Es ist wahrlich keine aktuelle Baustelle, diese Sache, aber das Asketische hat doch mehr abstoßende Züge, als erträglich wären: Der Tanz verführt zur Sünde, Spielleute sind unehrbare Gestalten. Es ist eine unchristliche Menschen- und Schöpfungsfeindschaft darin, die je länger je mehr ich nicht ertragen mag. Sie muß direkterweise vom Teufel herrühren (der sich gerne fromm verstellt). Aber, wie gesagt, das alles ist keine populäre Lektüre. Nur warum sollten wir anfangen, uns nach Moden zu richten.
Unser Vater Luther, den wir am Reformationstag fleißig gelesen haben (manche Bücher hat man offenkundig nur bei den immer wieder anfallenden Umzügen in der Hand gehabt), war kurioserweise der Anlaß für die eben getätigte Bemerkung; denn aus manchem Winkel seines Denkens springt uns dann allerdings etwas an, das wir umgehend zurückschicken müssen (selbstredend nicht in der Manier notorischer Christenfresser, siehe dafür etwa hier). Immerhin hat er zuletzt eine entlaufene Nonne geehelicht.
Wir gehen in die gerade eben vergangene Zeit zurück (meine treuesten Leser hassen das, ich weiß, aber es soll bald noch mehr Nachträge geben, und dieser war sozusagen seit Tagen fertig). Aus Anlaß des Reformationstages hatte ich ein kleines Luther – Florilegium zusammen getragen. Und die merkwürdige Häuslichkeit auf den Bildern will einen schlichten Rahmen bieten für die kärgliche Auswahl aus meinen Lesefrüchten, die ich nachfolgend denn doch nicht vorenthalten mag (es war übrigens eine Art Gemüsesuppe mit einer Einlage aus Relikten von Tiefgefrorenem, mit sehr viel an verschiedenem Gemüse und darüber hinaus merkwürdigerweise ziemlich gut zu essen).
Von Luther geschrieben & überliefert
„So siehst du, was an Gott glauben heißt, nämlich, ein solches Herz gewinnen, das groß und unverzagt wird gegen alles, was der Teufel und die Welt vermag, Armut, Unglück, Schande und Sünde dazu.“
"Was soll man aber von dem sagen, der nicht allein um Guts willen, sondern auch um zeitlicher Ehre willen krieget, daß er ein so weidlicher Mann sei, und angesehen werde?... Ehrgeiz und Geldgeiz ist beides Geiz, einer sowohl unrecht als der andere, und wer in solchem Laster krieget, der krieget ihm die Hölle."
“Die Welt ist gleich wie ein trunkener Bauer, hebt man ihn auf einer Seiten in den Sattel, so fällt er zur andern Seiten wieder herab; man kann ihm nicht helfen, man stelle sich, wie man wolle. Also will die Welt auch des Teufels sein.“
"Der Teufel pflegt uns in Kleinigkeiten zu quälen. Ich habe einmal Gewissensbedenken gehabt, als ich in Worms war, ob ich den Kaiser 'Allergnädigster Herr' anreden sollte. Die Sach ist gering; da es aber allgemeine Gewohnheit und ein amtlicher Titel war, warum hätte ich's nicht tun sollen! Aber der Teufel hat seine Freude an solchen leeren Dingen."
„Es ist aber nicht ein seltsam unerhört Ding, dass der Teufel in den Häusern poltert und umbhergehet. In unserm Kloster zu Wittenberg habe ich ihn bescheiden gehört. Denn als ich anfing den Psalter zu lesen, und nachdem wir die Nacht-Metten gesungen hatten und ich im Remper saß, studieret und schriebe an meiner Lection, da kam der Teufel und rauschet in der Höllen dreimal, gleich als wenn einer einen Scheffel aus der Höllen schleifte.
Zuletzt, da es nicht wollt' aufhören, rafft' ich meine Bücherlein zusammen und ging zu Bette; aber mich reuet es diese Stunde, dass ich ihm nicht aussaß und hätte doch gesehen, was der Teufel noch wollte gemacht haben. So hab ich ihn sonst auch ein Mal über meiner Kammer im Kloster gehört, aber da ich vermerkt, daß er's war, acht' ich's nicht und schlief wieder ein."
"Vergil hat viel schlechte Dichter hervorgelockt, Philipp Melanchthon viel schlechte Dialektiker, ich viel schlechte Theologen, denn einige schreiben nach dem Holzmaß; manche meinen, wenn sie drei Sätze hätten, wäre es schon eine Schlußfolgerung."
Es ist wahr, daß halbgelehrte Leute die unnützesten Leute auf Erden sind, und wäre ihnen viel besser, daß sie gar nichts könnten. Denn sie gehorchen niemand nicht, können es alles selbst bessser denn alle Welt, wissen zu urtheilen alle Kunst und Schrift, und Summa, sie können niemand etwas Rechtschaffenes lehren und lassen sich auch von niemand lehren."
"Aristoteles ist gar ein Epikureer, hält's dafür, daß Gott nach menschlichen Dingen nicht frage, achte nicht, was und wie wir's machen und treiben, lasse uns haushalten, wie wir wollten, als ging es ihn nicht an; und da er's gleich glaubet, so denkt er, Gott regiere die Welt, gleichwie eine schläfrige Magd ein Kind wieget. Aber Cicero ist viel weiter kommen. Ich glaube, daß er hat zusammengelesen und bracht, was er Guts funden hat bei allen griechischen Skribenten und Lehrern in ihren Büchern."
„Erasmus ist ein rechter Momus, der alles verspottet, auch die ganze Religion und Christum. Und auf daß er's desto baß tun könne, erdenkt er Tag und Nacht Wankelwort, daß seine Bücher auch können von Türken gelesen werden. Wenn man meinet, er habe viel gesagt, so hat er nichts gesagt. Denn alle seine Schriften kann man ziehen und deuten, wie und wohin man will.
Erasmi vornehmste Lehre ist, man soll den Mantel nach dem Winde hangen, dass er möchte Ruhe und gute Tage haben und ist gestorben wie ein Epikuräer.“
„Erasmus Roterodam hält die christliche Religion und Lehre für eine Komödien oder Tragödien, in welcher die Ding, so darinnen beschrieben werden, niemals also geschehen und ergangen sind wahrhaftig, sondern sind allein darum erdichtet, daß die Leute nur zu einem feinen äußerlichen Wandel und Leben unterrichtet und angerichtet würden zu guter Disziplin und Zucht.“
"Weisheit, Verstand und Gelehrtsein und die Schreibfeder, die sollen die Welt regieren. Wenn Gott zürnte und alle Gelehrten aus der Welt wegnähme, so würden die Leute gar zu Bestien und wilden Tieren; da wäre kein Verstand noch Witz, kein Recht, sondern eitel Rauben, Stehlen, Morden, Ehebrechen und Schaden tun. Wer den andern vermag, der steckt ihn in den Sack. Der Pöbel wollte, daß keine weisen, verständigen, gelehrten Leute und Prediger wären, daß sie möchten leben wie sie wollten. Wenn das geschähe, so verginge die Welt; denn ohne Verstand, Weisheit und Gesetze können weder Türken noch Tataren leben und haushalten."
„Es können nicht alle zugleich Könige, Fürsten, Ratsherren, Reiche und Freie sein, denn die Welt kann ohne mancherlei und unterschiedliche Personen nicht bestehen: Wie vor Gott kein Ansehen der Person ist, sondern alle gleich sind, so braucht doch die Welt das Ansehen der Person und die Ungleichheit. Und das dazu, damit die Bösen im Zaume gehalten und der öffentliche Friede gewahrt werde, der bei völliger Gleichheit und Unterschiedslosigkeit aller Menschen nicht bestehen kann.“
„Es ist wohl leicht, eine Obrigkeit und Regenten bei Seite schaffen aber es ist nicht gleich eine bessere da... Im äußerlichen weltlichen Leben soll die Ungleichheit bleiben; wie denn die Stände ungleich sind... Wer da wollte eine Gleichheit machen, daß der Knecht so viel gelten soll, als sein Herr, die Magd so viel Gewalt haben, als die Frau, ein Bauer so viel als sein Fürst, der würde ein sehr löbliches Regiment einführen, wie man an den Aufrührern wohl gesehen hat. Da würde wohl niemand seines Lebens, Ehre und Gutes sicher sein können und keine Nacht ruhig schlafen... und ehe man in Deutschland eine neue Weise des Reichs anrichtete, so wäre es dreimal verheeret.“
„Wird man aber die Blattern ausreißen mit Unbarmherzigkeit, so wird den Schaden und Schmerzen niemand bas fühlen, denn solche kluge Balbierer, die den Schwären lieber ausreißen, denn heilen wollen. Es bleibet wohl dabei, wo ein ungesunder Leib ist, daß daselbst auch Blattern und Eiter sind. Regiment aber ist ein solches blatterichtes Kind, das die Bocken und Masern hat. Darum müssen darinne etliche Fromme sein, die es bei dem Leben und Wesen erhalten, daß es nicht zu Grunde gehe...Denn Aufruhr ist... wie ein groß Feuer, das ein Land anzündet und verwüstet. Dem gemeinen Mann ist nun sein Gemüth zu stillen und zu sagen, daß er sich enthalte auch der Begierden und Worte, so zum Aufruhr sich lenken. Denn die Weise ist nichts nütze, bringt auch nimmermehr die Besserung, die man damit suchte. Denn Aufruhr hat keine Vernunft, und geht gemeiniglich mehr über die Unschuldigen, als über die Schuldigen.“
„Und sonderlich von den Bildern hab ich am letzten also geredt, daß man sie solle abthun, wenn sie angebetet; sonst mag man sie wohl leiden... und müssen nicht so bald zufahren, wenn ein Mißbrauch eines Dings vorhanden ist, daß wir dasselbige Ding umreißen oder zunichte machen wollten. Denn wenn wir alles wollten verwerfen, des man mißbraucht, was würden wir für ein Spiel zurichten? Es sind viel Leute, die die Sonne, den Mond, und das Gestirn anbeten; wollen wir darum zufahren und die Sterne vom Himmel werfen, die Sonne und den Mond herab stürzen?"
"Der Wein und die Weiber bringen manchen in Jammer und Herzeleid, machen viele zu Narren und wahnsinnigen Leuten; wollen wir drum den Wein wegschütten, und die Weiber umbringen? Nicht also! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten: soll man drum Solches alles wegwerfen? Nein, wahrlich! Ja, wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müßten wir uns selbst vertreiben und tödten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind, denn unser eigen Herz; wie der Prophet Jeremias sagt C. 17., V. 9...
Denn was mir Gott nicht verbeut, und ichs frei hab, zu thun oder zu lassen, da soll mir kein Mensch, ja kein Teufel noch kein Engel irgend ein Gebot draus machen, und sollt es auch Leib und Leben kosten... Aus dieser Geschichte sollt ihr lernen, daß wir unserer Freiheit gebrauchen sollen zu rechter und bequemer Zeit, damit der christlichen Freiheit nichts abgebrochen und unsern Brüdern und Schwestern, die noch schwach und dieser Freiheit unwissend sind, kein Ärgerniß gegeben werde.“
„Wenn man heiraten will, so soll man nicht nach dem Vater, sondern nach der Jungfrauen Mutter Geruch fragen. Warum? Weil das Bier im Allgemeinen nach dem Faß riecht.“
"Der Fall Adams hat unsere Natur verderbt, daß sie ganz unbeständig geworden ist. Sie läuft hin und wider wie Quecksilber!... Adam und Eva werden sich gar weidlich oft die neunhundert Jahre miteinander gescholten haben: 'Du hast den Apfel gefressen.' Darauf die Antwort: 'Warum hast du ihn mir gegeben?"
"Summa, es ist ein hoher Stand, wenn er wohlgerät; da er aber nicht gerät, so sollt einer lieber tot sein, denn einen sichtlichen Teufel an der Seite haben. Wer die Gabe und Gnade hat, keusch ohne Ehe zu leben, der danke Gott! Christus, Maria, Johannes der Täufer sind ledig und nicht im Ehestande gewesen. Der Papst hat diese sonderliche enzliche Gabe ohne Gottes Gnade ingemein wollt dringen und erzwingen und es besser wollen machen; aber wie es geraten ist, das siehet man wohl.“
„Die den Zölibat befürworten, sollten auch das Scheißen verboten haben.“
„Wir haben einmal hier wider Willen der Eltern zweie zusammengegeben. Der Bräutigam war ein ehrlicher und reicher Geselle, die Braut war arm und hätte ihn gern genommen. Ihr Vater aber wollte es nicht, er sagte nämlich, er müßte sie im Hause haben. Da habe ich geantwortet: 'Es gibt viele Mägde hier, mietet euch eine!' Und gab sie zusammen.“
„Christus, da er Menschen erziehen wollte, mußte er Mensch werden. Sollen wir Kinder erziehen, so müssen wir auch Kinder mit ihnen werden.“
„Wenn das ein Mensch vermöchte, daß er ein einzige Rose machen könnte, so sollte man ihm ein Kaisertum schenken! Aber der unzähligen vielen Gaben Gottes achtet man nicht, weil sie gemein sind und wir täglich damit umgehen, fragt man nicht viel darnach, meinen, es muß also sein, geschehe natürlich ohn Gefährde."
"Lutherrose", hier gefunden
„Magister Georgius Spalatinus hatte einmal an Kurfürst Friederichs zu Sachsen Hofe gesagt: Daß Cornelius Tacitus schriebe, daß bei den alten Deutschen keine Schande gewesen, Tag und Nacht zu saufen. Solches höret nun ein Edelmann und fraget ihn: Wie alt solchs wohl sei, da dies geschrieben worden wäre? Als er nun antwortet: Es sei wohl bei fünfzehnhundert Jahren. Da spricht der Edelmann: 'O lieber Herr, weil Vollsaufen also ein alt, ehrlich Herkommen ist, so lasset's uns jetzunder nicht abbringen!'“
„Ein junger Mensch ist wie ein junger Most, der läßt sich nicht halten, er muß gären. Wir essen und trinken uns zu Tode, schlafen, feisten, farzen uns zu Tode. Ei, wir haben feine Ursach, hoffärtig zu sein.“
Daß selten ein gut Werk aus Weisheit und Fürsichtigkeit fürgenommen werde oder geschehe, sondern es müsse alles in einem Irrsal oder Unwissenheit geschehen.
„Leihest du, so kriegst du es nicht wieder. Gibt man dir's wieder, so geschieht's doch nicht so bald und so wohl und gut. Geschieht's aber, verlierst du einen guten Freund.“
„Wer die Musicam verachtet, wie denn ale Schwärmer tun, mit denen bin ich nicht zufrieden. Denn die Musica ist eine Gabe und Geschenke Gottes, nicht ein Menschengeschenk.“
„Es ist kein Baum, der zuvor nicht wäre ein Sträuchlein gewesen. Zeit bringt Rosen.“
Luther auf seiner letzten Reise in Eisleben, als ein Barbier ihm die Haare schnitt und den Bart abnahm: Die Erbsünde im Menschen wäre gleich eines Mannes Bart, welcher, ob er wohl heute abgeschnitten würde, daß einer gar glatt ums Maul wäre, dennoch wüchse ihm der Bart des Morgens wieder. Solches Wachsen der Här und Barts hörete nicht auf, dieweil ein Mensch lebete; wenn man aber mit der Schaufel zuschlägt, so höret's auf. Also bleibet die Erbsünde auch in uns und reget sich, dieweil wir leben; aber man muß ihr widerstehen und solche Här immerdar abschneiden.
„Den Vergil in seinen Bucolicis kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte gewesen. Den Vergil in seinen Georgicis kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Ackermann gewesen. Den Cicero in seinen Episteln kann niemand ganz verstehen, er habe denn 25 Jahre in einem großen Gemeinwesen sich bewegt. Die Heilige Schrift meine niemand genugsam geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre lang mit Propheten wie Elias und Elisa, Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln die Gemeinden regiert. Versuche nicht diese göttliche Äneis, sondern neige dich tief anbetend vor ihren Spuren! Wir sind Bettler. Das ist wahr. 16. Februar, anno 1546“
nachgetragen am 8. November