Mittwoch, 17. August 2011
Über einen protestantischen Heiligen
Schon gelegentlich habe ich daran erinnert, wie die Französische Revolution seit 1798 die größte romanische Kirche des Abendlands, die Abtei von Cluny, zum Steinbruch gemacht und so bis auf geringe Reste zerstört hat. Etwa zehn Kilometern entfernt befindet sich das kleine Dorf Taizé. Dort hat ein Mann, zunächst völlig auf sich allein gestellt, ein Zeichen ganz entgegengesetzten Geistes geschaffen. Als am 16. August 2005 Frère Roger, eigentlich Roger Schutz, während eines Gottesdienstes von einer Geistesgestörten niedergestochen wurde, er starb im Alter von 90 Jahren, war die Erschütterung in allen christlichen Konfessionen spürbar.
Selbst sein Tod weckte so, selbst wenn es nur ein Moment war, den Geist der Verbundenheit. Ein Protestant, der auch in der katholischen Kirche in höchstem Ansehen stand und steht, das ist nicht ganz so häufig und verweist darauf, daß es wohl eine besondere Persönlichkeit gewesen sein muß, und wie bei allen Menschen, die durch das Charisma ihrer Person wirken, ist es nicht einfach zu sagen, was sie so heraushob.
Dieses Charisma durfte ich als junger Mensch selbst erleben. Dies ist auch der eigentliche Grund für diesen Beitrag. Daß er eben auch in Verbindung mit einer gewissen jugendlichen Frömmigkeitsströmung steht, macht es einem in „reiferem“ Alter etwas schwerer, aber das verschwindet, wenn man sich dem Mann selbst wieder zuwendet. Frère Roger war jemand, für den man dann doch einmal das Modewort „authentisch“ verwenden sollte, ein Mann, der Frieden, Versöhnung, Zuwendung und tiefe Spiritualität ausstrahlte.
Auf der Seite der Communauté de Taizé fand ich dafür folgende Sätze, die mir sehr bezeichnend erscheinen. Frère Alois, der jetzige Prior der Gemeinschaft zitierte sie beim Gedenken in Taizé:
„Jeder Mensch lebt mit einer offenen Wunde, die ihm die Fehlschläge im Leben, Erniedrigungen oder ein schlechtes Gewissen zugefügt haben.“ „Christus verklärt diese Wunde, so daß sie zu einem Ort der Kraft wird, zu einer Quelle schöpferischer Energien, aus der Gemeinschaft, Freundschaft und gegenseitiges Verstehen strömen.“
Frère Roger sah Taizé als "ganz bescheidene Flamme ökumenischer Hoffnung" und dies war denke ich sein tiefster Antrieb. Er wollte mit seiner Person für die Heilung des Risses zwischen den Konfessionen einstehen. Daher hatte er versucht, Papst Pius XII. von der Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens abzubringen, wie wir wissen vergeblich. Andererseits erhielt er als Protestant bei der Beisetzung Johannes Pauls II. von Kardinal Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., die Kommunion gespendet. Was erklärlicherweise erhebliches Aufsehen erregte (man sehe hier und hier), bis hin zur Spekulation, er sei heimlich konvertiert. Seine Antwort darauf war:
„Geprägt vom Lebenszeugnis meiner Großmutter fand ich, wie sie, meine Identität als Christ darin, in mir den Glauben meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem zu brechen.“
Kardinal Kasper griff bei der Beerdigung von Frère Roger dies auf, indem er sagte:
„Er wollte den Glauben der ungeteilten Kirche leben, ohne mit irgend jemandem zu brechen, in tiefer Brüderlichkeit. Er glaubte vor allem an die Ökumene der Heiligkeit, jener Heiligkeit, die den Grund der Seele verändert und allein zur vollen Gemeinschaft führt.“
Oder mit anderen Worten, Frère Roger war einer der wenigen Menschen, denen es gelungen ist, in ihrer Person den Riß, der durch Kirche und Christenheit geht, zu überwinden.
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2 Kommentare:
A truly remarkable man. I hope he will continue to inspire Christians to live our unity more fully.
Indeed, as I hinted I talked to him shortly once as a young man, he was an impressive figure.
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