Montaignes Turm
Während ich einen geborstenen kleinen Alabasterleuchter (äußerlich) zu reparieren versuche (die Kerze war bis zum Grund heruntergebrannt und Alabaster ist eigentlich denkbar ungeeignet für Kerzenleuchter; aber das war noch nie ein hinreichend ausschließendes Argument dafür, gewisse Dinge auszulassen, insbesondere, wenn sie nett aussehen), ärgert mich mein Gedächtnis mit Worten wie:
Wir ordnens. Es zerfällt.
Wir ordnens wieder und zerfallen selbst.
Literatur kann mitunter recht anstrengend sein, insbesondere, wenn man den Autor vielleicht zu oft gelesen hat.
Nicht anstrengend war eine angenehme Plauderei über Montaigne, die ich erst nicht erwerben wollte, weil sie ein Bestseller war, in Frankreich (Antoine Compagnon: "Ein Sommer mit Montaigne"). Aber es ist ganz wunderbar zu lesen (und das bei einem solch ehrfurchtgebietenden Autor):
„Wenn sich ein einzelner Teil lockert, kann man ihn abstützen; man kann sich der Verderbnis und dem Verfall, denen alle Dinge von Natur aus unterliegen, so entgegenstemmen, daß wir wir nicht zu weit von unsren Anfängen und Grundlagen weggetragen werden. Jene Leute jedoch...: Einzelne Fehler wollen sie durch einen allgemeinen Umsturz bereinigen und die Krankheiten heilen durch den Tod.“
Obige Übersetzung, der man in der deutschen Ausgabe besagten Buches durchgehend folgt, entstammt übrigens diesem Trum, das ich leider nicht als Taschenbuch erworben habe (so wird der Autor jedes Mal auch zur physischen Herausforderung, wenn ich ihn nicht auszugsweise lesen will).
Über Montaignes Klar- und Weitsichtigkeit muß man nach einem solchen Urteil kaum Worte verlieren. Aber vielleicht wäre noch dem Herrn Compagnon die Anerkennung dafür zu zollen, wie es ihm gelingt, mit wenigen Strichen den biographischen Ort seiner Zitate zu skizzieren, so daß sie nacherlebbar werden, hier etwa der konfessionelle Bürgerkrieg zu Montaignes Lebzeiten.
Ein anderes Zitat, das am Ende überraschend zum Derben hin abfällt (ich bitte schon jetzt um Entschuldigung, aber der Autor ist immerhin zurecht seit Jahrhunderten ziemlich beliebt):
"Wir suchen andere Lebensformen, weil wir die unsre nicht zu nutzen verstehn; wir wollen über uns hinaus, weil wir nicht erkennen, was in uns ist. Doch wir mögen auf noch so hohe Stelzen steigen - auch auf ihnen müssen wir mit unsren Beinen gehn; und selbst auf dem höchsten Thron der Welt sitzen wir nur auf unserm Arsch."
Besagter Kommentator meint, dies sei eine Absage, dem Leben, in das man halt hineingestoßen sei, wie auch immer entfliehen zu wollen, und eine Ermutigung, es anzunehmen, so, wie es nun einmal sei. Hm, dazu fiele sogar mir mancherlei ein, aber das lassen wir für diesmal besser beiseite.
Es gab eine Verwicklung von Gründen, warum mein erster Beitrag dieses Jahr so spät erfolgt. Hauptsächlich widerstrebte es mir geradezu körperlich, wieder nur über's Essen zu schreiben, aber die anderen Sachen, an denen ich so saß, waren auch nicht unbedingt blogkompatibel; jedenfalls nicht als Start ins neue Jahr.
Verlieren wir dennoch ein paar Worte über die nachfolgenden Bilder. Was man dort sieht, ist vor allem eine Gemüsesuppe, mit einer kräftigen Wursteinlage, ziemlich viel Kräutern, aufgehobenen Fonds, die verwendet wurden. Also ich fand die Idee gelungen. Ich brauchte die Kartoffeln dazu nicht, aber jeder lebt halt in seinem eigenen Himmelreich (oder dem Gegenteil davon).
Damit wäre die kulinarische Seite erschöpfend behandelt. Ich habe tatsächlich länger überlegt, wohin man einen solchen Beitrag „dahinreisen“ lassen sollte (man überhebt sich so schnell dabei; aber das oben war wirklich aktuelle Lektüre, also ganz ungestellt). Hoffen wir einfach, daß das Jahr, wenn sie denn schon sein müssen, von noch glücklicheren Schiffbrüchen geprägt sein wird, als in nachfolgendem Kinderbuch beschrieben (das ich immer noch sehr mag, obwohl es mehr als hundertjährig angestaubt erscheint).
nachgetragen am 8. Januar
2 Kommentare:
A couple of years ago my brother gave me for Christmas a book about Montaigne.* It was a biography which wove themes from his writings into the account of his life — sort of How Montaigne dealt with such and such and how he would suggest we deal with such things. I made it my table reading, and it seemed quite worthwhile.
The soup looks good. If I had been there, I think I'd have put my potatoes into the bowl with the soup.
* "How to Live –or– A Life of Montaigne in One Question and Twenty Attempts at an Answer" by Sarah Bakewell
The Essays of de Montaigne I guess this is one of the few books one really should have read and reflect a bit about, not least because it is a further help for your own life, it's clearly the opposite of a chatter. And btw. the soup was good indeed.
Kommentar veröffentlichen