Montag, 16. Juli 2012

Über Herrn Kosegarten & Heinrich Ranke etc. etc.


Uferpredigt bei Vitt. Aquarell von Theodor Schwarz

Am Leben dieses Mannes kann man ablesen, daß jemand auch ungemein beeindruckend vom Rand der bekannteren Welt her wirken kann. Ein bedeutender Mecklenburger, obwohl er vorwiegend im Pommerschen lebte - Ludwig Gotthard Kosegarten, um den geht es gerade nicht. Aber ein guter Freund hat eben sein neuestes Buch fertiggestellt. Und das handelt in dessen Dunstkreis sozusagen. Ich bin jetzt einmal sehr faul und zitiere ein paar Stellen aus der ADB, übrigens ein sehr rührender Artikel, ach ich habe früher schon einmal kurz etwas zu ihm geschrieben, zu Herrn Kosegarten. Mir fallen da auch ein paar Kommentare ein, aber die verkneifen ich mir einfach.

„Als sich K. nun in der Folge um die erledigte Pfarre Altenkirchen auf Wittow, der nördlichsten Halbinsel Rügens bewarb, während er eine Berufung zum Hofprediger der Königin von England und außerdem zum Rector des kaiserlichen Lyceums zu Riga mit dem Diaconat zu St. Jakobi ablehnte, hatte er es namentlich dem Einflusse des Kronprinzen zu verdanken, daß er die reich dotirte Pfarre erhielt. Zuvor in Greifswald ordinirt, trat er das neue Amt schon im Juni 1792 an und fühlte sich bald in Altenkirchen auf der einsamen vom Meere umwogten Halbinsel überaus glücklich.“

„Das neue Amt gab ihm nicht nur kirchliche, sondern auch weltliche Geschäfte mancherlei Art, da zu der Pfarre in 25 Dörfern und Höfen eine zahlreiche Gemeinde gehörte, welche mit ihrem Seelsorger nicht nur in kirchlicher Verbindung, sondern auch unter seiner Patrimonialgerichtsbarkeit stand, so daß man in allen wichtigen Vorkommnissen des täglichen Lebens seinen Rath einholte und sich zwischen der Gemeinde und ihm als deren Pfarrer, Richter, Patron und Vormund ein wahrhaft patriarchalisches Verhältniß bildete. Dabei hatte er zur Zeit des Heringsfanges in dem Filial Vitte im Angesichte des Meeres die sogenannten Uferpredigten zu halten... Den Gottesdienst hielt er streng in seinen alten, dem Volke heilig gewordenen Gebräuchen, war ein Feind der modernisirten Lehr- und Gesangbücher und zog ihnen Katechismus, Lieder und Formeln Martin Luther’s, Paul Gerhard’s und Johann Bugenhagen’s vor. Was den Geist seiner Predigten anbetrifft, so bemerkt K. selbst in der Geschichte seines 50. Lebensjahres, daß er im Interesse der beginnenden Aufklärung eine Weile dem Glauben an Teufel, Gespenster und Hexen den Krieg gemacht und gemeinnützige Kenntnisse aus der Diätetik und Oeconomie von der Kanzel zu verbreiten gesucht habe, bald aber zu der Ueberzeugung von der Ungehörigkeit dessen gelangt sei und sich fortan darauf beschränkt habe, die Glaubens- und Sittenlehre vorzutragen sowie Liebe und Hoffnung zu beleben. Er entsagte dem einseitigen Bestreben möglichst populär zu sein und bemühte sich statt hernieder zu steigen zu den Zuhörern, diese vielmehr zu sich emporzuheben; dabei trug er seine Predigten frei nach summarischer Disposition und mit dem lebhaftesten Gemüthsausdruck vor.“

„Obwohl er in einem Briefe an eine Freundin einer guten That mehr Werth zuschreibt als 20 Gedichten, gehörte er doch zu den fruchtbarsten Dichtern Deutschlands und bekennt selber: 'Ich dichtete wachend und träumend, während der Mahlzeiten, während der gesellschaftlichen Unterhaltungen, während der kirchlichen Verrichtungen'“.

„Als dann in Folge des Krieges von 1806 die Franzosen ... in Pommern eindrangen und Kosegarten’s Lage sowohl durch die Kriegsunruhen als andere amtliche Verhältnisse für ihn und seine gesunkenen körperlichen Kräfte zu schwierig ward, bewarb er sich um die erledigie Professur der Geschichte zu Greifswald und erhielt dieselbe mit der Erlaubniß, sein Pfarramt durch einen Vicar verwalten lassen zu dürfen. Nunmehr berief er seinen früheren Hausgenossen Hermann Baier zum Diaconus und begab sich im August 1808 in seinen neuen Wirkungskreis, in welchem er sich wohl und behaglich fühlte; seine Kräfte und Gemüthsheiterkeit kehrten wieder und freudig begrüßte er die ungestörte Muße, sich mit wissenschaftlichen und poetischen Studien beschäftigen zu können. Zu Michaelis 1808 begann er seine Vorlesungen, welche alte und neue Welthistorie sowie die griechische Litteraturgeschichte umfaßten, auch erklärte er Ilias, Odyssee, Hymnen des Pindar, die Orestie des Aeschylus, die Biographien des Plutarch und Demosthenes’ Reden; nach sorgfältiger Ausarbeitung trug er frei und ohne Concept vor.“

„Da im J. 1809 bei der französischen Occupation in Schwedisch-Pommern der Geburtstag des Kaisers als damaligen Landesherrn feierlich begangen wurde, so hielt K. seine ihm mit Unrecht so viel verargte und später auf dem Wartburgfeste verbrannte „Rede am Napoleonstage des Jahres 1809“, in welcher er die glänzenden politischen wie militärischen Erfolge des Imperators panegyrisch pries, obwohl er der Heimath Hermanns und Wittekind’s die politische Wiederherstellung prophezeite.“

Wir brechen hier ab, und nach dem Bild vom Grabstein des Schwiegersohns besagten Kosegartens folgt die Selbstvorstellung des Buches von Herrn Dr. Dr. Vette.

Grabstein Hermann Baier

„Angekommen und angenommen - Heinrich Ranke auf Rügen“

Heinrich Ranke (1798 bis 1876) war der jüngere und Lieblingsbruder des Historikers Leopold von Ranke. Die Familie stammt aus Wiehe in Thüringen. Anders als der intellektuell brillante Leopold war Heinrich Ranke seinen Eltern eher ein Sorgenkind: Er war Schulabbrecher, Studienabbrecher, als Burschenschafter und Anhänger von Friedrich Ludwig Jahn hatte er nach einer polizeilichen Untersuchung, die zwar ergebnislos erlebt, nach 1819 in Preußen praktisch keine Berufschancen.

Um 1820 weilte Heinrich Ranke insgesamt fünf Mal auf der Insel Rügen. Er suchte Pastor Hermann Baier in Altenkirchen auf. Hermann Baier war der Schwiegersohn des Dichters und Pfarrers Ludwig Kosegarten. Heinrich Ranke fand Anschluss an die Familie Baiers in Altenkirchen und Bobbin.
In seine Lebenserinnerungen schilderte Heinrich Ranke diese Begegnungen mit Land und Leuten auf Rügen mit warmen Worten. Er fand Hermann Baier, seinen geistlichen Mentor. Nach Hermann Baiers Tod 1822 nahm Heinrich Ranke dessen Sohn, Allwill Baier, später Professor, unter seine Obhut und wechselte nach Nürnberg. Dort wurde er Lehrer und später in Franken Pfarrer. Auf der Reise dorthin begegnete er in Weimar Johannes Falk, der um 1813 ein Rettungshaus für in Not geratene Kinder errichtete.

Das Buch bietet die Aufzeichnungen von Heinrich Ranke aus seiner eigenen Lebenserinnerungen, in denen er seine Reisen, Gespräche und Erlebnisse auf Rügen schilderte. Es handelt sich um eine der ersten Reisebeschreibungen, noch vor Beginn des Bäder- und Urlauberbetriebes. Diese eigenen Aufzeichnungen von Heinrich Ranke werden letzten Drittel des Buches durch die Eintragungen in Heinrich Rankes Tagebuch, aus welchen hier erstmals zitiert wird, ergänzt. Heinrich Ranke wurde zum Texter der Weihnachtslieder „Tochter Zion“ und „Herbei, ihr Gläubigen“ und er wurde zu einem Vater einer zahlreichen Familie und Großfamilie.

Das Buch könnte Urlaubern an verregneten Tagen auf Rügen als lesenswerte Lektüre dienen und ist wohl auch als Weihnachtsgeschenk geeignet, wenn man sich beim Singen der Weihnachtslieder auf  den nächsten Rügenurlaub freut.
Markus Vette 

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