Mittwoch, 31. Oktober 2012

See - Stücke &

(c) v. Gentzkow

Es ist ein Elend, daß Deutschland ein (gefühltes) Binnenland ist. Dabei haben wir immer noch die Nord- und Ostsee. Und oft genug tummelten sich unsere Vorfahren doch auch an und auf anderen Meeren. Dennoch, jenseits von Storm wird es schwierig, etwas zu finden, das der Materie gewachsen erscheint (selbst bei Goethe, Rilke, und Heine lassen wir sowieso besser weit beiseite). Dichtung ist gemeint, was sonst, an diesem Ort. Also doch wieder etwas Englisches:

(c) W. A. Aue

Robert Frost

Once By The Ocean

The shattered water made a misty din.
Great waves looked over others coming in,
And thought of doing something to the shore
That water never did to land before.
The clouds were low and hairy in the skies,
Like locks blown forward in the gleam of eyes.
You could not tell, and yet it looked as if
The shore was lucky in being backed by cliff,
The cliff in being backed by continent;
It looked as if a night of dark intent
Was coming, and not only a night, an age.
Someone had better be prepared for rage.
There would be more than ocean-water broken
Before God's last 'Put out the light' was spoken.

 (c) W. A. Aue

Herr Prof. Aue, dessen Bilder aus Neu-Schottland ich gerade so unverfroren gebrauche, kommentierte hier vor einiger Zeit, wie vergänglich auch das ewig erscheinende Meer doch letztlich wäre. Ob diese Erde den Untergang der Sonne tatsächlich „überleben“ wird (vielleicht wird sie ja vorher noch bei deren letztem „Aufbäumen“ verschluckt), nun, das sind so ferne Fragen. Aber in der Tat, alles, was den Menschen überwältigt, wie eben auch das grenzenlos erscheinende Meer, wird selbst irgendwann verwandelt und endlich vergangen sein. Und nicht nur das uns Überwältigende vergeht.

(c) W. A. Aue

Wenn uns das Gewaltige vertraut wird, wie Felsen, die uns einen ewigen Halt zu geben scheinen, dann spüren wir Menschen am Felsen eine Ewigkeit, die nicht besteht. Die Steine und Felsen, an denen wir das Gefühl der Ewigkeit erlernen, waren irgendwann ein tödlicher Glutstrom und sind morgen schon vorerst Sand. Der bergende Wald, das träumerische Moos, all unser vertrautes Weltgefühl ist trügerisch und unser Beheimatet-Sein eine menschliche Erfindung.

Aber es ist nur dann eine Erfindung, wenn sich der menschliche Geist eine Welt vertraut gemacht haben sollte, die grundsätzlich fremd zu ihm steht und bis zuletzt antwortlos bleiben wird. Wenn es eine Wahrheit hinaus über die von Tod, Wandel und Vergehen gibt, dann mögen unsere erlernten Gefühle doch nicht derart vergeblich sein. Oder um mit dem von mir bekrittelten Rilke zu enden:

Was, da ein solcher, Ewiger, war, mißtraun wir 
immer dem Irdischen noch? Statt am Vorläufigen ernst 
die Gefühle zu lernen für welche 
Neigung, künftig im Raum?

nachgetragen am 1. November

4 Kommentare:

Rosabella hat gesagt…



So hab ich das Meer gern:

weit offen, wie ein Spiegel, und zum Horizont in hängende Wolken sich verrinnend ...

die Sonne hinter feinen leisen Schleiern und Luft und See in blaßblau-lichtem Schein und Schiller ...

schwermütig ernst und lachend heiter,

zutraulich lieb und unnahbar,

in unbekümmert freier Größe und nie entweihter Ewigkeit ... lautlos ... in unlotbaren Tiefen die Wunder hütend seiner Gotteskraft ...

und Strand entlang mit frohen Wellen spielend

schwermütig ernst und lachend heiter,

den Menschenkindern, die da stehen, das kleine Herz voll großer Sehnsucht, bunte Köstlichkeiten vor die Füße tragend ...

So ... sei! ... So ... schaffe!



"Das Meer" von Cäsar Flaischlen)




PS: ... ich dachte, Sie mögen Rilke ?!

MartininBroda hat gesagt…

Hm, das kannte ich nicht, das sollte ich mir wohl näher anhören. Denn es beschreibt sehr klar die angenehme Wirklichkeit, über die ich herumrätselte, inwieweit sie eine Illusion wäre.

Ich war übrigens mit meinem nachgetragenen Post noch gar nicht fertig, die Veröffentlichung eher ein Versehen, dennoch herzlichen Dank für Ihre freundlich schnelle Reaktion.

Von Rilke (den ich in der Tat sehr verehre), lese ich, soll es ja dieses geben, jedenfalls hat es Schönberg gewohnt schauerlich vertont:

Am Strande

Vorüber die Flut.
Noch braust es fern.
Wild Wasser und oben
Stern an Stern.
Wer sah es wohl,
O selig Land,
Wie dich die Welle
Überwand.
Noch braust es fern.
Der Nachtwind bringt
Erinnerung und eine Welle
Verlief im Sand.

http://www.schoenberg.at/index.php?option=com_content&view=article&id=248&Itemid=421&lang=de

Aber ein großes Meer-Gedicht ist er uns schuldig geblieben, fürchte ich.

Anonym hat gesagt…

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MartininBroda hat gesagt…

Hm, war das nun ein Gedanken- oder ein Schlußstrich, aber wer weiß das schon immer so genau.