Montag, 10. September 2012

Über das Meer bei den alten Juden


William Blake "Ancient of Days"

Man merkt der Bibel an, daß das kleine Bergvolk, dem Gott sich akkomodiert (oder „inkulturiert“?) hat, eher mit der Wüste vertraut war als mit dem Meer. Das blieb ihnen vor allem fremd und geheimnisvoll, gefährlich. Außerdem saßen an der Küste die Philister, für lange Zeit.

Es gibt bekanntlich über den Wandel des Bildes von Gott, das uns aus der Bibel entgegentritt, 2 Theorien. Kurz gefaßt behauptet die eine, Gott habe eine Biographie, vom Natur- und Berggott der Anfänge hin zu dem, der seinen Sohn am Kreuz für die Menschheit leiden ließ, er wäre über die Jahrtausende gewissermaßen „erwachsen“ geworden, brauchte das Gegenüber des Menschen, um seiner bewußt zu werden. C. G. Jung vertritt dies etwa in seinem „Antwort auf Hiob“.

Die für mich plausiblere Gegenthese wäre, daß der menschliche Geist sich nur langsam aus seinen steinzeitlichen Anfängen emporzuarbeiten vermochte, zu Gott hin. Schließlich sind die Zeugnisse der Bibel auch nach christlicher Überzeugung von Menschen geschrieben, Gottes Wort spricht aus den Worten der Bibel, aber beides ist nicht identisch, er hatte nun einmal nur die Menschen der jeweiligen Zeit. Die Anschauung von der Verbalinspiration, der z. B. der Islam anhängt, wird allenfalls noch von ein paar Schwärmern und Sektierern vertreten.

Beginnen wir also mit der Schöpfung (was naheliegt, 1. Mose Kap. 1 V. 1 ff.):
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.“ Das Wasser hat Gott offenbar von Anbeginn mit erschaffen, denn „und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser“. Dann erst erschafft er das Licht: „Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag“.

Es eine gewissermaßen noch halbchaotische Welt, beherrscht vom Element des Wassers, welches erst einmal in seine Grenzen zu weisen ist. Das geschieht zunächst durch die Erschaffung des Himmels, „die Feste“, die die Wasser trennen soll. „Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also. Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag.“

Die Ordnung der Schöpfung nimmt Gestalt an und endlich entsteht das Meer:
„Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, daß man das Trockene sehe. Und es geschah also. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war.“

Julius Schnorr von Carolsfeld

Die Beziehung Gottes zu den Menschen ist bald von schweren Enttäuschungen belastet, und da Gott nun einmal auch für das vollgültige Wesen des Menschen steht, bedeutet das, jener verfehlt damit sich selbst. Gott verfällt auf den naheliegenden Gedanken, das Böse physisch austilgen zu wollen; eine schwierige Methode, wie wir inzwischen wissen, da es sich so einfach denn doch nicht scheiden läßt.

„Aber die Erde war verderbt vor Gottes Augen und voll Frevels. Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden. Da sprach Gott zu Noah: Alles Fleisches Ende ist vor mich gekommen; denn die Erde ist voll Frevels von ihnen; und siehe da, ich will sie verderben mit der Erde.“
(1. Mose Kap. 6, V. 11 ff.)

Gott findet in Noah einen kleinen Kern bewahrenswerter Menschheit und löscht den Rest einfach aus, indem er die Schöpfung teilweise wieder aufhebt, vorübergehend. Ein Neustart gewissermaßen, und natürlich kommt das Wasser als Element des Chaos ins Spiel. All dies ist sehr ambivalent. Worin etwa hätten denn die Tiere gesündigt, und warum durften die Meeresbewohner naturgemäß überleben? Aber wir wollen nicht rechten, vor allem nicht über Atavismen (davon trägt man selbst genug mit sich herum, so sage ich oft „Ihr Götter!“ wenn ich mich erschrecke oder dgl.).

„Gehe in den Kasten, du und dein ganzes Haus; denn ich habe dich gerecht ersehen vor mir zu dieser Zeit. Aus allerlei reinem Vieh nimm zu dir je sieben und sieben, das Männlein und sein Weiblein; von dem unreinen Vieh aber je ein Paar, das Männlein und sein Weiblein... Denn von nun an über sieben Tage will ich regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles, was Wesen hat, was ich gemacht habe. Und Noah tat alles, was ihm der HERR gebot....

Und da die sieben Tage vergangen waren, kam das Gewässer der Sintflut auf Erden... das ist der Tag, da aufbrachen alle Brunnen der großen Tiefe, und taten sich auf die Fenster des Himmels, und kam ein Regen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte.

Da kam die Sintflut vierzig Tage auf Erden, und die Wasser wuchsen und hoben den Kasten auf und trugen ihn empor über die Erde. Und das Gewässer nahm überhand und wuchs so sehr auf Erden, daß alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel bedeckt wurden. Da ging alles Fleisch unter, das auf Erden kriecht, an Vögeln, an Vieh, an Tieren und an allem, was sich regt auf Erden, und alle Menschen. Alles, was einen lebendigen Odem hatte auf dem Trockenen, das starb. Also ward vertilgt alles, was auf dem Erdboden war, vom Menschen an bis auf das Vieh und das Gewürm und auf die Vögel unter dem Himmel; das ward alles von der Erde vertilgt. Allein Noah blieb übrig und was mit ihm in dem Kasten war. Und das Gewässer stand auf Erden hundertundfünfzig Tage.“
(1. Buch Mose, Kap. 7 und Kap. 8 im Nachfolgenden)

Gott wird besänftigt und er gedachte „an Noah und an alle Tiere und an alles Vieh, das mit ihm in dem Kasten war, und ließ Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen; und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel ward gewehrt; und das Gewässer verlief sich von der Erde immer mehr und nahm ab nach hundertfünfzig Tagen. Am siebzehnten Tage des siebenten Monats ließ sich der Kasten nieder auf das Gebirge Ararat. Es nahm aber das Gewässer immer mehr ab bis auf den zehnten Monat. Am ersten Tage des zehnten Monats sahen der Berge Spitzen hervor.“

Und endlich, nachdem die Erde wiederhergestellt war:
„Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allerlei reinem Vieh und von allerlei reinem Geflügel und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“

Julius Schnorr von Carolsfeld

Das Meer kommt noch an einer anderen Stelle als Macht der Zerstörung in der Hand Gottes ins Spiel, nämlich als Israel bei seinem Auszug aus Ägypten von den Ägyptern verfolgt wird:

„Da nun Mose seine Hand reckte über das Meer, ließ es der HERR hinwegfahren durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken; und die Wasser teilten sich voneinander. Und die Kinder Israel gingen hinein, mitten ins Meer auf dem Trockenen; und das Wasser war ihnen für Mauern zur Rechten und zur Linken. Und die Ägypter folgten und gingen hinein ihnen nach, alle Rosse Pharaos und Wagen und Reiter, mitten ins Meer. Als nun die Morgenwache kam, schaute der HERR auf der Ägypter Heer aus der Feuersäule und Wolke und machte einen Schrecken in ihrem Heer und stieß die Räder von ihren Wagen, stürzte sie mit Ungestüm. Da sprachen die Ägypter: Laßt uns fliehen von Israel; der HERR streitet für sie wider die Ägypter.

Aber der HERR sprach zu Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, daß das Wasser wieder herfalle über die Ägypter, über ihre Wagen und Reiter. Da reckte Mose seine Hand aus über das Meer, und das Meer kam wieder vor morgens in seinen Strom, und die Ägypter flohen ihm entgegen. Also stürzte sie der HERR mitten ins Meer, daß das Wasser wiederkam und bedeckte Wagen und Reiter und alle Macht des Pharao, die ihnen nachgefolgt waren ins Meer, daß nicht einer aus ihnen übrigblieb. Also half der HERR Israel an dem Tage von der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres und die große Hand, die der HERR an den Ägyptern erzeigt hatte. Und das Volk fürchtete den HERRN, und sie glaubten ihm und seinem Knecht Mose.“
(2. Mose, Kap. 14)

Ende des 1. Teils

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