Donnerstag, 10. März 2011
Mecklenburgische Altertümer - Neubrandenburg
„Doch die Neubrandenburger Marienkirche ist von Kirchenältesten umstellt, das Hauptportal hütet der Pfarrer im Talar. Diese wehrlose Wache ein wirksames Hindernis für Söldner, denen jegliche menschliche Empfindung abhanden gekommen ist? Soweit die Kirchenmänner nicht selber weichen, werden sie brutal zu Boden geschleudert. Doch der Pastor hält die große, eiserne Kirchentürklinke fest in der Hand, läßt sie nicht los. Das wird ihm zum Verhängnis. Von der Lanze eines Kaiserlichen getroffen, sackt er zusammen; aus der klaffenden Kopfwunde strömt Blut. Während die herbeieilenden Kirchenältesten den verletzten Kopf mit Kleidungsstücken umwickeln und den Besinnungslosen in das nahegelegene Pfarrhaus tragen, stürzt die wilde Soldateska in die Kirche und läßt die Zerstörungswut an Altar, Kanzel, Taufstein, Gestühl und Fenstern aus.“
Wo ich gestern so empfindsam über den 30jährigen Krieg geschrieben hatte, ging mir heute auf, daß nach dem julianischen Kalender an diesem Tag, also am 9. März, Neubrandenburg, der Ort, an dem ich lebe, 1631 von kaiserlichen Truppen unter Tilly erobert und, sagen wir, ziemlich geschändet wurde. Aber zuvor ein Wort zu dem Zitat, ich fand es hier, es ist ganz rührend zu lesen, eine Geschichte der Familie Peithmann, der furchtlose Pfarrer sei ein Ahn der Familie, nämlich Ludolph Peithmann gewesen. Ich will das gern glauben, habe aber ein Problem: Man mag diesem Ort viel vorwerfen wollen, aber daß er jemals zu Vorpommern gehört hätte, das wäre doch ungerecht und ziemlich falsch. Und falsche Details machen mich immer so furchtbar, vielleicht unbegründet, mißtrauisch. Wie auch immer.
Was wahr ist, diese Gegend war längst protestantisch. Die Schweden hatten sich während des Dreißigjährigen Krieges zur Schutzmacht des Protestantismus erklärt, lassen wir die Motive beiseite, es wird ein Mix aus Verschiedenem gewesen sein. Und eine Mannschaft schwedischer Soldaten unter Befehl des Dodo von Knyphausen verteidigte also Neubrandenburg gegen die kaiserlichen Truppen unter Tilly, diese Tafel dort oben erinnert am den in schwedischen Diensten stehenden und hier gefallenen Kapitän Pflug, und unterlag. Nach den freundlicheren Zahlen wurden daraufhin nur 164 Neubrandenburger Bürger massakriert, allerdings überlebten demnach von den 2000 Schweden nur 50.
Geschichten, die einen trübsinnig stimmen sollten, passend für einen Aschermittwoch. Ja, wir haben also Aschermittwoch, die Kirche des Westens erinnert mit dem nun beginnenden Fasten an die 40 Tage, die Jesus fastend in der Wüste verbrachte, und blickt zugleich auf Karfreitag und Ostern. Und die Asche stammt von dem traditionellen Kreuzzeichen, das man an diesem Tage empfängt.
Und in der Tat, dieser Beitrag erscheint einen Tag zu spät (eigentlich war er gestern fertiggeschrieben, aber Blogger hat mich wohl ein wenig ärgern wollen), genauso wie eine Erinnerung an Carlo Gesualdo besser eher erfolgt wäre, aber der Beitrag war schon so vollgestopft, und zu diesem Tag paßt seine Musik irgendwie besser, ich habe schon gelegentlich an ihn erinnert, er wurde heute geboren. Gestorben hingegen ist jemand, der irgendwie einen sicheren Platz in meinem emotionalen Zentrum hat, Kaiser Wilhelm I.
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