Donnerstag, 28. Februar 2013

Über Geheimnisse



(σὰρξ) εἰκῆ κεχυμένων κάλλιστος, φησὶν Ἡράκλειτος, ὁ κόσμος.

„Die Ordnung des zufällig Aufgeschütteten ist laut Heraklit die schönste.“ (Theophrast)

Ein Satz, der einem beim Verfertigen eines Fruchtsalates so in den Sinn kommt. Ein Papst muß seelisch 2000 Jahre alt sein, sagte sinngemäß Herr Sloterdijk heute, und ich war überrascht, Derartiges von ihm zu hören. Denn es ist sehr präzise beobachtet und auch noch vernünftig.

Ich habe wirklich mit mir gerungen, seit vielen Tagen, etwas über die Entscheidung des vormaligen Papstes Benedikt XVI. zu schreiben, heute zurückzutreten. Und nein, ich werde es nicht tun, ich bin nicht einmal katholisch! Auch wenn ich an dem bewußten Montag spürte, jemand hätte erfolgreich mit seinem Fuß meine Magengegend getroffen, man kann das auch mit Entsetzen „beschreiben“. Manchmal ist man versucht, seine Hoffnungen auf etwas Irdisches zu setzen. Aber es ist offenkundig müßig, hier auf Erden nach etwas Heilem zu suchen, dem man sich bedenkenlos anschließen könnte.

Die Geschichte des Papsttums ist über weite Strecken wüst, das darf man sagen, wenn man sich als Protestant mit der eigenen deutschen Geschichte eng verwoben sieht. Nicht daß das Protestant-Sein einem noch viel Freude bereiten würde, in diesem Zeitalter. Nur soviel, daß die evangelische Kirche kaum noch Gegenstand von Haß und Nachrede mehr ist, erinnert merkwürdig an einen Horrorfilm, wo sich schlagartig die Vampire zurückziehen, weil es sich nicht mehr lohnt... Das war bei ihm erkennbar anders.

Die Rücktrittsrede bei der Generalaudienz war menschlich durchaus anrührend, und wer bin ich zu urteilen; aber ich habe das unbestimmte Gefühl, daß es (wenige) Ämter gibt, bei denen dieses Menschliche zurückzutreten hat, weil es in den Dienst eines Höheren gestellt wurde. Die Erinnerung daran, daß mitunter jemand eben nicht "auch nur ein Mensch ist", sondern den Kern eines höheren Geheimnisses abbilden kann. Jetzt wird er also als Geist eines Papstes durch die vatikanischen Gärten wandern. Aber all dies geht uns nichts mehr an. Doch wie lesen wir im Losungsbüchlein unter dem heutigen Datum:

Wir wünschen, dass jeder von euch denselben Eifer beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende. 
Hebräer 6,11 


Mittwoch, 27. Februar 2013

nächtens


Gottfried Benn im Interview 1956

Wo ich kürzlich aus schmerzlichem Grund Gottfried Benn erwähnt habe und seinen Tod am 7. Juli 1956, stoße ich durch bloßen Zufall auf dieses einzige Fernseh-Interview mit Benn, wie ich lese, am 3. Mai 1956, also einen Tag nach seinem 70. Geburtstag. Bemerkenswert.

Und um etwas ruhig und friedvoll gestimmter zu enden, etwas Vivaldi im Folgenden.


Antonio Vivaldi, Trio Sonate in C-Dur, RV 82, Larghetto – Lento


Antonio Vivaldi, Violinkonzert in e-Moll, "Il favorito", RV 277 - Andante


Antonio Vivaldi, Konzert in D-Dur, RV 93 - Largo

Dienstag, 26. Februar 2013

Über Literatur im höheren Sinne


Giuseppe Fagnani, "Kalliope"

Als der Sklave geendet hatte und es wieder stille im Saale geworden war, erinnerte der junge Schreiber den Alten, daß sie den Faden ihrer Unterhaltung abgebrochen hatten, und bat, ihnen zu erklären, worin denn eigentlich der mächtige Reiz des Märchens liege.

»Das will ich Euch jetzt sagen«, erwiderte der Alte. »Der menschliche Geist ist noch leichter und beweglicher als das Wasser, das doch in alle Formen sich schmiegt und nach und nach auch die dichtesten Gegenstände durchdringt. Er ist leicht und frei wie die Luft und wird wie diese, je höher er sich von der Erde hebt, desto leichter und reiner. Daher ist ein Drang in jedem Menschen, sich hinauf über das Gewöhnliche zu erheben und sich in höheren Räumen leichter und freier zu bewegen, sei es auch nur in Träumen. Ihr selbst, mein junger Freund, sagtet: ´Wir lebten in jenen Geschichten, wir dachten und fühlten mit jenen Menschen´, und daher kommt der Reiz, den sie für Euch hatten. Indem Ihr den Erzählungen des Sklaven zuhöret, die nur Dichtungen waren, die einst ein anderer erfand, habt Ihr selbst auch mitgedichtet. Ihr bliebet nicht stehen bei den Gegenständen um Euch her, bei Euren gewöhnlichen Gedanken, nein, Ihr erlebtet alles mit, Ihr waret es selbst, dem dies und jenes Wunderbare begegnete, so sehr nahmet Ihr teil an dem Manne, von dem man Euch erzählte. So erhob sich Euer Geist am Faden einer solchen Geschichte über die Gegenwart, die Euch nicht so schön, nicht so anziehend dünkte; so bewegte sich dieser Geist in fremden, höheren Räumen freier und ungebundener, das Märchen wurde Euch zur Wirklichkeit, oder, wenn Ihr lieber wollet, die Wirklichkeit wurde zum Märchen, weil Euer Dichten und Sein im Märchen lebte.«


Euterpe, hier gefunden

Sonntag, 24. Februar 2013

Reminiscere &


"Reminiscere miserationum tuarum, Domine, et misericordiarum tuarum quae e saeculo sunt." - „Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von der Welt her gewesen ist. (Ps 25,6 ). Daher der Name des Sonntags, es ist / war der Anfangsvers der Messe dieses Fastensonntags. Merkwürdigerweise hat sich mitunter in der evangelischen Kirche an oft überraschender Stelle mehr an alter Tradition erhalten als in der römisch-katholischen, aber wiederum auch nicht sehr oft. Verlassen wir besser diesen Gedankengang und geben kurz Bericht von der sonntäglichen „Fastenspeise“ - als beständiges Lebenszeichen zwischendurch sozusagen.

Es war ein gefüllter Schweinerippenbraten, das heißt, in beide Fleischstücke kam eine Tasche und dahinein einmal Trockenpflaumen, Zwiebel- und Apfelstücke, in die andere traten an die Stelle der Pflaumen Cranberries (eine Variante, die mir übrigens im Nachhinein besser gefiel). Das Ganze wurde mit Rouladennadeln verschlossen, da ich ungern mit Band arbeite, was aber die Gefahr mit sich bringt, daß das Ganze aufgeht, was prompt auch in dem einen Fall geschah. Das Ganze tat aber dem Geschmack keinen Abbruch. Dazu geschmorte Mohrrüben. Der letzte Sonntag wurde also gewissermaßen ausgeglichen. Auf die Länge gesehen, heben sich doch viele Dinge auch wieder gegenseitig auf, aber wer hat schon immer die Geduld für die Länge.

Der Stimmung angemessen etwas von Carlo Gesulda, Prinz von Venosa dazu.





Freitag, 22. Februar 2013

o. T.





Die Dinge aber sind hinter dem Nebelvorhang der Zeit
heil.


Dienstag, 19. Februar 2013

In memoriam



Christian Morgenstern

Täuschung

Menschen stehn vor einem Haus, --
nein, nicht Menschen, - Bäume.
Menschen, folgert Otto draus,
sind drum nichts als - Träume.

Alles ist vielleicht nicht klar,
nichts vielleicht erklärlich,
und somit, was ist, wird, war,
schlimmstenfalls entbehrlich.

„Schlimmstenfalls“ entbehrlich? Ist das Resignation, Realismus oder das Sprechen von jemandem, den das Leben, die Wirklichkeit unauflösbar verwirrt hat? Lassen wir Morgenstern für diesmal beiseite und schreiben ein wenig von uns selbst, auch wenn das unpassend erscheinen muß.

Als ich in jüngerer Vergangenheit an diesen Ort „zurückkehrte“, stand ich für mindestens das erste Jahr unter einer Art Schockstarre. Ich glaubte wohl auch, den Aufenthalt kürzer gestalten zu können, jedenfalls hielt ich mich von allem „Gesellschaftlichen“ draußen peinlich getrennt. Durch meine Neigung zur Lyrik geriet ich zögerlich dann doch in einen „Lyriksalon“, der im „Le Chat Noir“ - sonst ein Salon für italienische Mode – von der kultiviert-liebenswürdigen Gastgeberin Frau Klim regelmäßig gehalten, vor allem aber von Herrn de Buhr, einem Rechtsanwalt im „Ruhestand“, bestimmt wurde.

Es wurde also über Lyrik gesprochen - persische, romantische, englische, barocke, russische, expressionistische.., Gedichte von Achmatowa..., Bachmann, Benn, Bobrowski, Brockes, Brecht...

De Buhr, ein „Herr“ im Auftreten, erwies sich als ein bisweilen knorriger, meist gewinnender, lebhaft konzentrierter, in der Tiefe gebildeter Mann, dessen Literatur-Neigungen nicht nur breit angelegt, sondern auch von Jahrzehnte währender sorgsamer Lektüre geprägt waren. Meine Teilhabe an diesem Literaturkreis wurde intensiver, und unser Verhältnis von dem sich respektierender Gesprächspartner zu einem aufrichtig und tief freundschaftlichen.

Wir trafen uns regelmäßig, stritten über Politik oder Architektur, Carl Schmitt und Goethe, das Recht oder den Papst, tauschten Bücher aus und vieles andere. In naiveren Zeiten hatte ich die Illusion, Interesse für Literatur oder die Antike, überhaupt Geistiges würde automatisch Verbindendes erschaffen, aber das ist nicht so, auch schwachere Geister bedienen sich täuschend solcher Dinge. All dies ist eher eine Charakterprüfung, und wer damit in Kontakt gerät, entblößt vor allem sein Selbst. Ich aber hatte zu meinem Glück einen erhellenden Geist kennengelernt, in dieser oft so geistestrüben Stadt.

Als ich Silvester letzten Jahres im Hause Klim/de Buhr zu Gast war, muß er schon erhebliche Schmerzen gehabt haben, hielt sich aber tapfer und antwortete ausweichend höflich, einzig eine gewisse Mattigkeit war ihm anzumerken. Es war sehr angenehm, wenn ich zurückblicke. Er kündigte allerdings einen Krankenhausaufenthalt im Januar an, die Diagnose später war besorgniserregend, doch die Operation schien erfolgreich, nicht nur meine Besorgnis schwand und gab einer großen Erleichterung Raum.

In der Nacht auf diesen Dienstag ist Jürgen de Buhr verstorben.

Am schlimmsten:
nicht im Sommer sterben,
wenn alles hell ist
und die Erde für Spaten leicht.

aus Gottfried Benn - „Was schlimm ist“

Benn sollte das nächste Thema werden. Wenn man eigentlich nichts sagen mag oder kann, bleibt noch immer die Möglichkeit, sich auf Texte zurückzuziehen, wie diesen eben. Benn selbst hat eine Art Abschiedsgedicht geschrieben und es merkwürdigerweise auf den Epiphaniastag datiert, auf den 6. Januar 1956, er starb dann am 7. Juli desselben Jahres; nachfolgend die Endverse daraus (überraschenderweise sah ich das ganze Gedicht bei der taz).

Ich selbst finde in solchen Momenten eigentlich nur Antwort in den großen Worten der Tradition, wie denen, die in den für eine evangelische Bestattung vorgesehenen erscheinen, und das findet sich dann auf höchst eigentümliche Weise zusammen mit Herrn Benn:

Kann keine Trauer sein. Zu fern, zu weit,
zu unberührbar Bett und Tränen,
kein Nein, kein Ja,
Geburt und Körperschmerz und Glauben,
ein Wallen, namenlos, ein Huschen,
ein Überirdisches, im Schlaf sich regend,
bewegte Bett und Tränen -
schlafe ein!

aus Gottfried Benn - „Kann keine Trauer sein“


Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.
Die Chöre der Engel mögen dich empfangen, und durch Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben dich erfreuen.


nachgetragen am 26. Februar

Montag, 18. Februar 2013

Über das Recht und die Bäume







Unschudig gelesen klingt das, was in § 823 Abs. 1 BGB steht, wie die reine Vernunft:

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Aber am Ende ist das Recht auch nur ein Geflecht des Agierens, dessen sich Menschen bedienen, respektabel, solange es sich mit Vernunft beschränkt, weniger, wenn es aus Maßstabslosigkeit und Beschränkungsfreiheit zum frei metastasierenden Fluidum wird, das alles belegt und oft auflöst, ein Handlungsvorwand, der dann von bedeutungsvergewissernden Akteuren exekutiert wird.

Eines der Monstren, das aus dem obigen Paragraphen herausgezogen wurde, ist die sogenannte „Verkehrssicherungspflicht“. Das heißt, um uns Umwege zu ersparen, wenn jemand etwa in Besitz eines Baumes dessen Wachstum zuläßt, muß er sich auch dessen gewiß sein, daß der ab einem gewissen Zeitpunkt jemandem auf den Kopf fallen könnte, bei Sturm etwa, und dann - siehe oben. Das „Recht“ eben meint, nicht nur diese Gefährnisse steuern zu können, nein, zu müssen.

Wenn jemand nun seinen Berufszweck eben daraus bezieht, und (noch) viele Bäume vorhanden sind und die Ermessenabwägung kaum begrenzt wird (von wem?), kommen Bilder wie obige zustande, an diesem Montag aufgenommen (geschrieben einen Tag später, ich mußte das Ganze etwas sacken lassen). Erstaunlicherweise hatte sich also ein ganzer Haufen Bäume am Ufer des Sees verabredet, eben zum gleichen Zeitpunkt morbide zu werden, das klingt logisch, nicht wahr?

Ich kam an derselben Stelle einige Tage vorher vorbei (ohne Kamera), ein vernünftiger Waldarbeiter hielt mich kurz auf, die Sägeorgie war gerade zugange. Als ich ihm (etwas kürzer und mit leicht anderen Worten) das obige entgegnete, gab er mir nicht nur recht (das hätte leicht opportunistisch geklungen). Er erklärte mir auch, wie man es hätte anders machen können und welch schlimmere Dinge er schon hätte ausführen müssen. Aber der gute Mann mit seinem praktischen Sachverstand und ich mit meiner Fassungslosigkeit mußten da halt vor freilaufenden Experten zurückweichen.

Aber kürzer ließe diese Stadt sich auch kaum beschreiben.



Sonntag, 17. Februar 2013

Sonntag &

poorly translated

So fand eine leere Woche ihren passenden Abschluß, einen salzigen nämlich. Bequemlichkeit rächt sich mitunter unverzüglich. So war es diesmal der Fall. Ich hatte mir eigentlich längst abgewöhnt, Fleisch im nächstgelegenen Supermarkt zu kaufen. Aus gewissen Gründen tat ich es doch und erwarb ein großes Stück Krustenbraten vom Schwein.

Das Rezept, so glaube ich noch immer, ist empfehlenswert – der Schweinebraten wurde gepfeffert und gesalzen und von allen Seiten scharf angebraten, ebenfalls angeschmort wurden Mohrrüben, Petersilienwurzeln und Zwiebeln; Braten und Gemüse kamen zusammen in den Ofen (außerdem frischer Thymian und Rosmarin); die Kruste wurde mit Senf bestrichen, dazu gesellten sich Schwarzbier und Hühnerbrühe. Nach etwa 1 ¾ Stunden verschwand das Teil in Aluminiumfolie zum Ruhen. Und beim Verkosten des Fonds kam der Schock -  2 Stunden Bemühung hatten zu einem Hauptgeschmack geführt – Salz.

Dem Kleingedruckten entnahm ich im Nachhinein, daß das Ding mit Salz haltbar gemacht worden war. Das wäre nicht so ungewöhnlich, leider. Aber es besteht, denke ich immer noch ein Unterschied zwischen haltbar gemachtem Fleisch und einem Pökelbraten, zumindest sollte man das vielleicht besser daraufschreiben. Ich hatte zwar noch versucht, mit Sahne und Zucker etwas zu retten, aber gegen einen doppelt gesalzenen Pökelbraten ist nun wirklich kein Kraut gewachsen (auch wenn beides keine Kräuter waren).

Das Fleisch immerhin war noch halbwegs genießbar. Für den Rest brauchte man dann eher die Salzresistenz meiner Frau Mutter. Die Idylle der Bilder trügt also einmal mehr. Und darüber konnte auch ein Herr Haydn nur mäßig hinweghelfen.




So an empty week found its fitting conclusion, namely a salty one. Idleness retaliates sometimes immediately. And that was the case here. I had actually given up long ago buying meat at the nearest supermarket. For some reason I did it this time and bought a large piece of roast pork (with crackling).

The recipe, I still think it’s not that bad - the pork was peppered and salted and seared on all sides, also braised were carrots, parsley roots and onions; roast and vegetables came together in the oven (also fresh thyme and rosemary); the crust was coated with mustard, it was joined by black beer and chicken broth. After about 1 ¾ hours of roasting the meat disappeared in aluminum foil to rest. And tasting the gravy the shock took place - 2 hours effort had resulted in one single main flavour - salt.

On the label I discovered afterwards the thing had been preserved with salt. That wouldn’t be so unusual, unfortunately. But there is still, I think, a difference between treated and salt meat, at least one should expect a notice about this small issue. I was trying to save a rest of different flavour with cream and sugar, but there is no cure for a double-salted salt meat really (even though both were no herbs).

The meat was still at least half edible. For the rest you needed rather the salt resistance of my elderly mother. So once more the idyll pictures might paint deceives. And Mr. Haydn was only moderately helpful to make it rather bearable.


Sonntag, 10. Februar 2013

Sonntag &






Ich hatte versprochen zu erklären, worum es sich bei der schwärzlichen Masse . hier auf den letzten Bildern handelt. Zumindest liegt diese Vermutung angesichts der vorigen Anmerkung „Text folgt morgen“ nahe. Nun, am nächsten Tag war ich alles andere als in Schreiblaune. Wie auch immer.

Es sieht schlimmer aus als es war, was die schönere Variante ist. Ein Schnitzelbraten vom Schwein, der zum Trocken-Werden neigt, daher wieder eine Kräuterkruste aus Butter, Senf und eben verschiedenen  Kräutern (diverse tiefgefrorene italienische Kräuter, schließlich ist es Winter, und frischer Rosmarin und Petersilie, kleingehackt). Darunter war der Braten gesalzen und gepfeffert. Die Kruste wurde etwas dunkel, war aber trotzdem nicht etwa verbrannt oder bitter, ganz im Gegenteil. Eindrücke täuschen häufig, wie wir wissen. Dazu Rosenkohl. Ach, und als Begleitmusik gab es etwas Mozart (KV 207, 211 und 216). Und das muß genügen, für diesmal.

Text nachgetragen am 12. Februar

Freitag, 8. Februar 2013

Über Pragmatismus im besseren Sinne


Franz von Lenbach: Otto von Bismarck

Herr Roloff erinnert uns heute an ein Ereignis, das, wenig überraschend, mit dem Fürsten Bismarck zu tun hat, zugleich ist es ein Lehrstück darüber, daß Pragmatismus vielerlei bedeuten kann. Dem einen gerät er zur Ausrede, der andere versucht damit sein intellektuelles oder moralisches Unvermögen zu behübschen, und wieder ein anderer sieht die Dinge, wie sie nun einmal sind, versucht, damit anständig zurecht zu kommen und, mehr noch, den Tatsachen einen höheren Zweck abzunötigen.

Jan Matejko: "1863 - Polonia"

150. Jahrestag der Alvenslebenschen Konvention

Nachdem Otto von Bismarck im September 1862 preußischer Ministerpräsident geworden war, landete er mit der Alvenslebenschen Konvention, die am 8. Februar 1863 auf sein Geheiß hin durch General Gustav von Alvensleben und den russischen Außenminister Alexander Gortschakow in St. Petersburg abgeschlossen worden war, seinen ersten bedeutenden außenpolitischen Erfolg.

Hintergrund der Vereinbarung mit Russland war der im zum Zarenreich gehörenden Kongresspolen ausgebrochene sogenannte Januaraufstand. Dieser hatte die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Polens zum Ziel und bedrohte dadurch auch Preußen, dessen Provinzen Posen und Westpreußen über starke polnische Bevölkerungsanteile verfügten. Dadurch hatten Preußen und Russland gemeinsam ein erhebliches Interesse daran, dass der Aufstand rasch eingedämmt würde. Mit der Alvenslebenschen Konvention wurde es nun möglich, dass russische und preußische Truppen bei der Verfolgung der Aufständischen die Grenze zum Nachbarstaat jeweils überschreiten durften. Gegenüber dem preußischen Botschafter in London machte Bismarck in unumwundener Offenheit klar, warum die Alvenslebensche Konvention von so großer Bedeutung ist: „Die Dämpfung des polnischen Aufstandes ist für uns eine Lebensfrage, jeder Versuch einer Herstellung Polens ein Attentat auf Preußens staatliche Existenz. Wir könnten eher Belgien in französischen Händen, als ein freies Polen vertragen.“

Jedoch wurde relativ schnell deutlich, dass das Ziel einer wirklich allgemeinen Erhebung der Polen nicht erreicht werden konnte. Der Aufstand war völlig unzureichend vorbereitet und wurde auch von weiten Teilen der Bauernschaft nicht unterstützt. Die Folgen der Rebellion waren denn auch fatal. Es wurden nicht nur zahlreiche Aufständische hingerichtet und tausende nach Sibirien verbannt, sondern auch diejenigen Freiheiten wieder aufgehoben, die Russland den Bewohnern Kongresspolens im Bereich von Verwaltung und Bildung zugestanden hatte. So muss man wohl feststellen, dass der Januaraufstand vielleicht durch großen persönlichen Mut vieler Polen getragen wurde, es mangelte aber mit Sicherheit an politischer Klugheit in seiner Führung.

Die Alvenslebensche Konvention, die bei der Bekämpfung des Aufstandes kaum praktische Auswirkungen hatte, wurde dennoch zum diplomatischen Meisterstück Bismarcks, weil durch sie das Verhältnis zu Russland eine dauerhafte Vertrauensgrundlage erhielt, die das folgende Jahrzehnt ganz und gar ungetrübt erhalten bleiben sollte. Preußen konnte sich nun des russischen Wohlwollens bei der Lösung der deutschen Frage und der Errichtung des durch Preußen geführten Reiches sicher sein. Das war natürlich von ganz besonderer Bedeutung, als 1870/71 der französische Widerstand gegen die Einheit Deutschlands niedergerungen werden musste. Der Namensgeber der Konvention Gustav von Alvensleben kommandierte in diesem Krieg übrigens sehr erfolgreich das in Magdeburg stationierte IV. Armeekorps und führte es in die Schlachten von Beaumont und Sedan. Für seine Verdienste erhielt er vom König eine Dotation in Höhe von 100.000 Talern.

Für uns heute ist diese Episode vielleicht nur noch dadurch von Bedeutung, weil sich in ihr die Fähigkeit Bismarcks spiegelt, konsequent nach dem wohl begründeten, überwiegenden Interesse des Staates zu streben, das in einem verlässlichen Verhältnis zu Russland lag, und sich nicht für Illusionen zu begeistern wie den verständlichen Hoffnungen des polnischen Volkes.
Thomas Roloff

Etwas Schnee zwischendurch










Mittwoch, 6. Februar 2013

Nachträge &



Andreas Gryphius

Menschliches Elende

Was sind wir Menschen doch? ein Wohnhaus grimmer Schmerzen
Ein Ball des falschen Glücks / ein Irrlicht dieser Zeit /
Ein Schauplatz aller Angst / besetzt mit scharfem Leid /
Ein bald verschmelzter Schnee / und abgebrannte Kerzen.

Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid /
Und in das Toten-Buch der großen Sterblichkeit
Längst eingeschrieben sind / find' uns aus Sinn und Herzen.

Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt /
Und wie ein Strom verschießt / den keine Macht aufhält /
So muß auch unser Nam' / Lob / Ehr und Ruhm verschwinden.

Was itzund Atem holt, muß mit der Luft entfliehn /
Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nachziehn /
Was sag ich? Wir vergehn' wie Rauch von starken Winden.


Dies vermeintlich trostlose Gedicht ist von großer bergender Schönheit. Das Wunder der Poesie eben. Ich bin darüber erneut gestolpert, als ich mich an dem Freiherrn von Abschatz abmühte. Aber ich hatte diese skurile Idee, bevor ich mich zu anderen Orten äußere, sollte ich besser selbst wieder etwas zustande bringen.

Darum gibt es auch einen weiteren Nachtrag, den über den Geburtstag des „Heiligen Römischen Reiches“ nämlich, man findet ihn hier. Die Bilder sind von heute, eine merkwürdige Anmutung von Winter.



Montag, 4. Februar 2013

"Sagen ist der Weiber Ruhm/ Thun der Männer Eigenthum" - Frh. v. Abschatz &

Parmigianino, hier gefunden

Die Verse des Freiherrn von Abschatz beschreiben eher ein lieblich überschaubares als dramatisch bewegtes Gewässer. Dabei war er persönlich ehrenhaft und angesehen, ein aufrechter schlesischer Lutheraner, aber nicht ohne Witz, wie wir etwa dem nachfolgenden Gedichtanfang entnehmen können (dabei war er wohl durchaus glücklich verheiratet):

Nichts/ was des Himmels Zorn auff unsre Schultern legt/
Was unsre Zärtligkeit mit Furcht und Schrecken trägt/
Nicht Sorge/ Leyd und Qual/ nicht Kummer/ Angst und Wehe/
Nicht Armutt/ Streit und Haß/ nicht Brand noch Wassers-Noth/
Nicht Hitze/ Kält und Frost/ nicht Hunger/ Mord und Tod/
Gleicht sich an Grausamkeit dem schweren Joch der Ehe...

Der Rest findet sich hier, aber man sei gewarnt, es zieht sich, sie hatten einfach viel Zeit damals. Hans Aßmann Freiherr von Abschatz wurde 1646 in Breslau geboren und starb 1699, ebenso in Schlesien, in Liegnitz, er ist einer der späteren Vetreter deutscher Barocklyrik (Biographisches findet man an diesem und diesem Ort).  Ich bekam einfach ein schlechtes Gewissen, diese von mir so geschätzte Literaturepoche jüngst so sehr vernachlässigt zu haben (u.a.).

Parmigianino - The Vision of St Jerome

Der Schütze

Ein Bogen ist mein Leben/
Mein Thun der Pfeil/ die Sehne mein Entschluß/
Die Ehre soll das Ziel/ ich will den Schützen geben/
Nach bester Mögligkeit richt ich den Schuß/
Trifft er nicht nach Verlangen an/
So trösten mich Gewissen und Gedult/
Dem Glücke bleibt die Schuld:
Mein Absehn geht auffs rechte Ziel/
Der Bogen breche wenn er will/
Ich spann ihn/ weil ich Athem holen kan.

Parmigianino - Huntsmen sounding his horn with a staghunt in the distance

Ein berührendes Lob der Freundschaft stimmt er mit den nachfolgenden Versen an (so ganz im Gegensatz zu den harschen Eingangsworten über die Ehe, obwohl auch jene an anderer Stelle wieder aufgelöst werden, wohl mehr eine Art Rollenspiel folglich):

Das Glücke wendet sich/ der Ehre Rauch verschwindet/
Man kömmt um Geld und Gutt/ das schöne Weib wird alt/
Ein Freund bleibt wie er ist. Nicht Alter/ noch Gewalt/
Nicht Neyd noch Glücke trennt/ was Lieb und Treue bindet:
Was die Natur verknüpfft/ wird offtermahls zurissen/
Was Freundschafft feste macht/ wird ewig halten müssen.

In der Tat, die Bande des Natürlichen sind oft weit weniger verläßlich, als sie versprechen, und dankbar darf sich fühlen, wer aus eigenem Bemühen etwas vertraut erhalten konnte. Und dann stutzt man ganz erheblich bei den nachfolgenden Versen - zur Erläuterung, es gibt diese ausgeleierten Floskeln, die uns ein Leben lang belästigen, wie z.B. - „Prost! So jung kommen wir nicht wieder zusammen!“, und was müssen wir lesen:

Ein Glaß

Man lösche/ weil es geht/ des Durstes strenge Flammen/
Wir kommen doch so jung nicht wiederum zusammen.

Manches erhält sich offenkundig unausrottbar über die Jahrhunderte.

Und wo wir gerade sowieso nicht unbedingt auf den Höhenzügen des Geistes verweilen, will ich nicht alles vorenthalten, was er aus dem Spruchbeutel über uns ausszuchütten vermag,. Wir beginnen noch nahezu philosophisch, aber das ändert sich bald:

Nimm nicht vor eigen an/ was vom Gelücke kümmt/
Weil/ was der Morgen giebt/ der Abend öffters nimmt.

Wie ich heute bin gesinnt/ warum war ichs nicht vorhin?
Oder/ warum bin ich nicht/ was ich vor gewesen bin!

Nur die Gütter des Gemüttes bleiben fest und unverrückt:
Von des schönen Leibes Blüte wird was täglich abgezwickt.

Der Ton wechselt:

Nicht leicht ohne Flöh auffsteht
Wer mit Hunden schlaffen geht.

Je höher der Affe die Leiter ansteigt/
Je mehr er die Blöße des Hintersten zeigt.

Besser Wolle weggeschoren/
Als das gantze Schaf verlohren.

Katze zieh die Handschuh aus/
Sonsten fängst du keine Maus.

Sagen ist der Weiber Ruhm/
Thun der Männer Eigenthum.

Langer Röcke/ kurtzer Sinnen
Wird man bey den Weibern innen:
Minder als des Mondes Schein
Können sie beständig seyn/
Ja heist öffters ihr Verneinen/
Gutt gemeynt ihr Böse-scheinen.

Auch über die Nachbarvölker hat er seine festgefügte Meinung:

Gemeines Sprüchwort schäzt den Mann aus seinem Gange/
Den Groschen nach dem Klang/ und Vögel vom Gesange:
Der Frantzmann bricht die Red/ hält Sylb und Hertz zurücke/
Der Welsche fälscht das Wort/ steckt insgemein voll Tücke/
Ein stoltzer Spanier wird Pracht in Worten führen/
Der Britten Wanckelmutt läst ihre Zunge spüren:
Zum Zeichen/ daß man deutsch und unverändert bleibt/
So schreibt man/ wie man redt/ und redet wie man schreibt.

Obwohl von uraltem schlesischem Adel, war ihm Standesdünkel gänzlich fremd, was nicht heißt, daß ihm Wert und Unterscheidung gleichgültig gewesen wären:

Die Natur läst ihre Gunst gegen alle gleich erscheinen/
Tugend macht den Unterscheid zwischen Edlen und Gemeinen.

Wer einen Edelmann ohn eigne Tugend schaut/
Der sieht ein leeres Hauß auff fremden Grund gebaut.

Ahnen die man rechnen kan/
Und was wir nicht selbst gethan/
Schätz ich für entlehnten Ruhm/
Nicht für wahres Eigenthum.

Des Pöbels ungewisser Sinn
Wanckt/ wie die Wellen/ her und hin.

Nicht schlaffen/ und dennoch liegen im Bette/
Vergebens erwarten was man gern hätte/
Treu dienen/ und kein Erkäntnis genießen/
Sind Dinge/ die einen auffs Sterben verdrießen.

Und schließlich:

Unwiederbringlich ist der edlen Zeit Verlust:
Drum schau bey Zeiten zu/ wo du die Zeit hinthust

Parmigianino - Portrait of a man with a Book

Petrarcha, Est aliquid bene qui meminit

Zwar das Gedächtnis ist ein Schatz von grossem Werth/
Doch wär es offtermahls viel besser nichts gedencken/
Als mit Erinnerung deß/ was uns widerfährt/
Sich täglich sonder Noth und Frucht auffs neue kräncken.

So tatsächlich seicht ist unser Freiherr denn doch wieder nicht, und allein über den Sinn des Erinnerns,  was er mit so scheinbar leichter Hand hier eben streifte, ließe sich wahrlich vieles ausführen.

Parmigianino - Pallas Athene
Und an Worten, wie den folgenden, können wir dann doch finden, daß wir es mit einem Dichter von ganz eigenem Tonfall zu tun haben:

Der gute Traum

Mein Glücke lacht/
Melinde spielt mit angenehmen Blicken/
Ihr holder Mund giebt Worte/ die entzücken/
Ich küsse sie bey tunckler Mitternacht/
Mein Glücke lacht.

Mir traumt wohl nicht:
Ich seh ihr Bild um meine Ruhstatt spielen/
Hör ihre Sprach/ und misse nichts als Fühlen.
Ach Schade/ daß das Beste noch gebricht!
Mir traumt wohl nicht.

Es wird wohl seyn:
Die Hoffnung speist nicht stets mit leeren Schalen.
Erblickt man nur der Morgenröthe Stralen/
So folget auch der nahen Sonne Schein.
Es wird wohl seyn.

Parmigianino - The Mystic Marriage of St Catherine

Meine Auswahl ist natürlich restlos willkürlich. Vor allem die geistlichen Gedichte habe ich gänzlich ausgelassen und von den verliebten nur eines gebracht. Es gibt viele andere. Man schaue, so man neugierig wurde, näher auf diesen Ort.

Ach übrigens stammen die Bilder, zu denen ich nur „Parmigianino“ anmerkte, von einem italienischen Maler (1503 – 1540), über den ich kürzlich gestolpert bin und der mich sofort faszinierte. Eigentlich hieß er Girolamo Francesco Maria Mazzola und hat mit unserem schlesischen Dichter nicht das geringste zu tun. Bei mehr als 100 Jahren zeitlicher Trennung wäre das auch verwunderlich.

Parmigianino - Bow-carving Amor

nachgetragen am 6. Februar