Ich bin ein bißchen rostig in der Gewohnheit geworden, Kalenderblätter zu schreiben. Machen wir doch einmal eine Ausnahme - Prinz Heinrich. Ich habe eine sehr verschwommene Kindheitserinnerung: Ein respektabler Mann, Kreiskirchenkatechet Haase (eine Art Vorgesetzter der kirchlichen Religionslehrer für dieses Terrain) erklärt mir einen Obelisken (weil in Französisch), der gute Mann war Offizier im letzten Weltkrieg gewesen und kam dann bei der Kirche unter… (der Rest bald)
Ich war ein Kind, daher blieb mir seine ernsthafte Bewegtheit natürlich unverständlich. Was es mit diesem Obelisken auf sich hat, beschreibt Fontane in gewohnt angenehmer Art.
„Vielleicht die größte Sehenswürdigkeit Rheinsbergs ist der Obelisk, der sich, gegenüber dem Schlosse, am jenseitigen Seeufer auf einem zwischen dem Park und dem Boberow-Walde gelegenen Hügel erhebt. Er wurde zu Anfang der neunziger Jahre vom Prinzen Heinrich ‚dem Andenken seines Bruders August Wilhelm‘ errichtet und trägt an seiner Vorderfront das vortrefflich ausgeführte Reliefportrait ebendieses Prinzen…
Aber nicht dem Prinzen allein ist das Monument errichtet, vielmehr den preußischen Helden des Siebenjährigen Krieges überhaupt, allen jenen, die, wie eine zweite Inschrift ausspricht, ‚durch ihre Tapferkeit und Einsicht verdient haben, daß man sich ihrer auf immer erinnere‘.
Da nun solcher preußischen Helden in jener Ruhmeszeit unzweifelhaft sehr viele waren, so lag es dem Prinzen ob, unter den vielen eine Wahl zu treffen. Diese Wahl geschah, und achtundzwanzig wurden schließlich der Ehre teilhaftig, ihre Namen auf dem Rheinsberger Obelisken genannt zu sehen. Jeder Name steht in einem Medaillon und ist von einer kurzen, in französischer Sprache abgefaßten Charakteristik begleitet…
Der Obelisk richtet sich in seiner Kritik in erster Reihe gegen den König, aber an manchen Stellen, und zwar gleichzeitig ausgesprochener Anerkennung unerachtet, doch auch gegen den einen oder andere der berühmtesten Generale.“
„Die schönsten Worte richten sich unzweifelhaft an Zieten…“
„General von Zieten erreichte ein ebenso glückliches als ehrenvolles Alter. Er siegte in jedem Gefechte. Sein kriegerischer Scharfblick, vereinigt mit einer heroischen Tapferkeit, sicherten ihm den glücklichen Ausgang jeden Kampfes. Aber was ihn über alles erhob, waren seine Redlichkeit, seine Uneigennützigkeit und seine Verachtung aller derer, welche auf Kosten der unterdrückten Völker sich bereicherten.“
Prinz Heinrich, ein jüngerer Bruder des großen König Friedrich teilte viele von dessen insbesondere musischen Neigungen, was nicht unbedingt dazu führte, daß sich beide sehr nahe standen. Auch Heinrich war militärisch erfolgreich, seinen Bruder hielt er eher für einen Hasardeur. So schreibt er einmal:
"Der König hat uns in diesen grausamen Krieg gestürzt und nur der Mut der Generale und Soldaten kann uns wieder herausreißen. Seit dem Tage, an dem er zu meiner Armee gestoßen ist, hat er Unordnung und Unglück angerichtet. Alle meine Anstrengungen in diesem Feldzug und das Glück, das mich unterstützt hat, alles ist verloren durch Friedrich."
Abgesehen von dem einen oder anderen militärischen Auftrag hat ihn Friedrich von allem ferngehalten, was sich an Projekten – etwa die polnische Krone – anbot. Es hat sich alles zerschlagen. Andererseits waren sich Heinrich und Friedrich wohl zu ähnlich, um sich nahe stehen zu können.
Heinrich hat Rheinsberg dann mehr gepflegt als sein Bruder, obwohl es sich immer noch vor allem mit dessen Namen verbindet, wie dieser war er sehr frankophil. 1784 empfängt ihn Ludwig XVI. ihn in Versailles. Der Rektor des Lycée preist Friedrich II. als aufgeklärten Monarchen und in Heinrich begrüße er einen grand homme, für den es nur eines Thrones bedurft hätte, um Friedrich ebenbürtig zu werden. Ein Mann der verpaßten Möglichkeiten, das gibt es des öfteren. Noch einmal Fontane:
„Wenn man wieder ins Freie tritt, um, über den Schloßhof hin, dem Park und dem See zuzuschreiten, so kann man die Frage nicht abwehren: Wie kommt es, daß dieser kluge, geistvolle Prinz Heinrich, dieser Feldherr sans peur et sans reproche, dies von den nobelsten Empfindungen inspirierte Menschenherz so wenig populär geworden ist? Man geh in eine Dorfschule und mache die Probe. Jedes Tagelöhnerkind wird den Zieten, den Seydlitz, den ‚Schwerin mit der Fahne‘ kennen, aber der Herr Lehrer selbst wird nur stotternd zu sagen wissen, wer denn eigentlich Prinz Heinrich gewesen sei. Selbst in Rheinsberg, das der Prinz ein halbes Jahrhundert lang bewohnt hat, ist er verhältnismäßig ein Fremder. Natürlich, man kennt ihn, aber man weiß wenig von ihm. Einige von den Alten entsinnen sich seiner, erzählen dies und das, aber die lebende Generation lernt Geschichte wie wir, das heißt, liest lange Kapitel vom Kronprinzen Friedrich und seinem Rheinsberger Aufenthalt und hat sich daran gewöhnt, den Konzertsaal und das Studierzimmer als die alleinigen Sehenswürdigkeiten des Schlosses anzusehen. Die Zimmer des Prinzen Heinrich, Prinz Heinrich selbst, alles ist bloße Zugabe, Material für die Rumpelkammer. Das harte Los, das dem Prinzen bei Lebzeiten fiel, das Geschick, ‚durch ein helleres Licht verdunkelt zu werden‘, verfolgt ihn auch im Tode noch. An derselben Stelle, wo er durch fast zwei Menschenalter hin gelebt und geherrscht, geschaffen und gestiftet hat, ist er ein halb Vergessener, bloß weil der Stern seines Bruders vor ihm ebendaselbst geleuchtet.“
zu Ende geschrieben am 5. August
4 Kommentare:
Schön, dass Rheinsberg mit seinem Schloss, wo die Musikakademie beheimatet ist und dem Obelisk gegenüber vom See einmal hier präsentiert wird. Es ist immer wieder merkwürdig, diesen Ort aufzusuchen und beide Symbole extrem entgegengesetzter Menschenführung oder Personalführung, hier in der Fritzens Flöten und moderne Musik und da im Krieg, so gegenübergestellt zu finden. Aber so sollte ja wohl die Ambivalenz Preussens verstanden werden, könnte man denken.
Ja, vielleicht, habe während des Schreibens überlegt, ob er wirklich der bessere Mensch war oder einfach nur querulatorisch veranlagt, keine Ahnung.
Vielleicht ist es so und naheliegend wäre es, dass der Bruder schlicht eine andere Rolle hat (wenn man sein "Schicksal" Rolle nennt) und eine andere Perspektive mitbringt, gar nicht mal gegen den anderen Bruder, sondern für diesen schlicht komplementär, alternativ, ergänzend. Opposition ist ja auch nicht a priori Querulantentum.
Ach das war eine wirkliche, keine bloß rhetorische Frage. Und es handelte sich wohl um einen Mix aus Charakter, Perspektive und auch ein wenig Ressentiment etc.; mehr bewegte mich der Umstand, wie ein so begabter Mensch mit doch gewissen Möglichkeiten diese wenigen Erinnerungsspuren hinterläßt, ganz wie es Fontane andeutet. Und Preußen, ja das war wirklich einmal die Ausnahme eines Staates mit einer deutlichen Physiognomie (und eines recht komplizierten Menschen, um im Bild zu bleiben).
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