Dienstag, 20. Juli 2010

Nachträge zu Königin Luise

Christoph Franz Hillner,
Schloß Paretz, um 1800
hier gefunden

„Wir treten zurück in den Park. Alles Leben und Licht. Das Einzelne fällt, das Ganze bleibt.“ So sagt es Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg als er Paretz beschreibt, den Sommersitz von Friedrich Wilhelm III. und seiner Gemahlin Luise.

Und früher: „So war ein Sommerschloß gewonnen, anmutig, hell, geräumig; aber in allem übrigen von einer Ausschmückung, die heutzutage kaum noch den Ansprüchen eines Torflords genügen würde….

In diesem also umgeschaffenen Paretz, das bei Freunden und Eingeweihten alsbald den schönen Namen »Schloß Still-im-Land« empfing, erblühten dem Königspaare Tage glücklichsten Familienlebens. Die Familie und die Stille waren der Zauber von Paretz.

Diesen Zauber empfand die Königin, die wir gewohnt sind uns neben dem einsilbigen Gemahl als das gesprächigere, den Zerstreuungen zugeneigtere Element zu denken, fast noch lebhafter als dieser. Sie selbst äußerte sich darüber: »Ich muß den Saiten meines Gemüts jeden Tag einige Stunden Ruhe gönnen, um sie gleichsam wieder aufzuziehen, damit sie den rechten Ton und Anklang behalten. Am besten gelingt mir dies in der Einsamkeit; aber nicht im Zimmer, sondern in den stillen Schatten der Natur. Unterlaß ich das, so fühl ich mich verstimmt. O welch ein Segen liegt doch im abgeschlossenen Umgange mit uns selbst!« …

Der Winter verging, der schöne Frühling des Jahres 1810 kam; die Königin empfand eine tiefe Sehnsucht, ihr geliebtes Paretz wiederzusehen. Wir finden darüber folgendes: »Am 20. Mai fuhr sie allein mit ihrem Gemahl dorthin – es sollte nach Gottes Ratschluß das letzte Mal sein! Erinnerungsvoll begrüßten sie die alten, traulichen Stätten, die sie so oft in glücklichen Tagen mit Freud und Wonne gesehen; nicht trennen konnte und wollte sie sich von jener Anhöhe im Park, die das Rohrhaus trägt und die an jenem Tage eine weite Fernsicht über den mit schwellenden Segeln und zahllosen Schwänen belebten Havelstrom mit seinen Buchten und Seen sowie auf die im schönsten Maiengrün prangenden Wiesen und Äcker bot. Zu ihren Füßen lag das friedsame Paretz, im Grün der Bäume halb versteckt die Kirche. Die Sonne neigte sich; tiefer und länger dehnten sich die Schatten über die Landschaft und mahnten zum Aufbruch. Aber die Königin wollte so lange als möglich an diesem ihrem Lieblingsorte verbleiben; sie wartete bis zum Niedergang der Sonne und sprach dann vor sich hin:

›Die Sonne eines Tages geht dahin;
Wer weiß,
Wie bald die Sonne unsres Lebens scheidet.‹

… Die Königin schritt am Arm ihres Gemahls den kurzen Gang zu Füßen der Anhöhe hinab und durch die Parktür nach der Landstraße.« Das war am 20. Mai. Am 19. Juli starb sie.

Unvergeßlich blieb dem Könige die Stätte, unvergeßlich das Wort, das sie hier gesprochen. Er besuchte oft diese Stelle, doch stets allein, ohne jede Begleitung. Zum Andenken ließ er hier, wo sie den Park verlassen und den Wagen bestiegen, wo ihr Fuß zum letzten Mal die Erde von Paretz berührt hatte, eine gußeiserne gotische Pforte aufstellen. Diese Pforte, wie es für solchen Platz sich ziemt, entzieht sich fast dem Auge. Abgelegen an sich, an dunkelster Stelle des Parks, birgt sich das Gittertor in dichtem Akaziengebüsch; nur der Spitzbogen ragt in die Helle auf und trägt ein L. und die Inschrift: »den 20. Mai 1810«.“

Soweit Fontane, man mag die ganze Passage hier nachlesen. Er zählte übrigens nicht unbedingt zu Luisens Bewunderern, und erklärte, es wären die Mythen um sie, die ihm suspekt seien. Dennoch hat er sich diese anrührenden Schilderungen abgerungen.

Dieses kleine Gutshaus in Paretz ist irgendwie ein Schlüssel zu unserer Erzählung. Ich muß zuvor sagen, ich bin gegen jeden zutiefst mißtrauisch, der nicht ganz instinktiv vor dem Häßlichen zurückschreckt. Obwohl es wohl so ist, daß der Abscheu vor dem Häßlichen nur wirksam wird, wenn Schönes zu sehen zuvor gelernt wurde, so wie nur die Anlage zum Sprechen-Können noch nicht genügt, eine Sprache zu beherrschen. Die rohere Seele mag sogar am Zerstören den größeren Spaß haben. Doch zurück zu Paretz.

Es gibt Aufnahmen von der Verunstaltung des Paretzer Schlosses nach 1945, die wie ein Sinnbild für das Vorgefallene stehen, leider habe ich keine passende Aufnahme gefunden, die ich hier anbringen könnte, kurz gesagt, der Bau ist ein Muster abschreckender Scheußlichkeit. Kurioserweise fand ich aber in einem Spiegel-Artikel von vor 20 Jahren eine sehr treffende Schilderung des Vorgangs, wie die Arbeiter-und-Bauern-Macht ihrem Unverstand für das baukünstlerische Erbe der Mark Brandenburg ein besonders trauriges Denkmal gesetzt hätte:

„Paretz war Preußens schlichtestes Schlößchen, eigentlich nur ein Landhaus von demonstrativer Einfachheit, in Größe und Form, Material und Ausstattung ein Zeugnis preußischer Genügsamkeit und Redlichkeit…
Selbst diese Schlichtheit meinten die Einheitssozialisten noch einmal grob reduzieren, gewissermaßen auf LPG-Niveau drücken zu müssen. Sie demolierten den Eingangsbereich, brachen Lünettenfenster zu Vierecken auf, entfernten alle dezenten ornamentalen Akzente, bewarfen das ins Rosa gebrochene Hellgelb der Fassade mit schmutzgrauem Kratzputz und brachten erst eine "Bauernhochschule Edwin Hoernle" und dann die "Vereinigung Volkseigener Betriebe Tierzucht" in dem historischen Bauwerk unter.“

Ich hatte in einem Kommentar zum gestrigen Beitrag versichert, ich wollte noch erklären, warum ich in dieser hymnischen Anrufung der verstorbenen Königin endete. Eine Mischung aus Respekt und Trotz vermutlich. Günther de Bruyn schreibt in seinem Büchlein „Preußens Luise“ über das geschichtliche Vergessen: „Prinzipiell galt das für beide deutschen Teilstaaten, nur wurde im Osten … das Verdammen und das Auslöschen aller Erinnerungen rigoroser durchgeführt.“

Es gibt verschiedene Varianten des Auslöschen-Wollens, die brutalere aber ehrlichere war in Paretz und den vielen gleichgearteten Orten zu bestaunen. Es gibt aber auch das Auslöschen-Wollen durch Banalisierung, die weichgespültere Variante und andere. Jeder mag das seine denken, wenn etwa die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg unter dem Label „Miss Preußen“ von einem frühen "Medienstar" spricht und eine Linie zu „Sisi, Evita Perón oder Princess Diana“ zieht.

Als ich mich mit dem Luisen-Mythos etwas ernsthafter beschäftigte, stieß ich auf all diese Varianten. Da ich aber empfinde, daß sich mit dem Namen der Königin Luise etwas Bedeutungsvolles verbindet, ein Glücksfall für das, was man früher die deutsche Seele nannte, und ich auch glaube, daß sie mehr als eine Folie für Erwartungen war, nämlich ein liebenswürdiger, tapferer und bedeutsamer Mensch voll Charme, Natürlichkeit und Selbstironie, kam es halt zu diesem Ausbruch, den ich jetzt auch so stehen lassen werde.

4 Kommentare:

naturgesetz hat gesagt…

While I wait for your thoughts, as I look at the painting it strikes me that the long trains on the ladies' dresses of that era must have been very difficult to clean after they had dragged on the ground, and that they would have worn badly unless they were made of very sturdy stuff.

MartininBroda hat gesagt…

Interesting observation, I'm sorry but the completion has taken much longer than expected. I will ask a friend who is an expert of such old dresses.

Rosabella hat gesagt…

"Die Sonne eines Tages geht dahin;
Wer weiß,
Wie bald die Sonne unsres Lebens scheidet ..."



Zeilen, die mich gerade beim Lesen sehr berühren!

MartininBroda hat gesagt…

@ Rosabella mich hatte das auch sehr berührt, fast hätte ich den 2. Teil deshalb sein lassen, aber nun ist wenigstens heraus.

@naturgesetz Da Du gerade Dein Deutsch verbesserst: Ich habe mich erkundigt, die Damen haben im Freien entweder ihre Schleppen etwas gerafft oder sie hatten Personal, welches dies für sie tat oder man hat es einfach nicht weiter beachtet, es war auch nur eine relativ kurze Mode.