Montag, 28. Juni 2010
Über vergangene Schatten
Es muß ganz merkwürdig gewesen sein als am 1. April 1989 Zita, die letzte österreichische Kaiserin und Königin von Ungarn, in einer großen Prozession vom Stephansdom zur Kapuzinergruft, der traditionellen Beisetzungsstätte der Habsburger überführt wurde. Denn es geschah in der Form, die zumindest ähnlich über Jahrhunderte in Gebrauch gewesen war, und ein letztes Mal wurde etwas von dem erlebbar, was über jene Jahrhunderten diese Gegend „Österreich“ bedeutsam gemacht hatte, nämlich Kernland eines Reiches gewesen zu sein, das verschiedenste Nationen vereinte.
Zugegebenermaßen blickt ein Norddeutscher ein wenig zwiespältig auf dieses Gebilde, das sich zuerst in und neben dem „Heiligen Römischen Reich“ entwickelte, um dann einen, zeitweise durchaus eindrucksvollen Sonderweg zu nehmen, der letztlich, nachdem die Vereinigung mit dem Deutschen Reich nach dem 1. Weltkrieg von den Siegermächten verweigert wurde, in einer Republik Österreich endete. Diese Republik muß sich als solche an diesem Apriltag sehr schwer mit dem Ereignis des Begräbnisses getan haben, wenn man den Berichten vertrauen will.
Vielleicht war man aber für einen Tag wieder kaiserlich geworden, weil eine Ahnung (viel mehr wird es nicht gewesen sein) des Verlustes die Teilnehmenden befiel, für den Kaiserin Zita stand, der Verlust eines wohlgeordneten, die verschiedensten Völkerschaften integrierenden und von einer hochentwickelten Geisteskultur bestimmten Reiches.
Ich erwähne dies, weil 1989 noch einmal kurz etwas lebendig wurde, dessen Untergang am heutigen Tag begann. Der Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este und seine Gattin Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg wurden von einem serbischen Terroristen am 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet. Wenig später führte dies zur Kriegserklärung an Serbien sowie in der Folge zum Ausbruch des 1. Weltkrieges und schließlich zum Ende Österreich-Ungarns.
Übrigens traf das Attentat interessanterweise genau denjenigen der Habsburger, der nach dem Vorbild des Ausgleichs mit den Ungarn eine bessere staatsrechtliche Repräsentation der slawischen Völker in der Monarchie vorantrieb.
Wenn man ein wenig über das Attentat nachliest, fällt einem auf, wie stark eine Beteiligung der serbischen Regierung heutzutage heruntergespielt wird und wie sehr geradezu der Eindruck erweckt wird, man sei selbst in Österreich nahezu froh gewesen, diesen Thronfolger losgeworden zu sein. Das muß wohl so sein, wenn man Geschichtspropaganda treiben will, nämlich die große Erzählung von der alleinigen Schuld Österreich-Ungarns und mehr noch des Deutschen Reiches am 1. Weltkrieg.
Aber stellen wir uns doch einmal vor, mitten im Kalten Krieg wäre der Vizepräsident der USA mit zumindest nachgewiesener Kenntnis der sowjetischen Regierung erschossen worden, und es hätte keine Atomwaffen gegeben. Aber das ist eben das Problem mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts, es stimmt leider nicht, daß das Zeitalter der Ideologien vorüber ist, man braucht nur auf Daten wie das heutige schauen, um eines schlechteren belehrt zu werden.
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3 Kommentare:
"...Denn immer noch, wenn des Geschickes Zeiger
Die große Stunde der Geschichte wies,
Stand dieses Volk der Tänzer und der Geiger
Wie Gottes Engel vor dem Paradies.
Und hat mit rotem Blut und blanken Waffen,
Zum Trotze aller Frevel, Gier und List,
Sich immer wieder dieses Land erschaffen,
Das ihm der Inbegriff der Erde ist.
Erwäge dies in deinem dunklen Walten,
Unendlicher, der Schmach und Sieg verleiht!
Denn unser großes stummes Händefalten
Ist nur gerichtet auf Gerechtigkeit."
(Anton Wildgans, 1914)
I've been meaning to comment on this since you posted it.
As a monarchist at heart and admirer of many of the Habsburgs, I often wish that the Imperial throne had not been abolished after World War I.
But although the Empire gave and example of the joining of many peoples into a single entity, it is doubtful that it could have formed the basis of anything approaching the European Union. What it would have brought, however, is a continuity with traditional European culture — with Christendom, in a word — which the E.U. seems all too anxious to flee.
I also wonder: if the Habsburgs had remained on the Imperial throne, would they have escaped the sorts of troubles and missteps which have befallen the British royal family?
The past two centuries have not been kind to monarchies and empires. Their diminution or loss has doubtless been both good and bad for the world.
This is not an answer at your comment John, not at this moment, but I'm often wondering how much we have in common, thanks for commenting.
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