Freitag, 7. Februar 2014

Johann Heinrich Füßli

Johann Heinrich Füßli, "Die Damen von Hastings"

Es gibt einen recht unterhaltsamen Ausspruch des Fürsten von Wales über die Aufklärung: „I was accused once of being the enemy of the Enlightenment, … I felt rather proud...“

Übrigens (nur, weil mich kuriose Dinge unterhalten) hat das Wappen des englischen Thronfolgers seit Jahrhunderten das deutsche Motto: „Ich dien“, und das noch fast bevor der normannische Hochadel begann, statt seines Französisch das damalige Englisch zu sprechen (was wohl unter Eduard III. stattfand, jedenfalls wurde etwa 1363 Englisch die Sprache der Gerichte).

Titania and Bottom

Fairy Mab

Herr Füßli war eine Art Wahl-Engländer (deshalb kam ich wohl darauf), ursprünglich ordinierter reformierter Pastor aus Zürich, was sich in der Tat merkwürdig ausnimmt, wenn man nur auf irgendeines seiner bekannteren Werke schaut. Allerdings hat sich das Christliche dann doch sehr verloren, Rousseau verdarb ihn. Oder um einen Tagebucheintrag Benjamin Haydons zu zitieren, ein Zeitgenosse: „Fuselis Psyche wird angetrieben von Blasphemie, Lüsternheit und Blut, die Frauen alle Huren und alle Männer Verbrecher - („the Engines of Fuseli's Mind are Blasphemy, Lechery and blood. His women are all whores, and men all banditti“).

Gefunden habe ich diese leicht unvorteilhafte Charakterisierung zuerst in einem Porträt des Bloggers Jay, dort liest man noch mehr von derlei Komplimenten. Wenn man also ein scharf gezeichnetes Personenbild sucht, wird man an diesem Ort fündig. Aber glücklicherweise wächst ein Künstler mit seinem Werk mitunter über seinen Charakter hinaus. Doch wo wir gerade bei Zitaten sind:

„Die Sujets die er wählt sind sämtlich abenteuerlich und entweder tragisch oder humoristisch die ersten wirken auf Einbildungskraft und Gefühl die zweiten auf Einbildungskraft und Geist.
Die sinnliche Darstellung braucht er in beiden Fällen nur als Vehikel.
Kein echtes Kunstwerk soll auf Einbildungskraft wirken wollen das ist die Sache der Poesie.
Bei Füeslis sind Poesie und Malerei immer im Streit und sie lassen den Zuschauer niemals zum ruhigen Genuß kommen; man schätzt ihn als Dichter, und als bildender Künstler macht er den Zuschauer immer ungeduldig.
Naturell. Frühere Bildung. Italienische Einwirkung. Studien, welchen Weg er genommen. Manier in allem, besonders der Anatomie, dadurch auch der Stellungen. Malerisch, poetisches Genie. Charakteristisches. Gewisse Idiosynkrasien des Gefallens, der Liebhaberei. Mädchen in gewissen Formen. Lage. Wollüstige Hingelehntheit. Wirkung Shakespears. Des Jahrhunderts. Englands. Miltonische. Galerie.“
Johann Wolfgang von Goethe: „Über Heinrich Füeslis Arbeiten" 
(Aus der Schweizerreise im Jahre 1797)

Henry Fuseli, Porträt von James Northcote

Goethe war sehr schwankend in seinem Urteil, blieb aber immer neugierig, diese erwähnten Notizen zu Füßli (wenn man einmal beiseite läßt, ob er damit das Wesen der Malerei wirklich getroffen haben mag, aber wer hat das schon) sind diesmal fast schon wohlwollend. Aber das darf auch kaum verwundern, denn Füßlis Werk steht so ganz gegen sein eigenes Kunstwollen; da ist nichts gemäßigt, durch Vernunft geformt, harmonisch gebildet. E.T.A. Hoffmann war ihm ein Graus, wie sollte er dann daran eine unschuldige Art von Freude gewinnen.

Ich will mir nicht anmaßen, Goethes Ästhetik beschreiben zu können, also dachte ich mir, zieh dich einfach am Schopf aus dem Sumpf, indem du etwa seine „Maximen und Reflexionen“ noch einmal durchblätterst und ein paar willkürliche Sätze daraus bringst, da mag sich dann irgendeine Art von Bild wohl einstellen.
Die Kunst soll die sich offenbarende Natur würdig auslegen, lese ich, oder:

„Alles Lyrische muß im Ganzen sehr vernünftig, im Einzelnen ein bißchen unvernünftig sein.“ 

„Der eigentliche Obskurantismus ist nicht, daß man die Ausbreitung des Wahren, Klaren, Nützlichen hindert, sondern daß man das Falsche in Kurs bringt.“

„Das sogenannte Romantische einer Gegend ist ein stilles Gefühl des Erhabenen unter der Form der Vergangenheit oder, was gleich lautet, der Einsamkeit, Abwesenheit, Abgeschiedenheit.“
„Man sagt: »Studiere, Künstler, die Natur!« Es ist aber keine Kleinigkeit, aus dem Gemeinen das Edle, aus der Unform das Schöne zu entwickeln.“

„In der Idee leben heißt das Unmögliche behandeln, als wenn es möglich wäre. Mit dem Charakter hat es dieselbe Bewandtnis: treffen beide zusammen, so entstehen Ereignisse, worüber die Welt vom Erstaunen sich Jahrtausende nicht erholen kann.“

„Wenn ich jüngere deutsche Maler, sogar solche, die sich eine Zeitlang in Italien aufgehalten, befrage: warum sie doch, besonders in ihren Landschaften, so widerwärtige grelle Töne dem Auge darstellen und vor aller Harmonie zu fliehen scheinen? so geben sie wohl ganz dreist und getrost zur Antwort: sie sähen die Natur genau auf solche Weise.“

„Alles, was unsern Geist befreit, ohne uns die Herrschaft über uns selbst zu geben, ist verderblich.“

„Es gehört eine eigene Geisteswendung dazu, um das gestaltlose Wirkliche in seiner eigensten Art zu fassen und es von Hirngespinsten zu unterscheiden, die sich denn doch auch mit einer gewissen Wirklichkeit lebhaft aufdringen.“

Letzteres erscheint förmlich wie ein Kommentar zu dem Nachfolgenden. Beiläufig gesagt, dachte ich bei dem nicht ganz unbekannten Bild, in dem er ein Gespräch mit seinem Freund und Mäzen Bodmer vorstellt, immer, das im  Hintergrund sei nun aber ein besonders abgedrehtes, wurzel-gespenst-artiges Wesen - es soll wohl schlicht eine Büste sein, vermutlich.

Der Künstler im Gespräch mit Johann Jacob Bodmer

Und nun gelangen wir zu zwei Bildern, auf die kein bebildertes Handbuch der Tiefenpsychologie verzichten mag. Das ist keine gemütvolle Romantik, so etwas ist ganz fern davon, eher ungemütlich, mehr von der Art, die den Boden unter den Beinen hinwegzieht.

Er mag als Maler technisch gewesen sein, wie er will, aber das ist über originelle Bilderfindung hinaus. Das nennt man, glaube ich, Kunst.

Nachtmahr

Nachtmahr

Goethe dachte wohl, eine neue, humanere Ordnung herbeischreiben zu können. Verwirrte, wie Füßli, führen da weit eher in die Gegenwart - das Aufrühren von Schichten, die ein Goethe sublimieren, veredeln, emporheben wollte, statt sie auszuleben; das macht seine Absichten ehrenwert und seine Dichtung geistreich, welterfahren, lebensklug und, mit Verlaub, häufig etwas blutarm, wenn auch die Sprache unbestreitbar auszeichnet. Aber er stand, fürchte ich, damit auf der richtigeren Seite.

Diese sogenannte „Schwarze Romantik“ war ja überhaupt zunächst mehr ein Vetter der Aufklärung, und wo ich gerade diesen Link bringe: „Glauben Sie an Gespenster? Nein, aber ich habe Angst vor ihnen”, antwortet Madame Du Deffand dem Erfinder des Schauerromans (Otranto), Horace Walpole. Und bringt damit die Zerrissenheit dieses aufgeklärten Zeitalters genau auf den Punkt.

Die wahnsinnige Kate

Vielleicht doch 3 dürftige Sätze zu seinen Bildern: Seine „Damen von Hastings“ (siehe eingangs) sind atemberaubend; man mag über deren Sinn herum grübeln, so viel man will, dieses überwältigend unaufhaltsame Voranschreiten ins Nichts, ins Unendliche, oder was immer (wer weiß das alles schon so genau), diese Bewegung hat niemand vor ihm so erfaßt.

Und die  „Wahnsinnige Kate“ (aus einem Gedicht von William Cowper), auch wenn wir nicht wissen, daß sie über den Verlust des Geliebten wahnsinnig wurde, wir sehen ihn, ihren Wahnsinn, die zerfallende Welt, von der nichts Gutes mehr ausgehen kann. 

Oder die blinden Augen des Pferdes im „Nachtmahr“, in beiden Varianten. Wir sehen bei Tageslicht unsere tiefsten Alpträume, und hoffen nur, sie hinter uns lassen zu können.

Und darüber hinaus, um uns erneut ins Betrachten der Geschichte zu flüchten, können wir nur hoffen, daß schließlich diese ganze „Aufklärungs-Mode“ sich als pubertäre Abirrung Europas in seinem vierten Frühling erweisen wird, wo das junge Mensch irgendwann dann doch wieder zu Vernunft gekommen ist. Wir sehen, vermutlich, vielleicht.

Brunhilde beobachtet Gunther
nachgetragen am 10. Februar

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