Freitag, 7. August 2009

Über Häßlichkeit

Dean Grey, ein Künstler aus Chicago, schrieb gerade, daß Einzigartigkeit Häßliches schön machen kann: „Can you find the loveliest parts in something grotesque? Do you see how pretty the disgusting can really be? Is there something charming about the sadness?“

Lesenswert, schon wegen der Bilder. Auch wenn ich gestehen muß, daß ich mit Häßlichem erhebliche Schwierigkeiten habe (ich bekomme etwa Ohrenkrämpfe und Schüttelanfälle, wenn ich volkstümliche Volksmusik hören muß), vielleicht fehlt mir da noch ein wenig Weisheit. Aber was ich durchaus selbst erlebe, daß die Konzentration auf Schönheit und auf aus anderen Gründen Angenehmes zuerst den Blick und dann die innere Verfassung verändert. Wir alle haben schließlich die verschiedensten Dinge, die täglich auf uns eindringen oder uns stören - Banales, Ermüdendes, Beunruhigendes, Überraschendes, Anrührendes, … Und schon allein unsere Entscheidung, welchem davon wir welche Aufmerksamkeit schenken, verändert die Welt um uns und in uns.

Es gibt eine merkwürdige Geschichte, die durch Goethe auf uns gekommen ist. In seinen „Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Diwans“ verweist er auf den persischen Dichter Nezāmi und dessen Gleichnis vom verwesenden Hund, vor dem sich alle Vorübergehenden ekeln, nur Jesus bleibt stehen und zeigt auf die unversehrte Schönheit seiner perlenweißen Zähne.

„Herr Jesus, der die Welt durchwandert,
Ging einst an einem Markt vorbei;
Ein toter Hund lag auf dem Wege,
Geschleppet vor dem Hauses Tor;
Ein Haufe stand ums Aas umher,
Wie Geier sich um Äser sammeln.
Der eine sprach: „ Mir wird das Hirn,
Von dem Gestank ganz ausgelöst“.
Der andere sprach: “ Was brauch es viel,
Der Gräber Auswurf bringt nur Unglück“.
So sang ein jeder seine Weise,
Des toten Hundes Leib zu schmähen,
Als nun an Jesus kann die Reih;
Sprach, ohne Schmähn, er guten Sinns,
Er sprach aus gütiger Natur:
„Die Zähne sind wie Perlen weiß“.
Dies Wort macht den Umstehenden,
Durchglühten Muscheln ähnlich, heiß.“

7 Kommentare:

Mr. Urs hat gesagt…

Ich bin ja der Meinung, man sollte nicht ohne eigenen Koch reisen. Vor 6 Jahren bin ich jedoch auch mit einem eigenen Künstler gereist. Das war im Winter im Nordosten Sibiriens. Unser Reisekünstler heisst Urs Twellmann. Er verbrachte Stunden auf Eis und Schnee. Das faszinierende war, danach seine Photographien anzuschauen. Es war als ob er auf einer anderen Reise gewesen ist. Er sah wunderbare Dinge in dieser Einöde, die wir anderen einfach nicht wahrnahmen.

Vom Reisephotographen, den wir auch noch dabei hatten, stammt übrigens das Bild oben an meinem Blog.

MartininBroda hat gesagt…

Ich hatte schnell mal hineingeschaut, aber man braucht offenkundig einen Zugang, wenn man mehr sehen will, um Goethe abzuwandeln, der sagte, man sieht nur, wovon man weiß - man sieht offenkundig erst, nachdem man sich entschlossen hat, sehen zu wollen.

Das Bild oben hatte mir übrigens schon immer gefallen.

Pilgrim hat gesagt…

You insult our Lord over zhe edge!

MartininBroda hat gesagt…

Dear Pilgrim, I don’t think so. Some weeks ago I would put this comment in the trash. But today I’m hesitant, a bit. Why, there are other reasons I won’t make public, but let us look at this. A muslim, a Persian poet tells a story about our Lord. Do we like them, not really. But is it a false story. Our Lord has mercy for the lowest creatures and he has overcome the dead and he shows us beauty at most hidden places. So is this (not my) story an insulting one. No. But you should tell someone, not me, why do you think you should react in this way. God bless you.

Dean Grey hat gesagt…

Martin!

I appreciate the shout out!

-Dean

MartininBroda hat gesagt…

Thanks, but I hope the shout out was not too loud. Sorry it was a bit impolite not to make a translation. I will make one immediately.

MartininBroda hat gesagt…

About ugliness
(my so much belated translation)

Dean Grey, an artist from Chicago, just wrote that uniqueness can make ugly things beautiful: „ Can you find the loveliest parts in something grotesque? Do you see how pretty the disgusting can really be? Is there something charming about the sadness? “

Already worth reading because of the pictures. Even if I have to confess I have substantial difficulties with ugly things (I get e.g. ear cramps and hysteric fits from the so called German folk music (explanation, it has nothing to do with really folk music)), perhaps I’m missing still a little wisdom. But I quite experience, concentration of beauty and on for other reasons pleasant things changes the view first and then the internal constitution. We all have the most diverse things, which came daily to us or disturb us - banal, fatigue, disturbing, surprising, touching… and already our decision, to which of it we give which attention, changes the world around us and in us.

There is a strange story, which came by Goethe to us. In his “Notes and papers for a better understanding of the West-Eastern Divan” he refers to the Persian poet Nezāmi and his parable of a decaying dog, where all passing with disgust, only Jesus stops and he points to the unspoiled beauty of his pearly white teeth.
(Sorry my English is too poor to translate the poem.)