Vere dignum et iustum est, aequum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere: Domine, sancte Pater, omnipotens aeterne Deus: per Christum Dominum nostrum.
Wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam ist‘s / daß wir dir, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott / allezeit und allenthalben Dank sagen / durch Jesum Christum, unsern Herren.
Das zweite ist in etwa eine Übersetzung des vorigen. Wir kommen darauf noch zurück. Es ist der Anfang der Präfation beim Abendmahl. Bekanntlich wird dem gegenwärtigen Papst gern vorgeworfen, er würde die Gegenwart, die Moderne als ein Zeitalter der Krise sehen, das abzuwehren wäre, das man einfach durchstehen müsse. Er befände sich in Frontstellung zu nahezu jeder neuzeitlichen Errungenschaft. Seine Antwort – nun er kam seinen Kritikern entgegen, auf gewisse Weise, die Messe gestern im Olympiastadion wurde über weite Strecken in Latein gehalten, herrlich.
Cuius mortem in caritate celebramus, resurrectionem fide vivida confitemur, adventum in gloria spe firmissima præstolamur. Et ideo, cum Sanctis et Angelis universis, te collaudamus, sine fine dicentes:
Dessen Tod in Liebe wir feiern, dessen Auferstehung wir bekennen mit lebendigem Glauben und dessen Kommen in Herrlichkeit wir erwarten mit fester Zuversicht. Durch welchen deine Majestät loben die Engel / anbeten die Herrschaften / fürchten die Mächte; die Himmel und aller Himmel Kräfte samt den seligen Seraphim / mit einhelligem Jubel dich preisen.
Darauf folgt dann das Sanctus. Bis auf die kurze Stelle, die kein „/“ – Zeichen enthält, ist der deutsche Text die traditionelle Version der korrespondierenden lateinischen Worte, wie sie einmal in der Liturgie des lutherischen Gottesdienstes in Gebrauch war. Heute ist das abgeschliffener. Mich hat diese Sprache in der Kindheit unglaublich beeindruckt, als würde man wie durch einen Türspalt in eine poetische Welt blicken.
Die Chronologie an diesem Ort ist durcheinandergeraten, die Vermutung liegt nahe, von daher, daß ich mich schwertat, zu recht. Aber inzwischen bin ich nun sogar schon vermahnt worden, wo denn der versprochene Bericht bliebe. Ich fand also am gestrigen Tage hier nicht statt, da ich in Berlin war, um dem Papst zuzujubeln, zumindest habe das gern ein paarmal provozierend so gesagt, dabei kann ich eigentlich gar nicht jubeln, da muß man mich schon sehr provozieren, so wie vor 15 Jahren. Und wo ich diesen Beitrag beende, ist es der darauffolgende Mittwoch, aber das ist uninteressant, zurück zum Papst, dem Anti-Modernisten.
Natürlich spricht er nicht gegen jede moderne Erfindung: Er hat die Menschenrechte gelobt, das Grundgesetz, und dabei in seiner Rede im Reichstag an den Ursprung dieser Dinge erinnert. In meinem Sonnabendbeitrag habe ich seine Rede vorgestellt. Aber in der Tat, er hat keine Bange, sich notfalls gegen eine ganze Welt zu stellen, wenn er denn der Meinung ist, die Welt irrt, derartiges nennt man mitunter Nonkonformismus. Erinnert uns das vielleicht an einen gewissen Luther. Er hat zu ihm ein paar Bemerkungen gemacht, in seinem alten, Luthers, Kloster.
Benedikt XVI. über Luther
Und dieser Rede wollen wir ein wenig folge, ich jedenfalls (der Text findet sich hier). Dem „liebe(n) Bruder Präses Schneider“ dankt er zunächst für die Aufnahme und betont dann: „Sie haben Ihr Herz geöffnet, den wirklich gemeinsamen Glauben, die Sehnsucht nach Einheit offen ausgedrückt“. Es sei für ihn als Bischof von Rom bewegend daß dieses Zusammenzutreffen im alten Augustinerkloster zu Erfurt stattfände. „Hier hat Luther Theologie studiert. Hier ist er zum Priester geweiht worden… Was ihn umtrieb, war die Frage nach Gott, die die tiefe Leidenschaft und Triebfeder seines Lebens und seines ganzen Weges gewesen ist. ‚Wie kriege ich einen gnädigen Gott‘: Diese Frage hat ihn ins Herz getroffen und stand hinter all seinem theologischen Suchen und Ringen. Theologie war für Luther keine akademische Angelegenheit, sondern das Ringen um sich selbst, und dies wiederum war ein Ringen um Gott und mit Gott.“
Damit hat er schon einmal angedeutet, daß das theologische Suchen eine sehr ernste Angelegenheit ist, später hat er dann sinngemäß gesagt, über den Glauben könne man nicht verhandeln. Allerdings!
„‚Wie kriege ich einen gnädigen Gott?‘
Daß diese Frage die bewegende Kraft seines ganzen Weges war, trifft mich immer wieder ins Herz. Denn wen kümmert das eigentlich heute noch …? Was bedeutet die Frage nach Gott in unserem Leben? In unserer Verkündigung? Die meisten Menschen, auch Christen, setzen doch heute voraus, daß Gott sich für unsere Sünden und Tugenden letztlich nicht interessiert. Er weiß ja, daß wir alle nur Fleisch sind. Und sofern man überhaupt an ein Jenseits und ein Gericht Gottes glaubt, setzen wir doch praktisch fast alle voraus, daß Gott großzügig sein muß und schließlich mit seiner Barmherzigkeit schon über unsere kleinen Fehler hinwegschauen wird. Die Frage bedrängt uns nicht mehr. Aber sind sie eigentlich so klein, unsere Fehler? Wird nicht die Welt verwüstet durch die Korruption der Großen, aber auch der Kleinen, die nur an ihren eigenen Vorteil denken? Wird sie nicht verwüstet durch die Macht der Drogen, die von der Gier nach Leben und nach Geld einerseits, von der Genußsucht andererseits der ihr hingegebenen Menschen lebt? Wird sie nicht bedroht durch die wachsende Bereitschaft zur Gewalt, die sich nicht selten religiös verkleidet? Könnten Hunger und Armut Teile der Welt so verwüsten, wenn in uns die Liebe zu Gott und von ihm her die Liebe zum Nächsten, zu seinen Geschöpfen, den Menschen, lebendiger wäre? … Nein, das Böse ist keine Kleinigkeit. Es könnte nicht so mächtig sein, wenn wir Gott wirklich in die Mitte unseres Lebens stellen würden. Die Frage: Wie steht Gott zu mir, wie stehe ich vor Gott – diese brennende Frage Luthers muß wieder neu und gewiß in neuer Form auch unsere Frage werden, nicht akademisch sondern real. Ich denke, daß dies der erste Anruf ist, den wir bei der Begegnung mit Martin Luther hören sollten.“
Damit hat der Papst schon einmal festgehalten, daß die Sünde etwas Reales ist, etwas, das zerstört. Das Böse, dem wir uns ausliefern, wenn wir es verniedlichen, leugnen oder gar benutzen, zerstört Mensch und Schöpfung und trennt uns von Gott. Sünde ist keine Erfindung der Kirche, um Menschen, in ein Gefängnis der Angst zu stecken, sondern die Kirche ist aufgerufen, den Menschen aus seinem Schlaf der Selbstgefälligkeit zu reißen.
"Was Christum treibet"
Das andere, was Luther auszeichne, sei seine Hinwendung zu Christus: „ Gott, der eine Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, ist etwas anderes als eine philosophische Hypothese über den Ursprung des Kosmos. Dieser Gott hat ein Gesicht, und er hat uns angeredet. Er ist im Menschen Jesus Christus einer von uns geworden – wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich. Luthers Denken, seine ganze Spiritualität war durchaus christozentrisch: ‚Was Christum treibet‘, war für Luther der entscheidende hermeneutische Maßstab für die Auslegung der Heiligen Schrift. Dies aber setzt voraus, daß Christus die Mitte unserer Spiritualität und daß die Liebe zu ihm, das Mitleben mit ihm unser Leben bestimmt.“
Auf das Gemeinsame schauen
Damit ist er schon einmal seiner eigenen Aufforderung nachgekommen, das Gemeinsame zu suchen: „Das Notwendigste für die Ökumene ist zunächst einmal, daß wir nicht unter dem Säkularisierungsdruck die großen Gemeinsamkeiten fast unvermerkt verlieren, die uns überhaupt zu Christen machen und die uns als Gabe und Auftrag geblieben sind.“ Man habe lange „gar nicht existentiell wahrgenommen…, was uns mit den großen Vorgaben der Heiligen Schrift und der altchristlichen Bekenntnisse gemeinsam ist“. „Es ist für mich der große ökumenische Fortschritt der letzten Jahrzehnte, daß uns diese Gemeinsamkeit bewußt geworden ist, daß wir sie im gemeinsamen Beten und Singen, im gemeinsamen Eintreten für das christliche Ethos der Welt gegenüber, im gemeinsamen Zeugnis für den Gott Jesu Christi in dieser Welt als unsere gemeinsame, unverlierbare Grundlage erkennen.“
Es bliebe noch anzudeuten, daß er im Übrigen damit nicht nur an das Gemeinsame erinnert, sondern auch die evangelische Kirche auf ihre Ursprünge verweist (die das, nebenbei bemerkt, durchaus nötig hat). Und dann macht er klar, daß sein Gesprächspartner möglicherweise ein wenig zu viel Bauchnabelschau betreibt, mit dem von ihm als problematisch Empfundenen. Denn neben dem Säkularisierungsdruck (der, um auch das anzumerken, vor allem ein Problem des alten Europa ist) gibt es weltweit eher ein anderes, nämlich das einer sehr aggressiven und damit auch erfolgreichen neuen Religiosität, die sich für christlich hält. Der Papst dürfte vor allem die Pfingstkirchen gemeint haben, die etwa in Südamerika sehr erfolgreich sind. Und hier sei das Gemeinsame schon deutlich weniger. Aber um ihn selbst zu Wort kommen zu lassen:
„Die Geographie des Christentums hat sich in jüngster Zeit tiefgehend verändert und ist dabei, sich weiter zu verändern. Vor einer neuen Form von Christentum, die mit einer ungeheuren und in ihren Formen manchmal beängstigenden missionarischen Dynamik sich ausbreitet, stehen die klassischen Konfessionskirchen oft ratlos da. Es ist ein Christentum mit geringer institutioneller Dichte, mit wenig rationalem und mit noch weniger dogmatischem Gepäck, auch mit geringer Stabilität. Dieses weltweite Phänomen ... stellt uns alle vor die Frage: Was hat diese neue Form von Christentum uns zu sagen, positiv und negativ? Auf jeden Fall stellt es uns neu vor die Frage, was das bleibend Gültige ist und was anders werden kann oder muß – vor die Frage unserer gläubigen Grundentscheidung."
Die Abwesenheit Gottes
Und dann kehrt doch noch einmal nach Europa zurück und beschreibt exakt, warum er sich in der an ihm oft kritisierten Abwehrhaltung sieht:
„Tiefgehender und in unserem Land brennender ist die zweite Herausforderung an die ganze Christenheit, von der ich sprechen möchte: der Kontext der säkularisierten Welt, in dem wir heute als Christen unseren Glauben leben und bezeugen müssen. Die Abwesenheit Gottes in unserer Gesellschaft wird drückender, die Geschichte seiner Offenbarung … scheint in einer immer weiter sich entfernenden Vergangenheit angesiedelt.“
Wie aber begegnet man dieser Gottesferne? „ Muß man dem Säkularisierungsdruck nachgeben, modern werden durch Verdünnung des Glaubens? Natürlich muß der Glaube heute neu gedacht und vor allem neu gelebt werden, damit er Gegenwart wird. Aber nicht Verdünnung des Glaubens hilft, sondern nur ihn ganz zu leben in unserem Heute. Dies ist eine zentrale ökumenische Aufgabe, in der wir uns gegenseitig helfen müssen: tiefer und lebendiger zu glauben.“
Oder anders gefragt, überlebt das Christentum an diesem Ort durch Anpassung, indem es möglichst viel seiner Substanz als Ballast abwirft und so zu einer Art Kulturverein wird oder muß es seine Substanz wieder stärker finden und leben, Benedikts Antwort ist klar:
„Nicht Taktiken retten uns, retten das Christentum, sondern neu gedachter und neu gelebter Glaube, durch den Christus und mit ihm der lebendige Gott in diese unsere Welt hereintritt.“ Auch heute sei der in „einer säkularisierten Welt von innen gelebte Glaube die stärkste ökumenische Kraft, die uns zueinander führt, der Einheit in dem einen Herrn entgegen. Und darum bitten wir Ihn, daß wir neu den Glauben zu leben lernen und daß wir so dann eins werden.“
Und nun?
Soweit der Papst. All dies wurde als Würdigung Luthers goutiert, aber ansonsten war man von evangelischer Seite mächtig enttäuscht. Warum eigentlich? Wenn der Papst dort nach einem Ansprechpartner suchen würde, der Verbindlichkeit garantieren kann, er griffe ins Leere. Der Protestantismus ist lange schon auf einer Geisterfahrt ins Vage. Er war stark in seinen Anfängen, und an diese hat der Papst auch deutlich erinnert.
Ist Christus auferstanden oder doch irgendwie nicht oder ist er nur ins Kerygma auferstanden? Der Protestantismus hat sich geistlich aufgebraucht weitgehend, das ist bitter für einen Lutheraner. Aber wo ist denn das Entsetzen über die Abwesenheit Gottes in der evangelischen Kirche? Man fühlt sich doch ganz kommod in der Gegenwart und wird dafür zur Belohnung als belanglos herablassend geduldet. Aber beim Papst, da schwillt die Ader, da rennt man offen oder verhüllt gegen an. Er schließt aus - ja natürlich, das macht auch jede biologische Zelle, solange sie überlebt. Er ist intolerant, durchaus - wenn tolerant sein heißt, anzuerkennen, daß es so etwas wie Wahrheit gar nicht gibt (Pilatus grüßt aus der Ferne - „quod es veritas“). Er ist dogmatisch! Ach du Schreck, wirklich? Dogmen sind der Versuch, geleitet vom Heiligen Geist die Substanz des Glaubens auszusprechen. Aber wer braucht Gründe, wenn die Anschuldigungen so gefallen?
Zurück zum Papst ins Olympiastadion. Ein Bekenntnis, das überraschen mag: Ich fremdel bei solchen Veranstaltungen. Das ist schwer zu erklären. Vielleicht reicht ein Verweis auf den Moment, als die Eucharistiehelferin traurig nickte, nachdem ich die dargebotene Hostie abwies mit dem Wort „Protestant“. Ich fremdel wo ich die katholische Kirche als Partei empfinde. Und natürlich war ich Protestant in dem Moment, bin es sonst auch, aber wo zu Hause? Ich weiß es nicht.
Jeder Mensch steht direkt zu Gott. Die Kirche ist kein Gnadenverwaltungsapparat, wo das Heilige auf Flaschen gezogen im Laden steht. Da ist die katholische Kirche etwas in Gefahr. Und dann bin ich eben in der Sprache aufgewachsen, die oben als Zweites steht, dafür kann die katholische Kirche nichts. Und als die Menge in der Messe auf Latein respondierte, war es durchaus eine Mischung aus Fremdeln und Glücksgefühl, es war unglaublich. Innerlich bin ich wohl noch auf der Suche nach der „unam sanctam“ und finde sie tatsächlich oft - bei diesem Papst. Dann empfinde ich den Papst nicht als katholisch, das klingt kurios, ich weiß, in seinen Büchern, in ihm als Person sehe ich dies christlich Verbindende, Zusammenhaltende, Zusammenschließende.
Ich habe vor einiger Zeit an Frère Roger, den Gründer von Taizé erinnert und wie er mit seiner Person für die Heilung des Risses zwischen den Konfessionen einstand. Als Protestant erhielt er bei der Beisetzung Johannes Pauls II. von Kardinal Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., die Kommunion. Das erregte Aufsehen. Seine Antwort darauf war, er habe seine Identität als Christ darin gefunden, „in mir den Glauben meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem zu brechen“.
Und Kardinal Kasper griff bei dessen Beisetzung dies auf, indem er sagte: „Er wollte den Glauben der ungeteilten Kirche leben, ohne mit irgend jemandem zu brechen, in tiefer Brüderlichkeit. Er glaubte vor allem an die Ökumene der Heiligkeit, jener Heiligkeit, die den Grund der Seele verändert und allein zur vollen Gemeinschaft führt.“
Der Riß zwischen den Konfessionen kann nur durch Glauben überwunden werden, Frère Roger vermag uns nicht mehr zu erzählen, wie er den Riß für sich selbst überwand.
Um noch einmal den Heiligen Vater zu Wort kommen zu lassen:
„Benedicat vos omnipotens Deus: Pater et Filius et Spiritus Sanctus“
„Es segne Euch der allmächtige Gott: Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“
beendet am 28. September
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