Dienstag, 21. Januar 2014

Von und über Matthias Claudius


Von Matthias Claudius

Ein Lied
hinterm Ofen zu singen

Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht süß noch sauer.

War je ein Mann gesund, ist er’s;
Er krankt und kränkelt nimmer,
Weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeurs,
Und schläft im kalten Zimmer.

Er zieht sein Hemd im Freien an,
Und läßt’s vorher nicht wärmen;
Und spottet über Fluß im Zahn
Und Kolik in Gedärmen.

Aus Blumen und aus Vogelsang
Weiß er sich nichts zu machen,
Haßt warmen Drang und warmen Klang
Und alle warme Sachen.

Doch wenn die Füchse bellen sehr,
Wenn’s Holz im Ofen knittert,
Und um den Ofen Knecht und Herr
Die Hände reibt und zittert;

Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht,
Und Teich’ und Seen krachen;
Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
Denn will er sich todt lachen. –

Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
Beym Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
Im lieben Schweizerlande.

Da ist er denn bald dort bald hier,
Gut Regiment zu führen.
Und wenn er durchzieht, stehen wir
Und sehn ihn an und frieren.

[Anmerkung: „Vapeurs“ – Blähungen, üble Laune. „Zahnfluß“ - rheumatische bzw. entzündliche Erkrankung im Rachenraum.]


So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!

[Anm.: Schluß von: „Abendlied“ oder „Der Mond ist aufgegangen...“, siehe auch hier]


Ex tempore

In dichtverwachsnem Laub verborgen,
Sang eine Nachtigall einst einen Frühlingsmorgen;
Bald tönten Lieder überall,
Sie sangen ihm aus vollem Halse Lieder,
Und Tal und Hügel hallten wider; –
Da schwieg die Nachtigall.


Ein Versuch in Versen

Die Römer, die vor vielen hundert Jahren,
    Das erste Volk der Erde waren,
Doch wenigstens sich dünkten, es zu sein;
    Die großen Schreiber ihrer Taten
Und Dichter auch, und große Redner hatten,
    Und Weise, groß und klein;
Die stolz auf ihrer Helden Scharen
Auf ihre Regulos und ihre Scipione waren,
    Und Ursach' hatten, es zu sein;
Die fingen endlich an und aßen Ochsenbraten,
    Frisierten sich, und tranken fleißig Wein –
Da war's geschehn um ihre Heldentaten,
    Um ihrer Dichter edlen Reih'n,
    Um ihre Redner, ihre Schreiber;
Da wurden's große dicke Leiber,
    Und Memoirs- und Zeitungsschreiber,
    Und ihre Seelen wurden klein;
Da kamen Oper und Kastraten,
    Und Ehebruch und Advokaten,
    Und nistelten sich ein.
O, die verdammten Ochsenbraten!
O, der verdammte Wein!


Vergleichung

Voltaire und Shakespeare: der eine
Ist, was der andre scheint,
Meister Arouet sagt: ich weine;
Und Shakespeare weint.


Aus dem Englischen

Es legte Adam sich im Paradiese schlafen;
Da ward aus ihm das Weib geschaffen.
Du armer Vater Adam, du!
Dein erster Schlaf war deine letzte Ruh.


Ein gülden ABC       
  
A
Armut des Geistes Gott erfreut;
Armut und nicht Armseligkeit.

G
Geduldig sein - Herr, lehr' es mich,
Ich bitte Dich, ich bitte Dich.

I
In Dir ein edler Sklave ist,
Dem Du die Freiheit schuldig bist.

T
Treib Tugend jeden Augenblick;
Wer nicht voran geht, geht zurück.

U
Und wenn sie alle Dich verschrein,
So wickle in Dich selbst dich ein.


Ein silbern ABC

Aus Nichts wird Nichts, das merke wohl,
Wenn aus dir etwas werden soll. 

Cränz’ einen Welterob’rer nicht,
Schlepp’ lieber ihn zum Hochgericht.

Greif nicht leicht in ein Wespennest;
doch wenn du greifst, so stehe fest.

Nichts ist so elend als ein Mann,
der alles will, und der nichts kann. 

Wer Pech angreift, besudelt sich;
Vor Kritikastern hüte dich. 

Xerxes verließ sich auf sein Heer;
Allein das Heer auf ihn nicht sehr. 

[Anm: Vollständig zu finden hier und hier]


Klage

(Aus dem Jahr 1793)

Sie dünkten sich die Herren aller Herrn,
Zertraten alle Ordnung, Sitt und Weise,
Und gingen übermütig neue Gleise
Von aller wahren Weisheit fern,
Und trieben ohne Glück und Stern

Im Dunkeln hin, nach ihres Herzens Gelüste,
Und machten elend nah und fern.
Sie mordeten den König, ihren Herrn,
Sie morden sich einander, morden gern,
Und tanzen um das Blutgerüste.

Der Chor

Erbarm dich ihrer!
Sie wollten ohne Gott sein, ohn ihn leben
In ihrem tollen Sinn;
Und sind nun auch dahingegeben,
Zu leben ohne ihn.
Der Keim des Lichtes und der Liebe,
Den Gott in unsre Brust gelegt,

Der seines Wesens Stempel trägt,
Und sich in allen Menschen regt,
Und der, wenn man ihn hegt und pflegt,
Zu unserm Glücke freier schlägt,
Als ob er aus dem Grabe sich erhübe –
Der Keim des Lichtes und der Liebe
Der ist in ihnen stumm und tot;
Sie haben alles Große, alles Gute Spott.
Sie beten Unsinn an, und tun dem Teufel Ehre,
Und stellen Greuel auf Altäre.

Der Chor

Erbarm dich ihrer!

[Anm: Ludwig XVI. August von Frankreich, König von Frankreich und Navarra wurde am 21. Januar 1793 in Paris getötet (merkwürdigerweise verstarb am gleichen Tage im Jahre 1815 auch Claudius)]

Matthias Claudius (* 15. August 1740; † 21. Januar 1815)

„Die Löwin, die ihre Jungen verteidigt, pflegt wohl nicht mit dem Schwanz zu wedeln.“

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„Mich dünkt, der bloße Eindruck in einer heiteren Nacht lehrt's einen auch schon, daß die mit so unbeschreiblicher Freundlichkeit leuchtenden Sterne nicht kalte müßige Zuschauer sind, sondern Angehörige der Erde und Freunde vom Hause.“

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„Du reibst Dir auch die Stirne, Andres, über den Unfug mit der Bibel, und daß die Menschen »sich so bald abwenden lassen auf ein ander Evangelium, so doch kein andres ist, ohne daß etliche sind, die uns verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren«...
Aber es hält nichts hinter dem Berge, es hält alles vor dem Berge und vor Augen; und ist, worauf ihrer, so viele und von allen Parteien, ausgehen mehr oder weniger, nichts anders als ihre Vernunft in der Religion den Meister spielen zu lassen, und alles was sie nicht begreifen und darin allein die Religion und der Glaube besteht, herauszutun, um in den Zeiten der Vernunft auch ihres Orts nicht müßig zu sein, und ihre Ehre in Sicherheit zu bringen.
Und da nehmen sie nun alles zu Hülfe..., um den offenbaren Verstand und die klaren Worte der Heiligen Schrift unmündig und aus Weiß Schwarz zu machen. Und andere, die noch wohl lieber beim Weißen blieben, laufen mit, weil sie den Wert ihrer Sache nicht kennen, und es ihnen an Kraft und Mut fehlt, den Verdacht der alten Einfalt und des Zurückebleibens auf sich zu laden...
Aber, Andres, Du bist der Meinung, es sei immer solcher Unfug gewesen; man solle schweigen und zusehen, bis auch dieser Schwindel wie der Revolutionsschwindel vorübergehe und sie aus Schaden klug werden.
Der Meinung bin ich aber nicht. Es ist wohl immer solcher Unfug gewesen, aber er ist doch mit mehr Zurückhaltung getrieben worden und so nahe ist er uns noch nicht gekommen..., in einer Sache, die alle Menschen so nahe angeht, kann man nicht zu früh und zu viel widersprechen; ich denke in einer solchen Sache darf kein ehrlicher Mann schweigen und die Pluralität scheuen, er muß unverhohlen seine Meinung sagen, und vorliebnehmen was darauf folgt...
Die Menschen sind doch einmal unwissend und blind über das Unsichtbare, sie kennen doch ihren unsterblichen Geist nicht und wissen ihm keinen Rat; Gott weiß einen, und promulgiert eine Arzenei, die sich bei Tausenden bewährt hat und sich bei allen bewährt, die sie nach Vorschrift gebrauchen – und da kommen sie und wollen Gott meistern und seine Arzenei nach ihrem Dispensatorio einrichten und ändern! ... Kann es einen größern Unsinn geben? Und können sie es für die verantworten, die durch sie verführt werden, die Arzenei Gottes ungebraucht zu lassen, und ihren Quacksalbereien nachzulaufen?...
Wenn das Christentum weiter nichts wäre, als ein klares allen einleuchtendes Gemächte der Vernunft; so wäre es ja keine Religion und kein Glaube; und warum wäre denn gesagt, daß die Welt den Geist des Christentums nicht sehe und nicht kenne, und wie hätte seine Einführung unter den Menschen so viel Widerspruch und Blut kosten können? –
Und das, wozu tausend Jahre Zeit nötig gewesen sind um es allgemein in Europa einzuführen...,  wofür unsre Väter und Vorfahren so viel gelitten und Leib und Leben gewagt und hingegeben haben, und was wir alle, ein jeder von uns, heiligzuhalten und zu bewahren mit Mund und Hand gelobt und versprochen haben, was unsre Seelen selig machen kann – das sollten wir uns ohne Schwertschlag, unter dem Schein der Aufklärung und einer bessern Einsicht, unvermerkt und unter der Hand, nehmen und aus den Händen winden lassen ... das sei ferne! das wolle Gott nicht! das werden unsre Könige und Fürsten nicht wollen; das wird keiner wollen, der sich und die Seinen liebhat.
Was aber auch werden mag, Andres, Dir und mir soll es niemand nehmen, weder Schwachheit noch Klugheit, weder Süß noch Sauer. Wir wollen es, nach Moses Rat, »in unsre Seelen fassen, und zum Zeichen auf unsre Hand binden, daß es ein Denkmal vor unsern Augen sei; wir wollen es unsre Kinder lehren, und davon reden, wenn wir im Hause sitzen oder auf dem Wege gehen, wenn wir uns niederlegen und wenn wir aufstehen.«

Dabei bleibt's. Andres. Leb wohl.“

aus „Über die neue Theologie, an Andres“ (hier zum Volltext)

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„Der Mensch ist für eine freie Existenz gemacht, und sein innerstes Wesen sehnet sich nach dem Vollkommnen, Ewigen und Unendlichen, als seinem Ursprung und Ziel. Er ist hier aber an das Unvollkommne gebunden, an Zeit und Ort; und wird dadurch gehindert und gehalten, und von dem väterlichen Boden getrennt.

Und darum hat er hier keine Ruhe, wendet und mühet sich hin und her, sinnet und sorgt, und ist in beständiger Bewegung zu suchen und zu haben, was ihm fehlt und ihm in dunkler Ahndung vorschwebt.
Da er sich aber nicht anders, als in und mit seinem Hindernis, bewegen kann; so ist sein Mühen umsonst und vergebens, was er auch tue und welchen Fleiß er auch anwende. Er kann, rundum in seinem Zirkel, Entdeckungen machen, viel und mancherlei finden, Schönes und Nützliches, Scharfsinniges und Tiefsinniges; aber zu dem Vollkommnen kann er, sich selbst gelassen, nicht kommen; denn er bringt, wie gesagt, gerade was ihm im Wege ist und hindert in alles mit, was er beginnet und tut, und kann nicht über sich selbst hinaus.

Soll er zu seinem Ziel kommen; so muß für ihn ein Weg einer andern Art sein, wo das Alte vergeht und alles neu wird, wo das Hindernis, das ihm im Wege ist und hindert und das er selbst nicht abtun kann, durch eine fremde Hand abgetan; und er, nicht sowohl belehrt, als verwandelt und über sich und diese Welt gehoben und so der vollkommnen Natur teilhaftig wird.

Und diesen Weg, der das Geheimnis des Christentums ist, lästern und verbessern die Menschen, und wollen lieber auf ihrem Bauch kriechen und Staub essen...
Wenn nun gleich hier mit »Weisheit« und »Kunst« nichts ausgerichtet ist, und die Gabe Gottes nicht um Geld und um keine zeitliche Gesinnung verkauft wird, und der Mensch nichts nehmen kann, es werde ihm denn vom Himmel gegeben; so kann er sich doch, durch eine gewisse fortgesetzte Behandlung und Richtung Seiner-Selbst, empfänglicher machen, und der fremden Hand den Weg bereiten.

Von diesem Wegbereiten und Empfänglichmachen etc. handelt der Erzbischof Fénelon ... und teilt darin, nicht als ein Klügling und Urteiler des Weges und als Menschen zu gefallen, sondern als einer, der die Sache versucht hat und dem an seiner und anderer Menschen Seligkeit gelegen ist, seine Erfahrungen und seinen Rat einfältig und unbefangen mit...

Und vielleicht werden selbst von den Nicht-Christen und Un-Christen, einige durch die Milde und den Ernst dieses liebenswürdigen Schriftstellers veranlaßt, ihren Weg noch einmal in Überlegung zu nehmen, sosehr sie auch glauben, desselben gewiß zu sein....“

„Vorrede zu der Übersetzung von Fénelons Werken religiosen Inhalts“ (hier der vollständige Text)

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„Wir sind nicht umsonst in diese Welt gesetzt; wir sollen hier reif für eine andre werden, und man kann unsern Körper als ein Gradierhaus ansehen, wo das wilde Wasser von dem guten geschieden werden soll. Es ist nur Einer der dazu helfen kann, und dem sei Ehre in Ewigkeit.
Gehabt Euch wohl.“

Schluß von "Valet an meine Leser" (hier zum vollständigen Text)


Über Matthias Claudius

„Jena, den 23. October 1796
„Humboldt hofft in acht Tagen hier seyn zu können. Ich freue mich darauf, wieder eine Weile mit ihm zu leben. Stolbergen, schreibt er, habe er in Eutin nicht gefunden, weil er gerade in Kopenhagen gewesen sey, und von Claudius wisse er durchaus nichts zu sagen, er sey eine völlige Null.“
Schiller an Goethe

„Albano, den 5. Oktober 1787
Mit den Genannten [gemeint sind Claudius und Lavater, (eigene Anm.)] war unser Verhältnis nur ein gutmütiger Waffenstillstand von beiden Seiten, ich habe das wohl gewußt, nur was werden kann, kann werden. Es wird immer weitere Entfernung und endlich, wenn's recht gut geht, leise, lose Trennung werden. Der eine ist ein Narr, der voller Einfaltsprätensionen steckt. »Meine Mutter hat Gänse« singt sich mit bequemerer Naivetät als ein: »Allein Gott in der Höh' sei Ehr.« Er ist einmal auch ein -: »Sie lassen sich das Heu und Stroh, das Heu und Stroh nicht irren« etc. etc. Bleibt von diesem Volke! der erste Undank ist besser als der letzte. Der andere denkt, er komme aus einem fremden Lande zu den Seinigen, und er kommt zu Menschen, die sich selbst suchen, ohne es gestehn zu wollen. Er wird sich fremd finden und vielleicht nicht wissen warum... Hole oder erhalte ihn der Teufel, der ein Freund der Lügen, Dämonologie, Ahnungen, Sehnsuchten etc. ist von Anfang!“
Johann Wolfgang von Goethe (aus: „Italienische Reise“)

„Weit entfernt von dieser Unruhe [bei Jung-Stilling (eigene Anm.], von diesem Schwanken zwischen Angst und maßlosem Vertrauen, ist Matthias Claudius, der wackere Wandsbecker Bote, der zwischen Diesseits und Jenseits unermüdlich auf und ab geht und von allem, was er dort erfahren, mit schlichten und treuen Worten fröhliche Botschaft bringt. Er gehört allerdings zu den Pietisten jener Zeit, insofern auch bei ihm ein starkgläubiges Gefühl den Kampf gegen Unglauben und toten Buchstabenglauben aufgenommen, aber er ist durchaus heiter und erscheint unter ihnen wie einer, der gefunden hat, was jene so rastlos suchen. Wie der Abendglockenklang in einer stillen Sommerlandschaft, wenn die Ährenfelder sich leise vor dem Unsichtbaren neigen, weckt er überall ein wunderbares Heimweh, weiß aber mit seinen klaren Hindeutungen dieses Sehnen, wie schön oder vornehm es in Natur oder Kunst sich auch kundgeben mag, von dem Ersehnten gar wohl zu unterscheiden. Denn »der Mensch«, sagt er, »trägt in seiner Brust den Keim der Vollkommenheit und findet außer ihr keine Ruhe. Und darum jagt er ihren Bildern und Konterfeis in dem sichtbaren und unsichtbaren Spiegel so rastlos nach und hängt sich so freudig und begierig an sie, um durch sie zu genesen. Aber Bilder sind Bilder. Sie können, wenn sie getroffen sind, sehr angenehm täuschen und überraschen, aber nimmermehr befriedigen. Befriedigen kann nur das Wesen selbst, nur freies Licht und Leben – und das kann niemand geben, als der es hat.«“

Joseph von Eichendorff: 
„Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands“
 (Zitat aus dem Kapitel: „Die Poesie der modernen Religionsphilosophie“)

Teil 1 nachgetragen und beendet am 23. Januar
Teil 2 am selben Tage hier

2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Mir scheint, Matthias Claudius hat mich im Sinne gehabt, mich und meine Blasphemien!

Aber wie koennte ich mit einem Manne streiten, der

"Der Mond ist aufgegangen
.....
...und unsern kranken Nachbar auch."

geschrieben hat?

Vielleicht wollte er auch nur dem kranken Nachbar helfen?

MartininBroda hat gesagt…

Ach, ich bin gerade etwas Claudius-müde (nur vom vielen Lesen natürlich). Übrigens bin ich Ihnen noch eine Antwort zu Arnold Böcklin schuldig und zur Erbsünde u.a., ich weiß, wollte ich nur anmerken. Vielleicht kennen Sie das auch: Das meiste an Büchern schleppt man von Umzug zu Umzug mit und aus irgendeinem Anlaß liest man es dann doch. Hm.
Was ich denke, sicher sagen zu können, ist, er hat immer nur die Sünde getadelt und nicht die Sünder, gut, das ist eine schreckliche Floskel. In Wirklichkeit ist es noch etwas anspruchsvoller. Sehen Sie, sein Verhältnis zu Lessing z.B., der war ja theologisch gesehen weit skrupulöser als man weithin weiß, und im Nachruf auf ihn meint er, daß er bis zum Ende sein Freund geblieben sei, von seiner Seite.
Ich glaube inzwischen, Claudius war viel weltweiser und tiefer schauend und vor allem innerlich freier als etwa ein Goethe und hat all dieses unterhaltsame Reden mehr wie einen Schild vor seine Seele gestellt, und da er sich nie verstellen mußte (das ist die Paradoxie), war er auch fähig, etwa den „Mond“ zu schreiben, z.B., und dann hat er auch noch so geschrieben, weil ihm am Menschen generell wirklich gelegen war, er war denkbar uneitel, kauzig vielleicht, schneidend im Urteil, ja, versponnen mitunter, leider ja, aber alles in allem sehr beisammen.

Ihnen soweit alles Gute

Ihr M. Wisser