Dienstag, 12. Juni 2012

Über Wale, Teegesellschaften und Star Trek u.a.


Dionysos in einem Schiff, segelnd unter Delphinen
Attische schwarzfigurige Kylix, um 530 v. Chr.

D. H. Lawrence

They Say the Sea is Loveless

They say the sea is loveless, that in the sea
love cannot live, but only bare, salt splinters
of loveless life.
But from the sea
the dolphins leap round Dionysos' ship
whose masts have purple vines,
and up they come with the purple dark of rainbows
and flip! they go! with the nose-dive of sheer delight;
and the sea is making love to Dionysos
in the bouncing of these small and happy whales.

Ich habe heute bei unserer lyrischen Teegesellschaft (dabei gibt es dort gar keinen Tee) einiges an Unsinn geredet, und da sich manches auf diesem Wege aufklären läßt (der eine oder andere der Teilnehmer liest hier mit), sei dies schnell getan.

Das obige Gedicht war eines derjenigen, die das Thema „Meer“ poetisch näherbringen sollten. Ich gestehe, ich kannte es nicht, stutzte und fragte, ob die erste Zeile eine Anspielung auf ein Zitat aus Moby-Dick von Herman Melville sein könne. Nein, natürlich nicht, und Schuld ist Star Trek, genauer Star Trek IV, da gibt es nämlich folgenden Dialog:

Kirk:
They say the sea is cold, but the sea contains the hottest blood of all.
Gillian:
"Whales Weep Not" - D. H. Lawrence.

Daran hatte ich mich vage erinnert (ich habe Moby-Dick nie gelesen, irgendwie convenierte mir das Thema nie) und tatsächlich wird in einem anderen Stark Trek Film auch besagter Roman erwähnt (aber da geht es um den Haß des Kapitän Ahab). Eben das hatte mich confusiert. Dabei wird dort nicht einmal das obige Gedicht von D. H. Lawrence zitiert, sondern ein berühmteres, besagtes „Whales Weep Not!“, nachfolgend gelesen von Dylan Thomas:



Auch etwas anderes kann ich aufklären: Mein löchriges Gedächtnis wußte noch, daß es eine mythische Erzählung von Dionysos und Delphinen gab, aber die Einzelheiten waren mir völlig entfallen. Ich hatte vor meinem geistigen Auge selbst obige Abbildung (ich war nicht der einzige, dem sie einfiel), aber lassen wir Karl Philipp Moritz zu Wort kommen, der den Mythos mit folgenden Worten zusammenfaßt (er nennt Dionysos lateinisch „Bacchus“):

„Als Seeräuber einst den Bacchus, den sie für den Sohn eines Königs hielten, in Hoffnung eines kostbaren Lösegelds, entführen und binden wollten, so fielen dem lächelnden Knaben die Banden von selber ab; und da sie dennoch seine Gottheit nicht erkannten, so ergoß sich erst ein duftender Strom von Weine durch das Schiff; dann breitete sich plötzlich bis zum höchsten Segel ein Weinstock aus, an welchem schwere Trauben hingen; um den Mastbaum wand sich dunkler Efeu, und mit Weinlaub waren alle Ruder bekränzt.
Auf dem Verdeck des Schiffes aber zeigte sich ein Löwe und warf die grimmigen drohenden Blicke umher. Da ergriff die Frevler Angst und grauenvolles Entsetzen; zur Flucht stand ihnen kein Weg mehr offen; sie sprangen vom Schiffe ins Meer, wo sie, sich plötzlich als Delphinen krümmend, Zeugen von der Macht der alles besiegenden Gottheit wurden.“

Das klingt jetzt nicht ganz so freundlich wie in oben erwähntem Gedicht. Aber es existiert auch noch eine andere Erzählung davon, warum der Gott dem Meere verbunden war, es hat ihm nämlich das Leben gerettet und das ging so:

Zeus hatte den jungen Dionysos den Nymphen anvertraut, die ihn auch gut pflegten und behüteten. Der Thrakerkönig Lykurgos aber war mit ihnen verfeindet, und als er sie eines Tages bedrängte und verfolgte, flohen sie. Bacchus selbst warf sich vor Schreck ins Meer, wo ihn die Thetis in ihre Arme aufnahm, und in der Tiefe des Ozeans verbarg, bis er zum Jüngling herangewachsen war. Man mag dies alles und auch noch anderes über den Gott an diesem oder diesem Ort näher näher nachlesen.

Die Versuchung ist natürlich groß, sich jetzt über das Seins-Prinzip des „Dionysischen“, etwa im Gegensatz zum „Apollinischen“ auszulassen, aber daran haben sich schon ganz andere verhoben.

1 Kommentar:

Walter A. Aue hat gesagt…

Passt auch zu den drei Tags:

Margaret Atwood:

Siren Song

This is the one song everyone
would like to learn: the song
that is irresistible:

the song that forces men
to leap overboard in squadrons
even though they see the beached skulls

the song nobody knows
because anyone who has heard it
is dead, and the others can't remember.

Shall I tell you the secret
and if I do, will you get me
out of this bird suit?

I don't enjoy it here
squatting on this island
looking picturesque and mythical

with these two feathery maniacs,
I don't enjoy singing
this trio, fatal and valuable.

I will tell the secret to you,
to you, only to you.
Come closer. This song

is a cry for help: Help me!
Only you, only you can,
you are unique

at last. Alas
it is a boring song
but it works every time.