Donnerstag, 31. Juli 2008

Nachgetragen

Zu meinem beträchtlichen Bedauern konnte ich gestern nicht einen Gedenkgottesdienst aufsuchen, der dem 110. Todestag Bismarcks an seinem Geburtsort gewidmet war. Da mir Thomas Roloff soeben freundlicherweise seine Ansprache übersandt hat, die er aus diesem Anlaß gehalten hatte, sei diese wenigstens hier dokumentiert:


"Ansprache aus Anlass des 110. Todestages des Fürsten Otto von Bismarck im Gedenkgottesdienst am 30.07.2008 in der Kirche
St. Marien und Willebrord zu Schönhausen.

1. Timotheus 4, 6-10 und Matthäus 20, 25-28


Friede sei mit euch!

Liebe Gemeinde,

der heute vor 110 Jahren verstorbene Fürst hatte sich seine Grabschrift selbst gewählt. Er wollte ihr gemäß den Zeitgenossen aber auch den nachgeborenen Generationen als Diener gelten. „Ein treuer, deutscher Diener Kaiser Wilhelms I.“ steht auf seinem Sarkophag im Sachsenwald. Die Lesung und das Evangelium dieser Feier haben darum den Diener zum Thema und wollen uns verdeutlichen, was ein Diener ist.

Wir müssen die beiden Texte schon darum heranziehen, weil die landläufige Vorstellung vom Diener, der mit niedriger Arbeit, als Mitglied der unteren Stände sein Dasein fristet, natürlich gar nicht passt zur gewaltigen Figur des Reichsgründers. Er steht vor uns wie das Denkmal in Hamburg ihn zeigt, als unbeugsamer Sieger, als unangefochtener, beinahe unfehlbarer Kanzler seines Volkes. Er hat den Verfassungskonflikt um die Heeresreform durchgekämpft, im Interesse Preußens drei Kriege geführt, den deutschen Nationalstaat errichtet und ihm dann zwanzig Jahre den Frieden erhalten. Er gilt durch die Einrichtung der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung als Begründer des modernen Wohlfahrtsstaates.

So richtig das alles sein mag, gibt es doch die Wirklichkeit des Lebens Bismarcks bestenfalls nur zur Hälfte wieder, denn immer war sein Weg begleitet durch Missgunst, Hass, Neid und bittere Feindschaft.

Bereits in den Revolutionstagen der Jahre 1848/49 galt er vielen als die Inkarnation aller reaktionärer Gedanken. Als er sich dann als Ministerpräsident gegen das Parlament stellte und später den Krieg gegen Österreich betrieb war das sogar einflussreichen Parteien am Hof nicht mehr nur Rechtsbruch, sondern Verbrechertum. Man begann öffentlich über den Geisteszustand Bismarcks zu spekulieren. Nur der überwältigende Erfolg seiner Politik ließ die Kritiker zwischenzeitlich verstummen. Im Kulturkampf aber und später im Zusammenhang mit den Sozialistengesetzen erhoben sie um so vernehmlicher ihre Stimmen. Zweimal nämlich 1866 und 1873 wurden sogar Attentate auf den Mann von „Blut und Eisen“ verübt. In den späten Jahren wurde dann vor allem seine mühsame, komplizierte und oft auch einsame Bündnispolitik angefeindet. Man hielt das, was Bismarck tat, für altmodisch und für glanzlos, so wie er es scheinbar selbst geworden war - alt und glanzlos. Als dieser alte Fürst dann 1890 von seinen Ämtern zurücktreten musste, hielt sich das Bedauern darüber in sehr engen Grenzen. Ein Abgeordneter verkündete seinen Wählern am Abend des Amtsverzichts: „Ich habe für Sie eine gute Nachricht. Von heute an werden Preußen und das Reich wieder von dem Hause Hohenzollern regiert und nicht mehr durch die Sippschaft der Bismarcks.“

1892 demütigte ihn der Berliner Kaiserhof, indem er die Teilnahme des offiziellen Wien an der Hochzeit des Grafen Herbert mit Margarethe Hoyos verhinderte, und Kaiser Franz-Joseph es ablehnte, Bismarck zu empfangen.

Margarethe Hoyos hat später als Witwe Herberts noch mehrere Jahre hier in Schönhausen gewohnt, und einige unter uns haben sie sogar noch persönlich erlebt.

Es war keineswegs so, dass Bismarck von all dem ungerührt geblieben wäre. Vielmehr machte es ihn krank und schlaflos. Sein Weg war immer wieder durch schwere oft sogar lebensbedrohliche Leiden bestimmt, und dennoch hatte er die Lasten seiner Ämter immer weitergetragen. Natürlich gab es dafür eine ganze Reihe von Gründen. Bismarck fand Erfüllung in der Machtausübung. Er war von seiner eigenen hohen Begabung für diesen Beruf außerordentlich überzeugt, und er war nicht frei von jenem Geltungsdrang, der zweifellos für ein Leben in der Öffentlichkeit unverzichtbar ist.

Alles das erklärt aber nicht einmal im Ansatz den selbst für das 19. Jahrhundert sehr langen, von größtem Erfolg gekennzeichneten Weg dieses Mannes. Die letzten Ursachen dafür sind eben doch in dem zu suchen, was der auf den Tod schon zugehende Fürst für seine Grabschrift bestimmte. Er wollte wirklich Diener sein.

Diener in diesem Sinne wird man aber nicht in einem aufgezwungenem Unterstellungsverhältnis, sondern Diener im christlichen Sinne ist derjenige, der gefunden hat, wem er sich mit Hingabe anschließt. Diener zu sein ist keine versklavende Rolle, sondern eine Lebenshaltung, die befreit. Dabei ist von größtem Interesse, was der Herr im Evangelium gesagt hat:

Wer groß sein will, der soll euer Diener sein.
Jesus verwirft nicht den Willen des Menschen zur Größe, sondern er lenkt ihn in eine Bahn, auf der Verwirklichung bleibender Größe möglich wird. Er sagt weiter: Wer der erste unter euch sein will, der sei euer Knecht. Jesus verwirft nicht das Streben des Menschen danach, Erster zu sein, sondern er lenkt dieses Streben in einen wirklichen Dienst am Menschen. Bezeichnender Weise kann man an dieser Stelle das Wort Erster auch mit Fürst übersetzen, worin sich dasselbe Wort verbirgt, wie wir am Englischen noch gut erkennen können. So könnte es an unserer Stelle auch heißen: Wer euer Fürst sein will, der sei euer Diener.

Nun mag aber jemand einwenden: Bismarck wollte doch nun aber gar nicht „Diener der Menschen“ sein, sondern nur Diener eines Menschen, nämlich seines Kaisers.

Dem heutigen Menschen klingt dieser Einwand vermutlich sogar plausibel. Aber selbst er wird zustimmen, dass es einen Unterschied macht, ob man den Menschen tatsächlich dient, oder ob man sich ihnen nur beliebt machen will. Für Aufgaben, von denen in unserem Zusammenhang die Rede ist, muss man schon eine höhere Idee haben, als nur den Menschen gefallen zu wollen. Wer wirklich die größten Höhen erklimmen will, der muss zuvor gefunden haben, wem er sich unterwirft. Er kann sich mit Sicherheit nicht jeder wechselhaften und unbeständigen Stimmung unterwerfen, sondern braucht einen Kompass, der auch dann noch die Richtung vorgibt, wenn sich alles um ihn verändert hat.

Bismarck hatte einen solchen Leitstern in der Figur des alten Kaisers gefunden, der ein Mensch war, wie er selbst. Aber die Haltung des Dieners wurde zwar an der Figur des Kaisers eingeübt, sie galt aber allein Gott. Das Verhältnis zu einem Monarchen hat entweder diese, das Religiöse verwirklichende Dimension, oder es hört auf überhaupt von Belang zu sein. Vielleicht war dies ja zwischen Wilhelm I. und Bismarck das letzte Mal in der Geschichte der Fall.

Das authentische Reden Bismarcks von der Gottesfurcht jedenfalls, scheint ja beinahe anzuschließen an die Passage aus dem 1. Timotheusbrief, die wir gehört haben und in der es heißt: Die Gottesfurcht ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des künftigen Lebens.

Als Bismarck im Februar 1888 seine Reichstagsrede mit jenen vielzitierten Worten hält: -„Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts in der Welt, und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt“- da stellte er sich damit ausdrücklich gegen die sehr verbreitete Kriegsstimmung im Reich und in Europa.

So konnte viel später, nämlich 1912, dann auch der Staatssekretär Kiderlen-Wächter auf die Frage, ob ein Bismarck in der deutschen Politik fehlt, feststellen: „Richtig verstanden: Ja! Die Autorität eines Bismarck fehlt, nicht um eine schneidige Politik durchzuführen, sondern um die von ihm festgelegten Grundsätze der Mäßigung und Vorsicht einer unvorsichtig gewordenen öffentlichen Meinung gegenüber zu vertreten und zur Geltung zu bringen.“

Ich bin der festen Überzeugung, dass Bismarck diese Grundsätze der Mäßigung und Vorsicht, wie sie hier genannt werden, aus keiner anderen Quelle heraus entwickelt hat, als aus seiner Gottesfurcht. Die Mahnung zur Gottesfurcht ist nach Paulus nun wiederum sogar genau das, was einen guten Diener Christi Jesu ausmacht, und worin er sich auch selbst üben soll. „Die Gottesfurcht ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.“ Sie ist darum von so gewaltiger Bedeutung, weil wir Menschen gültige Maßstäbe nicht in uns selber finden können, sondern nur in der Verehrung des Wesens, das uns und alles geschaffen hat. In dieser Haltung kann man Zeiten und Menschen voneinander unterscheiden. Man erkennt diejenigen, die Gutes gebaut haben und jene, die zerstören. Es ist in diesen Tagen genau 50 Jahre her, dass das Geburtshaus des Reichsgründers gesprengt wurde. Wir sollen aber die Geschichte nicht gegeneinander instrumentalisieren, aber wir sollen immer aus ihr lernen. Inzwischen wurden viele Dinge wieder zurecht gebracht, und wir erinnern uns mit unverstelltem Blick an die Geschichte dieses Ortes. Lasst uns zu denjenigen gehören, die aufbauen und nicht zu jenen, die zerstören. Auch darin nehmen wir etwas von dem Dienst auf, den der Fürst selbst seinem Lande geleistet hat. Er hat recht daran getan, zu schreiben: Ein treuer deutscher Diener.

Amen"

Die Ansprache wurde gehalten von Thomas Roloff, Dipl. theol. und Vorsitzender des Gemeindekirchenrates Schönhausen/Elbe

Dienstag, 29. Juli 2008

Unfreiwillig verlängerte Fahrradtour

Ich war es leid, verkrampft vor dem Computerbildschirm zu hocken und mir dabei zuzusehen, wie das wenige, was an Geist übrig war, auch noch aus meinem Kopf flüchtete. Wenn schon der Geist tot war, vielleicht sollte der Körper bewegt werden?

Die Hitze ließ nach, es dämmerte, war aber noch hell genug, daß nichts gegen eine kleine abendliche Fahrradtour sprechen konnte. Tatsächlich, ich fahre seit kurzem wieder Rad, teils durchaus unsicher und der Verschleiß wird bei meinem Lebendgewicht (na ja „Lebend“) an dem armen Vehikel auch beträchtlich sein.

Wenn es hier etwas gibt, dann Gegend und stillgelegte Eisenbahnstrecken u.dgl., ich blicke flüchtig auf eine Karte und fahre los. Diesmal nicht zum See, sondern auf das nächste Dorf zu in den Sonnenuntergang. Da ich inzwischen offenbar ein Faible für Untergänge entwickelt habe, erschien mir das ganz passend.

Der vermutete Weg fand sich bald. Fahrradfahren war ausdrücklich erlaubt,



anderen wurden buchstäblich immer wieder Steine in den Weg gelegt.


Ich kam an eine halbverfallene Brücke, die sich über ein kleines Bachtal schlug.


Dahinter Acker und wieder Acker und ein wenig Feldrain.


Ärgerlicherweise ging der Weg in die völlig falsche Richtung. Ich hätte natürlich den Weg zurück nehmen können. Wir nicken verständig, wenn wir hören, man solle einen als falsch erkannten Weg zurückgehen, aber tun wir das auch, natürlich nicht, wir suchen nach Abkürzungen, Ausreden, immerhin war es wohl nicht unbedingt opportun, den Rückweg zu wählen, da es doch inzwischen merklich dunkler geworden war und zur Erinnerung – die Steine.


Ich sah mich also schon in hohem Bogen über das Lenkrad gehen, Schieben? Auf keinen Fall, aber in einiger Entfernung schien sich rechts ein Feldweg abzuzeichnen, zumindest deutete ich so die Linie der Büsche und Bäume und begab mich also notgedrungen auf das Getreidefeld, der Spur folgend, die irgendein landwirtschaftliches Fahrzeug regelmäßig hinterlassen hatte.

Es gab keinen Feldweg, jedenfalls lange Zeit nicht, ich steckte mitten auf einem recht ausgedehnten Weizenfeld, jedesmal, wenn ich glaubte, an einen Weg zu kommen, waren es ein paar Büsche , Sträucher, es wurde dunkler, um mich nur der Geruch von reifem Korn, in der Ferne waren die Lichter des Dorfes zu erkennen, bis zu dem ich eigentlich überhaupt nicht gewollt hatte.

Nach einer eher mühseligen Fahrt über das Weizenfeld (inzwischen in nächtlicher Dunkelheit) kam ich dort endlich an, ich war an der Rückseite des Friedhofs (sic!) gelandet, die Dorfstraße war immerhin zu erkennen, aber es gab keinen einsehbaren Weg am Friedhof entlang ins Dorf, ich bewegte mich an der rückwärtigen Seite diverser Grundstücke vorbei, kein Weg, letztlich schlich ich mich über eines, um zur Straße zu gelangen. Es ist ein eigentümliches Fremdheitsgefühl, ungebeten nachts auf fremdem Grundstück zu spazieren, mir lag unentwegt der Satz auf der Zunge, „ich bin kein Einbrecher“, zum Glück gab es keine Hunde.

Der Rückweg war, abgesehen von einer weiteren mißratenen Abkürzung, kein erhebliches Problem. Nach knapp 2 Stunden war ich zurück, etwas später als geplant. Das Ganze geschah am Sonntagabend.

Ich habe den Weg heute Nachmittag an seinem Beginn etwas rekonstruiert, in Gänze, das wäre wohl doch ein wenig zu ambitioniert gewesen. Das Feld ist inzwischen abgeerntet. Der Rückweg zu Fuß von dem fatalen Abzweigungsort hätte übrigens vermutlich weniger als eine halbe Stunde gedauert.

Die Originalität spontaner Ideen wird häufig entschieden überschätzt.

Montag, 28. Juli 2008

Randy Pausch

Etwas zögerlich nehme ich hier gelegentlich Verweise auf bemerkenswerte, anrührende oder in anderer Weise lesenswerte Funde auf. Randy Pausch's „Last Lecture“ gehörte seit einiger Zeit dazu. Dieser Informatikprofessor, der nicht damit hinter dem Berg hielt, daß er demnächst sterben würde, hielt seine letzte Vorlesung mit umwerfendem Humor:

„Wenn ich nicht so deprimiert erscheine, wie ich sollte, Entschuldigung.“

„Erfahrung gewinnt man, wenn man nicht das bekommt, was man haben wollte.“

„Mauern sind dazu da, um Menschen aufzuhalten, die etwas nicht wirklich wollen.“

„Ich sterbe und ich habe Spaß.“

Aus dem Zusammenhang gelöst, wirken manche seiner Sätze vielleicht oberflächlich oder zu einfach, jedenfalls sehr amerikanisch, aber wenn man seine ganze Vorlesung, was ich gestern noch einmal getan habe, in Gänze auf sich wirken läßt, spürt man, daß hinter all dem mehr steht und die große Aufmerksamkeit, die er daraufhin erlangt hat, nicht von ungefähr kommt.

Randy Pausch ist am 25. Juli 2008 an den Folgen seiner Erkrankung an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben.

Sonntag, 27. Juli 2008

Über Freundschaft

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle einmal ein Photo meiner hoch unwichtigen eigenen Persönlichkeit einfügen, aber das Grauen erfaßte mich jedesmal, und so suchte ich Trost in den Bildern meiner Freunde, ich glaube, ich darf das so sagen, und da ich an einem besonders gelungenen mehrmals hängengeblieben bin, sei es hier präsentiert, zwei Damen unterschiedlichster Wesensart und genauso höchst unterschiedlich liebenswürdig und liebenswert.




Das Leben mag seine verschlungenen Pfade bereithalten, und diese Pfade sind manchmal sehr lang und ermüdend, ohne offenkundige Aussicht auf Änderung, aber es hält immer die Möglichkeit bereit, auf Menschen zu treffen, deren Bild man als unzerstörbaren Schatz in seinem Inneren aufbewahren darf.

Samstag, 26. Juli 2008

Über die Fortdauer von Namen

Die Gegend, in der wir leben, hieß noch vor einiger Zeit "Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz". Nun das "Groß" war bei 2.929,5 km² Ausdehnung etwas hochgestapelt. Aber da die Strelitzer Herzöge darauf bedacht waren, den gleichen Rang wie ihre Schweriner Vettern zu wahren, obwohl sie bei der letzten Teilung Mecklenburgs 1701 den deutlich kleineren Teil des Landes erhalten hatten, gelang es ihnen bei der Standeserhöhung der Schweriner mitzuhalten.

Recht eigentlich "bekannt" ist es wohl nur durch die Einheiratungen in andere deutsche bzw. europäische Fürstenhäuser geworden, zunächst denkt man natürlich an die hochverehrte Königin Luise, aber es gab auch eine Sophie Charlotte, Schwester Herzog Adolph Friedrichs IV. und seit 1761 als Gattin Georgs III. englische Königin.

1773 nun erlangte der Botanische Garten von London eine aufsehenerregende Blume, die im südlichen Afrika ihre Heimat hat, und zu Ehren der Königin Sophie Charlotte benannte man diese Blume bzw. ihre ganze Gattung nach deren Heimat Mecklenburg-Strelitz: "Strelitzia" bzw. "Strelitziaceae".

Völker vergehen, Länder verschwinden und bedeutsame Namen versinken im Vergessenwerden. Vielleicht bleibt von ihnen der Name eines Flusses, eines Berges, eines Monats oder eben einer Blume. So lebt der Name dieses vergangenen kleinen Großherzogtums immerhin in einer Blume weiter.




"Strelitzia reginae", Berthold Werner, gefunden hier

Freitag, 25. Juli 2008

Die „Nicky-Cooper- Saga“

Wir alle sind auf der Suche nach Schönheit, wir sind dankbar, wenn wir auf inspirierte Worte stoßen, die uns den Reichtum der Sprache überraschend neu und gleichzeitig vertraut aufschließen, so daß sie zu einem begehbaren Raum wird, in dem die Dinge in eine transzendente Schönheit getaucht werden, wo unsere amputierten Gefühle wieder vollständig geheilt nach allem greifen, was tief, berührend, farbenfroh, einfach, geistvoll, natürlich, verbindend, rein, herz-und geisterwärmend ist.

Dies war die Welt von Nicky Cooper, beschrieben in den Blogs “Cooper’s Corridor” und später “Nico’s Niche”, „ Just a gay man of the woods living in Northern BC ... ardent naturalist, ecologist, a passionate lover of the earth's wild and hidden places“, eines jungen Familienvaters halb indianischer Abstammung mit 2 adoptierten Kindern, eines Ökologen und Feuerwehrmanns, der die Freundschaft und Verehrung von anderen Menschen geradezu magisch an sich zog. Diesen Menschen hat es nie gegeben.

Es gab diese Sprache, die eine wertvolle Fiktion erzeugt hat, es gab Menschen, die dieser Fiktion vertraut haben und sich ihr geradezu existentiell ausgeliefert haben und es gibt eine Person, die dies alles niedergeschrieben hat, vermutlich eine 52jährige Großmutter aus British Columbia mit Namen Jo, die vorgibt, seit sie ein kleines Mädchen gewesen sei, hätte sie sich im falschen Körper gefühlt und darum eine innere Person geschaffen, diese Person hätte sie "Nicky" genannt.

Zunächst hätte sie "Nicky" vor allem in ihren Tagebüchern beschrieben, aber dann verschaffte ihr das Internet gewissermaßen die Möglichkeit, diese Person lebendig werden zu lassen, sie konnte agieren, Freundschaften schließen, Menschen auf sich aufmerksam machen, dazu nutzte sie etwa Bilder ihrer Enkel, die in ihre Obhut kamen, sie benutzte auch einfach Worte, Bilder und Gedanken von fremden Menschen, die sie irgendwo fand und die sie in ihre Fiktion einbaute, ein Bild wie gesagt von sprachmächtiger Schönheit und zu Herzen gehender Integrität.

Denn es war ja nicht einfach so, daß etwas beliebig zusammengeklaubt wurde, sondern diese Person hat einfach alle sich bietenden Ressourcen –persönliche Korrespondenzen, fremde Websites, eigene Gedanken, alles Mögliche verwendet, um dieses stimmige Bild zu erzeugen. Ich habe nur wenige Reste davon materiell bewahren können, aber selbst mit dem jetzigen Wissen, sobald ich auf diese Relikte schaue, ersteht das Bild eines liebenswerten und originellen, unverwechselbaren Menschen, an dessen Existenz verständlich der Verstand, aber das Gefühl in keiner Sekunde zweifelt.

Wir alle sind auf der Suche nach Erlösung, diese Frau von sich, wir von dem, was uns von uns selbst fernhält, wir würden uns gern anders erfinden, das macht uns auch verwundbar und verführbar. Ich will damit schließen, daß ich durch eben diesen „Cooper“ in einen Kreis von Menschen gestolpert bin, die ich angesicht meiner Voraussetzungen sonst nie kennengelernt hätte, und ich gestehe, ich stehe da immer noch etwas verlegen am Rand herum. Ich will nur noch 2 Dinge anmerken, durch eben diese Geschichte etwas sensibilisiert, den Titel dieser Geschichte habe ich einer Mail von Greg Waagner entlehnt und die Phrase der „transzendenten Schönheit“ rührt von diesem Gentleman her.

Eigentlich wollte ich übrigens darüber schreiben, wie ich heute eine junge Amsel, die sich in unserem Haus verflogen hatte, nach draußen brachte und wie sie, nachdem ich sie auf dem Großen Stein im Garten abgelegt hatte, lange Zeit überhaupt keine Anstalten machte fortzufliegen. Sie war wohl zu überrascht, warum dieses große schwarze Tier sie nicht einfach aufgefressen hat.

Donnerstag, 24. Juli 2008

morgendliches Nachdenken


Über Täuschungen

Eine meiner erfreulichsten Leseerfahrungen des letzten Jahrs waren die Beiträge von "Nicky Cooper" zuerst in seinem Blog "Cooper's Corridor" (er steht noch als Erinnerung in der Linkliste) und dann in dessen privaten Nachfolger "Nico's Niche". Ich machte hierin die verschiedensten Erfahrungen: Dankbarkeit für eine äußerst poetische und tiefgründige Weltsicht, die auch immer etwas tröstend Aufbauendes hatte, Unzufriedenheit mit mir selbst wegen meines Unvermögens, die englische Sprache einigermaßen zu beherrschen, Freude darüber, andere bemerkenswerte Menschen über seinen Blog kennenzulernen oder etwa auch darüber, nach dem überraschenden Schließen seines ersten Blogs zum Lesen des privaten Nachfolgers eingeladen zu werden.
Es gab zahlreiche enthusiastische Leser außer mir, einer, der von mir hochgeschätzte Greg Waagner, jemand, dessen charakterliche Integrität für mich beispielgebend ist, teilt jetzt mit, daß höchst unsicher ist, wieviel an Herrn Coopers Person authentisch ist, da er offensichtlich nicht nur ganze Texte von anderen Blogs unter seinem Namen übernommen hat, sondern auch deren Bilder...
Die Person, der sozusagen eine Welle der Sympathie entgegengeschlagen war, ist zu einem momentan unbestimmbaren Teil eine Fiktion, sie ist auch nicht mehr aufindbar. Er hat also völlig überzeugend einen begabten, teilnahmsvollen, inspirierten Menschen erfunden, als Literatur wäre das vielleicht noch ganz unterhaltsam, aber wie gesagt mit dem Gestus der Authentizität und dann auch noch aus zusammengeklaubtem Material... Immerhin kann man ihm beachtliche einfühlende Intelligenz nicht absprechen.
Das ist eine dieser wirklich traurigen Geschichten, vor allem, da Herr Cooper ja unbestreitbar Talent besaß bzw. besitzt, denn um es noch einmal zu sagen, die Person, die sich uns vorstellte, war in der Tat bemerkenswert.
Die Motive bleiben dabei rätselhaft, hielt er sein eigenes Leben für so wenig mitteilenswert, hatte er eine zu geringe Meinung von seinen sprachlichen Fähigkeiten, wir wissen es nicht.
Mir sind in meinem Leben schon des öfteren Täuschungen begegnet und wenn man sich auf den betreffenden Menschen näher eingelassen hatte, bleibt man immer mit einem Gefühl des Besudeltseins und der Leere zurück und es wächst die Unsicherheit, unbefangen auf andere Menschen zuzugehen. Das ist die beträchliche Gefahr - innerlich zu versteinern. Ich werde versuchen, die Erinnerungen an die guten Gefühle zu bewahren, die mir durch "Cooper's Corridor" geschenkt wurden. "Also danke Mr. Cooper oder wie immer Sie heißen mögen und alles Gute."

Nachtrag

Es scheint, der junge Herr Cooper ist in Wahrheit eine 52jährige Großmutter, die sich diese Person erdacht hat, weil sie ihr eigenes Leben so unerträglich fand, das erinnert ein wenig an die JT LeRoy - Geschichte, nun, wer will, mag das hier weiterlesen, mir schwirrt im Moment noch zu sehr der Kopf, um dazu eine klare Bemerkung zu machen.

Dienstag, 22. Juli 2008

Bismarck und die Olympiade





Herr Thomas Roloff (Schönhausen/Elbe), der verdienstvollerweise immer wieder den Geburtsort Bismarcks als solchen in Erinnerung ruft, hat am 19. Juli in der "Magdeburger Volksstimme" folgende bemerkenswerten Verbindungen aufgezeigt:

"Bismarck und die Olympiade oder eine merkwürdige Folge der „Emser Depesche“ vom 19. Juli 1870

Hätten Sie gewusst, dass selbst die Olympischen Spiele auf eine gewisse Weise ihren Ursprung im altmärkischen Schönhausen haben?
Es war nämlich die französische Kriegserklärung an Preußen, die Bismarck durch die berühmte Emser Depesche genau heute vor 138 Jahren provoziert hatte und die in den Sturz des II. Kaiserreichs der Franzosen einmündete, die das Selbstgefühl der „Grande Nation“ zutiefst verletzte. Nicht zuletzt der Verlust Elsaß-Lothringens durch den Frankfurter Frieden saß wie ein Stachel in der Seele des französischen Volkes.
Nach Pierre de Coubertins Ansicht war es nun die sehr mangelhafte körperliche Ertüchtigung der französischen Soldaten, die als Hauptursache für die Niederlage anzusehen gewesen ist. Er begann sich nachdrücklich dafür einzusetzen, den Sportunterricht in den Schulen zu verbessern, wollte aber auch, durch die Wiederbelebung der olympischen Idee, feindliche nationale Konkurrenz einmünden lassen in das sportliche Rekordstreben nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“, um sie darin zu überwinden. Er sah in dem „Fest der Jugend der Welt“ einen Weg zum Frieden. Im sportlichen Wettkampf sollten sich die Völker messen und nicht auf den Schlachtfeldern.
Noch einmal verstärkt wurde Coubertins Einsatz dann durch die 1875 begonnenen und zunächst bis zum Jahre 1881 dauernden Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Olympia, wodurch die antiken Stätten erstmals systematisch freigelegt und erforscht wurden. Diese Grabungen brachten nämlich einen gewaltigen Schub der romantisch-idealistischen Antiken-Rezeption mit sich, und Baron Pierre de Coubertin sagte daraufhin: „Deutschland hat das ausgegraben, was vom alten Olympia noch vorhanden war. Warum sollte Frankreich nicht die alte Herrlichkeit wiederherstellen?“
So war es denn wohl wieder auch ein wenig französisch-deutsche Konkurrenz, die den Baron trieb, 1894 auf einem Kongress in Paris die Idee von den Spielen der Neuzeit zu präsentieren. Nur durch Kuriositäten kam es dann dazu, dass die ersten dieser Olympischen Spiele nicht, wie von Coubertin beabsichtigt, 1900 in Paris abgehalten wurden, sondern bereits 1896 in Athen und auch nicht der Baron erster Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wurde, sondern der Grieche Demetrius Vikelas, dessen Todestag sich am 20. Juli zum 100. Mal jährt."

o. T.


Montag, 21. Juli 2008

Kostas Karyotakis

Wie ich gerade lese, starb am 21. Juli 1928 Kostas Karyotakis, ein in seiner Heimat offensichtlich sehr beliebter griechischer Dichter, der mir bisher zu meinem offenkundigen Nachteil nicht das geringste sagte:

"Wir werden schlafen süß wie kleine Kinder,
so süß, und über uns im Himmelskreise
verlöschen Irdisches und die Gestirne.
Und wie ein Traum wird uns die Woge streicheln,
und blau wie eine Woge werden Träume
uns Länder zeigen, die es nie gegeben...

Die Rosen regen sich auf ihren Hecken
und kommen, um als Kissen uns zu dienen.
Um unsern Schlaf in Wohlklang zu verwandeln,
verschmähn die Nachtigallen ihren eignen.
Wir werden schlafen süß wie kleine Kinder,
so süß, und alle Mädchen unsres Dorfes
stehn um uns her wie wilde Birnenbäume
und beugen sich und sprechen im geheimen
von goldnen Hütten und von Sonnenstrahlen
am Sonntag, von schneeweißen Blumentöpfen..."

Dieses Gedicht spricht vom Tod und ist in Gänze hier aufzufinden.
Der Nachteil, eine Sprache nicht zu kennen, ist vor allem in der Lyrik schmerzhaft und dennoch, eine meiner sprachlichen Erweckungserfahrungen war das Werk von Odysseas Elytis, als literarischer Nobelpreisträger bekannt:

"O Körper des Sommers nackt verbrannt
Verzehrt von Öl und Salz
Körper des Felsens und Schauer des Herzens
Großes Wehen von Weidenhaar..."

(Körper des Sommers)

"Mitag aus Nacht Und nicht einer bei ihm
Nur seine treuen Worte, die all ihre
Farben mischten um seiner Hand zu
lassen eine Lanze aus weißem Licht..."

(Tod und Auferstehung des Konstantinos Paläologos)

Odysseas Elytis, "Glänzender Tag, Muschel der Stimme" Verlag Volk und Welt, Berlin 1982, in Lizenz aus Odysseas Elytis, Ausgewählte Gedichte, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 1979

Wir leben in einem Zeitalter der Denaturierung, Dinge verlieren ihren Geschmack, Worte ihre Bedeutung, Meinungen ihren Sinn. "Etwas in Frage zu stellen" ist eine der verabredeten Parolen, wenn es gilt, zu bekämpfen, was noch übrig ist.
Und darum bin ich aufrichtig dankbar, wenn es jemandem gelingt, ob als Dichter oder als Nachdichter, die Wirklichkeit dem Nichts zu entreißen, den Zwergenarmeen der Beliebigkeit und des gewalttätigen Geschwätzes zu trotzen und vor allem den Geist und das Sinnliche wieder miteinander bekannt zu machen, etwas, das in anderen Sprachen möglicherweise immer wieder eher gelungen ist als gerade im Deutschen.

Sonntag, 20. Juli 2008

Samstag, 19. Juli 2008

Gedenktage

Heute vor 138 Jahre, also am 19. Juli 1870 erklärte Napoleon III. Preußen den Krieg, ein Krieg, der mit dem Sieg Preußens und seiner Verbündeten und der Gründung des Deutschen Reiches endete.
Ich habe meine Verbindung zu dem Thema "Preußen" schon mehrfach aufgedrängt, u.a. hier.
Und übrigens, da ich auf der Suche nach diesem Link nicht gleich fündig wurde und einige der zurückliegenden Beiträge dabei mehr gezwungenermaßen im Vorbeigehen kurz angelesen habe:
Daß man in der Regel überwiegend bei seinem Geist und Verstand ist, das dürfte wohl eine Illusion sein, da war doch manchmal gruseliges Zeug dabei, inhaltlich und, schlimmer noch, sprachlich, aber ich habe den Impuls unterdrückt zu löschen, gewissermaßen zum Zwecke der Selbsterziehung. Zurück zum Thema.
Für historische Ausführungen bin ich nicht berufen genug, auch wenn es einem natürlich in den Fingern zuckt, wenn man sieht, wie "Historiker" die Maske der Wissenschaft benutzen, um ihre überschaubaren Meinungen zu oktroyieren, wer will kann hier und hier weiterlesen...
Ich habe Schlimmeres zu bieten, die Erinnerung an ein kindliches Gemüt, das wohl doch nicht so ganz unschuldig war, wie soeben noch vermutet, und dessen patriotische Gefühle exakt 100 Jahre zu spät waren.

Freitag, 18. Juli 2008

Über Zeichnungen von Kindern

Der von mir hochgeschätzte Herr Waagner aus Cape Cod hätte mich mit seinem Blog fast veranlaßt, ein paar herübergerettete Kinderzeichnungen hier zu präsentieren, aber ich bin doch noch davor zurückgeschreckt, zumal sie eher monothematisch sind.
Mauern, Festungen, Mauern, Burgen, Drachen, Prinzessinnen, Ritter, Fahnen, griechische Götter, Zinnen, befestigte Häfen mit zahlreichen Koggen, Könige, auch die Variationen bewegen sich in dieser Richtung.
Es ist also nichts Aufregendes zu erwarten, ein psychologisch geschulter Beobachter mag sein schnelles Urteil fällen, das dessen ungeachtet durchaus richtig sein mag.
Was weiterhin rührt, ist das aufgefundene Gespür für eine sichere Wahrheit, für unzerstörbare Bilder, für unerschöpfbare Bedeutungen, das mag über die folgenden Jahrzehnte etwas verlorengegangen sein.
Das Versprechen, das wir als Kind abgaben, vermögen wir nur zu selten zu erfüllen.

Donnerstag, 17. Juli 2008

Gedenktage

Vor 90 Jahren wurde Zar Nikolaus II. mit seiner Familie in Jekaterinburg ermordet. Es dürfte kaum ein Jahrhundert geben, in dem grundsätzlich so vieles falsch gelaufen ist wie im 20.
Das Deutsche Reich gab an dessen Beginn zu den größten Erwartungen und Hoffnungen hinreichend Anlaß, der Fortgang der Geschichte ist bekannt. Es dürfte auch kaum ein Jahrhundert geben, in dem so vieles zerstört wurde, im materiellen Sinne, aber auch im geistigen und moralischen.
Eines dieser betrüblichen Kapitel ist das Schicksal Rußlands und der Anfang des Verhängnisses verknüpft sich sinnfällig mit der Ermordung von Nikolaus II. und dessen Familie, einer Gewalttat, der noch viele folgen sollten im Namen einer Idee, die die Menschheitsbeglückung auf ihre Fahnen geschrieben hatte.
Nikolaus hat zweifelsohne Chancen vertan, die Rußland zu seiner Zeit besaß und viele Herausforderungen einfach nicht erkannt. Allerdings ist eines erstaunlich, es ist immer schwer Wert oder Unwert einer Epoche zu gewichten, aber wenn man schlicht den Grad an Gewalt und der Vernichtung menschlichen Lebens zum Maßstab nimmt, dann ist vor dem Nachfolgenden die nachwirkende negative Wertung der Regentschaft Nikolaus II. unbegreiflich.
Die russische Orthodoxie verehrt ihn heute auf Grund seines Märtyrertodes als Heiligen.

o.T.


Mittwoch, 16. Juli 2008

Es regnet in Broda


Langandauernder Regen löst bei bei mir, wenn nicht hinderliche Umstände dazwischentreten, geradezu reflexhaft ein Gefühl angenehmer Melancholie aus, verbunden mit dem dringenden Bedürfnis, eine Oper von Händel anzuhören. Zumindest taucht in meinem Gemüt sofort regelmäßig das "Lascia Ch'io Pianga" aus seinem "Rinaldo" auf.



Und übrigens, da diese Oper sich Torquato Tassos "Gerusalemme liberata" bedient, mithin dem Thema der Kreuzzüge: Heute vor 796 Jahren, am 16. Juli 1212 fand bei Las Navas de Tolosa eine entscheidende Schlacht der Reconquista statt. Ein Bündnis aus Kastilien, Aragón und León unter Alfons VIII. besiegte die maurischen Almohaden unter Kalif Muhammad an-Nasir. Seit dieser Schlacht fiel ein Gebiet Spaniens nach dem anderen an die Christen zurück bis zur Eroberung Granadas am 2. Januar 1492.

Dienstag, 15. Juli 2008

Sonntag, 13. Juli 2008

Briefe & al

Es ist schwierig, etwas halbwegs Bemerkenswertes zustande zu bringen, wenn der eigene Computer die Angewohnheit entwickelt abzustürzen, und es wird nicht leichter, wenn sein Nachfolger ihm in gewisser Weise nacheifert. Es ist schon erstaunlich, wie man von solchen Dingen, neben vielem anderen, abhängig wird.
Es läge auf der Hand, jetzt sentimental dem Zustand nachzutrauern, in dem Papier und Federhalter eine ganze Welt zu imaginieren vermochten und man sich Briefe schrieb, Briefe! Wobei auch dies nicht zu gering geachtet werden sollte. Als ich endlich einmal wieder meine Sachen sortierte, blieb ich an mehreren Stapeln alter Briefe hängen. Zum Teil aufschlußreichste Bemerkungen von Menschen, deren Name mir nur unter größten Mühen noch etwas sagte, von anderen, zu denen jeglicher Kontakt längst abgerissen war, und die ebenfalls etwas Interessantes zu erzählen hatten, man sollte übrigens in solchen Situationen den Impuls erdrosseln, aus Rührung peinliche Wiederbelebungs- versuche zu starten, nichts ist lächerlicher und auch fruchtloser, als einen vergangenen Zustand wiederbeleben zu wollen, Reanimierungsbemühungen an einem Skelett, eher unappetitlich, es gibt keine Veranlassung, da enttäuscht zu sein, man sollte seine Erinnerungen achten und darum als solche intakt bewahren, aber auch Ausführungen von verehrten, längst verstorbenen Begleitern der Jugend, die diese erinnerte Verehrung sofort nachvollziehbar machten.
So ist jeder Gewinn zugleich auch ein Verlust - eine dieser üblichen Plattitüden. Shelley wird darüber hinweggekommen sein, daß seiner hier jüngst nicht gedacht wurde.

Dienstag, 8. Juli 2008

Über Dinge


Es ist ja nun nicht so, daß wir auf dem Trümmerhaufen unseres Lebens sitzen und fröhlich vor uns hin pfeifen. Das Erfreuliche an all diesem Gruseligen ist, daß sich die Dinge auflösen, Gewohnheiten, Unsicherheiten, Vorurteile, Rücksichtnahmen, worauf auch immer.
Ich habe gerade noch bemerkt, daß ich zunächst geschrieben hatte: „die Dinge“, denn das ist falsch, wenn mich eine Überzeugung nie verlassen hat, dann die, daß es eine Reinheit der Dinge gibt, Elemente, die bereitliegen, um eine unzerstörte, genauer gesagt lebenswerte Ordnung wieder zu errichten, in der das Leben zu sich selbst zurückfindet (keine Sorge, der Autor ist noch nicht vollends abgedriftet).
Und bei all diesen merkwürdigen Wanderungen und Beobachtungen, bei allen, manchmal verstörenden Beobachtungen, lernt man doch eines, wo wirklich Liebe wohnt (und wirkt) und daß es so viel Staunenswertes und Schönes gibt.

Samstag, 5. Juli 2008

Amerikanische Verwirrungen

Die Faszination an Amerika ist zum größeren Teil an mir vorübergegangen, das ist zunächst für sich gänzlich uninteressant. Für mich selbst wurde es das dadurch - da dieses kuriose Medium sozusagen ständig Querschläger produziert - daß unter den Blogs (resp. deren Autoren), die ich interessant und (horribile dictu) sympathisch fand, eher kanadische und us-amerikanische waren. Darum wäre es albern zu sagen, daß ich überrascht von der Woge von Patriotismus gewesen wäre, die mir um den 4. Juli herum entgegengeschlagen ist.

Um dem ersten Gedankengang noch kurz Nachträge angedeihen zu lassen - in meiner Kindheit galten in einer spezifischen Verdrehtheit meine Sympathien zuerst den Indianern, später dann, in gereifterem Alter, den Konföderierten, nun ja.

Aber, was mir gegenwärtig geworden ist, es ist ein ungeheurer Wert, einer Nation anzugehören, die ein Bild, die Übereinkunft eines Wertes von sich aufweisen kann. Mögen die eigenen Vorstellungen auch in die unterschiedlichst anderen Richtungen driften, man kann eine Nation nicht auf Ablehnung, und sei es eines zutiefst Ablehnungswürdigen bauen, das zerfrißt nur, vielleicht gewollt.


Übrigens, ein Amerikaner mit einem ebenfalls bemerkenswerten Blog, den es nach Montreal verschlagen hat, verschaffte uns nachfolgendes Musikerlebnis.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Dat ward all wedder




Die Geschichte meiner Beziehung zum Mecklenburgischen ist eine Sache für sich und darum ist die folgende Beobachtung auch keiner schlichten Begeisterung oder etwas ähnlichem geschuldet.

Zu meinen Pflichten zählt die Begleitung von jemandem zu seinen regelmäßigen Arztbesuchen, das ist eingeschränkt unterhaltsam, aber bei den diversen Stationen, die mir helfenderweise obliegen, kommt es auch immer wieder einmal zu etwas wie diesem:

Ein junger Mann in einem begrenzt modischen weißen Anzug quälte sich sichtlich an zwei Stöcken in Richtung Aufzug, an ihm arbeitete sich eine ältere Dame vorbei, stieg in den sich öffnenden Fahrstuhl und rief etwas in der Art von „nu man tau“.

Eine kleine Anmerkung: Meine Kenntnis des Plattdeutschen ist rudimentär, wie viele verstehe ich das meiste, aber es korrekt wiederzugeben, überfordert bereits deutlich meine Fähigkeiten, nun ja.

Darauf entspann sich ein Dialog, aus dem hervorging, der junge Mann war froh, sich überhaupt noch auf seinen eigenen Beinen bewegen zu können, sie hätten amputieren wollen, „affschneden, man einfach so?“, nein einfach so wohl nicht, die wären mehrfach gesplittert gewesen und unter weiteren Ausführungen landete er endlich im Fahrstuhl bei der älteren Dame, die sich, während er sich bereits schloß, in breitestem Platt festhielt: „Dat ward all wedder.“

Das war in einem alltäglichen Sinne bewegend. Und bemerkenswert fand ich vor allem, wie sich in einer bestimmten Sprache so viel Möglichkeit zur Herzenswärme speichern kann, die in einem gebotenen Augenblick mühelos und selbstverständlich nutzbar ist, wenn jemand über eben diese verfügt.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Gartenweisheit

Der von mir hochgeschätzte Herr Waagner, der immer wieder bemerkenswerte Beiträge aus und über seinen Garten in Cape Cod verfaßt, schrieb gerade in seinem Blog:

„Im Garten lernst du, das Leben ist nicht immer fair. Anbetungswürdige Hasen haben eine Vorliebe für wertvolle Pflanzen. Eine Pflanze, perfekt und voller Versprechen an einem Tag, kann am nächsten niedergemäht werden durch einige anonyme Insekten oder versehentlich zertreten von einigen eifrigen Hunden. Wind kann Lilien abreißen oder Hagel zerschlägt deine Tomatenpflanzen. Alles was du tun kannst, ist den Schlamassel in Ordnung zu bringen, herauszufinden, was du aus der Erfahrung lernen kannst, und weiterzugehen in der Hoffnung, daß beim nächsten Mal die Dinge möglicherweise ein wenig anders laufen.“

O.T. II.