Mittwoch, 10. Februar 2016

Zu Handball & Irrsinn, eine Glosse

Albrecht Dürer, Melencolia

Spätestens morgen wird dieser sog. Philosoph seinen kleinen Notausgang genommen haben, und alles wird so laut brüllend lachen: „Das war doch Satire, ihr Idioten“, damit man sich ja beschämt zurückziehen solle. Die Satire seid ihr.

Immer wieder sage ich mir, nein, du schreibst zu diesem zeitgenössischen Irrsinn nichts, solange du noch von deinem virtuellen Beobachtungsturm aus auf das Gewusel blicken kannst, und danach ist es auch egal.

Es ging um Handball. Kaum etwas liegt mir persönlich ferner, gut Auto-Tuning würde es vielleicht toppen (aber nur des Interesses wegen). Die deutsche Handball-Nationalmannschaft wurde also Europameister in Krakau. Und was stieß dem Zeit-Schreiber als erstes auf. Die Mannschaft war zu weiß, reinweiß sozusagen. „Das frische Erfolgsteam hat keinen einzigen Spieler mit dunkler Hautfarbe oder auch nur südländischem Teint. Es handelt sich, mehr noch, um eine Mannschaft ohne jeglichen Migrationshintergrund. 100 Prozent kartoffeldeutsche Leistungsbereitschaft.“

Nun sind Kartoffeln meistens gelblich und auch eine eher späte Errungenschaft, aber so'n Philosoph sieht natürlich das große Ganze, mittlerweile neuzeitlich soziologisch aufgepeppt. Eine neu erspürte Landlust „lebensästhetisch voll im Trend: urwüchsig, herkunftsstark, heimatverbunden“. Als ob das nicht genug sei, die Handballbundesliga wäre als einzige der großen Sportligen mit Teams aus Magdeburg, Leipzig und Eisenach eine wahrhaft gesamtdeutsche. Die Rache der Provinz sozusagen.

Aber es kommt noch schlimmer. Mit seiner auf maximale Körperintensität ausgelegten Spiellogik verspreche der Handball eben jenes Sehnsuchtsloch zu füllen, das ein rundum familientauglich gemachter, oberflächengeglätteter und spieltaktisch feminisierter Profifußball ins Herz vieler Nostalgiker gerissen habe. „Zwei-Meter-Hünen, die aus vollem Lauf permanent aufeinanderkrachen, nur ohne Rüstung, lästige Pausen und affiges Event-Buhei. Handball, der neue Männersport für alle, denen Cage-Fighting zu krass, American Football zu amerikanisch und Darts zu fett ist.“ Das war wahrscheinlich als Pointe gemeint.

Authentizität im Auftritt mische sich mit schmerzaffiner Unmittelbarkeit: Kein Winseln, kein Wälzen, kein Reklamieren. Keine eingestickten Hundenamen auf Finalschuhen! Ehrlicher Sport von ehrlichen Männern für ehrliche Bürger, herzhaft, blutnah, widerständig.

Und deshalb, wenn Fußball Merkel sei, wäre Handball Petry.

Großer Gott!

1 Kommentar:

DirkNB hat gesagt…

Ob da der angerufene wirklich helfen würde, sei agnostisch bezweifelt. Der hat vermutlich ganz andere Baustellen, um die Ergüsse eines Zeitschreiberlings überhaupt nur wahrzunehmen. Wobei Er ja eine multiple Persönlichkeit zu sein scheint, sieht Er doch sprichwörtlich alles.

Deine fernliegenden Themen sind auch schön beschrieben, Auto-Tuning als Relevanzvergleich durchaus treffend. Mir geht es ähnlich, wenngleich es eine Sportart gibt, der ich fernsehphil doch gern folge, aber ansonsten tangiert mich das Thema ähnlich wie die slowakische Rechtschreibreform.

Ist nicht auch die Kartoffel ein Einwanderer aus dem südamerikanischen? Es müsste also zum Vergleichen nach einer urdeutscheren Sättigungsbeilage gesucht werden. Getreidebrei? Graupen?