„Du hast uns geschaffen auf Dich hin, und unruhig ist unser Herz als bis es ruhet in Dir.“ So schreibt
Augustinus in seinen Confessiones. Dieser Satz fiel mir ein, als ich die Predigt des Herrn Roloff über die Ruhe Gottes las, und wie wir Menschen in seine Ruhe einzugehen vermögen. Wollte man es hölzern fromm benennen, so wäre es die Unruhe des natürlichen Menschen, die ihr Ende findet in ihm. Man könnte aber auch sagen, in Gott findet der Mensch (wieder) zu sich selbst.
Es folgt die Predigt, mit 2 Tagen Verspätung (ich bitte um Nachsicht, aber mich hat seit Sonntag erneut eine heftige Erkältung „gefällt“, die vieles verzögerte):
Predigt zum Totensonntag 2014 in Schönhausen/Elbe
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen
9 Darum ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes. 10 Denn wer zu seiner Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen Werken gleichwie Gott von seinen. 11 So lasset uns nun Fleiß tun, einzukommen zu dieser Ruhe, auf daß nicht jemand falle in dasselbe Beispiel des Unglaubens.
Heb 4, 9-11
Liebe Gemeinde,
der deutsche Astronaut Alexander Gerst ist vor wenigen Tagen auf unsere Erde zurückgekehrt, nachdem er zuvor viele Tage im All verbracht hatte. In seinem letzten Interview vom Raumschiff aus sagte er:
„Hier oben wird einem klar, dass wir alle auf einem Planeten leben. Der ist speziell, zerbrechlich und zerstörbar. Wir sollten uns mehr Gedanken machen, wie man ihn schützen kann.“
Das muss mit das Faszinierendste sein, was man während einer Raumfahrt erlebt, dass man unsere Erde als Ganzes sehen kann. Sie ist blau und wie ein ganz zartes Wesen von dem Schleier der Atmosphäre umwoben. Sie erscheint verletzlich. Sie ist einzigartig in der Weite des Kosmos.
Erst wenn man sie so sieht, dann gewinnt man eine Vorstellung davon, was gemeint ist, wenn in der Heiligen Schrift von dem Garten Eden die Rede ist. Auch der Garten ist verletzlich, er kann verwahrlosen, er kann verwüstet werden. Er ist nicht einfach nur Natur. Er muss angelegt und gepflegt werden. Beim Anblick eines Gartens kann man auch gewahr werden, dass ein wirkender Geist alles durchdringt und gegenwärtig sein muss.
Ein Garten war den Menschen anvertraut worden, und erst als die ersten Menschen sich in ihm geborgen sahen, der schönen Dinge staunten und zueinander fanden, da konnte Gott sich am siebten Tag seines Handelns zur Ruhe begeben. Das schöpfende Tun Gottes ist erst ganz vollendet, nachdem er seine Ruhe gefunden hatte.
„Und so vollendete Gott am siebenten Tage alle seine Werke, die er machte; und er ruhete am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er machte; Und segnete den siebenten Tag, und heiligte ihn, darum, dass er an demselben geruhet hatte von allen seinen Werken,“.
Gott vollendet seine Werke am siebenten Tag, aber er fügte keine neuen hinzu, und er ruhte. Das Besondere des siebenten Tages ist es also, und darum heiligt er ihn, dass er durch das eigene Ruhen die Ruhe selbst in alle Dinge brachte und sie gerade dadurch vollendete. Denn etwas zu vollenden bedeutet schließlich, dass auch am siebenten Tag noch etwas zu den Dingen hinzugetreten ist, was zuvor nicht da war, und es darum hat unvollendet sein lassen – und das war die Ruhe Gottes.
Bezeichnender Weise lesen wir dann im Johannesevangelium diese Verse:
„Es war aber an der Stätte, da er gekreuziget ward, ein Garten, und im Garten ein neues Grab, in welches niemand je gelegt war. Daselbst hin legten sie Jesum,“.
Wie der Vater geruht hat, so ruht nun auch der Sohn. Was in einem Garten begann, das findet seine nicht zu fassende Vollendung wieder in einem Garten.
Wenn uns das auch bis hin zur Bestattungskultur im Einzelnen noch sehr viel zu sagen hat, will ich dennoch an dieser Stelle zunächst einem anderen Gedanken nachgehen.
In der mittelalterlichen politischen Theologie gibt es das eindrucksvolle Bild vom Kaiser als Vater und Sohn des Gesetzes. Der Kaiser war derjenige, der allein Recht setzen konnte. In diesem Sinne war er wahrhaft Vater der Dinge, Herr über die Normen und mächtiger Herrscher. Er war aber auch selbst wiederum Sohn des Gesetzes, eine Konstruktion des Rechts. Auch der Kaiser war so natürlich nicht frei zur Willkür, sondern der Kaiser ist überhaupt nur denkbar als eine Figur des Rechts, er wird durch diesen Zusammenhang zu einem wahren Diener des Rechts und der Gerechtigkeit. Was der Kaiser gebietet, dem muss er sich auch selbst unterwerfen. Er ist Vater und Sohn des Gesetzes, er ist eine Geburt des Rechts.
Uns Christen ist sofort klar, aus welchem Zusammenhang heraus die Theologen des hohen Mittelalters diese Weisheit geschlossen haben. Es ist gleichsam eine reale Auswirkung des Wesens Gottes als Vater und Sohn in unsere Welt hinein. Der in Christus zum Sohn und dadurch zum Menschen gewordene Gott erst ist ganz auf das Heil festgelegt – auch wenn man das von Gott so natürlich nicht sagen kann, will ich formulieren: In seinem Sohn hat sich Gott selbst an das Heil der Welt gebunden und kommt genau darin zur Ruhe.
„Darum ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes. Denn wer zu seiner Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen Werken gleichwie Gott von seinen.“
Und so ist es vermutlich auch mit unserem Sterben, das ohne Gottes Sterben und Tod einfach nur ein Ende wäre, so wie alle Dinge in der Schöpfung werden und vergehen. Durch das Sterben und den Tod Gottes aber wird es eine Anteilnahme an seiner Ruhe, ein Eingehen in seine Ruhe. Darum stand auf vielen alten Grabsteinen: „Hier ruht in Gott“ und die Kirche ruft ihren Verstorbenen schon immer nach: Herr, lasse sie ruhen in Frieden, und das ewige Licht leuchte ihnen!
Wir vertrauen darauf, dass wir, wie die ganze Schöpfung auch, erst in der Ruhe die Vollendung finden, von der bereits im Anfang die Rede war. Gott vollendete am siebenten Tag alle seine Werke, und er ruhte von allen seinen Werken. So wollen und werden auch wir ruhen von allen unseren Werken und in unserem Gott und in seiner Ruhe Vollendung finden.
Natürlich bleibt dieses Reden ein dunkles Raunen, denn keiner hat davon berichtet. Wir können nur, wie die Generationen vor uns, im festen Vertrauen auf Gott auf seinen Sohn blicken und hören, wie er auch zu uns spricht:
„Darum liebet mich mein Vater, dass ich mein Leben lasse, auf dass ich es wieder nehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe es Macht zu lassen, und habe es Macht wieder zu nehmen.“
Hierin offenbart Christus seine wahre Allmacht, und um dieser Allmacht wegen beten wir ihn allein an. Dies macht den entscheidenden Unterschied: Wir Christen halten nicht uns selbst für allmächtig, sondern wir beten den an, der allmächtig ist.
Wir legen uns ganz vertrauensvoll in seine Hände. Er wird es wohl machen. Für all das ist uns der Garten ein Zeichen, der Garten Eden genauso wie der Garten, in dem das leere Grab gefunden werden sollte und auch der Garten, in dem wir unsere Toten gebettet haben und, wenn unsere Zeit kommt, gebettet werden.
In einer weiteren Strophe von dem Lied*, das wir gesungen haben heißt es:
Unverzagt und ohne Grauen
Soll ein Christ, wo er ist,
stets sich lassen schauen.
Wollt ihn auch der Tod aufreiben,
soll der Mut dennoch gut
und fein stille bleiben.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unsren Herrn.
Amen
nachgetragen am 25. November