Samstag, 19. April 2014

Der Sturm auf die Düppeler Schanzen

Der Flensburger Löwe

Dieser griesgrämige Löwe ist ein Denkmal für einen vergeblichen Sieg, sage ich mal so, aber der Reihe nach.

Herr Roloff hat an einem anderen Ort an ein Ereignis von vor 150 Jahren erinnert, das, wie man im Nachhinein weiß, ein wichtiger Schritt hin zur Reichseinigung sein sollte. Der deutsch-dänische Krieg wurde de facto am 18. April 1864 entschieden (wenn man die Schlacht von Alsen außer Acht lassen will, darum im Anschluß gleich noch dieser "schmissige" Marsch von Herrn Piefke). Ich wollte seinen Text gern hier auch bringen, aber an einem Karfreitag erschien mir das doch eher unpassend.


Der "Alsenströmer" von Gottfried Piefke

Ich will den Anlaß seiner Ausführungen nicht korreferieren, nur ein paar Randglossen hinzufügen:

Zunächst: Der obige Flensburger Löwe oder Idstedter Löwe erinnert an einen Vorgang, der diesem voranging, nämlich den Sieg der Dänen 1850. Daß die Schleswig-Holsteiner sich im 19. Jahrhundert zum überwiegenden Teil als fremdbeherrscht ansahen, ist ein aufschlußreiches Beispiel dafür, wie Dinge äußerlich gleich zu bleiben scheinen und sich doch völlig ändern. Im alten Reich war der dänische König als Landesherr Reichsfürst gewesen, das alte Reich gab es aber nun nicht mehr (staatsrechtlich ist es noch etwas verwickelter, aber belassen wir es dabei), und selbst im eigentlich dänisch-deutschen Königreich (etwa die Hälfte der Bevölkerung war deutsch und es gab starke geistig-kulturelle Verbindungen nach Süden) begann der Nationalismus sein zerstörerisches Wirken.

Das obige Siegesdenkmal steht (wieder) in Flensburg. Dieser recht ausgewogene Artikel scheint wirklich alle Seiten dazu zu Wort kommen zu lassen und hat zum Ende hin den interessanten Satz: „Da 2012 dänischerseits heftige Kritik an Plänen darüber laut wurde, ein eigens dafür entworfenes Versöhnungsdenkmal auf den Düppeler Schanzen zum gemeinsamen deutsch-dänischen Erinnern zu errichten, verstärkt sich nun durch die Aufstellung des 'Idstedt-Löwen' die Asymmetrie der Erinnerungskultur im Grenzland“. Dazu fällt einem manches ein, aber wir wollen nur anmerken. Das deutsche Pendant bei Düppel gibt es natürlich nicht mehr: „Acht Tage nach (sic!) Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Denkmal im Mai 1945 von dänischen Widerstandskämpfern gesprengt“, lese ich hier (ich liebe diesen nachgetragenen Heldenmut, aber den gibt es überall und immer wieder).

Ach und Fontane hat ein sehr patriotisches Gedicht aus diesem Anlaß geschrieben, das man in Gänze an diesem Ort nachlesen kann. Ein Spandauer, Carl Klinke, soll sich selbst mit den Worten geopfert haben: „Ick bin Klinke, ick öffne dit Tor!“ :

Palisaden starren die Stürmenden an,
Sie stutzen; wer ist der rechte Mann?
Da springt von achten einer vor:
»Ich heiße Klinke, ich öffne das Tor!« –
Und er reißt von der Schulter den Pulversack,
Schwamm drauf, als wär's eine Pfeif' Tabak.
Ein Blitz, ein Krach – der Weg ist frei –
Gott seiner Seele gnädig sei!
Solchen Klinken für und für
Öffnet Gott selber die Himmelstür.

deutsches Siegesdenkmal bei Sonderburg


Kalenderblatt
Sturm auf die Düppeler Schanzen vor 150 Jahren


Mit dem Sturm auf die Düppeler Schanzen am 18. April 1864 fand der deutsch-dänische Krieg seine Entscheidung. Er ist der erste der drei Deutschen Einigungskriege. Seine Ursache lag wohl vor allem in dem Umstand, dass sich das deutsche Nationalgefühl mit den überkommenen dänischen Souveränitätsrechten über die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg nicht abfinden wollte. Bereits 1848 hatte sich daran ein Krieg entzündet. In ihm konnte Dänemark noch bestehen, wurde aber durch das Londoner Protokoll von 1852 dazu verpflichtet, die Selbständigkeit und Einheit der Herzogtümer innerhalb des dänischen Gesamtstaats zu wahren und Schleswig nicht enger an Dänemark zu binden als Holstein und Lauenburg, die auch staatsrechtlich zum Deutschen Bund gehörten.

Nationale Stimmungen gab es aber auch in Dänemark. Die sogenannten Eiderdänen verlangten massiv nach einer Ausweitung der vollen dänischen Souveränität bis an die Eider, der südlichen Grenze Schleswigs. Eine entsprechende Verfassungsänderung durch König Christian IX. sollte diesen Anspruch durchsetzen, verletzte aber die Bestimmungen des Londoner Protokolls, worin für den Deutschen Bund ein legitimer Kriegsgrund gegeben war. Österreich, Preußen, Sachsen und Hannover wurden gemeinsam durch den Bundestag beauftragt, die entsprechenden militärischen Schritte zu unternehmen. Am 1. Februar 1864 begann dann der Krieg, den Preußen und Österreich gemeinsam führten. Mit dem Sieg der Verbündeten an den Düppeler Schanzen war die dänische Niederlage besiegelt.

In Folge des Krieges wurden die Herzogtümer dauerhaft an Deutschland gebunden und 1867 in eine preußische Provinz verwandelt. Der Erwerb Lauenburg für Preußen brachte dem späteren Reichsgründer die Erhebung in den erblichen Grafenstand ein. Vor allem aber war es Bismarck gelungen, Preußen an die Spitze der deutschen Nationalbewegung zu stellen und in Europa ein militärisches Achtungszeichen zu setzen. Im deutsch-dänischen Krieg zeichnete sich die Bedeutung von Eisenbahn und moderner Bewaffnung für den Schlachtverlauf ab. 10.000 Gefallene waren auf beiden Seiten zu beklagen. Im Vergleich zu den Opferzahlen der Kriege, die folgen sollten, erscheint das gering. Dennoch prägte der Waffengang die nationale Erinnerung auf beiden Seiten der Grenze. Bei uns Deutschen ist sie inzwischen allerdings weitestgehend verblasst, was sicherlich mit dem Verlauf des 20. Jahrhunderts zu tun hat. Dänemark gedenkt der folgenschweren Niederlage aber nach wie vor jedes Jahr und am 18. April in Düppeln auch wieder im Beisein seiner Königin Margarethe II.

Vor der Geschichte bleibt der deutsch-dänische Krieg sicher einer der Punkte, an denen sich sichtbar und unaufhaltsam die Umformung unseres Kontinents aus den dynastischen Bindungen der Vergangenheit hin zu den modernen Nationalstaaten vollzogen hat. Das hatte überall dort Konflikte zur Folge, wo es eine nationale Homogenität der Bevölkerung nicht gab. Nun war das alte Europa aber in weiten Teilen genau durch diesen Zustand von gemischten Bevölkerungen geprägt, und gerade diese Landschaften zählten oft zu den kulturell fruchtbarsten. Es ist vielleicht das größte Verhängnis, dass man diesen Zustand nicht mehr gelten lassen wollte und ihn jeweils einer nationalen Dominanz opferte.

Thomas Roloff
nachgetragen am 20. April

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