwas über den Maler Arnold Böcklin zu schreiben, liegt nicht lange zurück (hier der Link), aber nach meiner widerstrebenden Würdigung des schwierigen Ludwig Richters mußte ich schon wieder suchen, um darauf zu stoßen, daß ich doch noch über „Kitsch“ im allgemeinen schreiben wollte, hm (den Beitrag zu Richter gibt es hier).


Ich hatte mit einer neuen kleinen Serie begonnen und habe dafür nun einen „Hilfs-Kasten“ gebastelt. Auf der rechten Seite unterhalb der Übersetzungshilfe findet sich unter dem Namen - ÜBER DAS MEER - DICHTUNG & - eine kleine Liste mit „meinen“ bisherigen Beiträgen, man muß also nur auf die entsprechenden Links gehen und findet derzeit etwas zum „Ulysses“ von Alfred Lord Tennyson, Theodor Storms „Meeresstrand“, Verschiedenes vom Hamburger Senator Brockes und das beliebte (obwohl hintersinnige) Stück von Lewis Carroll „Das Walroß und der Zimmermann“. Ich sollte die Reihe wirklich fortsetzen.


Aus gewissen Gründen war auch noch ein kleiner Vortrag „Über das Meer bei den alten Juden“ entstanden, der eben davon handelt, das Verhältnis des Alten Testaments insbesondere zu demselben. Der zerfällt in zwei Teile und steht zuoberst.



Sonntag, 21. Oktober 2012

Sonntag &

poorly translated

Der gestrige Sonntag ist nachzutragen, man hört die Begeisterung mit den Hufen trappeln. Aber da sich mancher an diese Berichte gewöhnt hat... Mein Enthusiasmus sowohl für das Kochen, mehr aber noch für's Essen hält sich derzeit unverändert in Grenzen, also mußte etwas Einfaches her. Dieses hört auf den Namen Gulasch mit Pilzen. Ein Stück Schweinerückenbraten und Rindfleisch wurden kleingeschnitten und mit Zwiebeln in ein wenig(!) ausgelassenem Speck angebraten, sowie dann weitergeschmort  (mit zwei Lorbeerblättern, ansonsten nur Pfeffer und Salz). Später wurden dann in einer extra Pfanne Champignons (ungesalzen) mit Zwiebeln in Butterschmalz geschmort und eine halbe Stunde vor Schluß dem Fleisch zugeführt, hinein kam etwas Rotwein, Sahne. Also dafür, daß sich der Aufwand in Grenzen hielt, war es nicht übel, ein perfektes Gericht für faule Köche diesmal.



Yesterday's Sunday dinner report was still missed (until now), you can feel my excitement in these words I guess. But because some people have become accustomed to my little reports ... My enthusiasm both for cooking, but even more for eating is still limited at the moment a lot. So we needed something simple here. This goes by the name “goulash” with mushrooms (kind of, a real goulash needs at least some paprika). A piece of pork loin roast and beef chopped and sautéed with onions in a little (!) fried bacon, and then braised (with two bay leaves and only pepper and salt). Later, in a separate pan then mushrooms (unsalted), stewed with onions in butter and half an hour before the finish supplied to the meat, a little red wine and some cream was added. In light of the fact that the effort was limited, it was not that bad, a perfect dish for lazy cooks this time.

nachgetragen am 22. Oktober

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Dienstag, 16. Oktober 2012

Arnold Böcklin

Selbstporträt mit fiedelndem Tod, 1872

„Seine Art ist im letzten Grunde deutsch... Er steht diesseits der Kulturgrenze, die vom Jura bis zur Nordsee reicht. Sein Ideal ist im letzten Grunde nicht die regelnde Ordnung und das Ebenmaß, sondern das sprühende Leben, die Wucht des Ausdrucks und die Macht der Stimmung.“ (Heinrich Alfred Schmid, 1922)

Diese hehren Worte gelten dem Maler Arnold Böcklin (er wurde am 16. Oktober 1827 in Basel geboren), seine Hochschätzung mag seitdem leicht abgesunken sein. Und die Neigung, dem Ur-Wesen des Deutschen nachzuforschen, sowieso. Und wird diese Beschreibung ihm wirklich gerecht? Als ich mir meinen früheren Beitrag zu ihm ansah, war ich ob dessen Banalität, gelinde gesagt, entgeistert, also machen wir einen neuen Anlauf, daß deshalb das Ergebnis ansprechender ausfallen wird... Aber ich habe mir diesmal einen Trick einfallen lassen und werde über weite Passagen aus "ARNOLD BÖCKLIN" von Heinrich Alfred Schmid, München 1922, zitieren. Das erspart mir die Peinlichkeit der Paraphrase und nein, nicht das eigene Urteil, aber wenn schon jemand weit bessere Worte für etwas fand, dem ich zustimme, dann soll es heute so sein.

In besagtem Beitrag zitiere ich seine Invektiven gegen Makart, er hat wirklich beeindruckende gegen fast jeden Vertreter seiner Zunft geliefert, Beispiele: Menzel - „vorstellungslos im künstlerischen Sinne“, von Werner - „der empfindungsloseste Unteroffizier; Papilloten, Kalligraphie, Pfauentum.“ Selbst dieses: „Kinder sind diese Florentiner, ärmliche hohle Gesellen sind diese Botticelli etc.“ Velazquez und vor allem Rembrandt mochte er gar nicht, doch geschätzt hat er van Eyck, Rogier van der Weyden, Matthias Grünewald, Rubens (!). Die Mutmaßung, er habe einfach einen kleinen, urteilsfreudigen Charakter gehabt, geht erkennbar ins Leere.

Er leistete sich, selbst wenn es entschieden zu seinem Nachteil ausschlug, eher ein deutliches Urteil über das, was ihm entsprach und was nicht (übrigens, nachdem er es zumeist gründlich studiert hatte). Das erschwerte ihm, aus einem nicht eben weltzugewandten Basel des 19. Jahrhunderts kommend, auch im Praktischen viel. Dieser schroffe Eigensinn machte ihn im direkten Umgang wohl mitunter schwierig (wenngleich er nicht ungesellig war), seinem Werk kam er zugute. Er hat sich seine eigene Kunst sehr verbissen und ernst erkämpft, keine schlechte Voraussetzung, daß dabei etwas über die Zeit Hinausweisendes entstehen mag.

Es ist hier nicht der Ort, seinen Entwicklungsgang nachzuzeichnen (abgesehen davon, daß ich dazu kaum geeignet sein dürfte, man findet dies aber ebenfalls sehr schön hier). Wie weit seine Möglichkeiten schließlich reichten, können diese beiden nachfolgenden Bilder andeuten. Das erste eine römische Landschaft, entstanden nach seiner Rückkehr nach Basel 1857. Da ich auf das Buch oben schon verwiesen habe, scheue ich mich nun auch nicht, wie angedroht schamlos daraus zu zitieren (S.18 ff.):

„Das Rom der fünfziger Jahre sah dem zu Goethes, vielleicht sogar dem zu Poussins Zeit noch viel ähnlicher als dem heutigen. Thermen, Tempel, Amphitheater, Brücken waren malerisch mit üppiger Vegetation überwuchert und das Forum sah noch nicht aus wie eine sauber gefegte Brandstätte; eine Allee lief hoch über den jetzt bloßgelegten Resten des alten Straßenpflasters vom Forum nach dem Titusbogen. In Gegenden, wo heute Fabriken, Werkstätten und Zinskasernen oder unzugängliche Sperrforts stehen, hat Böcklin die herrlichsten Motive gefunden.“

„Was Böcklin zunächst an der italienischen Landschaft begeistert hatte, war nicht nur der üppige Reichtum der Vegetation, sondern vielleicht viel mehr noch die Klarheit aller Formen. Die Linien der heimatlichen Berge hatten wohl einen großen Zug, aber die Profile sind doch immer mit dem Flaum der Wälder, Obstgärten, Kornfelder und Wiesen überzogen. Baum zerfließt da in Baum. In der Campagna waren noch weite Flächen unkultiviert. Herrliche Baumgruppen standen auf kahlem Erdreich, antike Ruinen, Felsen und Abhänge, ja jede Falte des Bodens schon, alles hob sich durch scharfe Schatten klar und plastisch gezeichnet, auf weite Strecken sichtbar, scharf und bestimmt von glatten Flächen ab. Und Böcklin war Plastiker, nicht nur Kolorist. Schon früh zeichnen sich seine Studien und Gemälde... aus durch die übersichtliche Klarheit des Gesamteindrucks und, was eng damit zusammenhängt, durch den größeren Wurf...

Allmählich hatte sich aber auch das Interesse am Spiel des Lichts, am Helldunkel, stärker geltend gemacht. Er liebte es damals sehr, wenn die Wolken ihre Schatten über die Landschaft warfen und gegen den Hintergrund zu helle und dunkle Partien wechselten. Er beobachtete das Flimmern des Lichts in schwüler Mittagsglut, das Spiel der Sonnenflecken im Schatten der Haine und gab die Farbe eingetaucht und schwimmend in der dunstigen Atmosphäre. Er rühmte auch später in einem Gespräche mit Schick die vielen blauen Schattentöne der römischen Landschaft.“

Campagna-Landschaft, nach 1857

Man mag diese Bemerkungen, soweit man will, dem ersten Bild zuordnen. Böcklin ist hier aber nicht stehengeblieben (manche mögen das bedauern), das nächste wäre dann der späte, „klassische“ Böcklin. Noch ein Zitat aus o.g. Buch (S.40f.):

„Er kommt wie etwa die Meister der attischen Grabreliefs zu dem Grundsatze, einen künstlerischen Gedanken auf wenige Elemente zu reduzieren, diese Elemente, seien es nun menschliche Gestalten, Felsen oder Bäume, so zu vereinfachen, daß sich die Silhouetten in wenigen ausdrucksvollen Linien vom Hintergrunde abheben, dafür aber das wenige um so liebevoller durchzuführen und um so sorgfältiger gegeneinander abzuwägen.“

„Wenige Figuren, wenige im einzelnen fein differenzierte Farbentöne, Farbenkontraste, wenige scharf ausgesprochene, oft horizontale und vertikale, Linien beherrschen allmählich die Bildfläche allein und geben schon für den ersten Anblick die Gesamtwirkung. Die Farbe wird im schroffsten Gegensatz zur Kunst jener Tage, wo das 'graue Freilicht' in Deutschland aufkam, vereinfacht. Während der Impressionismus starken Kontrasten nicht hold ist und die Tendenz hat, die Zwischenstufen ins Unendliche zu bereichern, bevorzugt Böcklin die stärksten Gegensätze von Hell und Dunkel, von leuchtenden, fast ungebrochenen Farben. Die Zwischenstufen werden eher weniger zahlreich. Die Intervalle werden größer. Dagegen pflegt er dann wieder die einzelnen Töne, die das Bild bestimmen, sei es das Dunkel einer fast schwarzen Felswand oder wieder das lichte Blau einer Luft oder das Gelb einer hellen Mauer, durch feinste Nuancierungen zu vergeistigen und lebendig zu machen."

Dies steigert Ausdruck und Stimmung und "erweckt" den Raum. "Die Gestalten, die durch ihre Silhouetten eine so deutliche Sprache reden, die feierlichen Akkorde der Farben, die den Beschauer ergreifen und gefangennehmen, dienen zugleich dazu, den Raum zurückzuschieben, wenn auch Böcklins Farbenperspektiven jetzt ebensowenig wie seine Tritonen und Najaden der Natur entsprechen. Was früher nebeneinander ausgebreitet war, ist jetzt hintereinander geschoben. Von den zerfallenen Mauern seiner 'Ruinen am Meer' sieht man jetzt gegen die Tiefe zu auf die herankommenden Wogen herab, während das Auge bei den Villen am Meer noch von links an den Zeugnissen verwelkender Pracht vorbei nach rechts zum Meereshorizont hinübergeführt wird. Die Komposition wird dramatisch, wie die Stimmung tragischer wird.“

„Es steigert sich zugleich die Ausdrucksfähigkeit der Farbe, was in den achtziger Jahren besonders aufgefallen ist, es steigert sich die Ausdrucksfähigkeit von Linie und Form und es steigert sich die Tiefenwirkung. Böcklin erzielt die Steigerung zunächst durch die Vereinfachung... Wo er eine „Geschichte“ darstellen will, ringt er... danach, das Psychologische auf den ersten Blick deutlich zu machen. Hat er früher noch zu raten gegeben, vielleicht absichtlich mit jenen Vorstellungen gerechnet, die der Beschauer weiterspinnt, so beschränkt er sich jetzt bewußt auf das, was sichtbar vorgestellt, in einem großdekorativ angelegten Gemälde enthalten sein kann. Die Erzählung wird aber nicht nur mit dramatischer Deutlichkeit vorgeführt. Böcklin liebt es, sie auf wenige Figuren zu reduzieren. Das klassische Beispiel ist die Gestalt des „Abenteurers“, die am einsamen Strande wie ein Reiterstandbild in die blaue Luft ragt und vom kühnsten Wagemut erzählt.“

Der Abenteurer, 1882

Wie gesagt, wir sind beim späten Böcklin, in seiner Münchner Phase, und das mehrfach erwähnte Buch muß noch einmal zitiert werden, mit dieser aufschlußreichen Bemerkung (S.35):

„Dieser Höhepunkt seiner Tätigkeit in München bedeutete auch eine Wandlung. Die entschlossene Abkehr von der impressionistischen Darstellung der Welt und die Steigerung des Ausdrucks in Farbe und Form. Jetzt kommt er zur Überzeugung, 'daß aus der Kontrastierung der möglichst ungebrochenen, durch die Luft ungedämpften Farben Wirkungen erwachsen, die man mit allen Künsten der Luftmalerei nicht erzielt. Und zwar Wirkungen auf die menschliche Seele'.“

Sommertag, 1881

Bemerkenswert ist dieses letzte Zitat deshalb, weil es anzeigt, daß Böcklin sich am Ende in eine Frontstellung begibt zum gerade modisch werdenden Impressionismus.  Das hat ihm einiges an Widerspruch eingebracht, dazu sein, sagen wir Vitalismus, oder anders gesagt, seine Werke waren wohl zu wenig philiströs. Wir wollen am Ende noch etwas dazu sagen.

Ruine am Meer, 1881

Übrigens verbrachte er, nach einem langen Züricher Intermezzo 1885 - 1892, seine letzten Jahre wieder in Italien, in und bei Florenz, bis zu seinem Tod 1901. Mit dem Umzug in die eigene Villa fand im April 1895 nach eigenen Worten sein Vagabundenleben ein Ende und er „endlich eine Heimat“ für die verbleibenden wenigen Jahre, mit siebenundsechzig.

Idyll, 1866

Und um das heute vielfach gefledderte Buch ein letztes Mal zu zitieren:

„Die Vergeistigung des Materiellen und der Ausdruck in jedem Pinselstrich scheint seinen Höhepunkt erst in solchen Werken zu erreichen, die in der Komposition bereits die Folgen von Alter und Krankheit verraten... Der Meister war vielleicht der gebildetste Maler seines Jahrhunderts, aber das Aussehen seiner Bilder hat trotz all seiner rechnerischen Überlegungen etwas momentan Eingegebenes und trotz der Bestimmtheit seiner Ausdrucksweise etwas Visionäres, Traumhaftes, fast Dilettantisches.

Böcklin wurde und wird denn auch noch heute von vielen zünftigen und fast allen akademischen Vertretern seines Berufes abgelehnt und er hat sein Publikum zuerst bei Dichtern, Musikern und solchen bildenden Künstlern gefunden, die Eindrücke von seinen Werken empfangen haben, bevor sie selber alle Weihen ihrer Zunft erhalten hatten. Der Abstand vom Üblichen war einst zu groß und ist es noch heute.“ S.51f.

 Kentaur in der Dorfschmiede, 1888

Und um doch eine eigene Schlußbemerkung zustande zu bringen zu versuchen: Böcklin ist recht eigentümlich. Er beginnt bei der Anschauung, er begeistert sich für das Sichtbare, aber er wird nicht zum schalen Naturalisten. Er sieht in dem, was vor Augen liegt, das Ideale und Zeichenhafte, aber es erstirbt nicht unter seinem Pinsel, er ist fern von jedem blutleeren Symbolismus. Und er macht das Lebendige sichtbar, seine Satyrn, Tritonen und Najaden sind keine antike Staffage, sondern man scheint sie atmen (und was alles sonst noch) zu spüren, obwohl sie doch Abkömmlinge menschlicher Phantasie sind, also macht er zugleich das Ideale lebendig. Wenn das der Inbegriff deutscher Kunst ist, sei es so.

Faun einer Amsel zupfeifend, 1864/65

Man könnte etwas sagen über Einflüsse und Abgrenzungen (etwa Schirmer aus der Nazarener-Bewegung, Lehrer Böcklins an der Düsseldorfer Akademie, die englischen Präraffeliten...). Vor allem wäre es interessant zu untersuchen, wie er im Vergleich zu ihnen es schafft, den oben genannten Gefährdungen aus dem Weg zu gehen. Aber dieses ist alles schon viel zu lang geworden. Weniger als ein Maler erscheint er fast, sondern als ein Imaginator, Natur-Kenner und Seelen-Leser, der Jahrhunderte an sich spürt, ein Weltweiser, der nun eben auch gemalt hat.

Die Kapelle, 1898

nachgetragen am 19. Oktober