Donnerstag, 22. Oktober 2009

Über Spuren im Wasser &



Als ich heute flüchtig einen der hiesigen Kanuten im Bild hatte, dachte ich mehr über die Spuren nach, die er hinter sich ließ, und wie schnell sie vergangen sein würden. Dabei ist das nur für uns so, Wasserbewohner sollen diese Spuren noch lange spüren können, aber irgendwann sind sie doch vergangen, so wie selbst Statuen vergehen.

Warum dies, aus einem bestimmten Grund suchte ich in meinen alten Posts etwas über Heraklit (wahrscheinlich habe ich es in meiner Vor-Blog-Ära geschrieben, das ist ärgerlich, denn ich glaube, es war gut), ich werde gleich erklären, warum, und dann fand ich diesen Beitrag, in dem ich auf etwas antwortete, das von Arnold aus Hawai / San Diego stammte: „how everything is ephemeral, even the statues“.

Ich meinte damals, das klinge banaler als es in Wahrheit sei. Denn mit Statuen stemmten wir uns gegen die Zeit. Mit Statuen, Denkmälern, Überlieferungen und noch viel anderem mehr versuchten wir, etwas gegen ihr zerstörendes Wirken aufrecht zu erhalten. Was aber bleibe, wenn nicht nur wir so spurlos vergingen, sondern selbst das, dem wir angehört hätten. Nun diese Frage ist so offen wie damals, woran ich allerdings erinnert wurde, war, warum ich diesen jungen Mann so sehr schätze.

„In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht.“

ποταμοῖς τοῖς αὐτοῖς ἐμβαίνομέν τε καὶ οὐκ ἐμβαίνομεν, εἶμέν τε καὶ οὐκ εἶμεν

Darüber ließe sich wohl ein Leben nachdenken. Darüber, ob es so etwas wie vergleichbare Augenblicke, geschweige denn identische geben könne, ob es denn jemals jeweils dieselbe Person sei, die dies frage; doch das bleibt so, immerhin diese Frage bleibt als etwas von Wert bestehn (trotz der fürwitzigen Anmerkung des Herrn Wittgenstein dazu).



Ich habe übrigens auch zufällig dieses Bild von einem Topf blauer Stiefmütterchen aus dem letztjährigen Frühling gefunden, ich kann mich noch gut an dessen wohltuenden Anblick erinnern, auch wenn die Blumen längst vergangen sind und der Topf im letzten Winter vom Frost zersprungen ist.

Des Menschen Charakter ist sein Schicksal.

(Oder auch Verhalten, Heimat, Wohnort, Sittlichkeit, Gewohnheit, Denkweise.)

ἦθος ἀνθρώπῳ δαίμων.

Warum gerade Heraklit, nun Prof. Aue hatte seiner letzten Trakl / Hölderlin – Übersetzung einige Kommentar-Nachträge angedeihen lassen, man schaue dort nach, es ist ganz am Ende. Ich will auch mit Heraklit enden, nur eines meiner Lieblingszitate noch.

„Hunde kläffen an, wen sie nicht kennen.“

κύνες γὰρ καὶ βαύζουσιν τὧν ἂν μὴ γινώσκωσι.

Ich erlaube mir, dieses hier morgen zu beenden.


Nachträge zu Heraklit

Es ist merkwürdig, aber manche Menschen sind so originär, daß sie mit einem eine völlig neue Denkrichtung schaffen, vielleicht ist das auch geringfügig einfacher, wenn man am Anfang einer Kultur steht, gut, das weiß derjenige natürlich nicht, aber wir wissen bei allem, was wir schreiben und denken (wir wollen höflich unterstellen, daß das immer in eins geht), wahrscheinlich wurde es schon einmal, und zwar vermutlich besser, gesagt und beschrieben.

Ich hatte hier etwas angekündigt und ich wollte wohl, aber am nächsten Tag fehlten Muße und Zeit und am darauf folgenden gab mein Computer seinen Geist auf. Allerdings war dies nicht als Heraklit - Post geplant. Meine Ankündigung bezog sich eigentlich auf Tillich, aber Heraklit scheint mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Gut, dann also ein paar nachgeholte Bemerkungen zu ihm, auch wenn ich vermutlich nicht unbedingt der Geeignetste dafür bin.

Heraklit erkennt, daß das Sein keine ruhende Ordnung darstellt, sondern alles, auch das Leben, in Bewegung existiert, in Kampf, in Vergehen, im Schuldig-Werden, in Verwandlung. So wird der Krieg zum Vater aller Dinge und Harmonie begriffen als das Zusammengehalten-Sein widerstrebender Dinge.

„Das Widerstreitende zusammentretend und aus dem Sichabsondernden – die schönste Harmonie.“

τὸ ἀντίξουν συμφέρον καὶ ἐκ τῶν διαφερόντων καλλίστην ἁρμονίην.

„Es gehört sich, daß man weiß, daß der Krieg etwas Allgemeines ist und Gerechtigkeit Zwiespalt und daß alles geschieht gemäß Streit und Schuldigkeit.“

εἰδέναι δὲ χρὴ τὸν πόλεμον ἐόντα ξυνόν, καὶ δίκην ἔριν, καὶ γινόμενα πάντα κατ΄ ἔριν καὶ χρεών.

"Der Krieg ist von allem Vater, von allem König, denn die einen hat er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien gemacht.“

πόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστι, πάντων δὲ βασιλεύς, καὶ τοὺς μὲν θεοὺς ἔδειξε τοὺς δὲ ἀνθρώπους, τοὺς μὲν δούλους ἐποίησε τοὺς δὲ ἐλευθέρους.

Das ist natürlich einer der Sätze, die ihm spätere Generationen vorgeworfen haben. Wir werden das heute aufweichen wollen und vom Kampf der Gegensätze, vom konflikthaften Sein o.ä. reden. Ich fürchte, er hat das sehr lebenspraktisch auch wörtlich genau so gemeint. Sein Denken aus den Gegensätzen ist keine klappernde Dialektik, wozu diese Erkenntnis später oft führte, sondern sehr unmittelbar. Seine Fragmente und Aphorismen sind nicht selten wie Orakelsprüche. Schon in der Antike hieß er der „Dunkle“, aber ich verstehe ihn so, daß ihm Erkenntnis etwas Lebendiges ist, zu dem man hinführen kann, es aber nicht in Besitz nehmen, darum ist häufig nur das Hinzeigen angemessen, das Andeuten als ein Umschreiten der Wahrheit, so daß sie zwar im Geist erfaßt wurde, aber letztlich nicht gesagt werden kann.

„Die Ordnung des zufällig Aufgeschütteten ist laut Heraklit die schönste.“ (Theophrast)

(σὰρξ) εἰκῆ κεχυμένων κάλλιστος, φησὶν Ἡράκλειτος, ὁ κόσμος.

„Der Fürst, dem das Orakel von Delphi gehört, er erklärt nicht, er verbirgt nicht, sondern er deutet an.“

ὁ ἄναξ, οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς, οὔτε λέγει οὔτε κρύπτει ἀλλὰ σημαίνει.


Noch nicht abgeschlossen

Keine Kommentare: