Sonntag, 29. April 2012

Sonntag &



Die heutigen Saiblinge fanden bereits Erwähnung, nun ja. Der Aufwand war nicht unerheblich. Ich hatte gestern Wacholderbeeren, Pfeffer, Senfkörner, Rosmarin, Zucker, Salz und  Walnußöl zu einer Marinade verarbeitet und heute die 3 toten Fische auf einem Gemüsebett im Backofen zubereitet (Mohrrüben, Zwiebeln und Sellerie, erst angeschmort und zum Schluß das Ganze mit Weißwein abgelöscht).


Das Gemüse war ausgezeichnet, der Fisch, um ehrlich zu sein, eher nicht so aufregend, aber genießbar.


Herr Roloff hätte mich heute gern in dem Gottesdienst zur Wiederindienststellung des Barockaltars in seiner Schönhauser Kirche gesehen, aber ich war zu träge. Es ist auch nicht eben um die Ecke, ich will mich ein wenig davon exculpieren, indem ich aus seiner Ansprache zitiere.

Detail des erwähnten Altars, Wappen der Familie Bismarck

„Das ist ein schöner Tag für unser altes Dorf. Etwas, das fast verloren war, ist wiedererstanden, etwas, das unterzugehen drohte, steht in seiner ursprünglichen Pracht vor uns. Als der Altar vor 300 Jahren geschaffen wurde, da machte er hier allen Menschen sichtbar, dass eine bedrückende Zeit ihr Ende gefunden und der Glaube sich als stark erwiesen hatte. Generationen haben sich vor ihm versammelt. Die Erneuerung, die das barocke Kunstwerk durch handwerkliche Meisterschaft nun erfahren hat, soll uns verdeutlichen, dass die Kirche ihre Stimme vernehmlich erhebt. Es ist ein Wegweiser wiederaufgerichtet worden, der uns auf unseren Gott hinlenken soll. Wir dürfen die Richtung, in die der Wegweiser uns lenkt, nicht ändern, nur weil wir hoffen, dann mehr Menschen zu erreichen, sondern wir sollen fest darauf vertrauen und verkünden, dass es der richtige Weg ist, und das es gut ist, wenn der Mensch ihn geht. Wir dürfen dem Zeitgeist nicht nachjagen, sondern sollen den Geist der Zeit prägen durch die uns anvertraute Wahrheit. Weil der Glaube der sich vor ihm versammelnden Gemeinde für alle Menschen von Bedeutung ist, nur darum hat es Sinn gemacht, den Altar zu erneuern.

Allen, die in unterschiedlichster Weise daran mitgewirkt haben, ist heute herzlich zu danken...

Und nun segne uns unser Herr diesen Gottesdienst.“


Dem schließen wir uns an. Um weniger ernsthaft zu enden: Ich überlege tatsächlich, eine Rubrik „meine lustigsten Verleser“ einzurichten, mein Verstand agiert manchmal wirklich sehr merkwürdig, heute hätten wir etwa:

„anläßlich meines Todestages“, es war natürlich „seines“. Aber Herr Morgenstern ist unterhaltsamer.

Christian Morgenstern

Die Trichter

Zwei Trichter wandeln durch die Nacht. 
Durch ihres Rumpfes verengten Schacht
fließt weißes Mondlicht
still und heiter
auf ihren
Waldweg
u. s. 
w.

Samstag, 28. April 2012

Sonnabend


Wo ich gerade diesen Fisch mariniere (ich mag eigentlich gar keinen Fisch), also, während ich diese 3 Saiblinge mariniere, reiße ich mich an einem toten Fischzahn und denke, oh das ist / war  ja auch einmal eine Kreatur, man vergißt das so leicht, seltsam. Der Rest ist erfreulicher.









Freitag, 27. April 2012

Etwas Barock


Wo ich gerade mit großem Vergnügen in einem Nachdruck über 300 Jahre alter Gedichte lese, wenigstens dies als kleine Probe (der Anfang eines Begräbnis-Gedichts auf einen Herzog von Curland, gest. 26. Juli 1686 vor Ofen):

Dies ist die Nichtigkeit der menschlichen Gedanken!
Wir nehmen in der Welt uns große Dinge vor;
Die Hoffnung reizet uns und schmeichelt unser Ohr;
Die Jugend stecket sich die weitsten Lebens-Schranken.
Die Hoheit der Geburt / das Glücke das uns blüht /
Ist selbsten nicht genug die Ehrfurcht zu vergnügen;
Sie sucht ein höher Ziel / und eh man sichs versieht /
Sieht man nebst unserm Wunsch / uns auf dem Rücken liegen...

Es ist ein langes Gedicht, also enden wir doch besser diesmal mit einem kurzen Gryphius:

Andreas Gryphius 

ES IST ALLES EITEL 

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein;
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!

ALL IS VANITY

Look over Earth, you’ll see but vanity at large.
What this man builds today, that man tears down tomorrow;
Where towns are standing now, one soon will see a meadow
On which a shepherd’s boy is playing with his charge.
What swells in gorgeous bloom, will soon be trampled under.
What vaunts and flouts right now, next sun is ash and bone;
Nothing may hope to last, no metal and no stone.
Now fortune smiles at us, in no time troubles thunder.
The fame of noble deeds must like a dream fall past.
So shall the toy of time, this flimsy man, stand fast?
Ah! what is everything, this all we deem sublime,
But dismal nothingness, but shadow, dust and pain;
A meadow flower one can never find again.
Yet not one man will give eternity his time!

Donnerstag, 26. April 2012


„Es steht dir ja frei, zu jeglicher Stunde dich in dich selbst zurückzuziehn, und nirgends finden wir eine so friedliche und ungestörte Zuflucht als in der eignen Seele, sobald wir nur etwas von dem in uns tragen, was wir nur anzuschauen brauchen, um uns in eine vollkommen ruhige und glückliche Stimmung versetzt zu sehn.“

So ermahnt uns Mark Aurel, der an einem 26. April im Jahre 121 geboren wurde. Wir gestehen, daß wir da noch erheblich an uns arbeiten müssen. Hier habe ich ihn kürzlich etwas ausführlicher zu Wort kommen lassen, wer es noch einmal nachlesen mag.

Mittwoch, 25. April 2012

Über den Hl. Markus &


St. Markus, Kairo

In einem schwachen Moment habe ich mir kürzlich „300“ angesehen, ein imposanter Film von überraschender Optik, lose angelehnt an die Schlacht bei den Thermopylen 480 v. Chr. und überwiegend gestaltet von (höflich gesagt) ¾ nackten Bodybuildern in entfernt historischen Kostümen, sehr bewegend, wenn man von gewisser Gemütsart ist. Warum ich nicht unbedingt ein Freund Spartas bin, habe ich einmal zu erklären versucht, aber darum geht es mir gar nicht.

Es war die Rede des Leonidas gegen Ende, die mir förmlich die Schuhe von den Füßen fallen ließ, eine flammende Verteidigung von Freiheit und Demokratie. Nein, das ist jetzt kein Scherz. Die Schlacht bei den Thermopylen ist etwas, dem ein Mensch von Gewissen seinen Respekt nicht verweigern wird, aber was immer den König der Spartaner angetrieben haben mag, dürfte grotesk  grob mißverstanden worden sein, aber so sehen halt Amerikaner die Welt.

Nicht nur sie; es gibt diese Schlicht-Ersatzreligion namens „Demokratie“, die alles Böse verscheucht und alle Dinge heilt, die dort ausgesprochen wird (ich rede hier von dem Konstrukt, für die Sache selbst bräuchte man unpassend länger). Und dann kommt einem Präsident Carter in den Sinn, der freudig glaubte, mit dem Sturz des Schah würde in Persien nun die Demokratie ausbrechen (mit bekannten Folgen), oder einer seiner Nachfolger, der meinte, nach der amerikanischen Intervention im Irak käme es zu dergleichen (man schaue einmal, wie viele Christen es gegenwärtig dort noch gibt).

Ich glaube nicht an ausschließlich böswillige Motive bei den meisten Menschen, am verheerendsten wirkt oft eher die gute Absicht. Jeder will schließlich irgendwie vor sich bestehen können, und daher bin ich überzeugt, sowohl Carter als auch Bush jun. waren auf zwar extrem unterschiedliche, aber vergleichbar verhängnisvolle Weise amerikanische Moralisten, nicht nur, aber auch. Und weniges wirkt so zerstörerisch, wie wenn man die Wirklichkeit an einer unterkomplexen Weltsicht ausrichten will.

Warum diese Bemerkungen. Nun, eigentlich paßt das nicht ganz an diesen Ort, aber Herr Roloff bemüht sich an seinem Heimatort um die Renovierung des dortigen Altars, heute ging es um den Hl. Markus. Denn heute ist der Tag dieses Heiligen und er macht in seiner Ansprache eine Bemerkung zur Situation der angefochtenen koptischen Kirche, deren Lage nach der dort ausgebrochenen „Demokratie“ deutlich gefährdeter ist. Und die koptische Kirche kämpft seit 642 n. Chr. ums Überleben, sie hat also eine gewisse Übung darin. Der vielfach bejubelte „arabische Frühling“ erweist sich dahingehend offenbar als ernste Herausforderung. Zunächst wollte ich einfach nur seine Ansprache bringen, aber dann kamen mir halt diese Gedanken über das todbringende Risiko schlichten Denkens. Und jetzt Herr Roloff.

Ansprache zum Markustag 2012


Der Friede des Auferstandenen sei alle Zeit mit euch!

Liebe Gemeinde,

es ist zunächst nur eine Figur aus Holz, zugegebenermaßen eine sehr schöne, die nun vollkommen restauriert in unsere Kirche zurückgekehrt ist. Es ist etwas heil geworden, was zuvor zerstört war und verloren zu gehen drohte. Es ist heil geworden, weil diese Gemeinde und viele andere Menschen sich der Figur und des ganzen Altars angenommen haben. Sie sind dadurch noch einmal in besonderer Weise zu einer Gemeinschaft geworden. Diese Figur wird uns und die nach uns kommen eben immer auch daran erinnern. Sie hat nicht nur eine neue Fassung bekommen, sondern auch diese Erinnerung wurde ihr aufgelegt.

Diese Figur stellt den Evangelisten Markus dar, und so werden wir auch an seine Lebensgeschichte erinnert. Er ist in dem Hause aufgewachsen, in dem der Herr mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Durch seine Mutter hat er zum Glauben gefunden und sich besonders Petrus angeschlossen. In einem seiner Briefe nennt dieser ihn sogar seinen Sohn. Vom Zerwürfnis mit dem anderen Apostelfürsten haben wir in der Lesung gehört. Es ist gut, dass die Apostelgeschichte uns so freimütig vom Streit in der Gemeinde berichtet, denn unser kirchliches Leben ist manchmal zu sehr von scheinheiliger Eintracht bestimmt und scheut zu sehr den reinigenden Streit. Ein ehrlicher Streit kann etwas sehr gutes sein. Auch Paulus und Markus versöhnen sich am Ende schließlich wieder, und es geht sogar auf die Anregung des Paulus zurück, dass Markus um das Jahr 60 herum beginnt, sein Evangelium zu schreiben, das das älteste Evangelium der Kirche ist. Es betont in besonders schöner und klarer Form den Charakter des Lebens Jesu als Leidensgeschichte. Auch daran werden wir nun wieder stetig erinnert.

Endlich gelangte Markus nach Alexandrien und wurde Bischof dieser gewaltigen Metropole der alten Welt, deren Leuchtturm zu den Weltwundern zählte, und dessen erstaunliche Bibliothek ebenfalls noch vorhanden war. So wurde er Begründer der koptischen Kirche, und die Päpste dieser Kirche sehen sich bis heute als seine Nachfolger. Auch daran erinnert uns nun diese Figur, und wir finden in ihr eine Beziehung zu dieser uralten, ehrwürdigen und so geplagten Kirche im Lande der Pyramiden, deren Existenz nun auf dem Spiel steht. In sehr großer Naivität haben sich weite Teile des Westens für den Umbruch in Ägypten begeistert. Wir aber wollen beten, dass diese Kirche erhalten bleiben möge, und in ihr Glaubenskraft und Mut wachsen mögen.

Die kleine Gemeinschaft, die sich an diesem Abend hier versammelt hat und die hoffentlich sehr viel größere, die sich am Sonntag hier versammeln wird, steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der gesamten Ökumene, mit dem ganzen Erdkreis. Daran erinnern uns die Evangelistenfiguren unseres Altars, die unseren Blicken so lange entzogen waren.

Ich bitte Euch nun, lasst Euch erinnern. Wenn Ihr hier sitzt und schaut, dann werdet gewahr, in welcher wunderbaren Gemeinschaft wir leben und sein dürfen. Das ist die Gemeinschaft die auch durch den Tod ganz unberührt bleibt. Ich sage das vor allem im Hinblick darauf, dass Menschen am 21. September des vergangenen Jahres mit uns den Gang durch die Evangelistenfeste begonnen hatten und nun nicht mehr zugegen sind. Sie bleiben dennoch in dieser Gemeinschaft, denn es ist die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, die dem auferstandenen Herrn vertraut, auf dessen Wiederkunft sie hier geduldig wartet.

Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen
Thomas Roloff


Nachtrag

Herr Roloff war der Meinung, ich solle doch noch einen Link zur Kirchgemeinde setzen, da dort so schön für den Festgottesdienst zur Wiedereinweihung des Altars geworben würde, was hiermit geschehen ist.

sic transit...




… gloria mundi. Nun ja „Herrlichkeit“ und „Welt“ ist doch ein wenig dick aufgetragen.

Ich habe die letzten Zeugen unserer Weihnachtsdekoration dem Feuer übergeben, *seufz, es ist eben doch so erkennbar sinnlos, sich am Vergänglichen festzuhalten. Herr von Hofmannswaldau hat das besser ausgedrückt:

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Die Welt

Was ist die Welt und ihr berühmtes Glänzen? 
Was ist die Welt und ihre ganze Pracht?
Ein schnöder Schein in kurzgefaßten Grenzen, 
Ein schneller Blitz bei schwarzgewölkter Nacht, 
Ein buntes Feld, da Kummerdisteln grünen, 
Ein schön Spital, so voller Krankheit steckt, 
Ein Sklavenhaus, da alle Menschen dienen, 
Ein faules Grab, so Alabaster deckt.
Das ist der Grund, darauf wir Menschen bauen 
Und was das Fleisch für einen Abgott hält. 
Komm, Seele, komm und lerne weiter schauen, 
Als sich erstreckt der Zirkel dieser Welt.
Streich ab von dir derselben kurzes Prangen, 
Halt ihre Lust vor eine schwere Last: 
So wirst du leicht in diesen Port gelangen, 
Da Ewigkeit und Schönheit sich umfaßt.





Dienstag, 24. April 2012

Am See



Rainer Maria Rilke

Waldteich, weicher, in sich eingekehrter

Waldteich, weicher, in sich eingekehrter -,
draußen ringt das ganze Meer und braust,
aufgeregte Fernen drücken Schwerter
jedem Sturmstoß in die Faust -,
während du aus dunkler unversehrter
Tiefe     Spiele der Libellen schaust.

Was dort jenseits eingebeugter Bäume
Überstürzung ist und Drang und Schwung,
spiegelt sich in deine Innenräume
als verhaltene Verdüsterung;
ungebogen steht um dich der Wald
voll von steigendem Verschweigen.
Oben nur, im Wipfel-Ausblick, zeigen
Wolken sagenhafte Kampfgestalt.

Dann: im teilnahmslosen Zimmer sein,
einer sein, der beides weiß.
O der Kerze kleiner Kreis,
und die Menschennacht bricht ein
und vielleicht ein Schmerz im Körper innen.
Soll ich mich des Sturmmeeres jetzt entsinnen
oder Bild des Teichs in mir behüten
oder, weil mir beide gleich entrinnen,
Blüten denken -, jenes Garten Blüten -?
Ach wer kennt, was in ihm überwiegt.
Mildheit, Schrecken? Blicke, Stimmen, Bücher?
Und das alles nur wie stille Tücher
Schultern einer Kindheit angeschmiegt,
welche schläft in dieses Lebens Wirrn.
Dass mich eines ganz ergreifen möge.
Schauernd berg ich meine Stirn,
denn ich weiß: die Liebe überwöge.

Wo ist einer, der sie kann?
Wenn ich innig mich zusammenfaßte
vor die unvereinlichsten Kontraste:
weiter kam ich nicht: ich schaute an;
blieb das Angeschaute sich entziehend,
schaut ich unbedingter, schaute knieend,
bis ich es in mich gewann.

Fand es in mir Liebe vor?
Tröstung für das aufgegebne Freie,
wenn es sich aus seiner Weltenreihe
wie mit unterdrücktem Schreie
in den ungekannten Geist verlor?

Hab ich das Errungene gekränkt,
nichts bedenkend, als wie ich mirs finge,
und die großgewohnten Dinge
im gedrängten Herzen eingeschränkt?
Fasst ich sie wie dieses Zimmer mich,
dieses fremde Zimmer mich und meine
Seele fasst?
            O hab ich keine Haine
in der Brust? kein Wehen? keine
Stille, atemleicht und frühlinglich?

Bilder, Zeichen, dringend aufgelesen,
hat es euch, in mir zu sein, gereut? -
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oh, ich habe zu der Welt kein Wesen,
wenn sich nicht da draußen die Erscheinung,
wie in leichter vorgefasster Meinung,
weither heiter in mich freut.

Soweit Rilke, ich hatte nur nach harmlosen See-Gedichten gesucht zunächst, aber dann wurde dieser "Waldteich" und die sagenhafte Gestalt der Wolken immer stärker in meiner Erinnerung. Der nahegelegene See ist sicher kein Teich, aber es wäre vielleicht anzumerken, daß Rilke tatsächlich von einem Teich bei Heiligendamm, also nahe der Ostsee angerührt wurde, als er dies schrieb.

Montag, 23. April 2012

Sonntag &

poorly translated

Ich kann mich nicht erinnern, wann innere Bedenken zum letzten Mal einen meiner gleichförmigen Sonntagsbeiträge verzögert hätten. Aber beginnen wir mit der Natur, die war recht ungnädig im letzten, zurückliegenden Februar, was dazu führte, daß auch hier die Rosen ziemlich hinüber sind. Sie sprießen hier und da, zögerlich (aber wir wissen, das kann auch bedeuten, daß einfach wilde Triebe die Bemühungen der Züchter einmal mehr überlisten), man kann das an diesen Frühlings-Blumen-Tulpen etc. Bildern ein wenig ablesen.





Zum Essen, meine Frau Mutter wollte einmal mehr Ente, ich nicht so sehr, aber ich war müde und resignierte, dafür durfte sie sie auch zubereiten. Es fehlte die übliche Füllung. Sie hatte zu meiner (erfreuten) Überraschung die Idee, eine unbehandelte Zitrone und eine geschälte Orange als Füllung einzusetzen. Klingt nett. Aber als ich dann die Veranstaltung zu ihrem Ende brachte, mußte ich feststellen, daß der Bratenfond nach eher nichts schmeckte, also kam noch Zitronensaft frisch hinzu, etc. etc. Meine Frau Mutter war dennoch zufrieden, obwohl sie recht empört auf die Ankündigung reagierte, wir würden bei 13°C draußen essen. Die Ente sah also zuerst so aus, und dann war sie auch schon verschwunden...




Gut, sie hat sie nicht allein gegessen. Und ja, man darf auch über Mütter Scherze machen. Wenn man weiß, warum. Aber dazu bedürfte es jetzt mehr als einer Erklärung.



I can’t remember when doubts were the reason for a delayed Sunday dinner post (they are just too plain). But we want to start with nature. Nature was very ungracious in the last past February, which means that even here the roses are quite gone, at least it appears so. They are sprouting here and there, hesitantly (but we know this can also mean that simply the wild sprouts overcome, extinguishing the efforts of generations of growers again), simply look at the spring flowers tulip pictures etc. a bit.

About dinner, my mother wanted once again duck, not me that much, but I was tired and said, be it so, but you have to cook then. The usual filling was missed. She had to my (delighted) surprise the idea of an all-natural lemon and a peeled orange to use as a filling. It sounded nice. But when I brought the event to an end, I had to realise that the gravy tasted rather like nothing, so there was to add fresh lemon juice, etc. etc. My mother was pleased from the result, although she reacted very angrily to the announcement, we would eat at 13 ° C outside. The duck looked at first this way, and then it has gone already...

Well, she has not eaten it alone. And yes, you can make jokes about mothers. If one knows why. But explaining it would take more than a short statement.


nachgetragen am 23. April

Sonntag, 22. April 2012

Misericordias Domini


Herr Roloff hat heute diese Predigt gehalten, die ich doch noch zur späten Sonntagserbauung nachtragen will. Der übliche Sonntagsessens-Bericht folgt etwas später.


Predigt Misericordias Domini

1Petr 5, 1-4

Der Friede des Auferstandenen sei mit euch!

Liebe Gemeinde,

in unserem Pfarrhaus hat zur Bismarckzeit wohl ein Bild des Reichsgründers gehangen. Als der alte Fürst als Patron der Kirche nun einmal den Pfarrer besuchte, da fiel ihm das im Geschmack der Zeit gehaltene Portrait auf, und  er fragte ein wenig befremde: „Was, das soll ich sein?“ Er blickte sich im Amtszimmer um und gewahrte eine Darstellung des sinkenden Petrus und bekannte daraufhin: „Nein, das da bin ich!“

Petrus ist eine scheinbar so widersprüchliche Gestalt. Überragend steht er vor uns, der Apostelfürst mit den beiden Schlüsseln. Gleichzeitig wissen wir von seinem Leugnen in der Nacht zum Karfreitag. Er war so oft stürmisch in seiner Zuneigung zu Christus und versagte doch, wenn es darauf ankam, sie zu bewähren. Am Gründonnerstagabend wehrte er sich gegen den Herren: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen“ nur um gleich darauf zu verlangen, „nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!“ Zwei Dinge wurden ihm durch Jesus gesagt. Auf  sein Bekenntnis hin entgegnet der Herr: „Du bist Petrus, du bist der Fels, auf dem ich die Kirche bauen werde.“  Und nur Augenblicke später, nachdem Jesus sein Leiden angekündigt hatte und Petrus davon nichts hören wollte und energisch verlangte: „Das alles geschehe dir nur nicht!“, da stößt der Herr ihn fort mit den Worten: „Hebe dich von mir Satan! Du willst nicht was göttlich, sondern was menschlich ist.“

So scheinbar widersprüchlich ist der große Apostelfürst, und dennoch wuchs er in der nachösterlichen Gemeinde zu einer maßgeblichen Figur heran, leitete die aus Juden hervorgegangene Jerusalemer Urgemeinde und gelangte endlich nach Rom, in das Zentrum der damaligen Welt. Aber selbst dort noch, so weiß es die Legende, wollte er zunächst vor der neronischen Verfolgung fliehen. Wieder wollte er, was ja menschlich ist, nämlich der Gefahr ausweichen. Da aber erschien ihm Christus in der Nähe der Porta Capena, und er erkannte ihn und fragte: „Quo vadis, Domine?“ Wohin gehst du, Herr? Christus antwortet: Ich gehe, um mich wiederum kreuzigen zu lassen. Da kehrt Petrus um und bezeugte dort in Rom mit dem Tod seinen Glauben.

Es ist dabei gar nicht so wichtig, wie dicht der tatsächliche historische Gehalt an dieser Stelle ist. Die ganze Kirche und so auch alle von ihr weiter getragenen Geschichten sind ja aus dem Glauben erwachsen und bezeugen darum auch immer zunächst den Glauben selbst und dann erst vergängliche Tatsachen. Diesem Geheimnis wollen wir nachspüren, wenn wir nun auf die Worte aus dem 1. Petrusbrief hören, die uns zur Predigt aufgegeben sind.

Die Ältesten, so unter euch sind – damit sind alle gemeint, die sich für die Gemeinde verantwortlich wissen - sie werden von Petrus ermahnt, der sich ausdrücklich als Mitältester und Zeuge der Leiden, die in Christo sind, tituliert. Aus seiner Stellung als Zeuge nun ergibt sich auch seine Teilhabe an der Herrlichkeit Christi. Dies beides begründet dem Apostel seine Berechtigung, die Ältesten zu ermahnen: „Weidet die Herde Christi und sehet wohl zu, nicht gezwungen, sondern willig; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund;“

Schön ist zunächst das Bild der Herde. Zum Glück leben wir in einer Landschaft, in der man gelegentlich mit den Kindern auf den Elbdeich fahren kann, um eine Schafherde mit ihren Lämmern weiden zu sehen. Dieses Bild stand Petrus also vor Augen, weil es jenseits aller Romantik, die wir empfinden, die Existenzform der Nomaden ist, in der sie oft auch notvoll erleben, wie sehr alle, die der Gemeinschaft einer Herde angehören, aufeinander angewiesen sind. In dieser Gemeinschaft erhält jeder nur, nicht weil, sondern indem er gibt. Das Leben ist in seinem Kern nicht Geben und Nehmen, sondern es ist Leben aus der Hingabe aller aneinander. Archaische Völker haben davon etwas in den Formen ihrer Gastfreundschaft erhalten. Nie hören wir davon, dass man Gastfreundschaft in der Erwartung übt, etwas zu bekommen. Nie gilt da etwas, das man gibt als verloren. So sollen auch wir sein.

Wie können wir das werden?

Die wichtigste Voraussetzung dazu ist es, dass wir nicht den Fehler machen, es voneinander zu verlangen, sondern ein jeder von Herzensgrund danach sucht, was er geben kann. Unsere so soziale moderne Gesellschaft hat sich anderes angewöhnt. Sie will immer genau mit dem Gerechtigkeit herstellen, was sie von anderen verlangt. Petrus mahnt uns, unseren Herzensgrund zu erforschen.

Dann aber sollen wir die Herde weiden, nicht als die übers Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde. So schreibt Petrus.

Ja, liebe Gemeinde, machen wir es uns bewusst: Dauerhafte Wirkung auf Menschen wird nur derjenige erlangen, der ihnen zum Vorbild wird. Es gehört allerdings zur Tragik unseres Lebens, dass dieses nicht nur im Guten gilt. Umso mehr müssen wir also dieses Beispiel im Guten sein, als Herde, die sichtbar aufeinander angewiesen ist und darum füreinander da ist. Keine andere Gemeinschaft in diesem Dorf versammelt sich so oft und so vielgestaltig wie wir es tun. Es sind ja keineswegs nur die Gottesdienste, es ist nicht nur die Fürsorge untereinander, der Gemeindekirchenrat, der Bibelkreis, der Bläserchor und so viele andere Gliederungen der Gemeinde, die sich regelmäßig versammeln, beten und singen und nach dem Wohl der ganzen Gemeinde suchen. Dieses Beispiel wird nicht ohne Wirkung bleiben und es ist ein Vorbild für jede Sorge, die Menschen füreinander ausüben. Auch die öffentliche Ordnung muss wieder ein Verhältnis zu dem finden, was hier durch Petrus aufgerichtet wird: Weidet die Menschen, die euch anvertraut sind, nicht gezwungen sondern willig, nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als die übers Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde.

Liebe Gemeinde,

was würde es zur Gesundung der politischen Kultur in diesem Land beitragen, wenn jede Forderung zunächst durch denjenigen, der sie erhebt ein halbes Jahr im persönlichen Leben Beachtung finden müsste, bevor sie öffentlich geäußert werden dürfte. Werdet Vorbilder der Herde, so schreibt Petrus, der seine Widersprüchlichkeit und Unzulänglichkeit mit Sicherheit sein Leben lang gekannt hat. Er wusste, redete und lehrte darum ganz von Herzensgrund, was eben hieß: Er lehrte nicht aus sich selbst, sondern allein aus dem Vertrauen, das der Herr dennoch immer wieder in ihn gesetzt hat.

Wenn irgend Gutes in unserer Gemeinde, in unseren Familien, in unserem Dorf gelingt, dann dürfen wir sicher sein, dass es aus dem Vertrauen erwächst, das Christus unverbrüchlich zu uns hat, obwohl wir so sind, wie wir sind.

Amen.

Der Friede und die Gnade des auferstandenen Herrn, die höher sind als unsere Vernunft, bewahren eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.
Thomas Roloff

Mittwoch, 18. April 2012

Reminiszenzen

Mitunter überläßt man seine Bücher besser weiter den Spinnweben, denn kaum beginnt man milder über das Papsttum zu denken, liest man wieder von Jakob von Cahors oder Benedetto Caëtani (wie letzterer etwa sich vor Kardinälen und Bischöfen abwechselnd in päpstlichen Gewändern und in denen eines Kaisers zeigte und dabei rief: "Ego sum Caesar, ego imperator", und daher einen zweiten Kronreif in die Tiara einfügte). So daß man manchmal, wenn es sehr spät ist und man bereits sehr müde, sich verwundert, wie das Papsttum überleben konnte, wo es doch offensichtlich über lange Zeit von Dämonen verwaltet wurde, ein Wunder in der Tat. Tun wir dies alles für heute beiseite.

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau starb am 18. April 1679, und mir ging auf, wenn man auf ihn als den Begründer eines „galanten Stils“ herabsieht - zu seinen Lebzeiten verlor Deutschland nahezu alles an Geist, Gesittetheit und das, wofür ein starker Begriff fehlt - Kultur? - das klingt inzwischen fast zu banal, in diesem selbstmörderischen langen Krieg. Manchmal steht sogar hinter scheinbarer Oberflächlichkeit schon wieder soviel Sieg über den Tod. Dieses Gedicht befindet sich mit seiner Übersetzung schon länger hier, wie sind halt in der Stimmung. Und ich weiß, dies ist nicht einmal ein halber Post, aber manchmal hat man eben seinen müden Tag.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Vergänglichkeit der Schönheit

Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit um deine Brüste streichen,
Der liebliche Korall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand,

Der Augen süßer Blitz, die Kräfte deiner Hand,
Für welchen solches fällt, die werden zeitlich weichen.
Das Haar, das itzund kann des Goldes Glanz erreichen,
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.

Der wohlgesetzte Fuß, die lieblichen Gebärden,
Die werden teils zu Staub, teils nichts und nichtig werden,
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.

Dies und noch mehr als dies muß endlich untergehen.
Dein Herze kann allein zu aller Zeit bestehen,
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.


Transitory Beauty

Pale Death, with his cold scythe-like swaying hand
will stroke your breasts with bony-knuckled time;
your coral-red delicious lips will rime,
your shoulders' clement snow shall run cool sand.

Your eyes' sweet lightning-flashes, your hands' strength -
these conquerors shall yield to Time's taut grip;
the years and days shall finally unslip
your hair from its bright gold attaining length.

Your well-appointed foot, your charming ways,
Will part be dust, and nil and nought in part:
No more prostration at your splendour's shrine.

All this, and more, must end in dead decays;
Nothing can last forever, but your heart -
Created in the deepest diamond mine.
© trans. Michael Haldane

Dienstag, 17. April 2012

Dies & Das & Hesse

Hermann Hesse

Wir leben hin...

Wir leben hin in Form und Schein
Und ahnen nur in Leidestagen
Das ewig wandellose Sein,
Von dem uns dunkle Träume sagen.
Wir freuen uns an Trug und Schaum,
Wir gleichen führerlosen Blinden,
Wir suchen bang in Zeit und Raum,
Was nur im Ewigen zu finden.
Erlösung hoffen wir und Heil
In wesenlosen Traumesgaben -
Da wir doch Götter sind und teil
Am Urbeginn der Schöpfung haben.


We live as form...

We live as form, from truth estranged -
surmising (when the pains assail us)
eternal realm that never changed,
of which dark dreams at night do tell us.
We like illusion's false embrace,
we're blind and leaderless and lonely -
and search in fear through time and place
for what's of the eternal only.
Salvation we expect and grace
from dreams that cannot go the distance -
We, who are Gods, and in whose space
creation first became existence.

„But poems are not life as it is; poems are life as it could and perhaps even should be.“ Dies schreibt Prof. Aue in seinen Kommentaren zu Hesse. Nicht so selten verweise ich Menschen, die ich zu schätzen und zu mögen gelernt habe und denen unglücklicherweise Englisch als Muttersprache zufiel, auf seine Seite, die des Herrn Prof. Aue. Und wo dies gestern wieder geschah, durchzuckte es mich förmlich, als mir dabei aufging, wie lange ich nichts von ihm hier gebracht habe.

Ich gestehe, mein Zeitempfinden dehnt sich mitunter und schnurrt dann wieder zusammen und ist mit der realen Zeit nur mühsam in Einklang zu bringen. Und ich will mich damit gar nicht auf Hesse herausreden, der irgendwo schreibt: „Diese schäbige, stets enttäuschende oder öde Wirklichkeit ist auf keine andre Weise zu ändern, als indem wir sie leugnen, indem wir zeigen, daß wir stärker sind als sie.“ Übrigens habe ich, als ich mein obiges Motto - „Gelegentlich ist die Wirklichkeit doch zu wenig respektabel, als daß wir sie ernsthaft in Erwägung ziehen könnten“ - schrieb, diesen Satz noch gar nicht gekannt. Merkwürdig.

Nein, jeder Entschuldigungsversuch wäre einfach nur peinlich. Also versuchen wir, diese Pein mannhaft zu ertragen.

Wo ich in dem Beitrag, der diesem vorangeht, so ausführlich theologisch sein mußte, habe ich eben ein wenig darüber nachgedacht, wie am Ende die schwierige Beziehung Hesses zum Christentum wohl ausgegangen ist. Nun er starb mit den „Bekenntnissen“ des Augustinus in der Hand, vielleicht war er gewissermaßen in einer Spiralbewegung dabei, sich seinem Ursprung zu nähern?

Nun zu diesem Thema sollten wir besser mit wacherem Geist noch einmal zurückkehren. Und auch zu dem des Unterschieds von westlichem und östlichen Geist (das Herr Prof. Aue in seinem Kommentar ebenfalls aufwirft), ob man Pein und Drangsal des menschlichen Lebens in eine ozeanische Leere ausströmen lassen will oder ob sie uns nicht Anlaß für ein gesteigertes Dasein werden sollen, das von der Unendlichkeit umfangen und aufgehoben, aber nicht ausgelöscht, sondern bestätigt wird. Das nennt man dann wohl Auferstehung. Aber für heute Nacht ist es genug, nein, Lenau, der muß noch:

Lenau

O Menschenherz, was ist dein Glück?
Ein rätselhaft geborner,
Und, kaum gegrüßt, verlorner,
Unwiederholter Augenblick!

Montag, 16. April 2012

Benedikt XVI.

El Greco, Schutzmantelmadonna

Am 12. September 1683 hat unter der Führung des polnischen Königs Jan III. Sobieski und dem Banner Mariens ein christliches Heer von 65.000 Mann eine dreimal stärkere türkische Übermacht vernichtend geschlagen und damit die Belagerung Wiens beendet. Nach diesem Sieg bestimmte Papst Innozenz XI. die Feier von Mariä Namen als Fest der ganzen Kirche für diesen Tag.

Papst Benedikt XVI. hielt an eben diesem Tag im Jahre 2006 an der Universität Regensburg eine Vorlesung, die zu tumultuarischer Empörung in der islamischen Welt führte und gern von den „Kritikern“ des Papstes gegen diesen gewendet wird. Nun wollen wir uns nicht lange mit der Frage aufhalten, wie unvoreingenommen und redlich diese Kritiker sind, das wäre müßig. Und auch die Frage nach den Gründen der islamischen Empörung lassen wir eher beiseite (mir kam da das Sprichwort in den Sinn, daß der Drang, einen Spiegel zerschlagen zu wollen, nicht unbedingt gegen den Spiegel spricht). Nein, der Vorlesung selbst wollen wir uns vorrangig zuwenden. Der Grund? Der Heilige Vater begeht seinen 85. Geburtstag, und ich war mir unschlüssig, wie ich darauf reagieren sollte. Ich habe besagte Vorlesung bereits früher erwähnt, aber nur oberflächlich, also versuchen wir es aus Anlaß und in Würdigung seines Geburtstages diesmal etwas gründlicher. Ich warne also jeden hiermit vor einem längeren theologischen Text.

Ein empörendes Zitat

„Glaube, Vernunft und Universität“ sind die Stichworte, die er nennt. Den universitären Part lassen wir beiseite und beginnen mit dem skandalisierten Zitat. Einige Jahrhunderte früher befand sich eine andere Kaiserstadt in einer gleichen Situation, Konstantinopel wurde von den Türken belagert und der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos machte sich seine Gedanken über Christentum und Islam und hielt dabei seinem persischen Gesprächspartner vor:

„'Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten'. Der Kaiser begründet, nachdem er so zugeschlagen hat, dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. 'Gott hat kein Gefallen am Blut', sagt er, 'und nicht vernunftgemäß, nicht 'σὺν λόγω' zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann...'".

Ein Einschub

Benedikt hatte dieses Zitat mit den Worten eingeleitet, der Kaiser wende sich „in erstaunlich schroffer, für uns unannehmbar schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner“. Ursprünglich hatte er gesagt „uns überraschend schroffer Form“, aber diese Überraschung konnte oder wollte man nicht verstehen, unterschlug sie, also hat der Papst in der veröffentlichten Fassung dies unmißverständlich geklärt.

Er hatte weiter daran erinnert, daß das im Koran ebenfalls enthaltene Gebot (in Sure 2, 256) „Kein Zwang in Glaubenssachen“ wohl eher aus der Zeit stamme, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Jetzt aber gehe es um den Djihād, den heiligen Krieg. (Und so, wie Wien und Konstantinopel unter dem Banner Mariens verteidigt wurden, wurden sie unter eben diesem Schlachtruf attackiert, sage ich, nicht der Heilige Vater. Und wo ich gerade meine eigenen Gedanken hier hineinmogele, eine kurze Erinnerung an 2 andere Bestimmungen des Islam, die zum Prinzip des „Kein Zwang in Glaubenssachen“ in gewisser Spannung stehen: Sollte ein christlicher Mann eine Muslima heiraten wollen, hat er vorher zu konvertieren, sollte umgekehrt aber ein Moslem Christ werden wollen, ist dieser „Abfall vom Islam“ mit dem Tod zu ahnden.)

Gott und Vernunft

Doch zurück zum Papst. Denn dem geht es im Fortgang weniger um den Islam, sondern vor allem um das Verhältnis von Gott und Vernunft und um eine christliche Binnenkritik (unangemessen salopp formuliert, der Islam war sozusagen die Vorspeise):

Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt laute: „Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.“ Dem Kaiser sei dies evident. Dem Moslem hingegen sei Gott absolut transzendent. Dessen Wille sei an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Und hier tue sich die grundlegende Trennung im Verständnis Gottes auf, die uns heute unmittelbar herausfordere.

Benedikt: „Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist, und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird. Den ersten Vers der Genesis ... abwandelnd, hat Johannes den Prolog seines Evangeliums mit dem Wort eröffnet: Im Anfang war der Logos. Dies ist genau das Wort, das der Kaiser gebraucht: Gott handelt 'σὺν λόγω', mit Logos. Logos ist Vernunft und Wort zugleich – eine Vernunft, die schöpferisch ist und sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft. Johannes hat uns damit das abschließende Wort des biblischen Gottesbegriffs geschenkt, in dem alle die oft mühsamen und verschlungenen Wege des biblischen Glaubens an ihr Ziel kommen und ihre Synthese finden.“

Manuel II. habe wirklich aus dem inneren Wesen des christlichen Glaubens heraus und zugleich aus dem Wesen des Griechischen, das sich mit dem Glauben verschmolzen hatte, sagen können: Nicht „mit dem Logos“ handeln, sei dem Wesen Gottes zuwider.

Doch auch in der christlichen Tradition habe es häufig Versuchungen gegeben, sich einen voluntaristischen Gott, einen Gott der Willkür zu denken, dort würden „die Transzendenz und die Andersheit Gottes“ ... so weit übersteigert, daß auch unsere Vernunft, unser Sinn für das Wahre und Gute kein wirklicher Spiegel Gottes mehr sind, dessen abgründige Möglichkeiten hinter seinen tatsächlichen Entscheiden für uns ewig unzugänglich und verborgen bleiben.“

Dem hält Benedikt entgegen: „Gott wird nicht göttlicher dadurch, daß wir ihn in einen reinen und undurchschaubaren Voluntarismus entrücken, sondern der wahrhaft göttliche Gott ist der Gott, der sich als Logos gezeigt und als Logos liebend für uns gehandelt hat.“

Wir müssen jetzt noch etwas theologischer werden: Es gibt die These, der der Papst entschieden widerspricht, die ursprüngliche christliche Botschaft sei in der Begegnung mit dem griechischen Geist gewissermaßen verunreinigt, entfremdet worden, und dies sei rückgängig zu machen. Er sieht drei Wellen dieses „Enthellenisierungsprogramms“, die zwar miteinander verbunden, aber in ihren Begründungen und Zielen doch deutlich voneinander verschieden seien.

Kant und die Reformation

Wir gehen etwas in Deckung, denn wie nicht anders zu erwarten, wird zuerst die Reformation abgestraft, allerdings eher knapp: „Das Sola Scriptura sucht demgegenüber die reine Urgestalt des Glaubens, wie er im biblischen Wort ursprünglich da ist. Metaphysik erscheint als eine Vorgabe von anderswoher, von der man den Glauben befreien muß, damit er ganz wieder er selber sein könne.“

Mit anderen Worten, die Reformation habe gewissermaßen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es ist hier nicht der Ort, dies weiter auszuführen, aber in der Tat: Möglicherweise gibt es einen Denkfehler im Protestantischen (da ich einer bin, muß ich das kurz anmerken). Der Protestantismus betont, daß Gott vom Denken des Menschen her nicht zugänglich sei, nur von seiner Offenbarung her. Was aber, wenn die Zugänglichkeit Gottes durch die Vernunft eben ein Teil dieser Offenbarung ist, wenn uns dieser Weg zu ihm von ihm her durch sie ermöglicht wird.

Zurück zum Heiligen Vater, bei der Gelegenheit „erledigt“ er auch gleich Kant mit, indem er sagt: “In einer für die Reformatoren nicht vorhersehbaren Radikalität hat Kant mit seiner Aussage, er habe das Denken beiseite schaffen müssen, um dem Glauben Platz zu machen, aus diesem Programm heraus gehandelt. Er hat dabei den Glauben ausschließlich in der praktischen Vernunft verankert und ihm den Zugang zum Ganzen der Wirklichkeit abgesprochen.“

Religion als moralische Veranstaltung

Benedikt beschäftigt sich nun mit einer „Mode“ christlichen Denkens, die seit dem 19. Jahrhundert (aus meiner Sicht verheerend) gewirkt hat – die liberale Theologie. Adolf von Harnack wird als herausragender Repräsentant derselben vor allem herangezogen:

Als Kerngedanke erscheine bei Harnack die Rückkehr zum einfachen Menschen Jesus und zu seiner einfachen Botschaft, die allen Theologisierungen und Hellenisierungen voraus liege: Diese einfache Botschaft stelle die wirkliche Höhe der religiösen Entwicklung der Menschheit dar. Jesus habe den Kult zugunsten der Moral verabschiedet und werde zum Vater einer menschenfreundlichen moralischen Botschaft. „Dabei geht es Harnack im Grunde darum, das Christentum wieder mit der modernen Vernunft in Einklang zu bringen, eben indem man es von scheinbar philosophischen und theologischen Elementen wie etwa dem Glauben an die Gottheit Christi und die Dreieinheit Gottes befreie.“

Etwas salopp formuliert, der Glaube, auf Moral reduziert, werde eben dadurch wieder satisfaktionsfähig. Im Hintergrund stehe die neuzeitliche Selbstbeschränkung der Vernunft, vom naturwissenschaftlichen Denken über Kant hinaus weiter radikalisiert. In dieser modernen Auffassung der Vernunft sieht der Papst eine Synthese zwischen Platonismus (Cartesianismus) und Empirismus (sic!). Auf der einen Seite werde die mathematische Struktur der Materie, ihre innere Rationalität vorausgesetzt, die es möglich mache, sie in ihrer Wirkform zu verstehen und zu gebrauchen (das platonische Element). Auf der anderen Seite geht es um die Funktionalisierbarkeit der Natur für unsere Zwecke.

Wissenschaftlichkeit sei nur noch in diesem Zusammenspiel von Mathematik und Empirie akzeptiert. „Was Wissenschaft sein will, muß sich diesem Maßstab stellen. So versuchten dann auch die auf die menschlichen Dinge bezogenen Wissenschaften…, sich diesem Kanon von Wissenschaftlichkeit anzunähern. Damit sei aber auch die Gottesfrage unwissenschaftlich oder vorwissenschaftlich ausgeschlossen.

Ein christliches Denken, daß sich dem unterwerfe, ließe aber „vom Christentum nur ein armseliges Fragmentstück“ übrig. Und weiter „Wenn dies allein die ganze Wissenschaft ist, dann wird der Mensch selbst dabei verkürzt. Denn die eigentlich menschlichen Fragen, die nach unserem Woher und Wohin, die Fragen der Religion und des Ethos können dann nicht im Raum der gemeinsamen, von der so verstandenen 'Wissenschaft' umschriebenen Vernunft Platz finden und müssen ins Subjektive verlegt werden. Das Subjekt entscheidet mit seinen Erfahrungen, was ihm religiös tragbar erscheint, und das subjektive 'Gewissen' wird zur letztlich einzigen ethischen Instanz. So aber verlieren Ethos und Religion ihre gemeinschaftsbildende Kraft und verfallen der Beliebigkeit.“

Anders gesagt, wenn es kein positiv in der Vernunft faßbares Wesen des Menschen mehr gibt, existieren auch keine Grenzen, keine Schranken, keine Substanz, kein Fundament des Menschlichen mehr. Und in einer merkwürdigen Volte tritt an die Stelle des einst als willkürlich handelnd angenommenen Gottes ein willkürlicher handelnder Mensch.

Aber! „Dieser Zustand ist für die Menschheit gefährlich: Wir sehen es an den uns bedrohenden Pathologien der Religion und der Vernunft, die notwendig ausbrechen müssen, wo die Vernunft so verengt wird, daß ihr die Fragen der Religion und des Ethos nicht mehr zugehören.“

Nachdem er so gewarnt hat, geht er noch auf die „dritte Enthellenisierungswelle“ ein, die ich nur summarisch mitteilen will. Es geht um die sogenannte „Inkulturation“, unter diesem Begriff werde behauptet, die Synthese von Griechentum und alter Kirche habe nur ein begrenztes Recht, auf die man die anderen Kulturen nicht festlegen dürfe. „Ihr Recht müsse es sein, hinter diese Inkulturation zurückzugehen auf die einfache Botschaft des Neuen Testaments, um sie in ihren Räumen jeweils neu zu inkulturieren.“

Benedikts Einladung

Lassen wir dieses beiseite und kommen zu seinen Schlußfolgerungen: Zunächst, nein, er wolle nicht hinter die Aufklärung zurück.

„Nicht Rücknahme, nicht negative Kritik ist gemeint, sondern um Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs geht es. Denn bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten des Menschen sehen wir auch die Bedrohungen, die aus diesen Möglichkeiten aufsteigen, und müssen uns fragen, wie wir ihrer Herr werden können. Wir können es nur, wenn Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinanderfinden; wenn wir die selbstverfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre ganze Weite wieder eröffnen.“

Mit anderen Worten, nicht nur eine derart reduzierte Theologie wäre armselig, eine so reduzierte Vernunft wäre ebenso amputiert, und sie wäre in der gegenwärtigen Welt dialogunfähig:

„In der westlichen Welt herrscht weithin die Meinung, allein die positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal. Aber von den tief religiösen Kulturen der Welt wird gerade dieser Ausschluß des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen angesehen. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.“

Er erinnert folglich daran, daß die Deutungshoheit der positivistischen Vernunft nicht so weit reicht, wie sie glaubt, und auch nicht hinreichend ist in dieser Welt. Und er verweist darauf, daß ihre vermeintliche Voraussetzungslosigkeit eben eine geglaubte ist.

Die moderne naturwissenschaftliche Vernunft trage mit „dem ihr innewohnenden platonischen Element eine Frage in sich, die über sie und ihre methodischen Möglichkeiten hinausweist“. „Sie selber muß die rationale Struktur der Materie wie die Korrespondenz zwischen unserem Geist und den in der Natur waltenden rationalen Strukturen ganz einfach als Gegebenheit annehmen, auf der ihr methodischer Weg beruht.“ Aber die Frage, warum dies so sei, die bestehe und müsse von der Naturwissenschaft weitergegeben werden an andere Ebenen und Weisen des Denkens – an Philosophie und Theologie.

„Mut zur Weite der Vernunft, nicht Absage an ihre Größe – das ist das Programm, mit dem eine dem biblischen Glauben verpflichtete Theologie in den Disput der Gegenwart eintritt.“ So faßt er das Anliegen seiner Rede zusammen. “ Und - 'Nicht vernunftgemäß, nicht mit dem Logos handeln ist dem Wesen Gottes zuwider“ - zitiert er noch einmal Manuel II., um zu enden:

„In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächspartner ein.“

Diese Einladung in die Weite der Vernunft war es, die damals niedergebrüllt, herabgesetzt und mißverstanden wurde. Und um mit Markus zu enden (Kapitel 4, Vers 9) - „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“
beendet am 18. Apil

Sonntag, 15. April 2012

Sonntag &


Ich sollte meinen üblichen schlichten Sonntagsbericht vielleicht doch nicht vorenthalten, obwohl es nicht so aufregend war. Immerhin konnte man bei diesem zähen Frühlingsbeginn wieder einmal draußen dinieren, „dinieren“, nun ja. Kotelett hat eine Tendenz zum zäh werden, jedenfalls, wenn ich es zubereite. In Kürze: Kotelett angebraten und noch weiter im Ofen gegart auf Zwiebeln, Thymian, Rosmarin und Salbei. Zur Sauce aus dem Fond kam saure Sahne. Dazu Bohnen mit brauner Butter. Eigentlich war es erträglich. Als Zugabe ein paar Bilder von der Terrasse.



Maybe I shouldn’t deny the simple usual Sunday dinner report, though it wasn’t that exciting. After all, we could enjoy it again outdoors at this slow improving spring, well more or less. Chop has a tendency to be tough, certainly if I cook it. In short: cutlet fried and then braised in the oven on a bed of onions, thyme, rosemary and sage. For the sauce sour cream was added to the gravy. Then beans with brown butter. Actually, it was bearable. I added a few pictures from the terrace as well.





Mittwoch, 11. April 2012

Auguste Viktoria


Auguste Viktoria, die letzte Deutsche Kaiserin, starb am 11. April 1921. Ihre Kinderfrau, die alte Frau Kruschwitz hat sie im Traum einmal, als sie noch die kleine Tochter eines verjagten holsteinischen Herzogs und erfolglosen Prätendenten auf den dänischen Thron im „Exil“ war und in einem bescheidenen schlesischen Ort lebte, auf einem goldenen Thron gesehen. Die Antwort war ein lachendes: „Ja, als Königin von Primkenau“, so hieß der Ort.

Merkwürdigerweise pflegten die „Holsteins“ und die „Hohenzollern“ gesellschaftlichen Umgang, obwohl der Herzog allen Grund gehabt hätte, sich verbittert zurückzuziehen. Der Kronprinz und spätere Kaiser Wilhelm II. verliebte sich offenbar irgendwann eher plötzlich, wie es seine Art war, und gegen mancherlei Widerstände wurde sie seine Gattin.

Sie erschien nicht unbedingt als Frau von intellektueller Überspanntheit, wie sie es sich selbst eingestand:
„Ich weiß gar nicht, was ich mit den Menschen, die zu der eleganten Welt gehören, reden soll, ich finde niemals das rechte Wort.“ So Eulenburg in seinen Erinnerungen.

Es gibt bösartigere Bemerkungen (Daisy von Pless), Dona (ihr Spitzname) sei „ganz wie eine gute, stille sanfte Kuh, die kalbt, langsam Gras frißt und widerkäut.“

Wir springen ein paar Jahre weiter und sehen sie als Kaiserin. Sie hatte im Gegensatz zu ihren beiden Vorgängerinnen keine hochgespannten politischen Ambitionen und war dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ungemein populär. Warum? Eine liebevolle Mutter, charakterfest, couragiert und zutiefst integer, hat sich nach ihren Kräften und Möglichkeiten um die bemüht, die in Armut und Not waren. Selbst persönlich, indem sie solche Familien im Geheimen besuchte. Als dies bekannt wurde, warf man ihr ein zu glanzvolles Äußeres dabei vor. Das hat die, denen geholfen wurde, offenbar nicht gestört. Denn diese durften das Gefühl kennenlernen, daß an der Spitze des Reiches keine gefühllosen und hohlen Gestalten standen.

Sie hatte ein deutliches Empfinden für die immer stärker werdende religiöse Not, gerade in einer Großstadt wie Berlin und sorgte etwa dafür, daß über 60 neue Kirchen dort gebaut wurden, darunter die nicht ganz unbekannte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Den Untergang der Monarchie konnte sie nicht verwinden. Als sie am 19. April 1921 in Potsdam beigesetzt wurde, säumten geschätzte 200 000 Menschen ihren Weg.

Antikentempel, Photo: Paul Odörfer

Es gibt ein dünnes Band eigener Erinnerung, das ihre Wertschätzung bezeugt. Meine Stief-Großmutter hat mir als Kind in lebhaften Farben geschildert, wie böse Menschen den guten Kaiser aus dem Land getrieben hätten, eben solche, wie sie auch jetzt regieren würden (man denke sich das Ganze in den späten 60er und frühen 70er Jahren), und seitdem wäre alles immer schlimmer geworden. Aber als die Kaiserin, eine herzensgute Frau, der darüber das Herz gebrochen sei, gestorben war, da habe der Kaiser sie nicht besuchen dürfen und hätte von einem Flugzeug über Berlin einen großen Kranz mit roten Rosen abwerfen lassen.

Am 22. Oktober 2008 wurde im Antikentempel im Park von Sanssouci, wo sie begraben ist, ihres 150. Geburtstags gedacht. Der hier bekannte Herr Roloff hat damals dazu die Andacht gehalten, offenbar habe ich seinerzeit seine Beiträge hier noch nicht veröffentlicht, das wäre dann wohl besser nachzuholen.

Standarte der Deutschen Kaiserin

nachgetragen am 15. April


Herr Roloff hat erfreulicherweise in seinem Archiv den Text der oben erwähnten Andacht auffinden können, so daß ich ihn, wie in Aussicht gestellt, nahezu in Gänze nachfolgend anbringen will.

Liturgie am 22.10.2008,
zur Feier der 150. Wiederkehr des Tages der Geburt
IM der Kaiserin und Königin Auguste Viktoria.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Der Herr sei mit euch.

Im Matthäusevangelium lesen wir für diesen Tag: Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; Mt 12,35

Wir hören und beten den 122. Psalm:

Ich freue mich über die, die mir sagten: Lasset uns ziehen zum Haus des Herrn!
Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem.
Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll,
wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme des Herrn, wie es geboten ist dem Volke Israel, zu preisen den Namen des Herrn.
Denn dort stehen die Throne zu Gericht, die Throne des Hauses Davids.
Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohl gehen denen, die dich lieben!
Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen!
Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen.
Um des Hauses des Herrn willen, unseres Gottes, will ich dein Bestes suchen.
Amen

Heute jährt sich zum 150. Mal der Tag der Geburt der letzten Kaiserin des Deutschen Reiches, der letzten Königin Preußens. Im Kirchenbuch von Dolzig steht:
„Den 22. Oktober, früh 7 ½ Uhr geboren:
Auguste Viktoria Luise Feodora Jenny,
eheliches Mädchen. Vater: Seine Durchlaucht Herr Friedrich Christian August, Erbprinz“
Den 30. November getauft.

In dieser Taufe wurde auch ein erstes Band zu der Familie geknüpft, deren Namen und Würden sie dereinst tragen sollte, denn der Prinzregent Wilhelm und sein Sohn Prinz Friedrich Wilhelm und ihre Gemahlinnen waren Taufpaten der kleinen Prinzessin.

Mehr noch aber ist ihre Taufe der eigentliche Grund für diese kleine Versammlung, denn die Kirche erinnert an ihre Toten weil sie leben und nicht damit sie leben. Wir erinnern nicht an Menschen, damit ein wenig von ihnen in unserem Gedächtnis bleibt, sondern wir stellen uns hinein in eine wirkliche Gemeinschaft mit ihnen. Äußere Verhältnisse mögen da sein wie sie wollen.

Welche Rolle spielt es da beispielsweise heute noch, dass die ehrwürdigen und gut begründeten Ansprüche der Familie, aus der Auguste Viktoria hervorging, ein Opfer der Machtkonstellationen des 19. Jahrhunderts wurden? Selbst die endliche Versöhnung zwischen den Häusern Preußen und Augustenburg durch die Hochzeit des Prinzen Wilhelm mit ihr, 1881, wer erinnert sich noch daran?

An der Seite ihres Gemahls wurde sie 1888 Kaiserin. Sie stand nun an der Spitze zahlloser karitativer Werke und Vereine. Dank ihrer Initiative entstand der Evangelische Kirchbauverein, durch den eine geradezu unglaubliche Zahl von Kirchen errichte wurde, die immer auch gleichsam der Königin ein Denkmal setzten, aber natürlich allein der Ehre Gottes dienten.

1899 dann begründet sie das noch heute bestehende Auguste Viktoria Stift in Jerusalem und erwies sich darin als wirkliche Kaiserin, als Patronin der Christen in aller Welt.

1913 wurde das Kaiserpaar auf den Gipfelpunkt seiner Beliebtheit und auf eine Höhe des Glanzes geführt, die für Menschen nur möglich ist. Man feierte unter der Anteilnahme ganz Europas die Vermählung der einzigen Tochter unter den sieben Kindern und das Silberne Regierungsjubiläum. Es sollte nur noch Monate dauern, bis sich das Grauen des Krieges erhob und die bis dahin gekannte Welt in den Abgrund riss.

In ihrer Konfirmation war Auguste Viktoria unter das Wort gestellt worden: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.

Sie hielt dem gemäß in dieser gewaltigen Prüfung aus und teilte am Ende mit ihrem Gemahl auch die Verbannung, nachdem sie in den Tagen des Umsturzes königliche Haltung gewahrt hatte.

In Amerongen und später in Doorn lebte sie mit gebrochenem Herzen und glaubte wohl lange noch, nur mit dem Unglück, das sie und die ihren und das ganze Reich heimgesucht hatte, zu ringen, als sie doch schon längst mit dem Tode rang.

Wenn der Erzherzog Franz Ferdinand d´ Este das erste Opfer des Weltkrieges war, dann wurde sie, die Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen, Auguste Viktoria, sein letztes.

Auguste Viktoria starb am 11. April 1921, einem Montag, kurz vor 6 Uhr früh.

Der Trauerzug, der sie zurück nach Hause, hierher nach Potsdam, brachte, war ein gewaltiges Ereignis an dem Hunderttausende Menschen teilnahmen. Es drückte sich darin wohl aber weniger die Hoffnung danach aus, dass alles wieder so würde, wie es einmal war, sondern vielmehr wurde der Wunsch nach Versöhnung und Frieden sichtbar. Amen

Wir wollen beten:

Allmächtiger Gott,
Du hast uns mit der verewigten Kaiserin eine Frau vor Augen gestellt, die uns mit ihrer Liebe zu dir ein Beispiel gegeben hat, von dem wir erzählen sollen, durch das wir ermutigt werden, in dem wir Hoffnung finden.

Ewiger Gott,
in dir findet unsere Zeit ihr Maß und ihr Ziel. Auf dich trauen wir und bitten für den Prinzen von Preußen und die ganze königliche Familie. Sie ist wie jede Familie, wie dein ganzes Volk, eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, als solche mögen sie unserem Lande dienen und voller Freude dich bekennen, in dem wir ewiges Leben haben.

Großer Gott,
hilf uns, dass wir in der Geschichte nicht eigenen Ruhm suchen, sondern dein Wirken erblicken. Schenke deinem Volk Einheit und Frieden und gib, dass wir untereinander gesinnt seien, wie Jesus Christus auch war: Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. In seinem Namen sollen sich alle derer Knie beugen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist.

Mit ihm und in Gemeinschaft der ganzen Kirche wollen wir beten:
Vater unser...

Sendung und Segen