Dienstag, 11. September 2012

Über das Meer II



Kurz zur Erklärung, dieser und der vorige Beitrag sind entstanden, da ich heute in unserem hiesigen Lyrikzirkel einen kleinen Vortrag über das Meer in der Bibel halten soll (es geht um Meeresgedichte), er wird sicher etwas anders ausfallen, aber ich dachte, möglicherweise paßt dies ganz gut hierher.

Zurück zur Bibel, wir haben gehört, wie Gott das Meer einsetzt, um die Ägypter zu strafen und die Hebräer entkommen zu lassen. Er benutzt es aber auch, um ungehorsame Propheten zur Räson zu bringen:

„Es geschah das Wort des HERRN zu Jona, dem Sohn Amitthais, und sprach: Mache dich auf und gehe in die große Stadt Ninive und predige wider sie! denn ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich. Aber Jona machte sich auf und floh vor dem HERRN und wollte gen Tharsis und kam hinab gen Japho. Und da er ein Schiff fand, das gen Tharsis wollte fahren, gab er Fährgeld und trat hinein... Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, daß man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrieen, ein jeglicher zu seinem Gott, und warfen das Gerät, das im Schiff war, ins Meer, daß es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Stehe auf, rufe deinen Gott an! ob vielleicht Gott an uns gedenken wollte, daß wir nicht verdürben. …

Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, welcher gemacht hat das Meer und das Trockene. Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Warum hast du denn solches getan? denn sie wußten, daß er vor dem HERRN floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, daß uns das Meer still werde? Denn das Meer fuhr ungestüm. Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird euch das Meer still werden. Denn ich weiß, daß solch groß Ungewitter über euch kommt um meinetwillen... Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer; das stand das Meer still von seinem Wüten. Und die Leute fürchteten den HERR sehr und taten dem HERRN Opfer und Gelübde. Aber der HERR verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.

Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches. Und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir; ich schrie aus dem Bauche der Hölle, und du hörtest meine Stimme. Du warfest mich in die Tiefe mitten im Meer, daß die Fluten mich umgaben; alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, daß ich gedachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich bis an mein Leben, die Tiefe umringte mich; Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, die Erde hatte mich verriegelt ewiglich; aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott. Da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den HERRN; und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die da halten an dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir opfern, mein Gelübde will ich bezahlen; denn die Hilfe ist des HERRN.Und der HERR sprach zum Fisch, und der spie Jona aus ans Land.“
(Jona, Kap. 1 und 2)


„Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer
so würde mich doch deine Hand daselbst führen und deine Rechte mich halten.“

So sagt es der Psalm 139, fast wie ein Kommentar zur obigen Geschichte, und wir kommen nun in etwas poetischere Gefilde. Denn natürlich ist das Meer auch Teil der Schöpfung, von der Gott doch gesagt hatte, daß sie gut war.

„Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt.
Licht ist dein Kleid, das du anhast; du breitest aus den Himmel wie einen Teppich;
Du wölbest es oben mit Wasser; du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und gehst auf den Fittichen des Windes;
der du machst Winde zu deinen Engeln und zu deinen Dienern Feuerflammen;
der du das Erdreich gegründet hast auf seinem Boden, daß es bleibt immer und ewiglich.
Mit der Tiefe deckst du es wie mit einem Kleide, und Wasser standen über den Bergen.
Aber von deinem Schelten flohen sie, von deinem Donner fuhren sie dahin.
Die Berge gingen hoch hervor, und die Täler setzten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast.
Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken.
...
HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.
Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt's ohne Zahl, große und kleine Tiere.
Daselbst gehen die Schiffe; da sind Walfische, die du gemacht hast, daß sie darin spielen.“

So heißt es im Psalm 104, und während der erste Teil (V. 1 - 9) noch eine deutliche Reminiszenz an die Sintflutgeschichte darstellt, haben die letztgenannten Verse (24 – 26) schon geradezu etwas Idyllisches. Aber solche Verse sind selten. Eher typisch sind solche wie diese, in denen Gott dafür gedankt wird, daß er vor den Gefahren des Meeres gerettet hat:

„Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN, die er aus der Not erlöst hat und die er aus den Ländern zusammengebracht hat vom Aufgang, vom Niedergang, von Mitternacht und vom Meer.
...
Die mit Schiffen auf dem Meer fuhren und trieben ihren Handel in großen Wassern;
die des HERRN Werke erfahren haben und seine Wunder im Meer,
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte, der die Wellen erhob,
und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund fuhren, daß ihre Seele vor Angst verzagte,
daß sie taumelten und wankten wie ein Trunkener und wußten keinen Rat mehr;
die zum HERRN schrieen in ihrer Not, und er führte sie aus ihren Ängsten
und stillte das Ungewitter, daß die Wellen sich legten
und sie froh wurden, daß es still geworden war und er sie zu Lande brachte nach ihrem Wunsch:
die sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
und ihn bei der Gemeinde preisen und bei den Alten rühmen.“
(Psalm 107, 1 – 3, 23 – 32)

Das Meer bleibt zuallererst ein Ort der Gefahr, an dem man schon halb dem Tode geweiht ist, wenn man es denn unbedingt befahren muß oder will, ein Ort, in dem Ungeheuer hausen, der aber dabei doch Gottes Macht unterworfen bleibt

„Gott ist ja mein König von alters her, der alle Hilfe tut, die auf Erden geschieht.
Du zertrennst das Meer durch dein Kraft und zerbrichst die Köpfe der Drachen im Wasser.
Du zerschlägst die Köpfe der Walfische und gibst sie zur Speise dem Volk in der Einöde.“
(Psalm 74)

„Er breitet aus die Mitternacht über das Leere und hängt die Erde an nichts.
Er faßt das Wasser zusammen in seine Wolken, und die Wolken zerreißen darunter nicht.
Er verhüllt seinen Stuhl und breitet seine Wolken davor.
Er hat um das Wasser ein Ziel gesetzt, bis wo Licht und Finsternis sich scheiden.
Die Säulen des Himmels zittern und entsetzen sich vor seinem Schelten.
Von seiner Kraft wird das Meer plötzlich ungestüm, und durch seinen Verstand zerschmettert er Rahab.“
(Hiob 26, 7 – 12)

Enden wir unseren unvollständigen Überblichk über das Alte Testament mit diesem schönen Wort aus Jesaja (Kap. 48, V. 18):
„O daß du auf meine Gebote merktest, so würde dein Friede sein wie ein Wasserstrom, und deine Gerechtigkeit wie Meereswellen.“


Werfen wir noch einen kurzen Blick in das Neue Testament. Man mag jetzt von mir erwarten, erläutert zu bekommen, wie sich der archaische Gott des AT nunmehr verändert zeigt, aber das würde den Rahmen dieses Beitrages leider komplett sprengen. Vielleicht gelingt es mir später einmal, meine Eingangsbemerkungen dazu weiter auszuführen.

Auch im Neuen Testament haben wir unsere Schiffbruchs-Geschichte, Paulus erleidet diesen (Apostelgeschichte, Kap. 27).

Interessanter ist aber eine andere Fast-Schiffbruchs-Geschichte:
„Und da Jesus viel Volks um sich sah, hieß er hinüber jenseit des Meeres fahren.
Und er trat in das Schiff, und seine Jünger folgten ihm. Und siehe, da erhob sich ein großes Ungestüm im Meer, also daß auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward; und er schlief. Und die Jünger traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen: HERR, hilf uns, wir verderben! Da sagte er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer; da ward es ganz stille. Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, daß ihm Wind und Meer gehorsam ist?
(Matthäus Kap. 8, V 18, 23ff)

Julius Schnorr von Carolsfeld

Die Herrschaft über das Meer ist also nun auch auf den Sohn Gottes übergegangen. Eine durchaus hintergründige Geschichte, aber wir wollen sie diesmal nur als solche konstatieren. Eine Bemerkung aber doch zum „Meer“, das hier besänftigt wurde.

Es ist der See Genezareth, u.a. auch Galiläisches Meer oder See von Tiberias genannt, er liegt in Norden Israels im oberen Jordangraben. Sein Wasserstand schwankt, die größte Ausdehnung hat er mit bis zu 21 km Länge, an seiner breitesten Stelle ist er12 km breit, das ergibt dann eine Wasserfläche von 165 km² bei einem Umfang von 53 km. Der See ist mit 212 m unter dem Meeresspiegel der tiefstgelegene Süßwassersee der Erde daher auch die für ihn typischen tückischen Fallwinde. Er ist sozusagen das Pendant zum Toten Meer, doch eben als Süßwassersee, dies allerdings nur in seinem oberen Schichten. Für die Juden war er offenbar schon groß genug, um als „Meer“ zu gelten.

Wir erinnern uns, zu den ersten Schöpfungstaten gehörte die Erschaffung des Meeres. Und so, wie das erste Buch der christlichen Bibel von dessen Erschaffung erzählt, stellt das letzte Buch lapidar dessen endgültigen Untergang fest, nachdem die alte Schöpfung vergangen ist:
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr.“
Offenbarung des Johannes, Kap. 21, V. 1

Um doch noch einmal persönlich zu werden, dies ist eine Stelle gewesen, die mich schon als Kind immer sehr befremdet hat. Warum nun ausgerechnet das Meer untergehen muß? Aber ich denke, dies ist noch einmal ein Reflex des ambivalenten Verhältnisses, das der jüdische Mensch zum Meer hatte. Der Ort, von dem Chaos, Gefahr, ja der Tod ausgehen konnte, „ist nicht mehr“.

Julius Schnorr von Carolsfeld

5 Kommentare:

BHR hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
MartininBroda hat gesagt…

Lieber Herr Dr. Reisshauer, erst einmal vielen Dank! Offen gestanden, hatte ich zuvor Bedenken, ob es nicht unhöflich wäre, meinen Beitrag, der so auch nicht gehalten worden wäre, schon vorher zu veröffentlichen.
Am Konjunktiv können Sie erkennen, daß er nicht gehalten wurde und meine Bedenken insofern gegenstandslos wurden.
Für Ihre Kritik habe ich Verständnis, bitte haben Sie Ihrerseits Verständnis, daß ich mich dazu an diesem Ort nicht weiter äußern möchte.
Auch Ihnen einen guten Tag, er macht ja bisher hier bei uns einen recht annehmbaren Eindruck.

M. Wisser

BHR hat gesagt…

Sie haben recht. Ich habe meinen Kommentar auch schon gelöscht. Der Dank bleibt davon aber unberührt ...!

Walter A. Aue hat gesagt…

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr.“
Offenbarung des Johannes, Kap. 21, V. 1

Interessant. Das Meer scheint so ewig. Andrerseits, in ein paar Milliarden Jahren, nachdem unsere Sonne ein roter Riese (red giant) wurde und die Erdbahn in ihrem Vergluehen einschloss, wird es tatsaechlich einen neuen Himmel (ohne Sonne, aber mit Mond) und eine neue Erde (im Sonnenfeuer von der Schoepfung und im "Sonnenuntergang" von ihrer elliptischen Bahn befreit) geben und das Meer wird nicht mehr (d.h. verdampft) sein.

MartininBroda hat gesagt…

@Prof. Aue Dies mag kaum glaubhaft erscheinen, aber Ihre Bemerkung ging mir einige Tage nach. Ich habe dann am 31. Oktober (eigentlich war es der 30., aber es war sowieso spät, also lassen wir das Datum so) zu antworten versucht. Sie sind also gewissermaßen schuld an jenem Beitrag :)