Mittwoch, 21. September 2011

Über Matthäus &


Offen gestanden sollte hier diesmal etwas ganz anderes zu finden sein, aber nun gut. Herr Roloff hat heute an seinem Heimatort Schönhausen eine Andacht gehalten, da am „Gedenktag des Evangelisten Matthäus seine Figur nach aufwendiger Restaurierung in die Schönhauser Kirche zurückkehren“ wird und mit einer Andacht begrüßt würde. „Auch die anderen drei Evangelistenfiguren sollen an ihren jeweiligen Festtagen wieder in die Kirche einziehen. Das wird also am 18.Oktober, dem Tag des Lukas, dem 27. Dezember, dem Tag des Evangelisten Johannes und am 25. April, dem Markustag, der Fall sein, bevor am 29. April 2012 der ganze Altar wieder seiner Bestimmung übergeben werden kann.“ Das freut uns. Auch wenn ich eigentlich ein paar Bemerkungen darüber machen wollte u.a., wie es sich wohl anfühlen wird, wieder zurück in Berlin zu sein, ein wenig, weil uns der Heilige Vater besucht, wir werden sehen.

Und hier folgt nun folglich die Ansprache:

Ansprache St. Matthäus 2011

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

vier Flüsse strömen aus dem Paradies, vier Jahreszeiten durchleben wir, vier Himmelsrichtungen weisen uns den Weg, vier Elemente formen die Welt, und vier Dimensionen kennt unsere Vorstellung. Die vier schafft ein Ganzes. Besonders schön ist das noch an unserem Begriff des Stadtviertels erlebbar. Erst vier Viertel machen eine Stadt. So ist es denn auch von besonderer und ganz naheliegender Bedeutung, dass vom Leben Jesu und vom durch ihn gewirkten Heil vier Evangelisten berichten. Erst alle vier geben ein ganzes Bild.

Es ist vielleicht so, wie wenn der Nomade von seiner Wüste berichtet, der Eskimo vom Schnee erzählt, ein Europäer eine pulsierende Großstadt vor Augen stellt, und ein Seefahrer die Weiten der Meere. Erst gemeinsam geben sie ein Bild von der Welt, auch wenn sich die Berichte vermutlich in Allem widersprechen werden.

Das ist vielleicht einer der Charakterzüge der Moderne, und man muss leider auch sagen der modernen Theologie, dass sie viel zu viel Unterschiede und Widersprüche sucht und dann nach Korrekturen verlangt, wo sie die Weite und Wahrheit des Evangeliums als Ganzes in den Blick zu nehmen verpflichtet wäre.

Joseph Ratzinger, der gegenwärtige Papst, hat darum diese moderne Theologie einmal mit dem Hans im Glück verglichen. Der Goldklumpen, der dem Hans anvertraut war, hat sich durch Tauschgeschäfte nach und nach in einen Schleifstein verwandelt. Auch wir könnten Hans getrost raten, ihn in den Brunnen zu werfen, denn er ist nichts mehr wert.

Liebe Gemeinde,

der Übergang ist ein wenig abrupt, aber vielleicht liegt ja auch in diesem Gedankengang einer der Gründe dafür, dass wir unsere Altarretabel wieder so überreich mit Gold versehen, weil wir damit an den Schatz erinnern wollen, der uns im Evangelium anvertraut ist.

Der Altar ist auch in seinem Bildprogramm ein eindrückliches Werk, denn die Evangelisten, von denen heute der erste, Matthäus, wieder in die Kirche zurückgekehrt ist, werden durch den gekreuzigten Christus zu einer Einheit – und wir werden zu Menschen, von denen in der Berufungsgeschichte des Matthäus die Rede ist. Wir nämlich sind die Gemeinschaft der Zöllner und Sünder, wir sind die Kranken, die des Arztes bedürfen. Wenn wir überhaupt einen Vorzug haben, dann ist es nur der, dass wir als Christen entschieden um unser Sündersein wissen, und es vor der Welt bekennen, und uns vertrauensvoll an denjenigen wenden, der gekommen ist, um uns zu rufen.

Liebe Gemeinde,

darum allein versammeln wir uns als wartende Gemeinschaft vor dem Altar mit dem Blick nach Osten, weil wir auf seinen Ruf hoffen, weil wir einander zuhören, weil wir eine Gemeinschaft der Unvollkommenen sind. Niemand würde bei uns auf die Idee kommen rauszugehen. Das Wesen guter menschlicher Gemeinschaft ist es immer, dass man einander zuhört.

Levi-Matthäus war ein Zöllner, und er war dankbar, dass er in Jesus endlich jemanden gefunden hatte, der ihm zuhörte, bei dem er sein durfte.
Diese Geschichte wird uns nun gegenwärtig sein, wenn wir vor unserem Altar sitzen und nach Osten blicken. Wir können die Kunstfertigkeit der damaligen Handwerker bestaunen, die das Bildwerk vor nun bald 300 Jahren schufen und können gewahr werden, dass mit jener Erneuerung der Kirche auch die Folgen des 30-jährigen Krieges überwunden wurden.

Es wird aber auch so sein, dass sich nun die Arbeit derjenigen, die den Altar restaurieren mit ihm verbindet. Auch ihre Namen und ihr Fleiß bleiben mit dem Bildwerk nun verbunden. Das gilt natürlich auch für alle, die dieses Werk durch Spenden oder anderes Engagement unterstützten. Das Bildwerk wird zum lebendigen Ausdruck unseres Zusammenlebens. Es belehrt uns, es erfreut uns, es braucht auch weiterhin unsere Pflege, es wird zum Sinnbild unserer Gemeinschaft.
Vor allem aber kündet es von demjenigen und sammelt unseren Blick auf denjenigen, der sagt: „Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unsern Herrn. Amen
Thomas Roloff

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