Sonntag, 28. Oktober 2012

Suum cuique pulchrum est




„...zu Teutsch / jeglicher Hahn vermeynt / er lege die bäste Eyer“ übersetzt der "Dafnis" des Herrn Holz besagten berühmt/berüchtigten Ausspruch (im Deutschen auch bekannt als „Jedem das Seine“).

Arno Holz hat mit seinem „Dafnis“ eine der liebenswürdigsten literarischen Erfindungen geschaffen, die ich kenne, das Bild eines Barock-Dichters, der nach einer tollen Jugend als ehrbarer, nahezu geläuterter lutherischer Geistlicher endet. Er (Holz) hatte sich aus einer Laune heraus (?) in die Sache so ernsthaft hineinbegeben, daß er am Ende so manchen Dichter dieses lange vergessenen Säculums beschämen mußte. Am herrlichsten sind die Erklärungen, von denen wir ein wenig aus der „Vorrede“ beginnen wollen.


„Es ist ein tieffer Sinn / daß die Gracien nakkend gehn. Hoffe demnach gäntzlich / man wird meine wohl-gemeynte Metaphores nicht for grohbe Realia nähmen und in meinem schlächten Buche nichts fünden / waß GOTTES Wort oder der Augspurgischen Confession zurwihder lieffe. Die mir von Natur ankläbenten Fehler habe ich nie zu verbergen gedrachtet / aber ich bün kein dorckelnder Silen und halten den Parnass nicht for einen Sau-Koben.

Sollten jedoch wihder Verhoffende die Pharisäische Mükken-Fänger und Sadduceische Caameel-Verschlukker / dihse Ornamenta Germaniae / die nicht mehr Hirn in ihrem Kopff haben alß eine Märtens-Gantz / auß einem vihlleicht zu nachdrükklichen Bey-Wort die Occasion suchen / mich mit ihren verleumbdischen und stachlichten Ottern-Zungen auß dem majestätischen Musen-Saal unter die Sakk-Pfeiffer und Orgel-Dreher zu drängen / so dörfften dihse Licht scheuente Anonymi dihse höchst gelährte Kaninichen sich füglig fürsehn for ihr auff geworffenes Wurst-Maul; sintemahlen es eine besondere Force meines Naturells ist / daß ich die göldene Heer-Trompete nicht minder zu blahsen verstähe / wie die buchserne Flöhte.

Die Guhtwilligen aber / denen ich mit Verschweigung ihrer Vorzüge nichts an ihrer Würde entzogen haben will / wollen bedäncken / daß die Versche / die ich hihr alß Errores juventutis mich nicht scheue ihrem Judicio zu unterbreiten / blohß meine schlächten sind.

Die guhten habe ich for mir
selbst behalten.
Adieu!“


Man kann den ganzen Text glücklicherweise hier finden, somit auch die vollständige „Nohtwendige Erklärung der tuncklen Oerter / for die mehr Einfältigen / denen Gelährten schon bekant. Gleichsahm alß guhtwillige Zugabe.“ Auszüge folgen dennoch hiermit:

Abisag / jene jüdische Dirne auß Sunem / so dem Davidi / nachdäme er alt und spakk war / im fehdrigten Qwartir fein lustig beym Psalmodiren halff.

Adon / ein überauß schöner Printz auff Cypern. Ein Buhler und Auffwarter der Venus. Sie war so verlihbt in ihn / daß sie sich des offtern heymlig zu ihm ins Bette geschlichen; wordrüber Mars so ergrimmte / daß er sich in ein Wilt-Schwein verstellte und ihme bey der Jagd den Leib auffriß. Daß er ein Zwitter gewesen / der alß Mann die Venerem und alß Frau den Apollinem vergnügt habe / halte ich for eine lihderliche Erfündung.

Aeschylus / ein griechischer Scribent / der for die Schau-Bühne geschrihben. Er war der erste / der sich unterfing / betrunckene Leute auff sie zu stellen. Er hat nur tichten können / nachdem er sich vorhero ein Fundamentum gesoffen.


Helena / das allervollkommentlichste Frauen-Zimmer / so je die Welt gesehn. Sie ist auß dem Ey der Leda gekrochen / das ihr der Jupiter alß Schwan gemacht. Wordrauß erhellt / daß der Trojanische Krieg schon auß dihsem Vorfall seinen Uhrsprung genommen. Wenn die Chronologisten nachgerechnet haben / sie sey bey ihrer Entführung durch den Paridem bereits eine alte Schachtel von 60 oder gar 80 Jahren gewesen / so erweist daß nur / daß die Leute voritzo lenger in ihrem vigeur geblihben / alß hernachmahls; worbey sich ettliche auch auff das exemplum der Sahra bezihn. Astynianassa / ihr Cammer-Mägdgen / hat ein Buch von den unterschihdlichen Ahrten deß Bey-Schlafs verfärtigt. Leider ist dihse Charteque verlohren gegangen.

Heraclit / ein auff-geblahsner griechischer Vihl-Wisser. Er soll ein zihmlicher Sauer-Topff gewesen sein. Der stäts fröliche Epicur ist mir lihber! [Uns nicht, nur eben angemerkt]


Jupiter / der Heyden Ober-Gott. Er war so unflähtig / daß es kein Laster gibt / darmitte er sich nicht besudelt hätte. Daß er sich nicht scheute / seinem eignen Vatter / dem Saturnio / mit einer demantnen Sichel das Patrimonium ab zuschneiden / wordrauß dan / als es ins Meer fiel / sich die Venus erhub / war von seinen Schand-Dhaten noch die gelindeste. Ümb seinen Passionen ein Gnüge zu dhun / wandelte er sich nicht blohß / wie bey seiner Juno / alß sie noch Jungffer war / in einen Gukguk / sondern er überlistete seine Kebsen auch noch alß Ockse / alß Schwan / alß göldner Regen / alß Nebul / alß Plizz / alß Wolcke / alß Odler / alß Wachtel / alß Worm und alß Omeise; ohngerechnet der Alcmenen / der er zu ihrem Herculi in Gestalt ihres eigenen Mannes des Amphitryonis verholff. Die von ihm getichtete übrige obscöna übergehe mit Stillschweigen.

Mahom / ein arabischer Betrieger und Cameel-Treiber. Daß die falsche Religion / die er erfunden / ihme vom Teuffel eingeblahsen / darüber sind sich die Christen einig. Daß der Engel Gabriel ihm die Zubereitung eines Gerichts gelährt haben soll / welches ihm die Stärcke von viertzig Mannspersonen in allen Verrichtungen der Venus gegäben habe / halte ich for die allerlächerlichste Fabul.

Pythagoras / ein griechischer Schul-Meister / der vihl Nachdenckliches ersonnen. Daß nach ihme ein Ey zur Herfürbringung der Welt gedihnt / halte ich aber for ein aller Wahrscheinlichkeit entblöhßtes Mährgen; mahssen solches gägen meinen Sensum physicum ginge / zu Teutsch natürlichen Verstand.


Offen gestanden fügt diese Glorification von Wein, Weib und Gesang sich häufig nicht zu unserem eigenen gustui, aber es ist immer unterhaltsam (das liegt zum ersten nicht am Weib, und zum anderen, nein, wir reden nicht von "De gustibus non est disputandum", dieser Satz bleibt in der Regel ohnehin unverstanden). Aber 2 Gedichte sollen doch folgen.


Er schüttelt sein Hertz auß

Qwodlibet
                         
Das Feld steht Kräutter-leer /
Frau Flora lacht nicht mehr /
der Wald hat allbereit
sein bundtes Stärbe-Kleid /
ein schönes Schau-Gerüst /
das bald Verwehsung küsst.
Wo blihb die Amstel hin /
das Singe-Vögelgin?
Der Fröschgen ihr Coax
beschehmbt nicht mehr Hannß Sachs.
Drümb sey es endlich hihr geklagt /
waß mir das Hertz benagt!

Unsre Gaben / süsses Kind /
flüchtig wie Narzissen sind /
und es fährt mit uns die Zeit
strakks in die Vergässenheit.
Einst so welckt mir dihse Haut
trukkner alß ein Sommer-Kraut /
einst so zwikkt mir dihß Gebein
Bodagra und Zipperlein.
Hengen laß ich dan mein Maul
wie ein alter Karren-Gaul /
stakkrich sezz ich Fuhß vor Fuhß
wie ein steiffer Tapp-ins-Muhß.
Nachts / wenn mich die Flöhe jükken /
krault mir keine mehr den Rükken /
dann for sowaß / lihbes Kind /
bün ich dan zu keusch gesinnt.
Amors Zokker-süsser Poltzen
ist mir dan durchauß zerschmoltzen /
und ich seufftz die gantze Zeit
in betrühbter Einsamkeit!

Alles blüht und muß vergehn /
dir wird Gleiches mahl geschehn!
Die weissen Kugeln / so sich itzt
do süß und anmuhtsvoll bewegen /
wird einst ein ungeheurer Plitz
in nichts wie Staub und Asche legen.
Dan wird dich niemand mehr betasten /
dan lihgt dein Leib im schwartzen Kasten /
dan triefft / dan stinckt nach Talg
dein runtzlig fauler Balg.
Dein Mund so süß benelckt
klafft jämmerlich verwelckt /
von Rohsen nicht die Spur /
zwo trukkne Schruntzeln nur /
zermürbelt und zerbrochen /
von Kröten überkrochen!

Laß die mit den weissen Bäffgen /
sie seynd Aeffgen!
Laß sie pappeln / laß sie plarren /
sie seynd Narren!
Ob Jüde / Heyde / oder Christ /
er wird zu Mist!
Morgen lengst ist alles auß /
Mäntsch / du bist nur eine Lauß /
morgen / oder gar schon heut /
dröhnt vom Thurm dein Grab-Geläut!
Eins nur ist uns dan gewiß:
schwartz-polihrte Fünsterniß!

Laß uns alles drümb vergessen /
Rohsen pflantzen ümb Zypressen /
die dein Auge / wenn es strahlt /
gleichsahm wie mit Goldt bemahlt!
Deinen weichen Alabaster
trukk ihn auff mich rächt alß Pflaster /
Mund an Mund und Brust an Brust /
in verschwihgner Götter-Lust /
biß mein Pärlen-Safft dich / Kind /
gantz durchrinnt!

Ob sie Jungffern oder Huren /
alle in die Grube fuhren /
nichts mehr war ihr Schön-Seyn nüzze
in der schwartzen Lethe-Pfüzze!
Selbst Helena mit göldnen Hahren
ist Stanck und Gifft seit dausend Jahren!
Drümb so künt es fast geschehn /
daß die Augen mir voll Wasser stehn!

Waß ist die Welt und ihr berühmbtes Gläntzen?
Ein Blizz bey Nacht.
Eh welcke Rohsen eure Scheitel kräntzen /
singt / drinckt und lacht!
Heut sind wir noch jung und roht /
morgen hat uns schon de Dodt /
morgen sind wir Asche!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Er verträut IHM!

Ode Trochaica
   
Seit ich IHM verträue /
lebe ich auffs Neue /
ob mein Leib gleich bricht.
Wann mein Hertz auch zittert /
daß es fast zersplittert –
Dodt / du schrekkst mich nicht!

Wirff nach mir die Hippe /
altes Mord-Gerippe:
inner kortzer Zeit
wekkt auß deinem Grauen
zu saffirnen Augen
mich die Ewigkeit!

Hihr so muß ich sizzen
nur auff Dornen-Spizzen /
Schorff däkkt mich und Grind;
Angst / Geseufftz und Jammer
füllt schon meine Kammer /
wenn das Früh-Roht spinnt!

Dort in mein Erwachen
Sarons Rohsen lachen /
herrlich reucht ihr Wehn!
Wie ümb Mandel-Ruhten
die Rubine bluhten /
sich die Sterne drehn!

Engel in mein Singen
nichts alß Palmen schwingen /
HERR / dan bün ich Dein!
Erst wenn meine Knochen
gantz und gar zerbrochen /
werd ich Sieger seyn!
gemeint für den 26., nachgetragen am 28. Oktober

Keine Kommentare: