Sonntag, 14. Dezember 2014

Über Warten und Treue – zum 3. Advent


 Michelangelo Merisi da Caravaggio: Johannes d. Täufer

Ich versprach im vorigen Beitrag Nachträge, und hier erscheint sogleich der nächste. Herr Roloff hatte am letzten Adventssonntag über Matthäus 11, 2ff. zu predigen. Diese Bemerkung mag überraschen, aber es ist eine recht persönliche Predigt geworden, und darum will ich auch weiter nichts dazu ausführen. Auf die prägnante Benn - Vertonung, die später folgen wird, hatte er mich dabei ebenfalls aufmerksam gemacht; „Jännerwein“ sagte mir gar nichts, bis jetzt.


Konstantinopel, Hagia Sophia: Johannes d. Täufer

Predigt zum 3. Advent

Da aber Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte, sandte er seiner Jünger zwei
und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?
Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin und saget Johannes wieder, was ihr sehet und höret:
die Blinden sehen und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Tauben hören, die Toten stehen auf und den Armen wird das Evangelium gepredigt;
und selig ist, der sich nicht an mir ärgert.
Matth 11, 2-6







Konstantinopel, Hagia Sophia: 
Deësis - Mosaik  hier gefunden

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Amen

Liebe Gemeinde,

Treue ist der zentrale Begriff dieses dritten Adventssonntags. Wir haben im Psalm und in den Lesungen von dieser Treue reden hören. Das Evangelium, das der Predigt zu Grunde liegt, schildert uns eine zunächst bedrückende Situation. Der schon im Kerker liegende Täufer Johannes sendet Boten zum Herrn, die ihn fragen: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?“

Das Warten bestimmt diese Wochen des Advents, wie kein anderes Thema. Wir warten dein, o Gottes Sohn. Wie lässt sich dieses Warten beschreiben? Womit kann es verglichen werden? Es ist vielleicht nur der Blick auf die Kinder, die voller Sehnsucht auf das Öffnen des ersten Türchens warten, und dann mit immer größere Ungeduld auf jeden neuen Tag, der sie näher heranführt an den Heiligen Abend, durch den wir eine Vorstellung von der Dimension dieses Wartens bekommen. Meine Tochter Sophia sagte am Abend vor dem ersten Dezember, als ich sie gegen 17 Uhr nach Hause brachte: „Ich putze mir jetzt gleich die Zähne und gehe dann sofort schlafen.“ Ich entgegnete ihr, es wäre doch erst um fünf, da müsse sie doch noch nicht schlafen gehen. Und sie antwortet: „Doch, denn dann vergeht die Zeit schneller, bis ich das erste Türchen aufmachen kann.“

O das doch die Zeit vergeht! Diesen Wunsch können nur Kinder so unbefangen haben, weil es nur die Zeit zu sein scheint, die sie vom allergrößten Glück und von der Erfüllung wirklich aller Hoffnungen und Wünsche trennt. Nur die paar Tage müssen vergehen und dann erstrahlt ein Licht die Welt, dann leuchtet eine Freude auf, die nie wieder vergeht. Damit haben sie ahnungsvoll etwas ganz Wesentliches unseres menschlichen Lebens ergriffen.

Der Wendepunkt zwischen der Kindheit und dem Erwachsensein wird nun durch die Frage des Johannes markiert: Bist du es, oder müssen wir doch eines anderen warten?

Der Wendepunkt auch unseres Glaubenslebens liegt genau dort, wo die Zweifel auftauchen. Der kindliche Glauben kennt keine Zweifel. Wir aber beginnen zu fragen und fangen an zu zweifeln: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Johannes diese Frage für uns stellt. Er war der Täufer Jesu, er war Zeuge des göttlichen Bekenntnisses am Jordan: Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe. Als der Herr zu ihm gekommen war, da war sein Warten zu Ende, es war seine Bestimmung erreicht, es war sein Leben erfüllt.

Aber für uns stellt er die Frage, damit wir uns unserem Warten als gewachsen erweisen. Er stellt die Frage für uns, damit wir eine Antwort haben, wenn sich die Zweifel einstellen. Er stellt für uns diese Frage, damit auch wir treu bleiben können, so wie er, der Täufer, bis in den Tod treu geblieben ist.

Hier verbinden sich die beiden Begriffe dieses Sonntags und eines jeden menschlichen Lebens. Es verbindet sich das Warten mit der Treue. Das Warten ist nur zu ertragen und auszufüllen durch Treue zu dem, auf den man wartet.

Im Advent und in jeder anderen Lebensphase von Menschen, tritt immer dort die Wende oder sogar die Katastrophe ein, wenn wir zweifeln worauf wir warten, wenn wir treulos werden gegenüber unserer eigenen Erwartung. Treulosigkeit ist es immer, die die Katastrophe heraufführt, dass nämlich das Unterste nach oben gekehrt wird – nichts anderes bedeutet das Wort Katastrophe. Ist es nicht so, dass Menschen, die treulos geworden sind, plötzlich ganz verändert scheinen? Es ist etwas aus den Tiefen emporgehoben worden, das sie verändert.

Wenn ein Mensch aber heute dies und morgen wieder etwas anderes erwartet, seinen Blick einmal hierhin und dann wieder dorthin wendet, dann kommt er eben auch niemals an, bleibt immer unzufrieden, und das Böse setzt sich fest. Denn Treulosigkeit bedeutet immer Ziellosigkeit. Wenn man nicht weiß, wo man hinwill, dann kann man auch niemals ankommen. Meistens beginnt man dann, sich an wertlose Dinge zu klammern, weil man dem, was wert hatte, ja untreu geworden ist.


Ravenna, Baptisterium der Arianer, Taufe Christi

Die Frage schon des Johannes will uns ein Fundament für unsere Treue sein, damit wir beharrlich auf den warten, der uns verheißen ist.

So haben wir gebetet, dass Güte und Treue einander begegnen. Und der Apostel hat uns gelehrt, dass man nichts an den Haushaltern sucht, denn dass sie treu erfunden werden.

Nur durch unsere Treue können wir in dem uns aufgegebenen Warten bestehen. Das ist es auch, was wir von den Kindern lernen können, die in kindlicher Freude ganz auf ihr großes Ziel gerichtet sind.

Wir Erwachsenen kennen das auch noch, nur leider oft nur in den schweren Phasen unseres Lebens, wenn wir nichts so sehnlich hoffen, als das die bösen Tage vorübergehen mögen. Theodor Fontane hat dazu das genau passende Gedicht geschrieben, das unlängst wieder zu größerer Popularität gelangt ist:

Trost 

Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag.
Auch das Schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew'gen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens
Zählest du der Stunden Schlag,
Wechsel ist das Los des Lebens
Und - es kommt ein andrer Tag.

Es ist vielleicht eine andere Sicht auf die Welt, als Kinder sie haben. Aber es ist doch die gleiche nicht zu erschütternde Sehnsucht, mit der wir erwarten, dass die Zeit vergeht. Die Zeit trennt uns von dem, was wir von ganzem Herzen wünschen. Diese Sehnsucht ist ein ganz entscheidender Teil unseres Glaubens. Lasst diese Sehnsucht in euren Herzen brennen, sie wird euren Glauben beleben, sie wird ihm Kraft und Richtung geben, denn wir wissen, wen wir erwarten.

Die Antwort des Herrn an den Täufer richtet sich aber auch noch auf etwas anderes. Jesus sagt nicht einfach: Ja, ich bin´s. Er sagt: Berichtet dem Johannes, was ihr sehet und höret; Die Blinden sehen, und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, und die Tauben hören, die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.

Liebe Gemeinde,

unser Leben soll bei aller Sehnsucht eben nicht tatenloses Warten sein. Der Herr fordert auch uns auf, aufmerksam durch unsere Welt zu gehen und seine Wunder zu entdecken. Ein Gott, der nicht zu jeder Zeit in seinen Wundern erkannt werden kann, ist ein bloßer Götze. Weil Christus aber keine Götze ist, gibt er diese Antwort. Auch hier wird die in der Bibel oft und mit besonderer Klarheit durch Paulus formulierte Erwartung deutlich, dass Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit wird ersehen an seinen Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt.

Mit seiner Antwort verkündigt sich bereits der wieder zum Himmel gefahrene Herr. Jesus ist kein weiser Religionsstifter oder ein moralisch besonders vorbildlicher Mensch. Jesus ist Gott. Gott ist aus dem Menschen Maria selbst zum Menschen geboren. Der Schöpfer der Welt liegt in dem Schoß einer Frau. Auf ihn warten wir und sind gehalten, uns der Welt zuzuwenden, zu sehen und zu hören.

Wer an Christus glaubt, dem wird eben alles zum Wunder. Das ist die Antwort des Herrn. Seht und erkennt das Wunderbare dieser Welt. Seht und erkennt, was für einen wunderbaren Ursprung wir haben. Seht und erkennt, Gott wirkt und waltet in dieser Welt an jedem Tag, in jeder Stunde.


Jännerwein - Durch Jede Stunde

Gottfried Benn hat vielleicht genau diesen Gedanken in die Verse gekleidet:

Durch jede Stunde, durch jedes Wort
blutet die Wunde der Schöpfung fort,

verwandelnd Erde und tropft den Seim
ans Herz dem Werde und kehret heim.

Gab allem Flügel, was Gott erschuf,
den Skythen die Bügel dem Hunnen den Huf -,

nur nicht fragen, nur nicht verstehn;
den Himmel tragen, die weitergehn,

nur diese Stunde ihr Sagenlicht
und dann die Wunde, mehr gibt es nicht.

Die Äcker bleichen, der Hirte rief,
das ist das Zeichen: tränke dich tief,

den Blick in Bläue, ein Ferngesicht:
das ist die Treue, mehr gibt es nicht,

Treue den Reichen, die alles sind,
Treue dem Zeichen, wie schnell es rinnt,

ein Tausch, ein Reigen, ein Sagenlicht,
ein Rausch aus Schweigen, mehr gibt es nicht.

Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. Das ist vielleicht die Art Jesu um auszudrücken, dass die größte Gefahr unseres Lebens darin liegt, von ihm abzufallen, an ihm Ärgernis zu nehmen, ihm untreu zu werden. Wem die Welt zu einem Ort ohne Wunder wird, der ist schon vor der Zeit gestorben. Das ist die Treue, mehr gibt es nicht. Den Himmel tragen, die weitergehn.

Lasst uns die Wunder dieser Welt erkennen. Lasst uns vertrauen, dass alles Böse überwunden werden wird, lasst uns das große Wunder erwarten, dass uns in der Geburt unseres Gottes verheißen ist. Das ist die Treue, mehr gibt es nicht.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.

Amen

Thomas Roloff

nachgetragen am 16. Dezember

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