Donnerstag, 29. März 2012

Herr Voß nochmals


Homers Odüßee [Odyssee] übersetzt von Johann Heinrich Voß.
© Foto H.-P. Haack, hier gefunden

Hin und wieder erinnere ich an Johann Heinrich Voß (er starb am 29. März 1826), weil er ein verdienstvoller Mann war, vor allem als Übersetzer der Werke Homers und anderer antiker Autoren, und weil er dazu ein bedeutender Mecklenburger war. Das ist nun einmal die Landschaft, in der ich lebe, und wie bereits gelegentlich erwähnt, gibt es davon nicht so maßlos viele.

Es ist ein wenig schwierig, wenn man etwas von ihm bringen will. Die Stücke sind in der Regel sehr lang (selbst Auszüge, die in sich halbwegs abgeschlossen wären), und bei seinen eigenen Sachen, nun sagen wir es so: Bei einigen Autoren, die vor etwas mehr als 200 Jahren geschrieben haben, spürt man die trennende Zeit kaum, bei anderen schon. Leider gehört unser Mann meist zu den anderen.

Das nachfolgende Gedicht fand ich fast durchgehend ganz charmant, der Schluß ist ihm nach meinem Empfinden nicht recht gelungen, aber man sehe selbst.


Die Morgenheitre

Du kühle Morgenstunde,
Wie lächelst du so hold!
Du trägst im Rosenmunde
Der Weisheit lautres Gold.
Dein Wolkenkranz erblühet,
Von Purpurlicht durchglühet;
Der Nebel sinkt, wie Rauch gerollt.

Empor, o Wunder! tauchet
Die Sonn in rotem Strahl!
Schon glühn die Höhn; noch rauchet
Von Duft das krumme Tal.
Es taumeln froh und schweben
Die neuerwachten Leben
Durch Erd und Himmel allzumal.

Mein Geist auch strebt, gebadet
In dieser Strahlenflut,
Und schauert hochbegnadet
Mit Kraft und frischem Mut.
O reines Licht, durchläutre
Mich ganz mit deiner Heitre,
Zu schaun, was wahr ist, schön und gut!

Ich soll, wo Irrsal schattet,
Das Licht der Wahrheit streun;
Ich soll, was träg ermattet,
Zu Lebenskraft erneun;
Ich soll durch Red und Lieder
Zur Menschlichkeit die Brüder,
Zur freien Menschlichkeit sie weihn!

Mag Trug und Wahn auch häufen
Verfinsterung der Luft;
Bald fließt in Silberstreifen
Das Nachtgewölk wie Duft!
Nicht gab dir Gott vergebens
Den Geist des edlern Lebens!
Geh hin und leuchte, wo er ruft!

Wenn selbst der Freund verkennend
Sich weg vom Freunde neigt;
Bald straft, in Zorn entbrennend,
Bald dumpfen Groll verschweigt:
Doch gehe froh und trage
Die Fackel, bis es tage!
Der Nebel sinkt, die Sonne steigt!

3 Kommentare:

Morgenländer hat gesagt…

Ja, der Voß. Der doch so ganz anders geartete Heine schreibt über ihn in der "Romantischen Schule":

"Dieser Mann ist in Frankreich gar nicht bekannt, und doch gibt es wenige, denen das deutsche Volk in Hinsicht seiner geistigen Ausbildung mehr verdankt als eben ihm.

Er ist vielleicht nach Lessing der größte Bürger in der deutschen Literatur.

Jedenfalls war er ein großer Mann."

Und da muss man dem Herrn Heine doch wirklich mal Recht geben.

Herzliche Grüße
Morgenländer

DirkNB hat gesagt…

Ich musste ein wenig suchen, um meine Odyssee zu finden, aber sie ist leider sowieso nicht von Herrn Voß. Ein Herr Scheibner zeichnet für die "Übertragung aus dem Griechischen" verantwortlich.

MartininBroda hat gesagt…

An beide: Ach naja, aber soviel Lokalpatriotismus mußte denn doch irgendwie sein, außerdem war er tatsächlich verdienstvoll. Man nimmt vieles so selbstverständlich, was es noch gar nicht so lange ist, wenn überhaupt.

Da ja der Sonntag blockiert ist, aus bekannten Gründen, und mir im Moment etwas die Zeit zwischen den Händen... werde ich in wenigen Minuten einen Gastbeitrag vorziehen, über den Erfinder des Wortes "Zivilcourage", nur nebenbei.