Dante Gabriel Rossetti, A Vision of Fiammetta
„'Bring mir die beiden kostbarsten Dinge dieser Stadt', befahl Gott einem seiner Engel; und der Engel brachte ihm das bleierne Herz und den toten Vogel.
'Du hast recht gewählt', sprach Gott, 'denn im Garten meines Paradieses soll der kleine Vogel singen immerdar, und der glückliche Prinz wird mich lobpreisen in meiner goldenen Stadt.'“
Oscar Fingal O' Flahertie Wills Wilde starb heute, am 30. November 1900, und es fällt schwer zur glauben, daß vom Meister der schneidenden Paradoxien und verblüffenden Zynismen, der wie beiläufig Wort um Wort zu einem Feuerwerk in die Luft warf, ein Märchen wie das obige stammt - über eine mitfühlende Statue und ihre aufopferungsbereite Freundin. Man findet es hier: „Der glückliche Prinz“.
Nein, ich denke nicht, daß die Kehrseite von Zynismus Sentimentalität sein muß, ich bin mir in diesem Moment nicht einmal mehr sicher, daß er überhaupt zynisch war. Manchmal erinnert er an ein (nicht nur nettes) Kind, das mit Giftschlangen spielt. Aber Zynismus hat auch immer etwas Abgestorbenes an sich, das allerdings sucht man bei ihm vergebens. Er ist sehr ungerecht genau in seinen Urteilen und sein heroischer Ästhetizismus hat möglicherweise mehr als eine hoffnungsvolle junge Seele ins Verderben geführt, aber wenn man nicht weiß, worauf man sich einläßt...
Lovis Corinth, Blumen
"My wallpaper and I are fighting a duel to the death. One or other of us has got to go."
„Meine Tapete und ich duellieren sich gerade, entweder muß sie verschwinden oder ich.“
Aus einer (bösen) Bemerkung über Kardinal Newman ging mir auf, wie sehr er (vermutlich) dessen Gegenpart darstellt (und ich werde natürlich nicht dagegenhalten, daß er kurz vor seinem Tode in den Schoß der römischen Kirche fand):
„The mode of thought that Cardinal Newman represented--if that can be called a mode of thought which seeks to solve intellectual problems by a denial of the supremacy of the intellect--may not, cannot, I think, survive. But the world will never weary of watching that troubled soul in its progress from darkness to darkness.“
„Die Art des Denkens, die Kardinal Newman vertreten hat – falls man den Versuch, geistige Probleme durch das Leugnen der Überlegenheit des Geists zu lösen, überhaupt eine Art des Denkens nennen darf – wird und kann schwerlich überleben. Aber die Welt wird nie müde werden, dieser gequälten Seele zuzuschauen wie sie von Finsternis zu Finsternissen voranschreitet.“
The Critic As Artist, Part 1 / Der Kritiker als Künstler, Teil 1
Ich gestehe, daß ich, als ich seines heutigen Todesdatums gewahr wurde, u.a. an dem eben genannten Essay hängenblieb und da gibt es dann auch Sätze wie:
„Musik scheint mir immer diese Wirkung zu haben. Sie ruft in jemandem eine Erinnerung an eine Vergangenheit wach, von der er bis dahin nichts wußte, und erfüllt ihn mit Ahnungen von Leiden, die seinen Tränen bis eben verborgen geblieben war. Ich kann mir jemanden vorstellen, der bisher ein ganz alltägliches Leben geführt hat, zufälligerweise irgendeine seltsame Musik hört und dann plötzlich entdeckt, daß seine Seele, ohne dessen gewahr zu sein, durch furchtbare Erfahrungen ging und verschreckende Freuden erlebt hat oder wild romantische Liebe oder starke Entsagungen.“
Er hat die Kunst und ihre Erlösungsfähigkeit offenbar sehr ernst genommen. Und ein heftiger Platonismus scheint ihn ebenfalls durchweht zu haben. Die Seele erinnert sich vermittels der Kunst ihrer selbst. Zumindest wäre es wohl das, was wir selbst gern herauslesen möchten. Aber vielleicht gilt auch hierzu:
„I seem to have heard that observation before, Ernest. It has all the vitality of error and all the tediousness of an old friend.“
„Diese Betrachtung scheine ich schon einmal gehört zu haben, Ernest. Sie hat die Lebenskraft eines Irrtums und die ganze Langweiligkeit eines alten Freundes.“
Und um es auf die Spitze zu treiben (es geht übrigens dabei um die homerischen Helden):
„Phantoms, are they? Heroes of mist and mountain? Shadows in a song? No: they are real. Action! What is action? It dies at the moment of its energy. It is a base concession to fact. The world is made by the singer for the dreamer.“
„Phantome sind diese Gestalten? Helden des Nebels und der Berge? Schatten in einem Lied? Nein, wahr sind sie. Handeln! Was ist Handeln? Es stirbt im Augenblick seiner Kraft. Es ist ein schäbiges Zugeständnis an die Tatsachen. Geschaffen wurde die Welt für den Träumer durch den Sänger.“
Dies lassen wir unkommentiert so für sich stehen. Das heißt, einen Satz über die Mona Lisa, den muß ich doch noch bringen, der ist ganz exzeptionell:
„...and he answers me, 'Hers is the head upon which all 'the ends of the world are come,' and the eyelids are a little weary.'“
„Und er antwortete: 'Ihr ist das Haupt zu eigen, auf das jedes Ende der Welt fiel, und darum sind ihre Lider ein wenig müde.'“
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Kaum jemand, auch ich nicht, kommt ohne eines der üblichen Wilde-Florilegien aus, ein sehr ausführliches fand ich übrigens an diesem Ort (falls es zusätzlich amüsiert). Also ohne inneren Zusammenhang folgt das Nachfolgende:
„...and though of all poses a moral pose is the most offensive, still to have a pose at all is something. It is a formal recognition of the importance of treating life from a definite and reasoned standpoint.
„... und obgleich von allen Posen die moralische die anstößigste ist, ist es immerhin etwas, überhaupt eine Pose zu besitzen. Man erkennt dadurch förmlich an, wie wichtig es ist, das Leben von einem bestimmten und vernünftigen Standpunkt aus zu behandeln.“
The Critic As Artist, Part 2 / Der Kritiker als Künstler, Teil 2
Hans Makart, Großes Blumenstück
„Those who find ugly meanings in beautiful things are corrupt without being charming.
This is a fault.
Those who find beautiful meanings in beautiful things are the cultivated. For these there is hope.
They are the elect to whom beautiful things mean only beauty.“
„Diejenigen, die häßliche Absichten in schönen Dingen entdecken, sind verdorben, ohne liebenswürdig zu sein. Das ist ein Fehler.
„Diejenigen, die schöne Absichten in schönen Dingen entdecken, sind kultiviert. Für diese besteht Hoffnung.
Es sind die Auserwählten, für die schöne Dinge nichts als Schönheit bedeuten.“
The Picture of Dorian Gray, Preface / Das Bildnis des Dorian Gray, Vorrede
“I am so clever that sometimes I don't understand a single word of what I am saying.”
"Manchmal bin ich so geistreich, dass ich nicht ein einziges Wort von dem verstehe, was ich sage."
The Remarkable Rocket / Die bedeutende Rakete
“That is one of the great secrets of life – to cure the soul by means of the senses, and the senses by means of the soul.”
"Das ist eines der Geheimnisse des Lebens: Die Seele mit den Mitteln der Sinne und die Sinne mit den Mitteln der Seele zu heilen."
The Picture of Dorian Gray, Chapter 2 / Das Bildnis des Dorian Gray, Kap. 2
“We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars.”
"Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns betrachten die Sterne."
Lady Windermere's Fan / Lady Windermeres Fächer, 3. Akt
“We are each our own devil, and we make this world our hell.”
"Wir sind unser eigener Teufel und machen uns diese Welt zur Hölle."
The Duchess of Padua / Die Herzogin von Padua, 5. Akt
“Children begin by loving their parents; as they grow older they judge them; sometimes they forgive them.”
"Anfangs lieben Kinder ihre Eltern; wenn sie älter werden, halten sie Gericht über sie; manchmal verzeihen sie ihnen."
The Picture of Dorian Gray, Chapter 5 / Das Bildnis des Dorian Gray, Kap. 5
“They get up early [on the country], because they have so much to do, and go to bed early, because they have so little to think about.”
„[Auf dem Lande] steht man so früh auf, weil man so viel zu tun hat, und legt sich so früh zu Bett, weil man so wenig zu denken hat."
The Picture of Dorian Gray, Chapter 15 / Das Bildnis des Dorian Gray, Kap. 15
"Experience is the name every one gives to their mistakes."
"Erfahrung ist der Name, den jeder seinen Fehlern gibt."
Lady Windermere's Fan / Lady Windermeres Fächer, 3. Akt
"Oscar Wilde at About Thirty"
beendet am 1. Dezember
1 Kommentar:
And there, till Christ call forth the dead,
In silence let him lie:
No need to waste the foolish tear,
Or heave the windy sigh:
The man had killed the thing he loved,
And so he had to die.
Und dort, bis Gott die Toten ruft,
die Ruhe ihm gewaehr:
Verschwende keine töricht' Traen'
und seufz' nicht schwer und leer:
Er toetete, was er geliebt,
und sterben musste er.
(Die vorletzte Strophe von The Ballad of
Reading Gaol / Die Ballade vom Reading Gefaengnis)
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